Mond in Jungfrau
Ein kleines Kind mit
Jungfrau-Mond ist zunächst einmal ein ängstliches, scheues Kind.
Die Haltung, die zu diesem Mondstand gehört, ist: Um geliebt zu
werden, muss ich es richtig machen, muss ich’s bringen. Es sind
Kinder, die schon früh lernen, zu funktionieren, Leistung zu
bringen, die sehr früh sauber sind (da ist wieder das Motiv der
analen Phase). Die Annahme, sich Liebe durch Leistung verdienen zu
müssen, führt oft zu Versagensängsten und Stress. Die
Grundeinstellung des Jungfrau-Monds steht im krassen Gegensatz zu
Löwe-Mond, wo von vornherein das Grundgefühl herrschte: Allein die
Tatsache, dass ich geboren bin, ist ein Geschenk für das Universum
und natürlich auch für meine Eltern. Jungfrau-Mond-Kinder treten
mit der Annahme an, sich ihre Daseinsberechtigung erst durch
Leistung erwerben zu müssen, und sind für dementsprechende
Botschaften hochgradig empfänglich: »Streng dich an! Bemüh dich!
Mach dich nützlich! Sei perfekt!« In einer Therapiegruppe erlebte
ich einen Mann, der im Rückblick auf seine Kindheit sagte: »Ich
musste immer nur funktionieren.« Dieser Mann hatte Jungfrau-Mond,
und seine Angst war: Wenn ich nicht mehr funktioniere, wenn ich
mich nicht mehr nützlich machen kann, habe ich kein Anrecht auf
Liebe, kein Anrecht auf Leben.
Noch eine Geschichte
von einem Menschen mit Jungfrau-Mond, die dieses Prinzip von der
kindlichen Warte aus beleuchtet. Ein Mädchen schrieb einen Brief an
den lieben Gott: »Bitte lass mich den Kaffee für meine Mutter
einmal richtig machen!« Sie machte ihrer Mutter morgens immer den
Kaffee, aber mal war er zu stark, mal zu schwach, und die Mutter
war nie zufrieden, obwohl das kleine Mädchen sich so bemühte. Hier
ist die Verzweiflung eines Kindes zu spüren, die Angst, die
Mutterliebe zu verlieren, wenn man etwas falsch oder nicht gut
genug macht. Wir brauchen die Liebe der Mutter, wir sind als kleine
Kinder so unglaublich lange auf sie angewiesen, dass wir ihre Liebe
nicht aufs Spiel setzen dürfen. Jeder Mondstand, sei er in Widder,
Fische, Jungfrau oder Stier, hat sein eigenes typisches Programm,
sich die Liebe der Mutter zu verdienen, um überleben zu können. Bei
Jungfrau-Mond hat das sehr stark mit dem Motiv »richtig und falsch«
zu tun: »Ich muss es richtig machen, muss mich bemühen, mich
anstrengen.« Hier finden sich oft Kinder, die sehr früh erwachsen
und vernünftig werden, die Aufgaben übernehmen, die nicht
altersgemäß sind, sich unentbehrlich machen.
Die Liebesenergie, die
ein Erwachsener mit Jungfrau-Mond entwickeln kann, hat viel mit
tätiger Fürsorge zu tun. Es ist keine sentimentale Anteilnahme:
Wenn zum Beispiel jemand leidet, nimmt man ihn nicht
tränenüberströmt in den Arm, sondern macht ihm eher einen guten
Kräutertee, damit er sich besser fühlt. Hier drückt Liebe sich
durch Handeln aus, durch Aktivität. Das kann sich zum Beispiel in
dem Gefühl äußern: Was nützen mir die tollsten Liebesschwüre, wenn
du mir nicht im Haushalt hilfst? Ein Liebesbeweis wäre es, mir ganz
konkret in einer banalen Lebenssituation zur Seite zu stehen. Das
ist auch der Maßstab, mit dem der Erdmensch das Universum
beurteilt: der Maßstab der Handlung. »Es gibt nichts Gutes, außer
man tut es.« Man misst die Menschen an dem, was sie tun oder nicht
tun, genau wie man sich selbst auch daran misst. Also bitte keine
leeren Versprechungen!
Bei Jungfrau-Mond ist
die Gefühlsebene, die seelische Ebene, von einer Mischung aus Scheu
und Kontrolle geprägt. Auf der einen Seite ist da das scheue Reh,
das den anderen gut kennen muss, bevor es seine Gefühle zeigt, auf
der anderen Seite gibt es die Tendenz, Gefühle sehr stark zu
kontrollieren, eine Art Gefühlsökonomie zu entwickeln, positiv
gesehen einen Instinkt dafür, wann es gesund ist, sich gefühlsmäßig
zu öffnen, und wann es nichts bringt. Vor allem in der zweiten
Lebenshälfte besteht allerdings die Gefahr der Versteinerung durch
eine übertriebene Kontrollhaltung.
Die folgende
Geschichte zeigt, wie man Jungfrau-betonte Kinder schädigen kann.
Ein kleiner Junge mit Jungfrau-Mond wuchs allein mit seiner Mutter
auf, einer brillanten Hetärenfrau, die sehr launisch und
unberechenbar war. So konnte es sein, dass der Junge heute für
etwas gelobt wurde, wofür er am nächsten Tag Prügel bekam. Eines
Tages kam ein Anruf. Der kleine Junge ging ans Telefon. Jemand
wollte die Mutter sprechen, was er der Mutter sagte, doch die
wollte in jenem Moment nicht mit dieser Person sprechen und sagte:
»Sag einfach, ich habe furchtbare Migräne und kann nicht ans
Telefon gehen.« Der Sohn sagte also brav und folgsam: »Meine Mama
kann nicht ans Telefon kommen, sie hat schlimme Migräne.« Er legte
den Hörer auf. Als er merkte, dass der Mutter gar nichts fehlte,
die singend durch die Wohnung ging, war er entsetzt und fragte sie:
»Hast du denn gar keine Migräne? Aber du hast es doch gesagt?«
Durch viele solcher Erlebnisse geriet das Vertrauen dieses Sohnes
in die Mutter, und damit ins Leben überhaupt, ins Wanken. Später
ist dieser Junge ein Mensch geworden, der niemandem mehr vertraute,
schon gar keiner Frau – entsprechend einsam wurde es um ihn. Ein
Jungfrau-betontes Kind, und damit meine ich hier in erster Linie
den Mondstand, ist auf Klarheit und Struktur einer
»Frau-Holle-Mutter« angewiesen, und wenn diese Mutter nicht sagt,
was sie denkt, und nicht tut, was sie sagt, wenn sie nicht
einschätzbar, nicht berechenbar ist, können solche Kinder
traumatisiert werden. Das kann zu der Grundhaltung führen: »Ich
werde nie mehr jemandem vertrauen.«
Noch eine wahre
Geschichte: Ein kleiner Junge riss von zu Hause aus, wurde nach
Tagen von der Polizei aufgegriffen und den verzweifelten Eltern
zurückgebracht. Gefragt, warum er das getan habe, sagte er: »Ich
spüre, eure Ehe ist nicht in Ordnung, und ihr werdet euch
irgendwann trennen. Und deshalb wollte ich sehen, ob ich im
Zweifelsfall auch alleine überleben kann.« Aus so einem Motiv
heraus kann also selbst der »brave« Jungfrau-Mond zum Ausreißer
werden. Dieser feine Instinkt für das, was in Ordnung ist und was
nicht, spielt bei dieser Konstellation schon in der frühen Kindheit
eine Rolle und ist wie alles Segen und Fluch
gleichzeitig.
Für Männer mit Mond im
Zeichen Jungfrau ist das Bild der Gefährtin, der Mutter ihrer
Kinder eine Mischung aus der sorgenden Erdmutter, der maternalen
Frau und der lebenstüchtigen Amazone. Mehr oder weniger unbewusst
werden sie das in den Frauen suchen. Im besten Fall werden sie dies
irgendwann auch in sich selbst und für sich selbst entdecken und
ihre Erwartungen und Projektionen nicht nur nach außen tragen,
sonst besteht die Gefahr, dass sie mit den unberechenbaren Seiten
ihrer Partnerin überhaupt nicht zurechtkommen. Wenn eine
Zigeunerin, eine Abenteurerin in ihr steckt, die für Spontaneität
und Lebenslust sorgt, dann wird diese durch Ängstlichkeit und den
Hunger nach Berechenbarkeit erstickt, natürlich immer mit guten,
vernünftigen Begründungen. Deshalb ist es wichtig, diese Erdgöttin
in sich selbst zu finden, die Goldmarie, die es auch im Mann gibt,
und die Partnerin so sein zu lassen, wie sie ist. Das bedeutet
auch, den Drachenkampf zu gewinnen und die Frau, mit der man lebt
und die man liebt, aus der Höhle zu befreien, die der Mutterdrachen
bewacht.
Es gibt auch Männer
mit Jungfrau-Mond, die in Beziehungen die Rolle des ewig bemühten
Sohnes übernehmen. Mit einer passenden Partnerin, die eine
anspruchsvolle, nie zufriedene Seite hat, kann dieser Mann
anstellen, was er will, ihr Autos, Häuser, Millionen bieten: Der
Kaffee wird nie richtig sein, immer zu heiß oder zu kalt, zu stark
oder zu schwach. Und nach dem Motto »mehr desselben«, dem Geheimnis
aller Neurosen, wird er vielleicht meinen, mit der nächsten Million
würde alles anders. Wenn Männer sich aus der Haltung des bemühten
Sohnes nicht herausentwickeln, kann das zu ernsthaften
Beziehungsproblemen führen. Häufig suchen diese Männer auch den Typ
der Gouvernante als Lebenspartnerin aus, deren hohe Anforderungen
sie dann erfüllen müssen.
Im positiven Sinne
kann Jungfrau-Mond jedoch echte Fürsorge und Ernsthaftigkeit in
eine Beziehung einbringen, gerade da, wo es um die Seelenfamilie
geht. Erdmonde haben ein besonders tiefes und selbstverständliches
Verantwortungsgefühl, sie verstehen etwas von tätiger Liebe und
unsentimentaler Hilfsbereitschaft.