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Landungsschiff Hundezahn,
am Nadirsprungpunkt des Toffen-Systems Geisterbären-Dominium

5. März 3062

»Irgendwelche Ideen?« fragte Sterncolonel Dirk Radick in die Runde, als der Text der Botschaft auf dem Schirm verblaßte. Die Anwesenheit drei weiterer Offiziere machte es in seiner kleinen Schiffskabine noch enger.

Die Nachricht stammte von Toffen, und er hatte seine Offiziere versammelt, um die Antwort der Geisterbären-Kommandeurin zu empfangen. Sie war mit mehr als einer Stunde Verzögerung eingetroffen, was angesichts der zu überbrückenden Entfernung nicht sonderlich erstaunlich war. Die mutige Reaktion Angela Bekkers auf sein Batchall, die formelle ClanHerausforderung, gefiel ihm. Sie zeigte Kampfgeist. Nur einfach zu landen und den Geisterbären diese Welt abzunehmen, reichte ihm nicht. Aber ein echtes Kräftemessen ... das war eines Wolfs würdig.

Er wartete auf die Reaktionen seiner Offiziere, der Kommandeure der drei Trinärsterne, die zusammen die Blutsäufer darstellten. Sterncaptain Jergan stand stumm und aufrecht an ihrem Platz. Sterncaptain Lark Radick hatte ein beinahe spöttisches Lächeln aufgesetzt. Sterncaptain Vaughn verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Offensichtlich wünschte er sich, die Kabine wäre groß genug, um darin auf und ab zu gehen.

Lark Radick sprach als erster. »Was für ein Austragungsort für einen Test soll das sein? Ein ganzer Kontinent? Die Geisterbären bringen ihren Kommandeuren wohl nicht bei, wie man bietet, frapos?«

Sterncaptain Vaughn schüttelte den Kopf. »Neg. Sie versucht, uns mit der Wahl des Austragungsorts in die Irre zu führen.« Er streckte eine fleischige Hand aus und hantierte mit den Kontrollen des kleinen Wandschirms, suchte versessen nach der richtigen Kombination. Nach mehreren Sekunden stummer Bemühungen gelang es ihm schließlich, eine Karte Grahams aufzurufen. »Hier, seht es euch selbst an.«

Vaughn deutete auf die Karte. »Wir haben auf dem Herflug studiert, was wir über Toffen und seine Planetographie wissen. Diese Geisterbärin hat reichlich Möglichkeiten, wo sie den Test austragen kann. Aber schließlich und endlich gibt es nur einen Ort, den sie halten muß. Fort DelVillar, die kostbare Operationsbasis der Bären.« Er stieß einen Wurstfinger auf die Karte.

Sterncaptain Lark Radick rückte ein wenig zur Seite und starrte auf den Schirm. »So sehr es mich freuen würde, meinem Mitkommandeur widersprechen zu können, sehe ich mich gezwungen, seiner Argumentation zu folgen. Erinnert euch, was die Wache gemeldet hat. Es ist ein gewaltiger Vorrat an Material und Ersatzteilen auf Toffen, und das alles lagert in Fort DelVillar. Ihr bleibt gar nichts anders übrig, als von dort zu operieren.«

Jergan schüttelte leise den Kopf. »Warum wählt sie dann den ganzen Kontinent als Schlachtfeld?«
»Sterncaptain Angela Bekker versucht, uns zu täuschen. Sie hofft, Zeit für die Verstärkung Fort DelVillars zu gewinnen, während sie uns kreuz und quer durch Graham hetzt.«
Dirk Radick verzichtete auf einen Kommentar. Debatten überließ er gerne jüngeren Offizieren. Aber er stellte fest, daß der junge Lark ihm gefiel. Ihr gemeinsames Genmaterial hatte eine mehr als oberflächliche Ähnlichkeit zur Folge. Er wandte seine Aufmerksamkeit der Karte zu, die er bereits Tage zuvor auswendig gelernt hatte, und versuchte, mit dem Problem zu Rande zu kommen, das Angela Bekker ihm gestellt hatte.
»Du findest also, Lark Radick, daß wir das Fort auf der Stelle angreifen sollten«, meinte Jergan.
»Allerdings«, bestätigte dieser. Wir sollten Fort DelVillar angreifen, und nicht nur von außen, sondern von vornherein Einheiten innerhalb seiner Mauern abwerfen. So können wir sie schnell zerschlagen und ihre Fähigkeit zerstören, sich neu zu gruppieren und ihre Anstrengungen zu koordinieren.«
»Ich stimme zu«, meinte Sterncaptain Vaughn. »Selbst wenn diese Geisterbärin sich in die Wälder und in die Berge schlägt, hängt ihr Nachschub weiter an ihrem kostbaren Fort. Wenn wir ihnen das abnehmen, können wir die Vorräte der Geisterbären für unsere Zwecke verwenden, falls sich herausstellen sollte, daß wir sie brauchen.«
Jetzt ergriff auch Radick endlich das Wort. »Sterncaptain Angela Bekkers Trinärstern ist eine junge Einheit ohne Kampferfahrung. Wir müssen schnell und hart zuschlagen, sie überrennen und zerschlagen. Es wird nicht lange dauern.«
»Wo nehmen wir also Aufstellung?« fragte Lark, aber Radick wußte, daß die Frage, um die sich die Gedanken seiner drei Offiziere wirklich drehte, war, wann das Bieten beginnen würde. Nachdem das Batchall ergangen war, blieb nur noch die Entscheidung, wer von ihnen die Ehre haben würde, Angela Bekker und ihre Geisterbären zu vernichten.
Dirk Radick betrachtete die Karte angestrengt, dann drehte er sich zu seinen Sterncaptains um. »Ich glaube, Angela Bekker versucht, uns von der Festung wegzulocken. Es ist die einzige logische Erklärung für ihre Wahl des Austragungsortes. Wir werden geradewegs über dem Fort abspringen. Wir werden ihr Fort DelVillar abnehmen, und Toffen wird nur Minuten nach unserer Landung Wolf-Territorium sein.« Er bemerkte, daß Jergan nicht allzu überzeugt schien. »Du bist anderer Meinung, Sterncaptain?«
»So ist es«, antwortete sie. »Ich befürchte, daß wir diese Geisterbären-Kometin unterschätzen. Sie ist zu erfahren für eine so offensichtliche Finte. Hinter ihrem Vorgehen steckt etwas, das wir übersehen haben, irgendein anderer Grund, aus dem sie ganz Graham als Schauplatz für den Test gewählt hat. Ich weiß nicht, was der Grund ist, oder welchen Vorteil sie daraus zieht, aber ich bin sicher, daß er existiert.«
»Und welche Beweise hast du für diese Annahme?« protestierte Lark.
»Keine«, gab Jergan zu. »Abgesehen von meiner Erfahrung als Gefechtskommandeurin und meinem Instinkt.«
»Vielleicht solltest du dich mit deinem Instinkt bei den Novakatzen bewerben«, höhnte Lark.
Jergans Miene verdüsterte sich. »Vielleicht würde ein kurzes Zwischenspiel im Kreis der Gleichen helfen, dir das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen oder den Eindruck, ich wäre irgend etwas anderes als eine Wölfin.«
Lark setzte zu einer Entgegnung an, aber Radick stoppte ihn mit einer scharfen Handbewegung. »Wir verschwenden unsere Zeit«, erklärte er. »Wir kümmern uns besser um das Bieten.«
Bei der Erwähnung des Bietens leuchteten die Mienen der drei auf, wie die Gesicher von Kindern, die Erlaubnis bekommen hatten, über einen Kuchen herzufallen. Das Bieten war ein weiteres Clanritual, bei dem sich entscheiden würde, wer von ihnen mit seinen Einheiten Toffen angriff.
»Laß uns unsere Meinungsverschiedenheit im Bieten austragen, Jergan«, schlug Lark vor. »Vorausgesetzt, du bist Manns genug, aggressiv mitzubieten.« »Du wirst feststellen, daß ich sehr gut als Kriegerin funktionieren kann, ohne mit dem Gemachte zu denken«, schleuderte sie zurück.
Wieder mußte Dirk Radick ungeduldig mit der Hand durch die Luft fahren. »Ich habe mir über das Bieten einige Gedanken gemacht. Mit eurem kleinlichen Gezeter werdet ihr gar nichts erreichen. Die Geisterbären sind vielleicht ein Bewahrer-Clan, aber das schmälert ihre Leistungen als Krieger keineswegs. Sie sind während der Invasion fast so tief in die Innere Sphäre vorgestoßen wie wir Wölfe. Und seit dem Waffenstillstand haben sie als einzige nicht durch die Hand anderer Clans an Kraft eingebüßt... bis jetzt nicht.«
»Soll ich die Bietmarken holen, Sterncolonel?« fragte Sterncaptain Vaughn. Jeder Clan hatte seine eigene Methode, das Bieten auszutragen, und die Wölfe benutzten Marken, um festzustellen, wer das Ritual eröffnete.
»Neg«, erklärte Radick. »Nur ich werde für diesen Sternhaufen bieten.«
»Was?« fragte Lark.
»Hüte deine Zunge«, warnte Radick ihn. »Unter normalen Umständen würde jeder von euch die Chance bekommen, seine Kräfte für das Recht auf die Einnahme Toffens wegzubieten. Aber dies sind keine normalen Umstände. Ich bin der Meinung, daß Sterncaptain Angela Bekker uns etwas verschweigt, aber das werden wir erst wissen, wenn der Kampf beginnt. Ich werde als einziger um die Einnahme Toffens bieten und werde eure Kräfte wegbieten, wie ich es für angebracht halte.«
Lark Radick war über diese Wendung sichtlich verärgert. »Das ist höchst fragwürdig, Sterncolonel. Du verweigerst uns die Chance, Ehre zu gewinnen.«
Dir Radick blieb unbeeindruckt. »Als befehlshabender Offizier habe ich das Recht, den gesamten Sternhausen zu bieten. Es mag ungewöhnlich sein, aber es gibt entsprechende Präzedenzfälle in unserem Clan. Wenn du das Verlangen verspürst, mich deshalb herauszufordern, Sterncaptain Lark Radick, wirst du Gelegenheit haben, deine Niederlage und meinen Zorn auszukosten.« Er senkte den Kopf und kniff die Augen zusammen. Es war deutlich, daß er keinen Widerspruch von seinen Untergebenen duldete.
Lark wurde rot. »Verstanden, Sterncolonel.«
»Wir sind allein im Bau des Geisterbären«, fuhr Radick fort, »und ich habe kein Interesse daran, Truppen wegzubieten, die später eventuell notwendig werden könnten, um den Kampf zu gewinnen.«
Normalerweise maßen sich die einzelnen Kommandeure miteinander, indem sie die ihnen zur Verfügung stehenden Kräfte Schritt für Schritt aufgaben, bis ihnen nur das Minimum an Truppen blieb, das sie für den Sieg im bevorstehenden Test zu benötigen glaubten. Wenn ein Kommandeur in Schwierigkeiten geriet und Gefahr lief, den Test zu verlieren, konnte er einen Teil seiner Ehre aufgeben und die im letzten Gebot aus der Aufstellung entfernten Einheiten reaktivieren. Gegen Ende des Rituals verlief das Bieten häufig sehr knapp, und die Kommandeure reduzierten ihre Einheiten nur noch um einen Strahl hier oder dort. Als einziger Beteiligter konnte Dirk Radick jedoch ganze Sterne oder sogar Binär- oder Trinärsterne wegbieten. Auf diese Weise hatte er später die Möglichkeit, eine größere Anzahl an Reserven in den Kampf zu holen, falls sich das als einzige Chance erwies, den Sieg zu retten.
Entsprechend den Regeln des Rituals sprach Vaughn die traditionelle Eröffnungsfrage: »Mit welchen Kräften wirst du Toffen erobern, Sterncolonel?«
»Ich biete in meiner Eröffnung den gesamten 7. Gefechtssternhaufen.« Wenn Radick sich damit begnügte, war seine Übermacht gegen Angela Bekker überwältigend, drei zu eins, selbst ohne Berücksichtigung de: unterschiedlichen Kampferfahrung. »Mein Gegengebot besteht in der Aufgabe des Trinärsterns Ewige Kreuzritter Sterncaptain Vaughns.« Vaughns Miene wurde starr, als ihm klarwurde, daß er nur dann irgendeine Chance hatte, in den Kampf einzugreifen, wenn sich auf Toffen ein absolutes Debakel anbahnte. Die Chance, daß es im Kampf gegen einen einzelnen Geisterbären-Trinärstern soweit kam, waren bestenfalls gering zu nennen.
»Als nächstes verzichte ich auf Sterncaptain Lark Radicks Trinärstern Vernichter«, erklärte Dirk, und wieder lief Larks Gesicht rot an, als der sich bemühte, seine Wut zu unterdrücken. »Mein Endgebot besteht aus Sterncaptain Jergans Trinärstern Blutrünstige Wölfe, mit einer Änderung. Ich übernehme die mir zustehende Rolle als Kommandeur der Bodentruppen.« Er machte eine kurze Pause und ließ den Blick über die Gesichter der drei anderen Offiziere schweifen. »Damit ist das Bieten um die Einnahme Toffens abgeschlossen.«
»Seyla«, sprachen die vier Krieger ehrfürchtig und mit gebeugtem Haupt und beschlossen damit das Ritual.
Radick wandte sich an Lark und Vaughn. »Kehrt auf eure Landungsschiffe zurück und macht euch augenblicklich auf den Weg nach Toffen.« Sie verließen die enge Raumschiffskabine, und er blieb allein mit Jergan zurück.
Dirk Radick nutzt die so erhaltene Bewegungsfreiheit, um an den kleinen Kartentisch zu treten, an dem er arbeitete. »Was denkst du, Sterncaptain?«
Jergan zuckte leicht zusammen, als er sie ansprach, und Radick war erfreut, das festzustellen. Sie fürchtete ihn, ließ sich aber davon nicht aus dem Gleichgewicht bringen. »Deine Bietstrategie ist legitim, auch wenn sie hart an der Grenze des Erlaubten liegt. Auch du vermutest, daß Sterncaptain Angela Bekker eine Hinterlist plant, frapos?«
»Neg«, verneinte Radick und schien den Gedanken rat einer Hand vom Tisch wischen zu wollen. »Ich habe schon früher Tests gegen Geisterbären ausgetragen. Sie sind Bewahrer, aber nicht unehrenhaft. Nein, diese Angela Bekker benutzt keine Hinterlist, auch wenn sie offensichtlich etwas plant. Ich nutze nur jede Möglichkeit, einen Mißerfolg auszuschließen, selbst wenn mich das etwas Ehre kostet.«
»Wenn mir die Frage gestattet ist, Sterncolonel«, meinte Jergan zögernd. »Warum hast du für das Schluß-gebot meinen Trinärstern ausgewählt?«
Dirk Radick reagierte auf ihre Frage auf eine Weise, von der er wußte, daß sie seine Untergebenen nervös machte: Er lächelte. Es lag keinerlei Humor in diesem Lächeln, sondern es war vielmehr ein Ausdruck verschlagener Bösartigkeit. »Du bist weder die beste Kriegerin meiner Einheit noch auch nur die beste Kommandeurin, Jergan.«
»Dann verstehe ich deine Entscheidung nicht.«
»Lark Radick und Vaughn waren beide versessen auf den Kampf, aber du warst als einzige vernünftig genug, zu erkennen, daß unsere Gegnerin kein Dummkopf ist. Du hast ein Risiko erkannt, wo die beiden vor Kampfeseifer blind waren. Du entwikkelst allmählich Charakter. Das werden wir brauchen, um diesen Sterncaptain zu besiegen, soviel zumindest wird aus ihrer Wahl des Schlachtfelds deutlich.«
»Und ihre Truppen?«
»Frischfleisch, wie erwartet. Den Daten zufolge, die sie uns übermittelt hat, ist es eine Mixtur aus erfahrenen Kriegern und jungem Blut. In einer offenen Schlacht können wir sie leicht besiegen. Und falls nicht, habe ich so geboten, daß der Sieg der Wölfe dennoch garantiert ist.«
»Ich nehme an«, tastete sich Jergan zögernd vor, »du hast bereits festgelegt, wie und wo du angreifen wirst.«
»Wie Vaughn es bereits gesagt hat: Fort DelVillar ist ein offensichtliches Ziel. Diese Anlage einzunehmen muß ein zentraler Punkt in unserer Strategie sein, gleichgültig, welchen Plan Sterncaptain Angela Bekker sich auch zurechtgelegt hat.«
»Wenn Bekker sich im Innern des Forts verschanzt hat und eine längere Belagerung erwartet, wird der Kampf teuer für unsere Truppen.«
»Da hast du recht, aber wir sind die Blutsäufer. Du weißt so gut wie ich, daß es zwei Methoden gibt, eine derartige Installation zu erobern. Wir werden es auf die aggressivere Weise tun.«
Daran, wie Jergans Miene sich erhellte, erkannte Radick, daß sie sein Vorhaben genau begriff. »Das ist mit Risiken verbunden, Sterncolonel, frapos?«
»Pos. Aber ich bin nicht soweit gekommen, indem ich Risiken vermieden habe. Es ist mir lieber, Angela Bekker unterschätzt mich als umgekehrt.« Um diesen Punkt zu unterstreichen, schaltete er an den Kontrollen neben der Steuerung des Sichtschirms die Sprechanlage. »Kommunikationsoffizier«, sagte er. »Strahle folgende Nachricht nach Toffen ab: ›Sterncaptain Angela Bekker, hier spricht Sterncolonel Dirk Radick. Ich werde dich in zehn Tagen an der Spitze des Trinärsterns Blutrünstige Wölfe angreifen. Ich übermittle dir hiermit meinen Kodax und den der Wolf-Krieger, mit denen ich unterwegs bin, dich zu zerquetschen. Ich hoffe, du bist darauf vorbereitet, eine Gegenwehr zu liefern, die dich würdig macht, zu meiner Leibeigenen zu werden, wenn ich dir Toffen abgenommen habe.‹« Er schaltete den Interkom ab und drehte sich zu Jergan um.
»Was bleibt noch zu tun, Sterncolonel?« fragte sie.
Er lächelte sie noch einmal an. »Nur die Geisterbären zu zermalmen, Jergan. Mehr ist nicht nötig, und weniger wird nicht erwartet.«

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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