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Falmouthebenen, Toffen Geisterbären-Dominium21. April 3062
Angela preßte sich in die Polster der Pilotenliege, als eine Salve von Langstreckenraketen auf ihren Executioner herabfiel. Eine große Zahl verfehlte den Mech, stürzte vor ihm ins Gras und schleuderte erst Erdbrocken, dann Flammen empor. Der Rest schlug wie Schrotmunition in Torso und Beinpanzerung ein und hinterließ ein Zufallsmuster an Kratern. Der Timber Wolf, der den Angriff ausgeführt hatte, stand fast dreihundert Meter entfernt auf einer Lichtung, in der die Rohrpflanzen und trockenen Gräser nicht ganz bis an sein Cockpit reichten.
Die Spuren des Kampfes wurden von turmhohen Rauch- und Flammensäulen verdeckt, die sich im Osten der Ebene erhoben und in langen Bahnen über das Rohr drifteten. Mit dem Steuerknüppel zog sie das Fadenkreuz auf die untere Torsohälfte und die Beine des Timber Wolf, dann legte sie das Gaussgeschütz und die schweren Laser auf denselben Auslöser. Als sie feuerte, schien es ihr, als würden die Schüsse von ihrem Blick gelenkt. Im Flug war das Gaussgeschoß unsichtbar, aber sein Einschlag im linken Bein des Wolf-Mechs war unübersehbar. Der ganze Kampfkoloß wurde von dem Aufprall nach hinten geworfen und knickte gleichzeitig ein. Unmittelbar danach zuckten die Laserstrahlen in die kleine Lichtung. Eine der Strahlbahnen schoß vorbei und hinterließ nur qualmende Pflanzenstengel an den Füßen des BattleMechs, aber die andere zog eine Schmelzbahn schräg aufwärts über die linke Seite des Torsos. Sie zog den Executioner nach rechts und beschleunigte in südöstlicher Richtung. Angela war sich sicher, daß ihr Gegner die Verfolgung aufnehmen würde.
Auf der Taktikanzeige sah sie ihre Mechs in einer kurzen Linie von Nord nach Süd und einer längeren von Ost nach West aufgereiht, zu einer grob Lförmigen Formation quer über der Ebene. Die WolfTruppen befanden sich in deren Mitte und versuchten, nach Osten zurückzuweichen. Anscheinend befürchteten sie, von den Geisterbären umzingelt zu werden. Die grünen Lichtpunkte, einschließlich desjenigen, der ihre eigene Maschine repräsentierte, wanderten nach Süden und Osten, die durch rote Leuchtpunkte dargestellten Wölfe schienen ihnen zu folgen. Beinahe ...
»Jagd Vier!« drang eine entsetzte Stimme über die Kommleitung. Angela setzte zu einer Antwort an, aber Kate war schneller. »Steige aus!« Danach drang nur noch Rauschen aus den Lautsprechern, als Kate irgendwo außerhalb des Sichtfelds den Schleudersitz auslöste, die letzte Rettung jedes MechKriegers.
Die Rohrhalme rings um den Executioner wogten, als würden sie von einer riesigen Sense gefällt, als vierzig Langstreckenraketen aus den Lafetten des Timber Wolf bei dem Versuch, Angelas Mech zu treffen, in das Pflanzenmeer stürzten. Zehn der Geschosse fanden ihr Ziel und hämmerten mit genügender Wucht auf den linken Torso und Arm ein, daß der Executioner auf seinem Marsch leicht ins Wanken geriet.
Constant Tsengs Stimme kam über die Befehlsfrequenz. »Jagd Vier ist ausgefallen. Jagd Drei ebenfalls.« Scarrys kampfgezeichnete Viper hatte am äußersten Nordende der Formation gestanden und ihren Auftrag gewissenhaft erfüllt, ebenso wie Kate. Die beiden hatten lange genug ausgeharrt, um dem Rest der Pirschenden Bären Gelegenheit zu geben, die Wölfe nach Süden zu locken. Angela fühlte eine gewisse Reue. Sie hatte den beiden befohlen, die Stellung zu halten, und sie mit diesem Befehl möglicherweise in den Tod geschickt. Aber Jahre des Trainings halfen ihr, derartige Gedanken zu unterdrücken und in die Tiefen ihrer Seele zu verbannen. Das waren keine Überlegungen, die sie sich jetzt mitten im Kampf leisten konnte. Dafür würde später genug Zeit bleiben.
»Sterncaptain Angela Bekker. Sie befinden sich im Ring. Jetzt oder nie«, meldete Tseng. An den Störungen, die seinen Funkspruch unterbrachen, hörte sie, daß er ebenfalls unter schwerem Beschuß stand.
Sie schaltete auf den Kanal um, auf den Luray die Sprengladungen eingestellt hatte, und gab den Zündimpuls. Vor ihr und weiter im Norden verwandelte sich das Meer von Pflanzen abrupt in eine rotorangefarbene Wand des Todes, die sich donnernd zum Himmel erhob, als das Pentaglyzerin in Flammen aufging. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Hitze spüren. Sie drang bis ins Cockpit, und ihr brach am ganzen Körper der Schweiß aus. »Geisterbären, mehrere Meter zurückziehen. Ziele wählen und weiterfeuern.«
Sie schaute auf die Ortungsanzeige. Bis auf einen einzigen waren alle Wolf-Mechs jetzt in einem fünf Kilometer durchmessenden Ring aus Feuer eingeschlossen. Der Wind trieb die Flammen nach Osten, und den in ihren Kanzeln röstenden Wölfe würde keine Wahl bleiben, als immer weiter zurückzuweichen, nur um festzustellen, daß ihr Fluchtweg abgeschnitten war. Es war möglich, einen solchen Großbrand im Innern eines Mechs zu überleben, aber die Chancen standen nicht allzu gut, und es war auf jeden Fall unmöglich, gleichzeitig zu kämpfen. Die Hitzeentwicklung war so gewaltig, daß sie zur Stillegung des Fusionsreaktors führen konnte und zur Detonation der Munitionsvorräte, bevor sie abgefeuert wurden. Und der MechKrieger im Innern der Kanzel konnte bei lebendigem Leib verbrennen.
Sie wußte all das. Sie hatte selbst eine solche
Situation erlebt.
Auf Tukayyid hatte Angela im Holthwald gegen die ComGuards
gekämpft, als ihre Gegner das Waldgebiet in Brand gesetzt hatten.
Ihr Mech war den Flammen knapp entkommen, und als sie aus dem
Inferno aufgetaucht und versucht hatte, die Waffen abzufeuern,
hatte er sich abgeschaltet. Es hatte in ihrer Karriere als
Kriegerin nur eine Handvoll Gelegenheiten gegeben, bei denen sie
dem Tod ins Auge geblickt hatte. Das war eine davon gewesen, und
die einzige, in der sie jede Hoffnung aufgegeben und sich innerlich
bereitgemacht hatte zu sterben. Aber irgendwie hatte sie es doch
überlebt.
Jetzt erlebten Dirk Radick und seine Wölfe einen ebensolchen
Feuersturm.
Die Erinnerung verblaßte, als sie in den Flammen die Silhouette des
Timber Wolf erkannte. Er stand auf der
anderen Seite der Feuerwand, auf der heißeren Seite, auf der
dichter Qualm und sengende Hitze nahezu jeden Sauerstoff
verzehrten. Angela zögerte keine Sekunde, und der Pilot des
Wolf-Mechs ebensowenig. Er feuerte seine Laser ab, gefolgt von
einer der Raketenbreitseiten, die den Timber
Wolf so gefährlich machten.
Die Laser bohrten sich zentral in den Torso des Executioner und verwüsteten die Ferrofibritplatten
der Panzerung. Angelas schwere Laser peitschten über Arme und
Brustpartie des Timber Wolf und
zerschmolzen einiges an Panzerung, schienen aber ansonsten nicht
allzuviel Schaden anzurichten. Im nächsten Moment schlugen die
Raketen des Wolfs mit solcher Wucht links und rechts in Torso und
Arme ihres Kampfkolosses ein, daß er nach hinten kippte und zu
Boden krachte, wo die eigenen abgesprengten Panzerplatten auf den
Rumpf des OmniMechs herabregneten. Ihre Schultern schmerzten unter
den ins Fleisch schneidenden Haltegurten, die sie sicher auf der
Pilotenliege hielten.
Der Sturz hatte einen gewissen Schaden verursacht, hauptsächlich an
der Rückenpanzerung. Indem sie die Geschwindigkeit- und die
Beinkontrollen bearbeitete, schaffte sie es, den Mech auf die Knie
zu heben. In einer derartigen Position war sie eine perfekte
Zielscheibe, aber nicht ein Schuß traf den Executioner, während sie wild an dessen Arm- und
Beinsteuerung hantierte, um ihn schließlich wieder auf die Füße zu
bekommen. Sie wirbelte herum. Der Timber
Wolf stand beinahe exakt an derselben Stelle wie bei ihrem
Sturz, aber inzwischen hatte die Feuerwand ihn überholt.
Statt wild auf ihn einzufeuern, tastete sie ihn mit den Sensoren ab
und stellte fest, daß sein Reaktor ausgeschaltet war. Das Abfeuern
der Breitseite in solcher Nähe der Flammen hatte ihn rettungslos
überhitzt. Jetzt stand der Metallgigant regungslos in den Flammen
und verwandelte sich in ein vom Scheitel bis zur Sohle tiefschwarz
verbranntes Standbild. Angela hob den Mecharm zum Fangschuß, aber
sie bekam die Gelegenheit nicht mehr, ihren Gegner zu erledigen.
Plötzlich detonierte die restliche LSR-Munition im Innern der
Maschine. Das modulare Munitionslagersystem, das darauf angelegt
war, die Wucht interner Explosionen nach außen abzuleiten und
sprengte die Rumpfpaneele ab. Der einzige Effekt waren grellgelbe
Glanzlichter in den wütenden roten Flammen, die über den Wolf-Mech
tanzten. Der Timber Wolf erzitterte
unter den Munitionsexplosionen, und die kastenförmige
Raketenlafette auf seiner rechten Schulter zersprang in Hunderte
Bruchstücke. Dann kippte der Kampfkoloß seitlich weg und brannte
aus.
Links von sich sah Angela Netas Ice
Ferret mit der Partikelprojektorkanone einen Blutsäufer-Mech
unter Beschuß nehmen, der durch die Feuerwand zu brechen versuchte,
um die Geisterbären anzugreifen. Der Wolf-Mech, ein Linebacker, erreichte den Rand des Feuerkreises
gerade richtig, um von Netas PPKSalve voll erwischt zu werden. Der
künstliche Blitzschlag krachte in das rechte Waffenmodul der
Feindmaschine. Die drehte sich langsam um, feuerte aber nicht
zurück.
Angela wußte, was es bedeutete, inmitten eines Großfeuers zu
kämpfen, und verstand. Wenn der Wolf-Krieger seine Waffen
eingesetzt hätte, wäre seine Maschine noch weiter aufgeheizt
worden. Statt dessen versuchte der Wolf, abzuwarten und den Mech so
gut es ging abzukühlen, in der Hoffnung, lange genug durchzuhalten,
um Neta erledigen zu können.
Neta allerdings hatte andere Pläne. Diesmal setzte sie ihre
großkalibrige Autokanone und die Kurzstreckenraketen ein. Die
LB-X-Autokanone spie ihre Granaten auf den Torso der Wolf-Maschine
und vergrößerte einen Schaden, den ihr Gegner bereits erlitten
haben mußte, bevor Angela sich als Beobachterin zu dem Duell
gesellt hatte. Netas Raketen schlugen in Torsomitte und Kopf des
Blutsäufer-Mechs ein und zertrümmerten fast dessen Cockpit. Der
Pilot des Linebacker entschied sich
daraufhin, vor allem weil er sah, daß Neta die nächste Breitseite
vorbereitete, das Risiko einzugehen und zu feuern. Er löste Kurz-
und Langstreckenraketen in einem kombinierten Angriff aus, der die
Beine von Netas Kingfisher verwüstete
und lange, schwarze Breschen in den unbemalten Panzerflicken
hinterließ. Aber seine schlagkräftigere PPK hielt er weiter zurück,
weil ihm klar sein mußte, daß die Hitzeentwicklung dieser Waffe zu
viel für ihn gewesen wäre.
Neta hatte derartige Probleme nicht. Sie feuerte ihre PPK wieder
ab, sobald sie frisch aufgeladen war, und zertrümmerte das bereits
beschädigte Waffenmodul des Linebacker
weiter. Angela hätte den Sieg genießen können, wenn ein Blick auf
die Taktikanzeige ihr nicht bewiesen hätte, daß die Schlacht
keineswegs vorbei war. Breedfelts Kodiak wurde als ausgefallen gemeldet. Anscheinend
hatte Dirk Radicks Executioner ihn mit
seinen Langstreckenwaffen abgeschossen. Die Wölfe zogen sich
zurück, aber trotz der Verluste in ihren Reihen, die auf der
Anzeige deutlich wurden, teilten sie weiterhin beträchtlichen
Schaden aus.
Ein Fiepen im Befehlskanal meldete den Eingang einer Meldung vom
JagdStern. »Befehl Eins«, bellte sie. »Status, Stone.«
»Mission ausgeführt« antwortete die nüchterne Stimme. »Keine
Verluste. Wir halten die Festung, Sterncaptain.«
»Was ist mit Dolf?«
»Er hatte Erfolg, wie erwartet«, erklärte Stone mit einer Andeutung
von Stolz. Er und Dolf hatten dessen Rolle in der Aktion
geplant.
Durch das Abbrennen des Rohrs öffneten sich dem Blick plötzlich
gewaltige schwarzverbrannte Weiten, über die der Wind Dunstwolken
aus Rauch von den vereinzelt noch schwelenden Bränden trieb. Sie
sah Constant Tsengs Timber Wolf, der
vom Bombardement eines hinter der im Osten weiter wütenden
Feuerwand nicht sichtbaren Wolf-Mechs getroffen wurde. Ebenso wie
es ihr kurz zuvor ergangen war, wurde Tseng von dem Angriff nach
hinten geworfen, und seine Maschine schlug mit einer Wucht auf den
Rücken, daß der Boden erzitterte und Angela es bis in ihren
BattleMech fühlte.
Als sie die zweite Raketensalve auf seinen am Boden liegenden
Kampfkoloß zustürzen sah, rannte sie instinktiv auf ihn zu, obwohl
ihr klar war, daß sie ihn nicht rechtzeitig erreichen konnte. Dann
schob sich plötzlich die verwaschene Silhouette eines Geists vor
ihr Gesichtsfeld. Ein BattleMech in vollem Galopp. Der Mech hielt
an, als die Raketen gerade ihr Ziel erreichten, und steckte den
Angriff an Stelle des hilflos am Boden liegenden Constant Tseng
ein. Der Kampfkoloß wurde von dem Bombardement geradezu zerfetzt.
Die Bruchstücke seiner schon zuvor beschädigten Panzerung wurden in
alle Richtungen weggesprengt. Angela war froh, daß ihre Pirschenden
Bären einander das Leben retteten, und erst recht, als sie in dem
zweiten BattleMech Gregoris Grizzly
erkannte. Hinter ihm kam Tsengs Timber
Wolf mühsam und schmerzhaft langsam wieder auf die Beine.
Seine linke Schulterlafette war nur noch ein häßlicher Klumpen
wertloses Altmetall.
»Bist du okay, Gregori?« fragte sie.
Er antwortete nicht sofort, sondern feuerte statt dessen erst mit
seinen eigenen Langstreckenraketen und dem Gaussgeschütz auf den
hinter den Flammen verborgenen Wolf. »Ich bin noch einsatzfähig,
Sterncaptain. Aber erzähle niemand, daß ich einem Wahrgeborenen das
Leben gerettet habe. Ich habe schließlich einen Ruf zu waren. Die
Wölfe haben gerade verschiedene Ziele angegriffen. Damit ist der
Kampf freigegeben.«
»Aye«, bestätigte sie. »Alle Mann: haltet den Abstand und
konzentriert eure Anstrengungen auf die Langstreckenwaffen. Laßt
das Feuer seine Arbeit tun.« In der Ferne sah sie einen gestürzten
Dire Wolf auf dem schwarzverkohlten
Boden liegen, während das Feuer um die Wölfe immer höher loderte
und sie immer enger einschloß. In der orangeroten Hölle der Flammen
sah sie Spranges Gegner mit dem Schleudersitz aus seinem Mech,
einem Wolf-Pouncer, aussteigen, kurz
bevor die Maschine auf den Scheiterhaufen stürzte.
Wieder sah sie auf die Taktikanzeige. Der Feuerring hatte sich
inzwischen erheblich zugezogen. Sie beschleunigte den Executioner, um mit dem Rest der Pirschenden Bären
mitzuhalten, die den sich zurückziehenden Wölfen massiv
nachsetzten. Währenddessen ging sie ihre Optionen durch. Ihre
Truppe war schwer angeschlagen, aber für den Gegner galt dasselbe.
Sterncolonel Radik war ein fanatischer Kreuzritter und ein
ausgezeichneter Krieger. Er mußte verzweifelt nach einer
Möglichkeit suchen, diesem Inferno zu entkommen.
Vielleicht ist es an mir, ihm diese
Möglichkeit zu bieten. Sie schaltete das Funkgerät auf
Breitband, damit sie nicht nur von ihren eigenen Leuten, sondern
auch von den Wölfen gehört werden konnte. »Sterncolonel Dirk
Radick, hier spricht Sterncaptain Angela Bekker. Du hast verloren,
Sterncolonel. Ergib dich und rette eure Leben.«
»Neg«, antwortete ihr eine verbitterte, wütende Stimme. »Wir werden
deiner Feuerfalle entkommen und immer noch zahlenmäßig überlegen
sein.«
»Mag sein«, gab Angela zu. »Aber was wird es euch nutzen? Versuche
einmal, über euren Befehlskanal Fort DelVillar zu erreichen,
Sterncolonel. Du wirst feststellen, daß es wieder unter
GeisterbärenKontrolle steht. Selbst wenn du mich hier besiegst,
mußt du anschließend die Festung belagern, und um das erfolgreich
zu tun, fehlen dir die Kräfte. Außerdem habe ich dein
Landungsschiff Hundezahn als Isorla
beansprucht. Wenn du mir nicht glaubst, darfst du es gerne
anfunken.«
Die Pause, die dieser Mitteilung folgte, war lang genug, um ihr
Gelegenheit zu geben, einen zweiten Dire
Wolf in den Flammen auszumachen. Sie nutzte die Chance für
einen Schnellschuß mit Lasern und Gaussgeschütz. Einer der Laser
schoß vorbei, aber ihre übrigen Waffen erzielten Treffer. Der
hundert Tonnen schwere OmniMech blieb abrupt stehen und versuchte,
das Feuer zu erwidern, verlor Angelas Mech aber in den wütenden
Flammen, die sich zwischen den beiden Kampfmaschinen erhoben, aus
Sicht und Zielerfassung. Neta kam an Angelas Seite und reihte sich
neben ihr ein.
Dann meldete sich Radick wieder. »Du bist eine würdige Gegnerin,
Angela Bekker. Aber ich kann mich dir nicht ergeben. Das würde mich
den Rest von Ehre kosten, der mir noch bleibt. Und auch wenn du
mich für besiegt hältst, werde ich für diesen kleinen Rest an Ehre,
den ich noch besitze, weiterkämpfen und sterben.«
Angela wählte ihre Antwort mit Bedacht. »Es gibt eine andere
Möglichkeit.« Sie wußte, daß Radick vergehen würde, wovon sie
sprach. Hegira. Das Ritual, in dem ein Clan-Kommandeur einem Gegner
den Rückzug aus der Schlacht ohne Einbuße an Ehre zugestand. »Wenn
Dirk Radick und seine Blutsäufer Hegira erhielten, konnten sie sich
ungehindert von Toffen zurückgehen, allerdings würden sie den
Besitztest verlorengehen müssen.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte Radick, aber Angela
wußte, daß er log.
»Dann werden meine Krieger dich und deine Krieger zur Strecke
bringen. Höre mir gut zu, Dirk Radick: Der Tod in der Niederlage
bringt keine Ehre.«
Es war viel geschehen. Angela und ihre Pirschenden Bären hatten die
Wölfe über lange Wochen des Kampfes mit einer Niederlage nach der
anderen beschämt. Radick war so arrogant gewesen, zu glauben, eine
kampferprobten Krieger könnten eine frisch ausgehobene Einheit im
Handstreich besiegen und ihr die Welt abnehmen, zu deren Schutz sie
angetreten war, hatte sogar zusätzliche Truppen gegen sie
herangezogen, als seine Verluste zu hoch geworden waren. Und
trotzdem hatten die Pirschenden Bären sich als wahre Krieger
erwiesen, als wahre Geisterbären. Sie hatten sich durch Geduld, Mut
und Kraft den Sieg gesichert.
»Sterncolonel Dirk Radick von den Wölfen, was hier geschehen ist,
wird in der Erinnerung meines Volkes ebenso weiterleben wie in der
des deinen. Noch kannst du die Ehre, die dir geblieben ist, retten.
Ich, Sterncaptain Angela Bekker, Kommandeurin des Trinärsterns
Pirschende Bären, Verteidiger Toffens, gewähre dir
Hegira.«
Die Stille währte nur Sekunden, aber es schien eine Ewigkeit.
Mehrere lange Herzschläge drang nur da; Rauschen der Statik über
die offene Kommleitung. Dann erklang endlich eine matte
Männerstimme. »Im Namen des Wolfsclans nehme ich das Hegira-Angebot
an«, erklärte Dirk Radick so leise, daß er kaum zu hören
war
»Gut gehandelt und akzeptiert, Sterncolonel Dirk Radick«,
antwortete Angela, mehr der Tradition wegen als aus echtem
Respekt.
»Gut gehandelt und akzeptiert, Sterncaptain Angela
Bekker.«
Angela hob den Arm ihres Executioner
zum Zeichen des Sieges. »Pirschende Bären«, erklärte sie. »Unsere
Feinde gestehen uns den Sieg in diesem Test zu. Stellt das Feuer
ein und gestattet ihnen, die Flammen zu verlassen.«