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Höllensense, The Rack Äußere Peripherie16. Juni 3059
Eines der größten Probleme, denen sich Able's Aces auf The Rack gegenübersahen, war das Fehlen einer brauchbaren taktischen Karte des Geländes. Bis Hopper Morrison ein paar Jahre zuvor hier aufgetaucht war, war diese Welt vergessen gewesen. Seit Jahrhunderten hatte niemand ihr mehr einen Moment Aufmerksamkeit gegönnt. Sie hatte überhaupt nur deshalb einen Namen, weil Hopper Morrison ihr einen gegeben hatte, nachdem er das Mechlager entdeckt hatte.
Verständlicherweise verteilte er keine Geländekarten, so daß die Aces gezwungen waren, zu versuchen, selbst eine zu erstellen. Die anfliegenden Landungsschiffe der Einheit hatten den Planeten mit ihren Sensoren pausenlos abgetastet und noch im Anflug vom Sprungpunkt der roten Riesensonne des Systems eine Weltkarte zusammengestückelt.
Um die verschiedenen Gebiete des Planeten im Gefecht auseinanderhalten zu können, hatten alle Mitglieder der Einheit mitgeholfen, ihnen Namen zu geben. Dabney Fox hatte die abgeflachten Gipfel dieses Gebirgszugs »Höllensense« getauft, und soweit Harley das beurteilen konnte, hatte sie damit absolut richtig gelegen.
Aber weder die Karten noch die Vorbesprechungen hatten ihn darauf vorbereiten können, was er sah, als die General Gordon die Aces aus niedriger Höhe abwarf und er seinen Enforcer mit dem Rest der Läufer-Lanze in Position brachte.
Angeblich war es Morgen, aber es war unmöglich festzustellen, ob das stimmte, denn die blutrote Sonne des Systems war fast völlig hinter schweren, düsteren Gewitterwolken verborgen. Das wenige Licht, dem es gelang, durch die Wolkendecke zu dringen, verlieh ihr einen kränklich violetten Farbton. Der kalte, schwere Regen, der auf das Kanzeldach trommelte, machte es beinahe unmöglich, auf dem Sichtschirm etwas zu erkennen. Er wurde vom Wind in gewaltigen, donnernden Wogen herangetrieben.
Hinzu kamen Blitz und Donner. Kaum eine Minute verging ohne Donnerschläge, die entweder nah genug waren, daß sein Mech erzitterte, oder so weit entfernt, daß sie nicht mehr als ein leises Grollen waren. Wild zuckende Entladungen von bläulich gleißender Grelle zuckten aus dem Himmel und tauchten die Landschaft durch die Geschwindigkeit, mit der sie aufeinander folgten, in ein abgehacktes Flimmerlicht, das Harley Kopfschmerzen verursachte. Er mußte das Visier des Neurohelms anheben und sich über das Gesicht wischen, um zumindest zu versuchen, der Schmerzen Herr zu werden.
Wegen der fehlenden Informationen über die Planetographie und Geländebedingungen auf The Rack war der Schlachtplan erst im Anflug auf den Planeten ausgearbeitet und den über die Landungsschiffe verteilten Einheiten übermittelt worden. Sie hatten nur wenige Tage Zeit gehabt, ihn durchzugehen und sich alles einzuprägen, was die Ortung ihnen über die Gegenden mitteilen konnte, in der sie aufsetzen und den Gegner zum Kampf stellen würden.
Bataillon Eins befand sich jetzt auf den Berggipfeln der Höllensichel - mehr BattleMechs und Soldaten, als Harley je zuvor an einem Ort versammelt gesehen hatte. Fünf Kilometer weiter im Westen hatte sich Bataillon Zwo in einem tiefen, flachen Tal, umgeben von steilen Felsformationen, aufgestellt. Sie hatten der Schlucht den Namen »Tal der Sieben Todsünden« gegeben. Bataillon Drei, in Wahrheit nicht mehr als zwei Mechkompanien, befand sich in gleicher Entfernung von den beiden anderen Bataillonen nach Süden versetzt, so daß die Regimentsaufstellung ein gleichschenkliges Dreieck ergab.
Die Aces waren nicht mit mehreren Schiffen gleichzeitig gelandet, sondern hatten zunächst ein einzelnes Landungsschiff, die General Chamberlain, vorgeschickt. Bei ihrem Anflug hatten die Piraten eine Staffel Luft/ Raumjäger gestartet, um sie abzuschießen, bevor das Schiff aufsetzen konnte, und die General Chamberlain hatte recht schwere Schäden erlitten.
Aber das alte Schiff war ein zäherer Brocken, als man ihm ansah, und mit dem Ausschleusen der Söldnerjäger hatte sich das Blatt schnell gewendet. Die Ausbeuter hatten zwei der Acer-Jäger abschießen können, dabei aber selbst neun ihrer zehn Maschinen verloren. Dann erst hatte die General Chamberlain sich ihren Weg zu dem schmalen Landestreifen gebahnt, der die einzige mögliche Landezone in diesem Gebiet darstellte, und die übrigen Schiffe des Söldnerregiments waren ihr gefolgt und hatten ihre Truppen aus niedriger Höhe abgeworfen.
Die einzige menschliche Siedlung des Planeten war eine Barackenstadt im Zentrum eines unebenen, schlammigen Tieflands. Die Luft/Raumjäger der Aces hatten das Gelände überflogen und insgesamt zwei Mechbataillone lokalisiert, die hauptsächlich aus dem Primärregiment der Ausbeuter stammten. Es gab Anzeichen noch zahlreicher weiterer Bewohner, Zivilisten, möglicherweise weitere Piraten, und, falls die Gerüchte stimmten, Sklavenarbeiter.
Die Stadt lag neben einer tiefen Grube, die von schweren Baggern und einer Pumpstation umringt war, die sich abmühte, die durch den steten Regen angesammelten Wassermassen abzuführen, damit die Arbeiten weitergehen konnten. Ursprünglich war es einmal ein Sternenbund-Bunker gewesen, der nach dem Zusammenbruch verschüttet und vergessen die Jahrhunderte überstanden hatte. Nach seiner Entdekkung der eingelagerten BattleMechs und Ausrüstung hatte Morrison die Ausgrabungen weitergeführt, in der Hoffnung, noch weitere Überreste kostbarer Sternenbundtechnologie zu finden. Sie war die Quelle seiner Macht und der Verwüstung, die er über die Randgemeinschaft und die Grenzwelten der benachbarten Lyranischen Allianz gebracht hatte.
Sofern die Informationen der Aces stimmten, verfügte Morrison zumindest auf dem Papier über zwei Regimenter. Darüber hinaus besaß er Infanterie, ein paar Panzer und die Überreste mehrerer ehemaliger Söldnereinheiten, die seine Ausbeuter besiegt und geschluckt hatten. Ein Teil der Ausbeuter hielt Pain besetzt, aber der Angriff auf The Rack versprach, Morrison das Genick zu brechen, indem er ihm die Möglichkeit nahm, noch weitere Offensivaktionen durchzuführen.
Der Plan war einfach genug. Die Bataillone Eins und Zwo würden von Westen und Osten vorstoßen und die Ausbeuter in ein Gefecht verwickeln. Die Kampfstärke der Truppen auf beiden Seiten würde relativ ausgeglichen sein, auch wenn die Bedingungen dieser lebensfeindlichen Umgebung beiden Seiten in dieser Schlacht Probleme bereiten würden. Sobald die Banditen abgelenkt waren, sollte Bataillon Drei nach Norden vorstoßen und ihnen den entscheidenden Schlag versetzen, mit einem Angriff auf die Mechs und die Bagger, der Morrisons Ausgrabungsanstrengungen ein Ende machte.
Das Ziel der gesamten Operation war die Vernichtung der Piratenbataillone. Keine Beschädigung, keine Einschüchterung. Vernichtung.
Die Vernichtung dieser Einheiten würde die Ausbeuter ernsthaft schwächen. Falls Hopper sich zu rächen versuchte, würde er dazu seine beiden Stützpunktwelten schutzlos den Angriffen anderer Piratenbanden aussetzen müssen. Unter Dieben gab es wenig Ehre, und jedes Anzeichen von Schwäche auf Seiten Hoppers würde ihn schnell zur Beute seiner Feinde oder, schlimmer noch, zum Opfer einer Rebellion seiner eigenen Leute machen.
Die Ortungsdaten der Landungsschiffe über die auf The Rack wartenden Mechs waren nicht sonderlich aufschlußreich. Harley hatte Oberleutnant Hawke die OrtungsTechs auffordern hören, nach einer Mechreaktorsignatur auf ihren Gefechts-ROMs Ausschau zu halten, und er wußte, wonach sie suchte: Nach dem Timber Wolf, mit dem sie es jetzt schon zweimal zu tun bekommen hatten.
Es war keine Spur des mysteriösen hellgrünen OmniMechs zu finden, aber das hieß noch lange nicht, daß er nicht hier war. Der Mech konnte abgeschaltet sein, sich in einer Höhle verstecken oder sich einfach nicht in dem Gebiet aufhalten, das die Sensoren abgetastet hatten.
Harley versuchte, die Mechortung korrekt einzupegeln, aber die ständigen Blitzschläge in der Nähe machten alle derartigen Bemühungen zunichte. Immer wieder flackerte die Sekundäranzeige kurz, um sich anschließend neu aufzubauen, und jedesmal verlor er wertvolle Zeit. Trotz der Störungen entdeckte er keine anrückenden Gegner. Alles, was er auf den Gipfeln der Höllensense erkennen konnte, war Bataillon Eins der Aces, begleitet vom nicht nachlassenden Hämmern des auf das Kanzeldach schlagenden Wolkenbruchs.
»Feuerball Eins an alle Talons«, drang Oberleutnant Hawkes Stimme aus dem Helmlautsprecher »Wir stehen an der rechten Flanke des Bataillons. Die Felsformationen und Pässe machen es unvermeidbar, daß wir uns aufteilen. Bleibt als Lanzen zusammen und haltet Funkkontakt. Hier gibt es kaum ein weites Schußfeld, und wenn die Ausbeuter auftauchen, müssen wir uns schnell sammeln können, oder wir werden zerblasen.«
Die üblichen Bestätigungen der Lanzenführer kamen über die Leitung. Nachdem Gefreite Glancy die Anweisung für die Läufer-Lanze akzeptiert hatte, teilte sie Harley und die anderen in die Formation ein. Er und Bixby übernahmen die Rückendeckung, während Glancy und Fox vorausgingen.
Als Harley hinter Fox' Hatchetman einschwenkte, traten die stumpfgrauen Panzerplatten ihrer reparierten Mechpanzerung im Licht eines Blitzschlags deutlich zwischen der restlichen, in Tarnfarbe bemalten Schutzpanzerung hervor. Glancy und Fox positionierten sich hundert Meter vor ihm und Bix, dann machten sie sich an den Abstieg vom Berggipfel in die Schatten der Felsformationen.
Das vor ihnen liegende Tiefland war ein Labyrinth aus steilwandigen, schmalen Hohlwegen voller scharfer Kurven und Kehren. Harley behielt ständig ein Auge auf der flackernden Anzeige der Nahortung, in der Hoffnung, eine Spur des Gegners zu entdecken, bevor dieser ihn im Visier hatte. Nach einem Kilometer wurde es schwierig, Glancy und Fox in Sichtlinie zu behalten. Als er in eine scheinbar seichte Regenpfütze trat, sank er plötzlich tief ein, stolperte nach vorne und schaffte es nur mit Mühe, den Enforcer im Gleichgewicht zu halten.
»Alles okay bei dir, Teufelskerl?« fragte Bixby an. »Alles in Ordnung. Paß auf die Pfützen auf, Bix.Manche davon sind tiefer als es
aussieht.«
Glancys Stimme unterbrach ihn. »Wie wäre es,
wenn die Herren das Geschwätz einstellen und
aufschließen.«
Harley hatte sich gerade wieder in Bewegung gesetzt, als er einen
roten Lichtpunkt auf dem Ortungsschirm auftauchen sah und ihn
gleich wieder verlor,
als nur fünfzig Meter entfernt ein Blitz einschlug und
zum x-ten Mal einen Neustart des Sensorsystems auslöste. Der kleine
rote Punkt tauchte nicht wieder auf.
Er hatte sich hinter einer vor ihnen aufragenden
Kammlinie befunden, die sich am Fuß der Berge in
ein breites, langes Tal senkte. Der Talboden bot reichlich weite
offene Bereiche für einen Mechkampf. Die steilen Felsformationen zu
erklettern erschien
ihm schwierig, wenn nicht gar unmöglich, aber wenn
es jemandem gelang, sich dort oben nahe des
Kammgipfels eine erhöhte Position zu sichern, konnte er Tod und
Vernichtung ins Tal hinabschleudern. Beim Anblick der Berge und der
Kammlinie lief
Harley ein eisiger Schauder das Rückgrat entlang,
und er fragte sich, ob Hawke dasselbe dachte wie er. Die Szenerie
ähnelte den taktischen Karten des Vogelsangkamms, die er gesehen
hatte. Das war dieselbe Art Gebirge, in der Ben gestorben war.
Einen Augenblick fragte Harley sich, ob sich die Geschichte
wiederholen und Da Jolee zu den Aces schicken würde,
um herauszufinden, was aus ihm geworden war. »Läufer Eins von
Läufer Zwo«, meldete er entsprechend dem Funkprotokoll, das ihm
seit seinem
Beitritt zu den Aces eingedrillt worden war. »Ich hatte einen
kurzen Sensorkontakt an drei Uhr.« »Läufer Eins hat verstanden,
kann die Ortung aber
nicht bestätigen«, antwortete Glancy. »Läufer-Lanze
halt. Kann irgend jemand die Ortung bestätigen?« Es folgte eine
kurze Pause, während der Harley
den Enforcer anhielt und versuchte, das
Signal wiederzufinden, aber ohne Erfolg.
»Ist nicht«, gab Dabney Fox über die Verbindung
durch.
»Könnte das Gewitter gewesen sein«, sagte Bix. Wieder eine Pause,
während Gefreite Glancy sich
durch den Kopf gehen ließ, was sie wußte und was
sie brauchte. »Feuerball Eins von Läufer Eins.« Hawkes Stimme kam
deutlich über die Leitung.
»Ich höre, Läufer Eins.«
»Ich benötige einen Vorbeiflug auf den Koordinaten
Null-drei-fünnef-neun Alpha.«
»Konflikt Drei, laß hören, was du siehst«, befahl
Oberleutnant Hawke.
Davis Gilbert in seinem Lucifer
bestätigte die
Anordnung. Harley sah den Jäger auf dem Ortungsschirm auftauchen,
als Gilbert über der Läufer-Lanze
einschwenkte. Der schlanke Luft/Raumjäger zog in
einer weiten Kurve über die rechte Flanke der Einheit in den
Bereich, in dem Harley das kurze Ortungssignal entdeckt hatte. Die
Felsen blockierten
seine Sicht auf die Maschine, aber er lauschte angestrengt dem
Funkverkehr und hoffte, daß er sich nicht
geirrt hatte ... oder möglicherweise doch.
»Feuerball Eins, ich zeichne mehrere Banditen,
mindestens ein Bataillon. Koordinaten Null-drei ...«
Die Meldung brach in einem lauten Rauschen ab. Harleys Blick flog
zur Taktikanzeige, und er sah
den kleinen Lichtpunkt, der den Lucifer
repräsentierte, verschwinden. Statt dessen erschien ein blinkender
blauer Punkt. Gilbert hatte rechtzeitig den
Schleudersitz ausgelöst und sandte ein Peilsignal aus,
um die Bergung zu erleichtern.
Bei den nächsten Worten, die aus seinem Lautsprecher drangen,
spannte Harley sich unwillkürlich
an. »Hawke's Talons, rechte Flanke, bereithalten für
Feindkontakt.« Noch während Hawke sprach, setzte
sich die Feuerball-Lanze in Bewegung und schloß zu
Harley und den anderen auf. Dann tauchten ein Ausbeuter-Guillotine
und ein Flashman auf und eröffneten das
Feuer.
Der Guillotine wählte sich Hawkes
Orion zum
Ziel und griff mit dem schweren Laser an, bevor er
mit den mittelschweren Lichtwerfern nachsetzte. Der
armdicke rote Energiestrahl zuckte vorbei und krachte in einen
nassen Fels hinter Hawke, der in einer Explosion aus Steinsplittern
aller Größen auseinanderflog. Die mittelschweren Laser im rechten
Arm des Piratenmechs waren erfolgreicher und brannten sich tief in
die Panzerplatten auf den Oberschenkeln des Orion. Der ältere BattleMech schüttelte den Angriff
ab, und Hawke erwiderte ihn mit einer Salve aus der Autokanone und
einem Schwarm Kurzstreckenraketen. Der Flashman rutschte einen niedrigen Hang herab auf
eine Höhe mit den Aces und griff Bixby Finch mit einem barbarischen
Bombardement
von Laserfeuer an.
Auch Harley stürzte sich ins Gefecht. Er riß den
Steuerknüppel herum, senkte das Fadenkreuz über
das Herz des Guillotine und löste in
der vollen Absicht, den Ausbeuter umzubringen, die
Autokanone
aus. Eine Sekunde später schickte er einen Energiestoß des schweren
Lasers hinterdrein, dessen rote
Lichtlanze schnurgerade durch die Regenwand
schnitt. Er sah andere Piratenmechs links und rechts
seiner Position auftauchen, konzentrierte sich aber
ganz auf seinen Gegner, auf diesen kleinen Teil der
unter dem gnadenlos herabpeitschenden Regen wütenden
Schlacht.
Das Schicksal schien es nicht gut mit Hawke zu
meinen. Die Hälfte ihrer KSR flogen am Ziel vorbei
und zertrümmerten statt Mechpanzerung nur Felsen.
Die beiden anderen rissen nur Krater an einem
Schienbein der Piratenmaschine auf. Ihre Autokanonensalve traf das
selbe Bein ein wenig höher und zertrümmerte weitere
Panzerplatten.
Einen Pulsschlag später schlug Harleys Angriff
ein. Sein Laser streifte den linken Arm des Guillotine
nur, aber das AK-Feuer bohrte sich in dasselbe Bein,
das Hawke bereits angeschlagen hatte. Diesmal blieb
nur ein Hauch von Panzerung zurück, kaum genug,
um es zu erwähnen. Die letzten Granaten zerfetzten
bereife Myomermuskulatur und sprengten den Knieaktivator der
Kampfmaschine.
Der Pilot des Guillotine wurde von der
Serie von
Treffern an derselben Stelle völlig überrascht, und
als das verwüstete Bein unter den siebzig Tonnen des
schweren Mechs einknickte, gelang es ihm nicht, ihn
abzufangen. Erst neigte der Kampfkoloß sich nur
leicht nach vorne und feuerte wild mit einem der
Torsolaser auf Hawke, dann krachte er nach vorne in
eine seichte Regenwasserpfütze.
»Platsch«, preßte Harley durch zusammengebissene Zähne. Sein Herz
und sein Kopf hämmerten vor
Erregung.
Harley drehte den Torso des Enforcer
und sah, daß
Bixbys Vindicator unter dem Angriff des
Flashman
nahezu schwarz verbrannt war. Die überlegene
Feuerkraft des schwereren Ausbeuter-Mechs hatte
seinen linken Mecharm zerstört. Torso und Beine
waren von Lasertreffern geschwärzt. Eine lange
Brandspur zog sich dicht an der Flammenbemalung
des PPK-Laufs den linken Arm hoch. Es sah nicht
danach aus, daß Bixby in diesem Gefecht noch lange
durchhalten konnte.
Harley erkannte die Gefahr, in der sein Freund schwebte, und war
entschlossen, ihn zu retten. Als erstes setzte er einen
S-Laserschuß in die rechte Torsohälfte des Flashman. Das sicherte ihm die Aufmerksamkeit des
Mechpiloten, und der schwere BattleMech drehte sich langsam zu ihm
um, als wolle er diesen neuen Gegner abschätzen. Bixby nutzte die
sich bietende Gelegenheit und feuerte mit dem mittelschweren Laser
und den Langstreckenraketen. Eine der Raketen schlug ins Kanzeldach
der AusbeuterMaschine ein, die anderen explodierten auf der schon
beschädigten Brust- und Torsopanzerung. Der mittelschwere Laser
zerschmolz eine Panzerplatte auf dem Arm des Flashman. Im kalten Regen zischte und
dampfte das Metall.
Harley wartete nicht darauf, selbst zum Ziel zu
werden, und preßte den Feuerknopf der Autokanone
so fest in die Fassung, daß sein Daumen schmerzte.
Die Kanone wummerte und sandte einen Strom von
Granaten geradewegs ins Cockpit des Flashman, als
der gerade seine schweren Armlaser hob und den Enforcer anvisierte.
Harleys Granaten brachen durch die restliche Panzerung der
Pilotenkapsel und detonierten im Innern
des Cockpits. Ein orangeroter Feuerball waberte im
Kopf des Flashman und sandte eine
schwarze
Rauchwolke in den Wolkenbruch. Für den MechKrieger im Innern der
Maschine kam jede Rettung zu
spät. Der enthauptete Mech kippte zur Seite, und die
glühenden Überreste seines Kopfes verdampften das
auf dem Talboden stehende Regenwasser.
»Mir geht's gar nicht gut«, erklärte Bixby, und es
klang, als würde er unter seinem Neurohelm nach
Atem ringen.
»Bleib hinter mir«, riet Harley ihm und beobachtete einen
Cicada bei dem Versuch,
Oberleutnant
Hawke an der äußeren rechten Flanke zu umgehen.
Das freie Feld, über das sie rannte, war eine kaum
einhundertfünfzig Meter weite Öffnung, bedeckt mit
Felsbrocken und Wasser. Der kleinere Mech versuchte, hinter die
Aces zu gelangen, einen Weg
durch das Labyrinth der Felsformationen zu finden,
über den er in den Rücken der Söldner gelangen
konnte.
Dabney Fox riß ihren Hatchetman auf
den
Sprungdüsen in die Luft und jagte knapp über Harleys Enforcer auf den Piraten zu. Sie landete nur wenige
Meter von dem Cicada entfernt, der mit
seinen
mittelschweren Lasern um sich schlug und in seinem
wilden Geschützfeuer mehr Fels als BattleMech traf. Harley hob den
schweren Laser und feuerte. Er
verfehlte sein Ziel ebenfalls, im Gegensatz zu Fox.
Ihre mittelschweren Laser sprengten die Panzerung
vom Torso des kantigen kleinen BattleMechs, und
bevor dessen Pilot zurückschlagen oder die Flucht
ergreifen konnte, riß sie das schwere Beil ihres
Mechs hoch und ließ es auf den Rumpf
des Cicada
fallen.
Die Panzerplatten gaben nach. Das Beil senkte
sich tief in die interne Struktur der Maschine. Harley
sah einen gleißenden Lichtblitz, als der Fusionsreaktor des
Piratenmechs zerplatzte. Der Sichtschirm filterte automatisch die
schlimmste Helligkeit heraus,
und das Kanzeldach des Enforcer
verdunkelte sich
unter dem Aufprall von Lichtenergie, aber trotzdem
blendete die Detonation ihn. Er kniff die Augen zusammen und
blinzelte heftig, um die Sicht wiederherzustellen. Als die
tanzenden Lichtpunkte vor seinen Augen verblaßten, war der
Cicada nicht mehr
vorhanden. Nur ein dampfender, qualmender Haufen
glühendes Metall reckte sich dem herabprasselnden
Regen entgegen. Auch das Kampfbeil von Fox' Maschine war in der
Explosion verdampft, zusammen
mit dem restlichen Unterarm, aber sie hatte es irgendwie geschafft,
ihren Hatchetman auf den
Beinen
zu halten.
»Abschuß«, stellte sie mit schwerem Keuchen
über die Kommleitung fest.
Zwischen den Blitzschlägen sah Harley vor sich
die Silhouette eines Mechs über den Bergkamm
schreiten. Er kannte diese Umrisse. Sie waren einzigartig und
gehörten dem einzigen Kampfkoloß dieses
Typs, den er je zu Gesicht bekommen hatte. Dem Timber Wolf.
Bixby feuerte neben ihm den Hang hinauf, und
sein PPK-Schuß schlug in ein Bein des riesigen Metallmonsters ein.
Hawke trat rechts neben ihn und
hob die Autokanone zum Schuß auf den stumpfgrün
lackierten OmniMech, der ungerührt den Hohlweg
hinab auf ein anderes, von Harleys Position aus
nicht sichtbares Mitglied der Feuerball-Lanze schoß. Ihre Salve
verfehlte ihn um weniger als einen
Meter.
Harley setzte seine Autokanone mit etwas mehr
Glück ein und pflanzte die Granatensalve an der linken Seite in den
Torso des Timber Wolf. Die Geschosse
bohrten sich mit derartiger Wucht in den
Rumpf der Clan-Maschine, daß der Omni stoppte
und sich zu ihnen umdrehte. Einen Augenblick hatte
Harley das Gefühl, geradewegs in die Augen des
feindlichen MechKriegers zu blicken.
Der Timber Wolf feuerte eine tödliche
Breitseite
Langstreckenraketen in seine Richtung ab. Eine volle
Sekunde schossen alle vierzig Raketen den Berghang
herab geradewegs auf Harley zu, geradewegs auf das
Herz seines Mechs gezielt. Instinktiv und zugleich
verängstigt wich er einen Schritt zurück und riß den
Enforcer in dem Versuch, dem sicheren
Ende auszuweichen, nach rechts.
Es war eine sinnlose Geste, denn die Raketen waren gar nicht für
ihn bestimmt, sondern für Bixby
Finch neben ihm. Sie pflasterten Bix' bereits angeschlagenen
Vindicator mit einer solchen
Unmasse
kleiner Detonationen zu, daß der Mech hinter einer
Wand aus Feuer und Rauch völlig verschwand. Harley starrte entsetzt
auf den Kampfkoloß seines
Freundes, der nur Meter entfernt als zerschlagenes
Wrack zu Boden sank.
»Bix!« schrie er.
»Läufer Drei, Meldung«, fügte Hawke hinzu. Harley wartete nicht auf
Bixbys Antwort. Er justierte die Zielerfassung seiner Geschütze auf
das
Bild des Timber Wolf in der
Sichtprojektion und löste
den schweren Laser aus. Diesmal traf er den ClanOmniMech am linken
Arm, knapp unter der wuchtigen Langstreckenlafette. Die rote
Energielanze
schnitt eine lange, bösartige Schmelzspur den Mecharm hinab tief in
die Panzerung.
Über die Funklinie drang ein Husten. »Ich lebe«,
gab Bixby durch und klang so benommen, als wäre
er betrunken. »Gerade noch.«
»Halt durch, Bix«, preßte Harley hervor, als der
Timber Wolf sich in der Hüfte zu einem
anderen
Mech der Zweierkompanie umdrehte und mit den
Extremreichweitenlasern das Feuer eröffnete. Neben
ihm tauchte ein riesiger, 100 Tonnen schwerer BattleMech auf, der
in dieselbe Richtung feuerte, ein
King Crab. Aus äußerster
Geschützreichweite auf
Höhe des Bergkamms schleuderte er einen vernichtenden Granatregen
aus seinen Autokanonen ins Tal.
Eine Explosion unterhalb des Berghangs löste in
Harleys Nähe einen Steinschlag aus und ließ keinen
Zweifel zu, daß die Piraten einen vernichtenden Treffer gegen ein
Opfer erzielt hatten, das er von seiner
Position aus nicht sehen konnte, einen anderen Acer,
der genau wie Bix kampfunfähig geschossen war,
oder schlimmer.
»Kümmer' dich nicht um mich, Läufer Zwo«,
stöhnte Bixby. »Hol dir diesen vermaledeiten Timber
Wolf.«
Plötzlich zeichnete Harley auf dem Zweitmonitor eine große Anzahl
grüner Lichtpunkte. BattleMechs der eigenen Seite. Die
langerwartete Ankunft des Zweierbataillons. Auf einen Schlag hatte
sich das
Kräfteverhältnis gewandelt.
»Durchhalten, Talons. Der Hauptmann hat mir gerade mitgeteilt, daß
Sheryl Davys Bataillon links von
uns eingetroffen ist und dem Feind hart zusetzt. Läufer Eins.
Glancy, was von deiner Lanze noch steht,
hat Sprungdüsen. Arbeitet euch den Kamm hoch. Ich
ziehe mit Feuerball Zwo die rechte Flanke hoch und
versuche, einen Weg in ihren Rücken zu finden. So
oder so treffen wir uns auf dem Gipfel.«
Weiter kammabwärts tobte eine wilde Schlacht,
als Bataillon Zwei in die Ausbeuter stürmte und sie
um jeden Stein und Hügel, jeden Felsbocken und jede Pfütze in einen
gnadenlosen Kampf verwickelte.
Explosionen auf beiden Seiten machten dem endlosen Donnern der
Gewitter The Racks Konkurrenz.
Harley wartete, bis Gefreite Glancy neben ihm auftauchte, und als
sie die Sprungdüsen auslöste, tat er
es ebenfalls.
Sein Enforcer bot alles andere als ein
elegantes
Bild, als er sich in die Lüfte erhob. Er stieg unter heftigem
Zittern auf, während Harley über die Neurofeedbackschaltkreise
seines Helms versuchte, das
Gyroskop abzugleichen und den BattleMech halbwegs aufrecht zu
halten. Das Innere des Cockpits
glich einer Sauna, als er endlich den Kammgipfel sah
und eine Stelle fand, die eben genug war, um den
Kampfkoloß aufzusetzen. Er fühlte sich, als würde er bei lebendigem
Leib gesotten, als er den Mech auf
den Felsboden senkte.
Glancy brachte ihren Sentinel neben ihm
herunter
und drehte sich augenblicklich die Kammlinie hinab,
zu der sie so lange hochgefeuert hatten. Volle drei
Sekunden später landete zu Harleys Rechten, was
von Dabney Fox' Hatchetman noch übrig
war. Aus
der Nähe war deutlich zu erkennen, daß die Reaktorexplosion nur
noch einen Schatten des BattleMechs
übriggelassen hatte, den sie kurz zuvor noch gesteuert
hatte.
Fast zweihundertfünfzig Meter den Felsenkamm
abwärts befand sich das Ende der Schlachtreihe der
Ausbeuter. Der riesige King Crab stand
zwischen
ihnen und dem Timber Wolf, der die
Einheit verfolgte, seit Harley zu Able's Aces gestoßen war.
Glancys
Befehle kamen knapp und präzise. »Läufer-Lanze,
Feuer auf den King Crab konzentrieren.
Erst diesen
Mech abschießen, und dann den
Timber Wolf.« Glancy mußte Harleys
Gedanken gelesen haben.
Sicher wußte sie, daß er es auf den Clan-Mech abgesehen hatte. Er
legte großen Wert auf Vergeltung,
aber ebenso viel auf das Befolgen von Befehlen,
wenn diese einen Sinn hatten, und in diesem Fall war
das gegeben.
Die drei Kampfkolosse richteten aus, was sie noch
an Waffen hatten, und schleuderten ihr Geschützfeuer in die Seite
und den Rücken des King Crab.
Alle Schüsse schlugen mehr oder weniger im selben
Bereich ein, auf dem langen Arm und der linken Torsohälfte des
überschweren Sternenbundära-Mechs.
Harleys und Glancys Autokanonensalven trafen die
Piratenmaschine so hart, daß sie unter dem Aufprall
gegen den Timber Wolf sackte. Einen
unglaublich
kurzen Moment wankte sie als Harleys schwerer Laser den Arm
entlangzuckte und kostbare Schutzpanzerung verdampfte. Fox' nächste
Autokanonensalve
pflügte in die Breschen ihrer Vorgänger. Die Granaten bohrten sich
tief ins Metall, bevor sie explodierten.
Augenblicklich hallte aus dem Innern des Mechs
ein grollendes Echo auf, wahrscheinlich von seiner
eigenen AK-Munition, und ein Stakkato von Detonationen riß den Arm
komplett vom Rumpf. Kränklich
grüner Rauch stieg fast wie ein Notsignal in breiten
Schwaden durch den kübelweise vom Himmel stürzenden
Regen.
Der King Crab drehte sich um, und die
Luke über
seinen Raketenabschußrohren klappte hoch. Eine
LSR-Salve schoß auf Läufer Vier zu und hüllte Fox'
gebeutelten Hatchetman in einen
orangeroten Feuerball. Der Mech sackte zusammen, und Harley
sah,
daß von seiner Torsopanzerung nur noch Bruchstükke übrig waren. Dem
Regen schutzlos ausgesetzte
Myomermuskelbündel zischten und dampften. »Läufer Eins von Läufer
Vier. Reaktorausfall. Ich
arbeite auf Notstrom«, gab seine Kameradin wütend
durch.
Als Harley sich wieder zu dem King Crab
umdrehte, war nichts mehr von ihm zu sehen. Jetzt stand nichts mehr
zwischen ihm und dem Timber Wolf, der
ein schier endloses Bombardement hinab auf das
Zweierbataillon schleuderte.
Dann wirbelte der OmniMech wie schon zuvor auf
der Stelle herum und stürmte aus dem Kampf, zog
sich in voller Geschwindigkeit zurück. Soweit Harley es sagen
konnte, folgte der Pilot dem Vorbild
seines Kameraden im Cockpit des King
Crab und
suchte sein Heil in der Flucht.
»Nicht dieses Mal«, stieß er aus, zündete die
Sprungdüsen und stieg in den verregneten Himmel.
Glancys Warnungen und Befehle wurden von der
Wut verschluckt, die in seinen Gedanken loderte.