Drei Wege nach Damaskus
In einem kurdischen
Märchen kommt ein Held an einen Kreuzweg. Dort trifft er einen
alten Weisen, und er fragt ihn: »Welcher dieser drei Wege führt
nach Damaskus?« Der Alte antwortet: »Alle drei: Auf dem ersten
kommst du sicher an, aber er dauert sechs Monate. Auf dem zweiten
kommen manche an, manche nicht, dafür dauert er nur vier Monate.
Der dritte Weg ist der kürzeste, du brauchst nur zwei Monate, aber
von dort ist noch nie einer lebend zurückgekommen.« Der Begleiter
des Kaufmannssohnes, Rothaarig-Grünäugig heißt er, und so heißt auch das
Märchen, zwingt ihn, den Zwei-Monate-Weg zu nehmen, obwohl er als
Kaufmannssohn lieber den sicheren Sechs-Monate-Weg gewählt hätte.
Der Zwei-Monate-Weg bedeutet nicht etwa, dass der Held dort
physisch stirbt, sondern er wandelt sich. Der Weg in den Tod ist im
Märchen immer ein Wandlungsweg. Der Sechs-Monate-Weg ist das
vertraute Elend, das, was man kennt, das alte Muster, das
Hamsterrad, das zugleich Sicherheit gibt. Der Vier-Monate-Weg ist
schon etwas riskanter, ein kalkuliertes Risiko. Aber wenn wir den
Zwei-Monate-Weg wählen, dann lassen wir uns auf eine
Lebenssituation ein, in der es um alles oder nichts geht, wo wir
bereit sein müssen, ins Unbekannte zu gehen. Das bedeutet der Weg
in den Tod: in eine Welt zu gehen, deren Gesetze wir nicht kennen,
wo unsere gewohnten Denkmuster, unsere Erfahrungen uns nichts
nützen. Nur in dieser anderen Welt, im Universum nebenan, finden
wir das, was uns fehlt, dort wartet die Begegnung mit einer Gestalt
aus dem Symbolkreis des höheren Selbst auf uns. Das sagen alle
Märchen: Entscheidende Entwicklungen setzen die Bereitschaft
voraus, den Zwei-Monate-Weg zu gehen.
Ein echter Skorpion
geht diesen Weg in seinem Leben immer wieder, egal auf welcher
Ebene, egal unter welchen Lebensumständen ihm dieses Thema auch
begegnen mag. Er weiß, dass der Tod der beste Therapeut
ist.