Sonne in Krebs
Das männliche
Sonnenprinzip steht hier im Zeichen des Mondes, dem Zeichen, das
mit dem Archetyp des Weiblichen besonders stark verbunden ist,
deshalb finden wir hier den mütterlichen König, einen Helden, der
wie der Dummling durch die Anbindung ans Unbewusste, an seine
Seelentiefe auf den Thron kommt. Dieser König kann ein
schöpferischer Mensch sein – ein Künstler, Musiker, Maler – oder
einfach ein König mit einem liebevollen Herzen, der in seinem Reich
durch Verständnis und nicht durch Gewalt oder Strenge herrscht. Er
ist ein »matriarchaler« Mann.
Kleine Mädchen oder
Jungen mit Krebs-Sonne wünschen sich Mütterlichkeit, Verständnis
und Fürsorge vom Vater, unter Umständen mehr als von der Mutter. Ob
sie das bekommen, ist eine andere Frage, da es in unserer
Gesellschaft für Männer nach wie vor schwierig ist, diese
Eigenschaften auszuleben. Für Menschen mit Krebs-Sonne stellt sich
die Frage: Konnte dein Vater dir vorleben, wie man zu seinen
Gefühlen steht? Konnte er lachen, wenn ihm zum Lachen war, weinen,
wenn ihm zum Weinen war, oder hatte er ein Pokerface, immer
beherrscht und kontrolliert? Ein Vater, der seine Gefühle nicht
zeigt, ist für Krebs-Kinder besonders schmerzhaft; in solchen
Fällen tun sie oft alles, um den Vater gefühlsmäßig zu erweichen.
Ein Vater, der Wärme, Mitgefühl, Trost schenken kann, der einen in
den Arm nimmt, wenn es einem schlecht geht, der gute mütterliche
Qualitäten hat, ein Vater, der auch Träume deuten kann, der die
inneren Welten versteht, wird hingegen sehr geliebt
werden.
Die Schattenseite des
Krebs-Königs, ob man ihn nun als äußeren Vater und Mann oder in
sich selbst erlebt, ist der schwache, im negativen Sinne
muttergebundene König, ängstlich und feige, jemand, der nicht für
seine Interessen und die seiner Kinder einsteht und kämpft. Wenn
beispielsweise ein Kind mit Feuer-Sonne einen sehr sensiblen, eher
schwachen Krebs-Vater hat, kann es ihn für diese Qualitäten
verachten.
Stärke, Macht und
Autorität des Krebs-Königs sind mit den Eigenschaften des Dummlings
vergleichbar: Anbindung an die innere Führung, Intuition, innerer
Reichtum, Liebe und Mitgefühl im Sinne einer guten Mütterlichkeit.
Das als Stärke zu sehen und nicht als Schwäche auszulegen wäre –
speziell für einen Mann – eine psychische Heldentat.
Antoine de
Saint-Exupéry, der Autor des berühmten Buchs Der kleine Prinz, hatte Sonne in Krebs. Dieses Buch
enthält viele Krebs-Botschaften und -Weisheiten, wie etwa den
wunderschönen Satz »Man sieht nur mit dem Herzen gut« oder, als der
kleine Prinz dem Fuchs begegnet: »Zähmen heißt sich vertraut
machen.« Ein schönes Beispiel ist auch die Anfangsszene, in der die
Sichtweise der Kinder als viel reicher und weiser geschildert wird
als die der Erwachsenen. Da geht es um eine Zeichnung, die wie ein
Hut aussieht, aber wenn man diesen Hut mit den Augen eines Kindes,
den Augen des Krebses sozusagen, ansieht, erkennt man, dass sie in
Wirklichkeit eine Boa darstellt, die einen Elefanten verschlungen
hat. Ich habe dieses Buch früher sehr geliebt und kenne viele
Menschen, die es auch lieben, und ich war entsetzt, als ich in dem
Buch Der ewige Jüngling von
Marie-Louise von Franz eine Deutung dieses Märchens las. Die
Autorin fragte sich, warum dieses in ihren Augen sentimentale
Märchen, das nicht einmal gut endet, von so vielen Menschen gemocht
wird. Sie forschte in Saint-Exupérys Biografie nach und fand unter
anderem heraus, dass er eine sehr problematische Mutterbeziehung
gehabt hatte. Daraus schloss sie, dass er deswegen Pilot geworden
sei, weil er sich so von der Gebundenheit an die Mutter Erde lösen
konnte, und dass er immer dann depressiv wurde, wenn er lange am
Boden bleiben musste. Seine Mutter war eine sehr schwierige Frau.
Als er im Krieg Einsätze flog, trug sie Schwarz und erzählte allen:
»Ich weiß genau, mein Sohn ist abgestürzt«, obwohl es gar nicht
stimmte. Er kam zwar tatsächlich bei einem Flugzeugabsturz ums
Leben, aber erst viele Jahre später. Dass diese Haltung der Mutter
nicht gerade positive Energie bedeutet, muss wohl nicht gesagt
werden.
Für Marie-Louise von
Franz erklärt sich das ganze Lebensdrama von Saint-Exupéry aus
jener Anfangszeichnung. Der Elefant steht für den alten Weisen.
Dieser alte Weise ist von der Boa, von dem Tier, das den dunklen
mütterlichen Bereich repräsentiert, verschlungen worden. Auf
Saint-Exupéry übertragen hieße das, dass sein innerer alter Weiser
und die Anbindung an diese Kraft von der dunklen Mütterlichkeit
verschluckt wurden. Am Ende hat Mutter Erde ihn wieder
zurückbekommen: als er abgestürzt ist. Marie-Louise von Franz war
sehr Steinbockbetont, und wenn man das Krebs-Märchen vom kleinen
Prinzen aus der Steinbock-Sicht untersucht, bleibt nicht viel übrig
davon.