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Shangri-La, Jotunberge, Kore Peripherie22. April 3060
Sturm Kintaro erreichte die Funkzentrale als erster, dicht gefolgt von Krenner, Volker und Laura Metz. Die Funkzentrale beherbergte die verschiedenen Kommunikationssysteme des Depots, mit Ausnahme der HPG-Anlage, die weiter oben am Berg untergebracht war. Die Clan-Ausrüstung war in der Lage, einige der Störungen abzufangen, die von Kores starkem Magnetfeld und den Erzvorkommen des Gebirges erzeugt wurden. Das Bild auf den Monitoren wurde zwar gelegentlich von Störungen verzerrt, aber Sturm hatte keine Probleme zu erkennen, wen es zeigte, oder zu verstehen, was sie sagte.
»Die Basis schickt das seit kurzem als Sendeschleife in den Äther, Chef«, erklärte der KommTech.
»Hier spricht Captain Ryan, Kommandeurin von Ryans Rebellen und Militärherrscherin dieses kümmerlichen Hinterwäldlerplaneten«, erklärte Susie Ryan auf dem Bildschirm. Sie trug eine paramilitärische Uniform, und die Klappe über ihrem linken Auge verlieh ihrem Gesicht eine bösartige Note. Es war Sturms erster Blick in das Gesicht der Frau, die für den Angriff auf Kore und den Tod so vieler seiner Freunde verantwortlich war.
»Diese Nachricht ist an den MechKrieger namens Sturm Kintaro gerichtet, ehemals Mitglied der KoreLanciers. Kintaro, Sie haben etwas, das mir gehört, und ich will es zurück. Entweder Sie ergeben sich und liefern mir die anderen ehemaligen Mitglieder der Kore-Lanciers aus, denen Sie Unterschlupf gewähren ...« Während sie sprach, zog die Kamera sich zurück und zeigte den Rest des Zimmers, in dem Ryan stand. Sturm sah seinen Vater auf einem Stuhl sitzen. Ein Pirat stand neben ihm und richtete eine Laserpistole auf Dr. Kintaros Kopf. »Oder Ihr Vater wird hingerichtet. Wir werden seine Hinrichtung übertragen, damit Sie und alle anderen hier mitansehen können, was es kostet, sich mir zu widersetzen, und ich garantiere Ihnen, die Exekution wird äußerst schmerzhaft sein und sehr, sehr langsam.«
Die Kamera holte Ryans Gesicht wieder heran, bis es den gesamten Schirm ausfüllte. »Sie, Kintaro, oder Ihre Lanciers, Ihre Freunde, Ihre Familie bedeuten mir nichts. Wenn ich diesen ganzen verdammten Planeten in Schutt und Asche legen muß, werde ich das tun. Aber wenn Sie mir geben, weshalb ich gekommen bin, ziehe ich friedlicher Dinge wieder ab. Seien Sie kein Narr. Sie können nicht gewinnen. Geben Sie auf, bevor jemand zu Schaden kommt, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß all dies ein Ende hat. Und falls Sie dumm genug sein sollten, zu glauben, ich bluffe ...« Sie machte eine Pause, und das Bild schwenkte zu zwei von Ryans Leuten, die einen sich krampfhaft widersetzenden Mann in den Raum zerrten. Sie warfen ihn Susie Ryan vor die Füße. Sturm erkannte Derek Nordstrom, den von Alfin eingesetzten Gouverneur Kores. Ryan zog eine schlanke Laserpistole aus dem Holster an ihrem Gürtel und richtete sie auf Nordstrom, der mühsam versuchte, sich aufzurichten.
»Nein, nicht, bitte nicht!« bettelte der Gouverneur, und Sturm biß sich unwillkürlich auf die Unterlippe. »Bitte. NEIN!« Die rubinrote Strahlbahn aus Ryans Pistole bohrte sich in Nordstroms Stirn und trat am Hinterkopf wieder aus. Er war sofort tot. Der Gouverneur fiel auf den grauen Boden des Zimmers. Aus den Ein- und Austrittslöchern in seinem Schädel stieg Rauch und Dampf auf. Ryan zuckte mit keiner Miene, als sie mit dem Kopf in Richtung des Leichnams nickte, und die Piraten ihn hastig beiseite schafften, während sie die Pistole wieder einsteckte und zurück in die Kamera sah.
»Der Gouverneur hat sich einen schnellen und schmerzlosen Tod verdient«, stellte sie gefühllos fest. »Ich kann mir weit unangenehmere Spielarten der Hinrichtung vorstellen, und ich bin bereit zu tun, was immer nötig ist. Lassen Sie sich das durch den Kopf gehen, bevor Sie sich entscheiden, ob Sie sich mir in den Weg stellen wollen, Kintaro. Sie haben bis morgen mittag, um Ihre Entscheidung zu fällen.«
Das Bild verblaßte kurz, dann füllte Ryans
Gesicht erneut den Schirm, als die Botschaft von vorne begann.
»Hier spricht Captain Ryan ...«
»Abschalten«, meinte Sturm tonlos. Der KommTech reagierte sofort,
und die Bildschirme wurden dunkel. Sturm wandte sich ab, ab vom
Bild seines Vaters in der Hand Susie Ryans und ihrer Piraten, von
Gouverneur Nordstroms erschütternder Hinrichtung. Er legte einen
Arm an die kühle Felswand und lehnte die Stirn an.
»Es tut mir leid, Sturm«, meinte Krenner und kam herüber, um Sturm die Hand auf die Schulter zu legen.
Sturm hob den Kopf und atmete tief durch, kämpfte die Tränen der Frustration und Wut nieder. Mehr als alles andere wollte er durch den Monitor packen und Susie Ryan mit blanken Händen erwürgen. Er wollte um sich schlagen, irgend etwas tun.
Er drehte sich zu Krenner und den anderen um. Sein Mund war eine Strich, seine Augen waren hart und kalt. »Ich gehe zur Basis.«
»Was?« fragten mehrere Stimmen im Chor. »Ich
ergebe mich Ryan.«
Krenner war der erste, der seine Stimme wiederfand. »Sturm, das
kannst du nicht machen! Genau das will Ryan!«
»Kren, wenn ich es nicht tue, tötet sie meinen
Vater!«
»Um Himmels willen, Mann, denk doch mal nach! Glaubst du ernsthaft,
eine Piratin wie Susie Ryan verschwendet auch nur einen Gedanken an
das Leben eines anderen Menschen? Glaubst du wirklich, Sie würde
dich und deinen Vater nicht umbringen, sobald sie erst hat, was sie will?
Sie hat schon eine Menge Menschen getötet, um an diese Mechs zu
kommen. Ich glaube nicht, daß ein paar mehr ihr auch nur das
Geringste ausmachen werden.«
»Genau deshalb muß ich etwas tun!« erwiderte Sturm. »Ich weiß, daß
sie es ernst meint. Wenn ich nicht tue, was sie verlangt, tötet sie
meinen Vater. Wir sind uns in den wenigsten Punkten einig, aber er
bleibt mein Vater, verdammt! Wie könnte
ich ihn einfach sterben lassen?«
»Weil du den Befehl hast«, meinte Krenner ruhig. »Du hast eine
Verantwortung dieser Einheit und ihren Mitgliedern gegenüber. Wenn
du in Gefangenschaft gerätst oder stirbst, was wird dann aus dem
Rest der Lanciers?«
»Was ist mit meiner Verantwortung für meinen Vater? Soll ich ihn
einfach sterben lassen?«
»Nein«, erklärte der Spieß. »Aber du hast keine Wahl. Sturm, dein
Vater ist nur ein einzelner Mann. Du mußt an all die Männer und
Frauen in dieser Einheit denken, an all die Menschen in
Niffelheims. Was ist mit denen? Was wird geschehen, wenn Ryan diese
Mechs in die Hand bekommt und entscheidet, sich der Zeugen zu
entledigen? Wer soll diese Piraten daran hindern, die Stadt zu
schleifen und ihre gesamte Bevölkerung zu ermorden? Genau das will
Ryan«, fuhr er fort. »Sie will die Angelegenheit ohne einen Kampf
beenden, damit sie die Mechs unbeschädigt erbeuten kann. Sie weiß
genau, wenn Sie dich in die Hand bekommt, können wir jede Hoffnung
begraben, gegen ihre Rebellen standzuhalten. Wenn du aufgibst, hat
sie gewonnen und bekommt, was sie will, ohne darum kämpfen zu
müssen.« »Na, herzlichen Dank«, unterbrach Volker von seinem Platz
an der Tür der Funkzentrale.
»Halt's Maul, Volker!« wies Krenner ihn über die Schulter zurecht.
»Es ist mir egal, für wie großartig du dich hältst, du wirst diese
Piraten nicht allein aufhalten. Wir brauchen dich hier, Sturm! Erinnere dich, was ich
dich gelehrt habe: Ein MechKrieger muß sich entscheiden, welchen
Kampf er ausficht.«
»Selbst wenn es meinen Vater das Leben kostet?«
»Ja, selbst dann.«
Sturm setzte zu einer Antwort an, dann stockte er und sah Krenner
in die Augen. Sein Blick wanderte über die Schulter des
Stabsfeldwebels zu Volker und Metz. Dann stieß einen langen,
zitternden Atemstoß aus und schien zusammenzusacken.
»Sie haben recht«, meinte er zu Krenner. »Sie haben recht. Es gibt
nichts, was ich dagegen tun kann, außer dafür zu sorgen, das Susie
Ryan für jedes Leben bezahlt, daß sie auf dem Gewissen
hat.«
»Vielleicht könnten wir den Zeitplan abkürzen«, schlug Laura vor.
»Einen Angriff auf die Basis durchführen, bevor die Zeit abgelaufen
ist ...« Krenner und Sturm schüttelten gleichzeitig den
Kopf.
»Nein«, lehnte Sturm ab. »Es würde keinen Unterschied machen. Wenn
wir die Basis jetzt angreifen, bringt Ryan meinen Vater und alle
übrigen Geiseln wahrscheinlich aus reiner Wut um. Wir müssen die
Rebellen zu unseren Bedingungen
stellen. So habe ich sie besiegen können, und so müssen wir es auch
weiterhin halten. Wir müssen sie zwingen, zu uns zu kommen, sobald
wir bereit für sie sind.«
Krenner drehte sich zu Sturm und Metz um. »Ihr habt es gehört,
Leute. Zurück an die Arbeit. Metz, Sie werden unten im Mechhangar
zum Cockpittraining erwarten. Volker, ich will mit Ihnen reden. Wir
treffen uns unten an den Simulatorkapseln.«
Volker schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann
aber anders. Er und Laura wandten sich zur Tür. Laura warf Sturm
allerdings noch einen langen mitfühlenden Blick zu, bevor sie
Volker in den Gang folgte. Krenner blieb und legte Sturm tröstend
die Hand auf die Schulter.
»Alles okay?« fragte er.
Sturm schluckte etwas und nickte. »Ja, ja. Ich bin okay. Ich
brauche nur etwas Zeit für mich allein. Ich bin in meiner
Unterkunft, in Ordnung?«
Krenner nickte. »Ich kümmere mich um alles. Denk nur daran, daß wir
um 19 Uhr eine Besprechung und Trainingsbeurteilung angesetzt
haben.«
»Ich werde da sein«, antwortete Sturm. Er klopfte Krenner auf die
Schulter, dann ging er an ihm vorbei aus dem Zimmer.
Auf dem Weg in sein Quartier konnte Sturm an nichts anderes als
Ryan Botschaft und ihre Drohung denken, und an den Anblick seines
Vaters auf dem Stuhl, wie er mitansehen mußte, wie Susie Ryan Derek
Nordstrom kaltblütig ermordete. Er dachte auch darüber nach, was
Krenner gesagt hatte. Daß seine Hauptverantwortung den Lanciers
gegenüber bestand, die er irgendwie aus dieser Situation
herausbringen mußte.
Ich habe all das nie gewollt, dachte
er. Ich wollte nie den Befehl übernehmen,
nicht so jung. Ich wollte nur ein guter MechKrieger
werden.
Seine Unterkunft war eng und dunkel. Nur ein schwaches Licht an der
Wand erhellte den kleinen Raum. Er ließ sich auf die Koje fallen
und starrte eine Weile auf die Wand.
Dann spürte er das kühle Metall auf seiner Brust. Seine Hand hob
sich zu dem Bruchstück vom BattleMech seiner Mutter, das an einem
Lederband um den Hals hing. Er dachte an sie und wünschte sich mehr
denn je, sie wäre noch am Leben. Sie hätte gewußt, wie sie die
Lanciers führen mußte, wie sie schwere Entscheidungen zu fällen
hatte.
»Was soll ich tun, Mama?« fragte er das leere Zimmer. »Wenn ich
sterbe, ist das eine Sache. Ich wußte, daß es dazu kommen konnte,
als ich mich auf diese Karriere eingelassen habe. Ich konnte mit
dem Gedanken leben, für den Schutz anderer mein Leben zu opfern, so
wie du es getan hast, aber ich kann nicht damit leben, daß Papa für
mich sterben soll. Wenn Ryan ihn umbrächte, um mich zu treffen,
glaube ich nicht, daß ich mir das jemals verzeihen
könnte.«
Er lag auf seiner Koje, hielt den Talisman fest umklammert und
dachte lange nach, bevor er seine Entscheidung fällte.
Später bei der Besprechung hatte Sturm sich völlig in der Gewalt.
Gerüchte über Susie Ryans Ultimatum hatten bereits die Runde in der
Einheit gemacht, aber Sturm fühlte eine bemerkenswerte Ruhe und
Ausgeglichenheit. Er und Krenner bewertete die Leistungen der
MechKriegeranwärter, und Sturm schlug Bereiche vor, an denen sie
noch arbeiten mußten, und bestimmte Einheitstaktiken, mit denen sie
den größtmöglichen Vorteil aus der zahlenmäßigen Überlegenheit des
Lancier-Mechsterns der Piratenlanze gegenüber ziehen konnten. Ryans
Drohung wurde mit keinem Wort erwähnt. Als Krenner Sturm fragte, ob
er darüber reden wollte, lehnte der höflich ab und erklärte, daß es
dazu eigentlich nichts mehr zu sagen gab.
In dieser Nacht blieb nur eine Minimalcrew wach, nachdem die
meisten Lanciers zu Bett gegangen waren, in der Hauptsache Techs,
die rund um die Uhr daran arbeiteten, die Clan-BattleMechs
jederzeit einsatzbereit zu halten, und Laura Metz, die ein paar
zusätzliche Trainingsstunden im Simulator absolvierte. Sturm konnte
nicht anders, als ihre Hingabe für eine wahrscheinlich
hoffnungslose Sache zu bewundern. Er hatte es ernst gemeint, als er
ihr gesagt hatte, wie vielversprechend sie sich machte. Sie schien
die grundlegenden Prinzipien der Mechbedienung beinahe instinktiv
zu begreifen und hatte es innerhalb von Tagen weiter gebracht als
eine Menge Anwärter nach Monaten. Sturm ging mit einer Plastikkiste
in den Mechhangar, die er aus einem der Lagerräume des Depots
geholt hatte. Eine der Techs sah von ihrer Arbeit auf und begrüßte
ihn.
»'n Abend, Chef. Was machen Sie um diese Zeit noch hier draußen?«
fragte Kayla Roßburg. Sie erhob sich von ihrer Arbeit an einer
Datenkonsole, mit der sie die Betriebsdaten der Myomermuskulatur
des Peregrine überprüft hatte. Sturm
kannte Kayla flüchtig. Sie war erst eine JuniorTech, aber sie
wußte, was sie tat. Er zuckte leicht die Schultern, ohne die
schwere Kiste abzustellen.
»Ich kann nicht schlafen«, antwortete er. »Zu aufgedreht. Ich
dachte mir, ich überprüfe mal die Cockpitsensoren von Goldjunge.« So hatte Sturm seinen Goshawk getauft. Er hob die Kiste an. »Hab' noch
was an Notfallausrüstung für die Staufächer. Nach dem letzten Mal
will ich sichergehen, daß ich genug dabei habe.« Er grinste, und
Kayla lachte.
»Schon kapiert«, sagte sie.
»Ich werde dich nicht behindern«, meinte Sturm. »Du wirst kaum
merken, daß ich da bin.«
»Kein Problem«, erwiderte sie. »Lassen Sie sich nicht stören. Sie
kennen sich hier mindestens so gut aus wie wir.«
»Danke.« Sturm ging an den Techs vorbei und wanderte zu dem
Goshawk hinüber, der stumm in seinem
Metallkokon wartete. Die leichten Schäden, die er bei dem Überfall
auf die Lancier-Basis erlitten hatte, waren bereits repariert,
ebenso wie die Dellen, die der Mech hatte einstecken müssen,
während Sturm für die Piratenmechs »Väterchen Frost« gespielt
hatte. Allein hatte er den Kampfkoloß nicht reparieren können, aber
die Lancier-Techs hatten es im Handumdrehen geschafft Der Mech war
wieder in optimaler Verfassung, und nur ein paar graue Farbflecken
auf der ansonsten knochenweißen Lackierung ließen erkennen, daß er
jemals beschädigt gewesen war.
Sturm hängte die Plastikkiste an einen Haken und kletterte die
Kettenleiter zum Cockpit hinauf, wobei er das an dem Haken hängende
Seil mitnahm. Im Innern des Cockpits angekommen, drehte er sich um
und zog die Kiste zu sich hoch. Er stellte sie auf der Pilotenliege
ab und öffnete sie vorsichtig, um den Inhalt noch einmal zu
überprüfen. Das war nicht der optimale Zeitpunkt, um festzustellen,
daß er etwas vergessen hatte, aber er wollte ganz sicher gehen. Als
er beruhigt war, verstaute er die Kiste hinter der Liege und setzte
sich an die Kontrollen. Er schloß das Kanzeldach und öffnete den
Uniformoverall. Darunter kamen eine Kühlweste und Shorts zum
Vorschein. Er zog den Overall aus und verstaute ihn neben der
Kiste.
Dann zog er Goldjunges Neurohelm aus
dem Netz der Kabel herab und über seinen Kopf. Die Neurokontakte
lagen fest an, und Sturm fuhr langsam die einzelnen Bordsysteme
hoch, eines nach dem anderen. Er übersprang die üblichen
Überprüfungen. Dazu hatte er erstens keine Zeit, und zweitens
konnte er sich darauf verlassen, daß die Lancier-Techs den Mech in
perfektem Zustand zurückgelassen hatten. Sein Blick zuckte noch ein
letztes Mal über die Anzeigen. Alles war bereit zum
Einsatz.
Sturm preßte einen Knopf auf der Befehlskonsole, und ein tiefes
Wummern dröhnte durch den Mechhangar. Schwere Maschinen brummten
und krachten, und eisige Gebirgsluft schlug in den Saal, als sich
die gigantischen Außentore langsam öffneten. Sturm sah mehrere der
Techs am Boden überrascht aufblicken, als er den Steuerknüppel
sanft nach vorne schob, und der Goshawk
aus seiner Nische trat und sich auf die Tore zu in Bewegung
setzte.
Beeilung, trieb er den Tormechanismus
in Gedanken an, als die Flügel wie in Zeitlupe aufschwangen. Er
ließ den Goshawk langsam auf das Tor
zugehen. Als er es erreicht hatte, war die Öffnung gerade breit
genug, daß er mit Goldjunge hinaus in
die dunkle Nacht schlüpfen konnte. Sobald er im Freien war, gab
Sturm den Schließbefehl, und die Torflügel kehrten ihre
Bewegungsrichtung um. Ein Blinklicht auf der Sichtprojektion
meldete eine eingehende Kommsendung. Jemand versuchte, ihn zu
erreichen. Sturm ignorierte die Meldung und ließ das Funkgerät
ausgeschaltet. Er war nicht in der Stimmung für Erklärungen.
Schnell war er ein gutes Stück im Tal, und die Tore hatten sich
hinter ihm wieder geschlossen. Damit konnte auch kein Licht mehr
aus dem Hangar fallen, und über das Tal legte sich wieder die
Dunkelheit der Nacht, unterbrochen nur vom schwachen Licht der
Sterne.
Sturm hatte keine Schwierigkeiten damit, einen Weg durch das Tal zu
finden. Er war schon einige Male hier entlanggekommen, und die
Lichtverstärker des Goshawk lieferten
ihm selbst ohne Positionslichter reichlich Sicht.
Magnetanomaliedetektoren und Infrarotsensoren waren hier im Gebirge
nicht sonderlich zuverlässig, aber er brauchte sie auch nicht. Bald
hatte er den Paß erreicht. Jetzt begann der Weg über die offene
Tundra Kores zur Lancier-Basis.
Am Rande des Passes blieb er noch einmal stehen und sah zurück zum
Depot. Unter der natürlichen und künstlichen Tarnung war es perfekt
versteckt, aber Sturm wußte, wo es lag.
Tut mir leid, Kren, dachte er.
Ich habe eine Verantwortung dir und den
Lanciers gegenüber, aber mein Vater kommt zuerst. Ich habe ihn
schon oft genug enttäuscht, aber jetzt, wo er meine Hilfe braucht
wie noch nie zuvor, werde ich ihn auf keinen Fall im Stich lassen.
Vielleicht habe ich meine Mutter nicht retten können, aber ich
kann, verdammt nochmal, wenigstens versuchen, ihn zu retten. Ihr
kommt auch ohne mich zurecht. Ihr habt ja immer noch Lon Volker. So
lange Ryan meinen Vater in der Gewalt hat, nütze ich euch ohnehin
nichts. Ich werde ihn allein da rausholen oder bei dem Versuch
sterben.