Konservativ sein
Ein wichtiger Begriff
aus der Stier-Welt ist »konservativ«. Nicht dass alle Stiere die
Konservativen wählen, es geht vielmehr um die Haltung des
Bewahrens, der Treue, wie im Bild des Baumes, der insofern
»konservativ« ist, als er stehen bleibt, wo er Wurzeln geschlagen
hat. Er ist somit ein Symbol für Standfestigkeit. Eine paradoxe
Weisheit, die den Stier-Gegenpol Skorpion mit einschließt, heißt:
Nichts ändert sich jemals wirklich, und zugleich ändert sich alles
ständig. Ein fünfzig Jahre alter Baum zum Beispiel ändert sich nie,
weil die inneren Jahresringe, all das, was sein bisheriges Wachsen
ausgemacht hat, zu seiner Substanz geworden sind. Auf der anderen
Seite kommt jedes Jahr ein neuer Ring dazu. Wir ändern uns nie und
ändern uns doch ständig.
Auf der Stier-Ebene
ist die Sehnsucht nach dem, was von Dauer ist, groß. Trennung tut
weh, ist wie ein kleiner Tod, sei es von geliebten Menschen,
vertrauten Plätzen oder Dingen; Abschied ist im Stier-Konzept nicht
vorgesehen. In einem Astrologie-Seminar während meiner Ausbildung
mussten wir einmal Botschaften finden, die unserem »inneren Guru«
entsprachen. Die Aufgabe lautete: »Stell dir vor, du bist ein
Meister auf einem Podest und sollst der wartenden Menge eine
Botschaft über den Sinn des Lebens geben, was sagst du in einem
Satz?« Einer meiner Kollegen, ein Stier, gab folgende Botschaft:
»Ändere dich nie.« Auf den ersten Blick erscheint das seltsam aus
dem Munde eines Therapeuten. Und doch ist es ein wunderbares Motto,
denn im positiven Sinne heißt das: »Bleib dir selbst treu. Bleib
deinem wahren Wesen treu.« Konservativ leben heißt im positiven
Sinne also: einen Standpunkt haben, ein Revier sichern und
beschützen, verlässlich sein, (sich selbst) treu sein. So bekommen
viele Märchenhelden auf ihrem Weg die Aufgabe, eine Herde von
Tieren zu bewachen, und wenn ein Tier verloren geht, droht ihnen
unter Umständen die Todesstrafe. Das ist eine
Stier-Aufgabe.
Sheldon B. Kopp
erzählt in seinem Buch Triffst du Buddha
unterwegs einen Traum, den er hatte, als er schon ein
erfolgreicher Autor und Therapeut war: Er soll vor einer
Gesellschaft einen Vortrag halten, aber als er den Saal betritt,
sehen die Leute ihn alle ganz merkwürdig an. Er bekommt Angst, weiß
nicht mehr, was er sagen soll, und fühlt sich völlig fehl am Platz.
Er erwacht schweißgebadet aus diesem Traum, und sein erster Gedanke
ist: Da hat man’s mal wieder: Nichts ändert sich jemals wirklich!
Ich kann der berühmteste Therapeut aller Zeiten werden, ich kann
jeden Tag zehn Stunden meditieren, ich kann ein Bestsellerautor
werden, und trotzdem werde ich mich in bestimmten Situationen im
Leben genauso hilflos, fehl am Platz und verwirrt fühlen, wie ich
mich als kleiner Junge immer gefühlt habe.
Die Erkenntnis »Wir
ändern uns nie« ist wichtig, denn wenn wir zu große
Entwicklungsansprüche haben und denken, wir könnten die inneren
Jahresringe unseres Lebensbaumes loswerden, ist das eine glatte
Überforderung. Genauso richtig ist allerdings der Satz: »Du änderst
dich dauernd«. Mit jedem Einatmen werden wir neu geboren, und diese
beiden Wahrheiten spiegeln sich unter anderem in der Achse
Stier-Skorpion im Tierkreis wider.