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Außerhalb Thorpes, Slewis Randgemeinschaft, Peripherie
25. Februar 3059

Das Landungsschiff der Leopard-Klasse saß wie ein riesiger Raubvogel auf dem Gebirgskamm über Clowster's Crossing. Im Miliztraining hatte Harley alles über Landungsschiffe gelernt und wußte daher, daß das Schiff alt war, Jahrhunderte alt, und möglicherweise sogar noch aus den Tagen des Sternenbunds stammte.

Das Schiff war ursprünglich zu dem Zweck gebaut worden, Männer und Mechs aufs Schlachtfeld oder in eine Befestigung zu tragen, aber die Händler hatten alle entsprechenden Einbauten entfernt und die Hangars in Frachtraum umgewandelt. In manchen Jahren, wenn reichlich Regen gefallen war und die Sonne das Getreide nicht ausgedörrt hatte, reichten die Exportwaren von Slewis beinahe aus, die Laderäume zu füllen.

Die Männer, die um das Landungsschiff Wache hielten, zeigten keine Reaktion, als Harley, sein Vater und die anderen Thorper bei Beloq's Ferry den Kinnit überquerten. Der alte Rassor hatte Harleys Wunden verbunden und sich dabei selbst für seine Verhältnisse schweigsam gezeigt. Möglicherweise lag es an der Selbstjustiz, die sie verübt hatten, aber für Harley schien noch etwas anderes im Spiel zu sein. Sein Vater schien den Blicken seines Sohnes auszuweichen, und dazu bestand kein Anlaß.

Als die Gruppe näherkam, bewegten sich die um das Schiff versammelten Händler vorsichtig und nahmen Verteidigungsposition ein, fast, als wüßten sie, was die Einheimischen ihnen brachten.

Am Flußufer angekommen, machten Harley, sein Vater und die übrigen Männer sich auf den Weg den Hang hinauf, aber die Händler kamen ihnen nicht entgegen. Sie blieben bei ihrem Schiff, im Schutz der LSR-Lafetten und der PPK- und Laserbordgeschütze. Sie hatten die Hangars umgewandelt, schienen aber, soweit Harley das beurteilen konnte, die Bewaffnung des Schiffes unbehelligt gelassen zu haben.

Sein Da hielt die Männer trotz des Gewichts der Leichen in Bewegung, die auf ihren Schleppen festgebunden waren. Im linken Arm trug er ein Gewehr, den Kolben auf dem Oberarm, so daß er es mit einer schnellen Armbewegung einsatzbereit in seine Hand rutschen lassen konnte.

An dem Landungsschiff flammten Scheinwerfer auf, als die Gruppe sich näherte. Ihre Lichtkegel zerschnitten die Dunkelheit und lockten Schwärme von Motten und anderen Nachtinsekten an. Harleys Vater hielt die Gruppe am Rand des Lichts an. Jemand im Innern des Schiffes zog den Scheinwerfer über die Leichen, die sie mitgebracht hatten. Mit einem bedrohlichen Knarren drehten sich die Bordgeschütze und richteten sich auf die Männer Harley legte instinktiv einen Pfeil auf die Sehne und spannte seinen Bogen. Die Vorstellung, mit Pfeil und Bogen ein Landungsschiff anzugreifen, war absurd, aber er hatte nun einmal nichts anderes.

»Ich möchte mit Commander Gossamon reden«, erklärte Da. Seine Stimme hallte laut durch die Stille.
Einer der Händler trat vor, aus dem Schatten unter dem Rumpf des Leopard. Er war jung, höchstens zehn Jahre älter als Harley, aber glattrasiert und mit einem Bürstenhaarschnitt.
»Ich bin Gossamon«, stellte er nüchtern fest, und sein Blick ging an den Thorpern vorbei zu der Last, die sie trugen. »Dürfte ich erfahren, was hier vorgeht?« Seine rechte Faust hing knapp über einer an seinem Oberschenkel im Holster steckenden Autopistole. Es war eine beinahe ebenso absurde Geste wie Harleys gespannter Bogen, wenn man die Feuerkraft des Landungsschiffs in seinem Rücken berücksichtigte.
»Wir bringen Ihnen Ihre Leute zurück«, sagte Rassor. »Sie haben drei einheimische Mädchen angegriffen, während sie in Thorpe waren, und haben sie ziemlich schlimm verletzt. Sie haben Dinge getan, die in zivilisierter Gesellschaft nicht toleriert werden. Sie wissen was ich meine.«
Harley beobachtete Gossamons Reaktion. Er wußte, wie seine Leute waren. Unter der Führung ihres Commanders waren sie diszipliniert, aber wenn sie allein gelassen wurden, war nicht abzusehen, wozu sie in der Lage waren.
Gossamon zuckte keinen Muskel. Er hatte ein echtes Pokerface, eine Fähigkeit, die für einen Händler lebenswichtig war, wenn er nicht bankrott gehen wollte. Er versuchte keine Dummheiten. Ein paar seiner Leute waren schon tot.
»Ich habe Ihr Wort, daß das stimmt?« fragte er Harleys Vater.
»Ja«, antwortete dieser mit einer Stimme wie ein Priester.
»Es wird eine Untersuchung geben«, warnte Gossamon.
»Natürlich wird es das«, erwiderte Da knapp angebunden. »Wir wären ziemliche Narren, wenn wir nach diesem Zwischenfall Ihre Einstellungspraktiken und die weitere Gültigkeit Ihrer Handelserlaubnis nicht überprüfen würden.«
Das war nicht die Reaktion gewesen, die Gossamon auf seine Drohung erwartet hatte. Die Freihändlerkombinate konnten es sich nicht leisten, die Handelsbeziehungen mit den Planeten auf ihrer Route zu verlieren.
»Und falls Ihre Firma der Untersuchung nicht standhält«, warnte Da, »wird der Rat der Planeten entsprechende Maßnahmen ergreifen, denn diese Sache ist noch nicht ausgestanden.«
»Das habe ich nicht gemeint«, versuchte Gossamon die Kontrolle über das Gespräch zurückzugewinnen. »Ich wollte sagen, daß wir den Vorfall untersuchen ...«
»Falls Sie diese Männer nicht ebenso für schuldig erklären wie wir«, stellte Harleys Vater fest, »haben Sie hier kein Willkommen mehr zu erwarten. Und wenn Thorpe sich gegen Sie stellt, wird Slewis folgen. Ohne die Unterstützung von Slewis wird der Rat der Planeren Ihre Handelserlaubnis widerrufen. Sagen Sie das Ihren Vorgesetzten.«
Bevor Gossamon noch etwas darauf entgegnen konnte, drehte der alte Rassor sich um und ließ ihn stehen.
Gossamon verlagerte unsicher das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, dann sah er sich zu seinen Männern um, während Das Leute die Leichen vor dem Händler abluden. Harley beobachtete ihn und fragte sich, ob Gossamon versuchen würde, Vergeltung zu üben. Aber keiner der Händler regte sich. Sie standen stumm unter dem riesigen Rumpf des Landungsschiffes.
Harley, sein Vater und die anderen Männer kehrten zu Belloqs Fähre zurück und setzten wieder zu Clowster's Crossing über. Während der Überfahrt stand Harley an der Reling. Er starrte in das dunkle Wasser und dachte über alles nach, was er in der letzten Nacht gesehen und getan hatte.
Jolee kam herüber und blieb neben ihm stehen, und als er zu ihr aufsah, verwandelte das Mondlicht die Tränen auf ihren Wangen in Diamanten. Zuerst dache er, es könnte eine verspätete Reaktion auf all das sein, was mit den Handelsvertretern vorgefallen war, aber irgendetwas in seinem Innern sagte ihm, daß mehr dahintersteckte.
Ohne ein Wort legte Jolee die Arme um ihn. Es war ganz und gar nicht ihre Art, ihre Gefühle so offen zu zeigen. Normalerweise lachte sie eher und machte Witze über Dinge, die ihr zusetzten, statt ihre Betroffenheit sichtbar werden zu lassen. Jetzt war sich Harley sicher, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
»Was ist los?« fragte er.
Jolee wischte sich über die Augen. »Wir haben eine Nachricht von Kommandanthauptmann Able bekommen«, sagte sie mit stockender Stimme. »Ben ist tot.«
Eisiger Schrecken erfaßte Harley und betäubte Körper und Sinne. Die Familie hatte eine Weile nichts mehr von Ben gehört, aber der war noch nie ein großer Briefeschreiber gewesen. Von Zeit zu Zeit pflegte er ein paar Holos zu schicken, mit kleinen Notizen darüber, wo er war oder was er tat.
Geschockt sah Harley zu seinem Vater hinüber und wartete darauf, daß er ihm sagte, es sei alles ein Irrtum.
Da nickte traurig. »Ich habe es erfahren, kurz nachdem du in den Ort aufgebrochen bist, um die Packratte der Vertreter außer Betrieb zu setzen«, sagte er, und seine Stimme klang so tonlos, als würde er im Schlaf reden. »Ich hielt es für besser, dir noch nichts davon zu sagen. Ich wollte deinen Geist nicht damit belasten, solange du diese Kerle verfolgst. Du hättest schlimm verwundet werden können, wenn du in dieser Situation nicht voll bei der Sache gewesen wärst. Außerdem hätte ohnehin keiner von uns mehr etwas daran ändern können.«
Harley nickte stumm. Diese Erklärung leuchtete ihm ein. »Wann?« fragte er schließlich.
»Letzten Monat.«
In der Randgemeinschaft verbreiteten sich Nachrichten auf Grund der zu überbrückenden Entfernungen und der fehlenden Kommunikationsausrüstung nur langsam. Thorpe hatte eine Empfangseinrichtung, aber es kostete Zeit, den Adressaten einer Nachricht zu finden. Aber Meldungen über Verluste bei Militäroperationen hatten in jedem Fall eine hohe Priorität, und in diesem Fall war die Verzögerung von einem Ausmaß, das beinahe so schockierend war wie die Nachricht selbst. Sein Bruder war seit einem Monat tot.
»Warum haben sie sich so lange Zeit gelassen, uns was davon zu sagen?« stammelte er. Er war wütend auf die Gleichgültigkeit Kommandanthauptmann Ables. Es half ihm, sich von der schreienden Leere abzulenken, die der Gedanke an Bens Tod in seinem Innern aufriß.
»Ich weiß es nicht«, stellte sein Da auf jene ruhige, bestimmte Art fest, die er immer zeigte, wenn er einen Entschluß über etwas getroffen hatte, von dem er wußte, daß es anderen nicht gefallen würde. »Aber ich habe vor, es herauszufinden.«

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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