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Fort DelVillar, Toffen Geisterbären-Dominium13. Februar 3062
Die grauen Granitmauern Fort DelVillars zeichneten sich vor dem strahlend blauen Himmel über Toffen ab, als Angela Bekker ihren Executioner die Rampe des Landungsschiffs Blutige Tatze hinab auf den Asphalt steuerte. Die verstärkten Zinnen waren wiederhergestellt, und irgendwann in der näheren Zukunft würden sie auch wieder einen Anstrich erhalten, aber noch traf der Blick auf nackten Stein. Die wuchtigen Mauern gaben Angela ein Gefühl von Sicherheit, allerdings blockierten sie auch die Sicht auf den Rest des Planeten.
Sie trat mit ihren humanoiden OmniMech von der Rampe, und der Rest ihres Sterns folgte beinahe in Formation. Hinter ihr kam Sprange in seinem Timber Wolf. Danach Neta in ihrem Kingfisher, frisch bemalt in grünbraunem Tarnschema. Bethany folgte in ihrer gedrungenen Nova, deren fleckig grünbraune Bemalung, in deutlichem Kontrast zur Jugendlichkeit der Pilotin an den Kontrollen, älter und abgenutzter wirkte. Als letztes Mitglied des Sterns erschien Breedfelts Kodiak, dessen krallenartige Finger fast über die Rampe schleiften. Der Kodiak war eigentlich kein Frontklasse-Mech, aber Breedfelt hatte bei der Entwicklung dieses Mechtyps mitgearbeitet und über drei Jahre praktisch im Innern der Maschine gelebt. Eine derart intensive Verbindung mit einem anderen Kampfkoloß hätte Angela mit bloßem Training niemals erreichen können.
Als sie auf dem Asphalt angekommen war, drehte sie den Executioner zum Kontrollturm, und der Rest ihres Sterns tat es ihr mit derselben Präzision gleich. Tradition war wichtig für die Geisterbären, und eine der wichtigsten Traditionen war die Befehlsübergabe über ein Clanterritorium.
Unter der Führung Constant Tsengs folgte der KampfStern und nahm links von Angela und dem BefehlsStern Aufstellung. Auch seine Mitglieder drehten sich zeremoniell in Richtung Kontrollturm. Die schweren Schritte der gigantischen Kampfkolosse dröhnten dumpf über das Landefeld, als sie in Position gingen. Als Kyle, der letzte von Tsengs Kriegern, an seinem Platz war, setzte sich am Kopf der Rampe der JagdStern in Bewegung. Als er den Asphalt erreichte, führte Sterncommander Stone seine Truppen an eine Position schräg vor den beiden anderen Sternen.
Die letzten Truppen, die über die Rampe kamen, waren Dolf und sein Strahl Elementare. Über Stone hatte Dolf um die Erlaubnis gebeten, die Rüstungen seines Strahls umzulackieren, und Angela hatte sie ihm erteilt. Jetzt nahmen die Elementare in ihren frisch in Braun und Dunkelgrün bemalten Gefechtspanzern mit denselben formalisierten Bewegungen wie zuvor die Mechs ihre Plätze ein. Die stumpfschwarzen Helme wirkten wie eine Auszeichnung des neugeformten Sterns. Angela beobachtete die Bewegungen ihres Trinärsterns aufmerksam auf der Rundumsichtanzeige des Sichtschirms, ohne den Kopf ihres Executioner zu bewegen.
Das Landungsschiff hatte nach der Ankunft des Sprungschiffs am Nadirpunkt des Systems insgesamt neun Tage für den Flug gebraucht. Während dieser ganzen Zeit hatte sie die Pirschenden Bären weiter gefordert, sie für zahllose Gefechte in die Cockpitsimulatoren des Schiffes gehetzt. Sie hatte eine ganze Serie von Szenarien abgearbeitet. Es entwickelte sich tatsächlich ein gewisser Teamgeist, und ihre Leute fingen an, als Einheit zusammenzuarbeiten, aber es ging nicht so schnell, wie sie erhofft hatte. Sie mußten die jeweiligen Stärken und Schwächen der anderen kennenlernen und das Vertrauen entwickeln, das nur gemeinsame Erfahrung mit sich brachte ... selbst wenn es nur Erfahrung im Simulator war.
Angela versuchte, sich nicht zu viele Sorgen um die Spannungen zu machen, die zwischen manchen Mitgliedern der Einheit existierten. Neta fiel es dank der Feindseligkeit Bethanys und gelegentlicher Sticheleien Gregoris besonders schwer, einen Platz in der Gruppe zu finden. Obwohl sie eine vollwertige Geisterbärin war, sorgte ihre Herkunft aus einem anderen Clan dafür, daß sie nicht das gleiche Maß an Respekt beanspruchte wie die übrigen Krieger. Andererseits mußte man zugeben, daß der Spott über Neta das einzige war, was Gregori und Bethany daran hinderte, einander umzubringen. Neta ignorierte die Verbalattacken weitgehend und zeigte eine beinahe unwirkliche Distanz. Manchmal fragte Angela sich, ob Neta wirklich in die Zukunft sehen konnte.
Hinzu kam, daß Dolfs Vorgeschichte irgendwie die Runde gemacht hatte. Obwohl die Geisterbären kein sonderlich abergläubischer Clan waren, trug es nicht gerade zur Einigkeit des JagdSterns bei, daß er der einzige Überlebende seiner drei letzten Einheiten war. Stones Reaktion auf dieses Problem bestand darin, es zu ignorieren und so zu tun, als existiere es gar nicht. Angela verstand, daß Stones Schweigen Schutz und Waffe zugleich war, die er einsetzte, wie es erforderlich wurde. Aber niemand erwähnte Dolfs Vergangenheit in seiner Gegenwart. Das lag sicher mit daran, daß er einen vollen Meter größer als alle anderen war und sie im Kreis der Gleichen zerquetscht hätte. Angela fragte sich allerdings unwillkürlich, wie lange es wohl noch dauern konnte, bis Bethany Dolf darauf ansprach, nur um zu sehen, was passierte.
Nichts von alledem überraschte sie. Angela war in ihrem Leben als Geisterbärin schon in drei verschiedenen Frontklasseeinheiten gedient, und derartige Spannungen waren nichts Neues für sie. Aber bei dem Versuch, eine Einheit aus dem Nichts aufzubauen, zerrten sie gelegentlich doch gewaltig an ihrer Geduld. Aber sie nahm sich zusammen. Diesmal mußte sie mehr als nur ein Sterncaptain sein, eine Kommandeurin.
Ein Mechstern trat aus dem riesigen Wartungshangar am fernen Ende des Landefelds und kam langsamen Schrittes auf den in Habachtstellung wartenden JagdStern zu. Angela setzte den Executioner in Bewegung und trat etwa zwanzig Meter vor ihre Einheit, als die anderen Kampfkolosse sich näherten.
Es war eine beeindruckende Formation. An den Flanken marschierten zwei mächtige Warhawks, deren reparierte Panzerung deutlich machte, daß sie Kampfeinsatz gesehen hatten. Das Zentrum der Formation bildeten drei riesige Timber Wolves. Die kantigen Raketenlafetten auf den Schultern schienen sich jeden Moment berühren zu müssen, während sie heranmarschierten, nur ging der mittlere der drei Mechs den beiden anderen fast zehn Meter voraus. Am Waffenmodul seines rechten Arms war ein Stab mit zwei Standarten befestigt. Die obere zeigte das Emblem des Geisterbärenclans, einen weißen Bärenkopf, umringt von sechs ausschlagenden Tatzen. Die untere Fahne trug das Emblem Galaxis Deltas. Die Formation hielt exakt acht Meter vor Angelas Executioner an.
Bei den Geisterbären war die Übergabe des Befehls ein einfaches Ritual, das aber in diesem Fall zusätzliche Bedeutung erhielt, weil Angelas Einheit frisch ausgehoben war. Das Kommsystem ihres Neurohelms knackte. Sie setzte sich gerade und sah zu dem Timber Wolf hinüber.
»Ich bin Sterncolonel Dana Vishio von den 8. Bärkürassieren. Auf Befehl des Khans der Geisterbären, Bjorn Jorgensson, und des Galaxiscommanders der Galaxis Delta, Roberto Snuka, übergebe ich die Garnisonsverantwortung für diese Welt, Toffen, im Dominium des Geisterbärenclans, an Sterncaptain Angela Bekker.« Der Timber Wolf streckte den rechten Arm aus, so daß Stab und Standarten sich auf volle Länge entfalteten.
Angela streckte die modellierte Hand ihres Executioner aus und faßte mit Hilfe der Greifsteuerung an den Cockpitkontrollen den Stab. »Ich bin Sterncaptain Angela Bekker von den 8. Bärkürassieren. Ich übernehme die Verantwortung für die Verteidigung dieser Welt gegen alle, die sich anmaßen, die Stärke der Geisterbären auf die Probe zu stellen.« Sie sprach die Worte in ihrem besten Befehlston in das Mikrophon des Neurohelms, damit alle, die sie hörten, ihren Stolz heraushören konnten.
»Außerdem ist deine Einheit von diesem Tag und dieser Stunde an offiziell aktiviert«, sagte Sterncolonel Vishio. »Hat dein Trinärstern einen Namen, Sterncaptain?«
Angela lächelte bei dem Gedanken daran, wie sie den Namen gefunden hatten. »Aye, Sterncolonel. Es mir eine Ehre, dir den Trinärstern Pirschende Bären zu präsentieren.«
Es folgte eine kurze Pause. »Pirschende Bären, ich heiße euch in meinem Bau und als Mitglieder der Familie willkommen. Kürassiere, Ach-tung!« Damit schwenkten Dana Vishio und ihr Stern zur Seite und gaben den Weg zum Mechhangar frei, aus dem sie gekommen waren. Die Kampfkolosse hoben den rechten Arm, ein Salut von Kriegern für Krieger.
Die Tradition verlangte, daß Angela als neue Garnisonskommandeurin den Gruß erwiderte. Welche Form ein solcher Gruß hatte, war freigestellt, und in den Jahren ihrer Laufbahn bei den Geisterbären hatte Angela schon die verschiedensten Möglichkeiten gesehen. Ihr Gruß war persönlich, aber deswegen nicht minder ein Zeichen des Repekts für ihre neue Vorgesetzte. Sie aktivierte das Kommsystem und koppelte es mit dem Mikrodiskettenspieler.
Das traurige Heulen des Dudelsacks drang über den Kanal, ihres Dudelsacks. Sie hatte die Melodie für ihre Vorgesetzte eingespielt. »Pirschende Bären«, befahl sie über das Klagen der Musik. »Vorwärts Marsch!« Vorbei an ihrer neuen Kommandeurin marschierten Angela Bekker und ihr trinärstern auf ihren neuen Posten.
* * *Zwei Stunden später stand sie vor Sterncolonel Vishios Büro und stellte fest, daß Vishio ihre Rangabzeichen bereits von der Tür entfernt hatte, in Vorbereitung der Übergabe an Angela.
Sie klopfte dreimal. »Herein«, sagte eine
Stimme auf der anderen Seite, und sie trat ein.
Der Anblick, der sie erwartete, war erstaunlich. Sie hatte bei den
Clans nie etwas Derartiges gesehen. Das Büro war von Design und
Einrichtung her geradezu opulent. Es befand sich hoch im
Zentralturm Fort Del-Villars, mit riesigen Fenstern, durch die der
Blick über die Hälfte der Anlage erfaßte. In der Ferne sah sie
hinter den Außenmauern der Festung die dunklen Wipfel des
Richartwalds, der die Basis umschloß. Die polierte schwarze
Granitplatte des Schreibtischs schimmerte im Licht der Fenster.
Dahinter stand Sterncolonel Vishio.
»Wilkommen auf Toffen, Sterncaptain«, sagte sie. »Bitte setz dich
und mache es dir bequem. Du wirst feststellen, daß ich nicht auf
Förmlichkeit bestehe, wenn wir unter uns sind.«
»Danke, Sterncolonel«, antwortete Angela und versank in einem
wuchtigen Ledersessel, der für ihren Geschmack viel zu bequem
war.
»Eine beeindruckende Installation, frapos?« fragte Vishio und
deutete zum Fenster.
»Pos«, stellte Angela fest und drückte erstaunt die gepolsterten
Armstützen des Sessels. »Einen derartigen Posten habe ich noch nie
gesehen.«
»Weich«, meinte Vishio, als sie hinter dem Schreibtisch Platz
nahm.
»Aye.«
»Die Handwerker der Arbeiterkaste, die diese Anlage in den letzten
acht Jahren renoviert haben, haben sich große Mühe gemacht, die
Einrichtung originalgetreu zu gestalten. Ich hatte vor, sie durch
clangemäßere Möbeln zu ersetzen, aber es scheint, daß der
Sternenbund vor dreihundert Jahren tatsächlich diese Art von
Mobiliar benutzte. Es erschien mir irgendwie falsch, etwas daran zu
ändern, aber falls du es tun möchtest, kannst du das natürlich.
Dies ist jetzt deine Garnison.«
Angela schüttelte den Kopf. »Neg. Wenn das gut genug für den großen
Kerensky und seine Leute war, ist es auch gut genug für mich.« Sie
steckte die Hand in den Gürtel und zog die winzige silberne
Diskette hervor, die sie für Dana Vishio vorbereitet hatte. »Ich
hoffe, mein Salut erschien dir angemessen. Ich habe ihn auf dieser
Diskette aufgezeichnet, zusammen mit dem Dienstplan meiner
Einheit.«
Vishio nahm die Diskette und musterte sie neugierig. »Ich habe nur
einmal vorher Dudelsackmusik gehört. Wie hieß das Stück?«
»Es war der ›Abschied von Gibraltar‹ der 79.«, erklärte Angela.
»Ich fand es eine angemessene Wahl für das Verlassen einer
Garnison. Es ist jedesmal eine Herausforderung für mich. Ein
Schwirren verlangt eine beachtliche Fingerfertigkeit.«
»Ich weiß es zu schätzen«, erwiderte Vishio, aber in ihrer Miene
bemerkte Angela etwas, das sie nicht ganz verstand. »Ich fliege in
einer Stunde zu meinem neuen Posten ab. ChefTech Luray hat deine
kompletten Aufstellungsdaten erhalten und ist dabei, den Hangar für
deinen Trinärstern vorzubereiten. Ich habe auch den Medizinischen
Offizier darüber unterrichtet, daß du den Befehl übernimmst, einen
Arzt namens Drogan. Du solltest ihn kennenlernen.« »Darf ich
fragen, warum?«
»Er ist auf Toffen geboren und aufgewachsen und hat im Militär des
Draconis-Kombinats gekämpft. Er hat eine irritierende Art, macht
seine Arbeit aber sehr effektiv.«
»Ich gewöhne mich langsam daran, mit Menschen ungewöhnlichen
Charakters und Hintergrunds zu arbeiten.«
»Ja, ich habe mir den Dienstplan und die Kodaxe deiner Einheit
angesehen. Du wirst alle Hände voll zu tun haben, aber ich sehe die
Logik hinter manchen deiner Entscheidungen. Es ist nicht meine Art,
die Maßnahmen meiner Offiziere in Frage zu stellen, solange ich
dazu keinen guten Grund habe. Wenn es dir gelingt, sie zu einer
Einheit zusammenzuschweißen, wirst du eine beeindruckende Truppe
haben.«
»Danke, Sterncolonel.«
»Ich nehme an, du hattest Gelegenheit, auf dem Herflug den Bericht
des Quartiermeisters zu lesen?«
»Aye«, antwortete Angela, der immer noch irgend etwas an Vishios
Tonfall auf Auftreten zu schaffen machte. »Ich bin etwas überrascht
über die Masse von Nachschub und Ersatzteilen, die hier eingelagert
ist, Sterncolonel. Sie reichen für einen ganzen Sternhaufen und
einen zwei oder drei Wochen dauernden Test aus. Derartige
Nachschubmengen sind, milde ausgedrückt, ungewöhnlich, und wir
haben selbst mindestens zwei Frachträume voller Bedarfsgüter
mitgebracht.« »So ist es. Der Nachschub wurde vom Galaxiscommander
hierhergeschickt«, erwiderte Vishio, ohne die unausgesprochene
Frage zu beantworten. »Eure Pflicht ist, ihn und diese Welt zu
verteidigen. Es ist nicht an uns, die strategischen Überlegungen
des Oberkommandos zu hinterfragen.«
Angela erinnerte sich daran, was sie den Mitgliedern ihres
Trinärsterns erst kurz zuvor selbst erklärt hatte. Es ist nicht das Wesen des Kriegers, seine Befehle zu
hinterfragen. Er führt sie aus. Plötzlich bekamen diese
Worte eine ganz neue Bedeutung.
Sie erkannte, daß sich eine Kriegerin veränderte, wenn sie in
höhere Rangstufen aufstieg. Häufig war sie gezwungen, strategisch
zu denken und zu vergessen, daß auf der taktischen Ebene andere
Krieger kämpften und starben. »Ich verstehe, Sterncolonel. Ich
wollte nur anmerken, daß die Basis überversorgt scheint.«
Dana Vishio zögerte, als ob sie erst etwas anderes hätte sagen
wollen und es sich dann doch anders überlegt hatte. »Wir kennen
einander nicht, nicht wirklich, oder,
Sterncaptain?«
»Neg.«
»Als ich erfuhr, daß einer meiner Trinärsterne zu einer anderen
Einheit versetzt wurde und die 8. Kürassiere eine neue Einheit als
Ersatz ausheben mußten, war ich nicht sonderlich begeistert. Aber
dann habe ich mir deinen Kodax angesehen und erfahren, daß Khan
Bjorn Jorgensson dich persönlich für diese Aufgabe ausgewählt hat.
Du bist für diesen Posten gut geeignet, und ich bin überzeugt, daß
du deine Aufgabe ehrenhaft erfüllen wirst, auch wenn ich zugeben
muß, daß mir die Befehle nicht immer gefallen.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht, Sterncolonel.«
»In meiner Laufbahn habe ich gelernt, daß es bestimmte Aspekte des
Kommandeurinnendaseins gibt, die mir wohl nie behagen werden. Dich
hier allein zurückzulassen, zu diesem entscheidenden Zeitpunkt in
der Entwicklung deiner Einheit... Das tue ich nicht aus freien
Stücken, sondern auf direkten Befehl.« In ihrer Stimme lag genug
Trotz, um Angela erneut zweifeln zu lassen, ob hinter ihrem Auftrag
auf Toffen nicht doch mehr steckte, als sie ahnte.
»Ich verstehe«, erwiderte sie. Was hätte sie sonst sagen
können.
»Neg«, winkte Vishio ab. »Das tust du sicher nicht. Aber darum geht
es auch nicht. Worauf es ankommt, ist, wie du dich von jetzt an
verhältst. Du unterscheidest dich von vielen Kriegern unseres
Clans, Angela Bekker. Du hast gezeigt, daß du in der Lage bist,
dich den Umständen ausgezeichnet anzupassen. Du stürzt dich nicht
überhastet in den Kampf, sondern hast die Lektion verstanden, die
unser Volk auf Tukayyid gelernt hat.«
Die Erwähnung der Lektion von Tukayyid traf ins Schwarze. Der
Kampfstil der Clans hatte immer aus kurzen, heftigen Gefechtstests
mit durch Bieten begrenzten Mitteln aufgebaut. Die Gefechte
verliefen schnell und stürmisch, und die Clans waren nahezu
unaufhaltsam gewesen, als sie über die Innere Sphäre herfielen. Auf
Tukayyid hatten die ComGuards sich den Clans entgegengestellt, aber
statt eines kurzen Gefechtstests hatte sich die Schlacht über Tage
und Wochen hingezogen. Einige der Invasionsclans, zum Beispiel die
Nebelparder, hatten sich der veränderten Lage nicht angepaßt und
eine katastrophale Niederlage erlitten. Die Geisterbären, unter
ihnen auch der Binärstern unter Angelas Kommando, waren gezwungen
gewesen, ihren Kampfstil zu ändern, und hatten den ComStar-Truppen
ein Unentschieden abringen können. Nur die Jadefalken und der
Wolfsclan hatten sich noch besser geschlagen.
»Ich verstehe nicht, Sterncolonel«, meinte sie zum zweiten Mal an
diesem Tag.
»Ich weiß. Ich erwarte auch nicht, daß du es verstehst«, antwortete
Dana Vishio. »Ich erwarte nur, daß du tust, was immer erforderlich
ist, um deine Pflicht zu erfüllen und diese Welt und diesen
Stützpunkt gegen jeden zu verteidigen, der versuchen sollte, sie zu
erobern, gleichgültig, in welchem Widerspruch es zu deiner
Ausbildung steht. Vertraue deinem Instinkt und deiner Erfahrung.
Sie haben dich hierhergebracht, und ich erwarte, daß sie dich noch
weiterbringen.« Sie schob Angela einen Stoß Papiere über die
glänzende Oberfläche des schwarzen Schreibtischs entgegen. »Viel
Glück, Sterncaptain«, sagte Vishio und salutierte.
»Aye, Sterncolonel«, erwiderte Angela den militärischen Gruß.
»Gleichfalls.«