Angst
Ein zentraler Begriff
bei Jungfrau ist »Angst«. Mein Vater hat das Buch Grundformen der Angst geschrieben, und die Wahl des
Titels erscheint mir bezeichnend in diesem Zusammenhang. Angst hat
insofern mit Jungfrau zu tun, als im Jungfrau-Monat September
Vergänglichkeit und Tod ins Bewusstsein treten. Der Winter kündigt
sich an, die dunkle Jahreshälfte steht vor der Tür. Aus diesem
Zusammenhang erklärt sich die Tendenz, eher das halb leere Glas als
das halb volle Glas zu sehen. Angst ist wichtig, weil sie im guten
Sinne vorsichtig machen kann. Aus Jungfrau-Sicht würde man sagen:
Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Wozu also, wenn es nicht
nötig ist. Eine grundsätzlich wichtige Unterscheidung ist jedoch:
Wo ist die Angst dein Freund und Helfer, ein Frühwarnsystem, das
hilft, Unglück zu vermeiden, und wo hemmt und erstickt sie das
Leben, wo mauert man sich so fest in Sicherungssysteme ein, dass
man gar nicht mehr am Leben teilnimmt.
Die »Ohnmacht des
Versicherungsmenschen« macht sich spätestens in der zweiten
Lebenshälfte bemerkbar. Denn dann wird der Tod geboren, und
freiwillig oder unfreiwillig muss man sich dem Aspekt der
Vergänglichkeit stellen, der Tatsache, dass man dem Leben auch
ausgeliefert ist und es nicht vollkommen kontrollieren und
verplanen kann. Astrologisch würde das heißen, dass
Jungfrau-betonte Menschen sich auf den Gegenpol Fische beziehen
müssen. Die Fische-Weisheit lautet: Die Dinge geschehen, wie sie
geschehen, die Welt ist, wie sie ist. Es ist für dich gesorgt,
einfach so, auch wenn dein Bewusstsein das manchmal nicht versteht.
»Der Weise tut nichts, doch bleibt nichts ungetan.« Das ist ein
Fische-Satz von Lao-tse. Der größte Gegner von Angst ist Vertrauen.
Auch wenn es nichts nützt zu sagen: Vertrau einfach (das entspräche
etwa der Forderung: Sei spontan!), kann doch aus einer bewussten
Beschäftigung mit dem Gegenpol Fische, mit dem Irrationalen, dem,
was sich dem Verstand entzieht, Vertrauen entstehen. Es ist eine
andere Art von Ordnung. Die Anerkennung der »anderen Ordnung« und
das daraus erwachsende Vertrauen könnte unter anderem bewirken,
dass wir freundlicher mit uns selbst werden und dem inneren
Kritiker nicht mehr so viel Raum geben.
Eine Fische-Frau hat
einmal einen sehr weisen Satz gesagt. Sie hatte von uns ein
Geschenk bekommen, von dem wir nicht sicher waren, ob es ihr auch
wirklich gefallen würde. Ich bot ihr an, es eventuell umzutauschen.
Da sagte sie, eine Niederbayerin, ganz entrüstet: »Wie kommst’n
jetzt da drauf, wos ma kriagt, des mog ma.« Das ist ein wunderbarer
Fische-Satz – was man bekommt, das mag man.