3
Kriegerviertel, Silverdale, Alshain Geisterbären-Dominium14. Januar 3062
Angela durchquerte den Mechhangar und trat zu einem schlaksigen MechKrieger, der zu einem Fire Moth hochstarrte und aufmerksam beobachtete, wie mehrere Techs die Geschützmodule des Mechs auswechselten.
»Sterncommander Stone?« fragte sie.Der Mann wirkte eher wie ein abgemagerter Elementar, so wenig hatte er von dem üblichen kompakten Körperbau eines MechKriegers. Er musterte sie von unten nach oben und nickte einmal langsam. »Pos«, war alles, was er sagte, bevor er sich wieder zu den Techs auf dem Wartungsgerüst umdrehte.
Angela stellte überrascht die linke Augenbraue schräg. Er schien an nichts außer den Arbeiten an seinem Mech interessiert. »Ich bin Sterncaptain Angela Bekker, Galaxis Delta, 8. Bärkürassiere.«
Wieder drehte er sich langsam, fast mechanisch, zu ihr um und sah sie an. »Ich bin Sterncommander Stone, bis vor kurzem Mitglied der Schlagender-BärGeschko.«
Eine andere Kriegerin wäre von seinem Auftreten einer ranghöheren Offizierin gegenüber möglicherweise beleidigt gewesen, aber Angela kannte den kurzen, aber bemerkenswerten Kodax dieses Mannes. Stone hatte sich erst kürzlich zum MechKrieger qualifiziert, aber beim Positionstest Fähigkeiten bewiesen, die ihm eine sofortige Beförderung zum Sterncommander gesichert hatten. Seinen Ausbildern zufolge war Stone einer der besten Führungsoffiziere für schnelle Aktionen, die sie je gesehen hatte, und dabei weder waghalsig noch impulsiv. Seine Spezialität waren rasche taktische Ausfallmanöver und Erkundungsmissionen. Wiederholt war er in einem leichten Fire Moth ins Feld gezogen, und obwohl er zahlenmäßig und an Bewaffnung unterlegen war, hatte er durch schiere Schnelligkeit und Können Mechs abgeschossen, die das dreifache Gewicht seiner Maschine hatten.
Trotz gewisser Eigenheiten besaß er die Qualitäten, nach denen Angela suchte. »Ich bin dabei, einen neuen Trinärstem auszuheben, Sterncommander Stone. Nach Durchsicht deines Kodaxes habe ich den Eindruck, daß du den Geisterbären unter meinem Befehl gute Dienste leisten könntest.«
Wieder drehte Stone sich langsam zu ihr um. »Meine Ausbildungsoffiziere werden dir sagen können, daß ich an der Spitze eines Jagd- oder Sondierungssterns am effektivsten bin.«
»So steht es in deiner Akte. Aus diesem Grund
biete ich dir den Befehl über meinen JagdStern an.«
»Meine Ausbilder haben sich verdient gemacht, wenn sie dir
ebenfalls mitgeteilt haben, daß ich ein Mensch bin, der wenig
Führung benötigt oder wünscht. Ich leiste meine beste Arbeit in
unabhängigen Aktionen.«
Angela grinste leicht. »Das stand nicht in deiner Akte, aber ich
verstehe es. Auch meine Stärke liegt in unabhängiger
Aktion.«
»Besteht in dieser Einheit, die du aufbaust, eine Chance, aktiv zu
werden?«
»Aye. Wir sind für die Frontwelt Toffen eingeteilt.«
Stone nickte. Dann schien er einen Augenblick in Gedanken die Karte
des Geisterbären-Dominiums zu überfliegen, um sich Toffens Lage ins
Gedächtnis zu rufen. »Wo eine Chance besteht, zu kämpfen und dem
Clan zu dienen, besteht eine Chance, seinen Ruhm zu mehren. Ich bin
geehrt, deiner Einheit beitreten zu dürfen, Sterncaptain Angela
Bekker.«
»Ausgezeichnet. Ich werde deinen Versetzungsbefehl schreiben,
Sterncommander.«
Stone nickte einmal, dann wandte er sich wieder seinem OmniMech und
den Wartungsarbeiten daran zu.
Die faule Gans war eine Kneipe von der Art, wie sie so ziemlich überall zu finden war, wo es Soldaten gab. Sie war schon hiergewesen, als das Draconis-Kombinat Alshain noch regiert hatte, und jetzt unter der Regierung der Geisterbären hatten sich nur die Uniformen ihrer Kundschaft verändert.
Der Schankraum war düster und stank nach Zigaretten, Zigarren, Schweiß, Bier und noch so manchem anderen, nach dem man besser nicht fragte. In der Mitte des Raums waren mehrere Tische beiseitegerückt worden, und in dem dadurch entstandenen freien Platz hielten sich drei Krieger auf, die entweder tanzten oder zu einem Kampf in Position gingen. In den Schatten war ein weiterer Krieger dicht genug herangetreten, um das Geschehen zu verfolgen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
Einer der Kombattanten, ein gedrungener Mann mit zurückgehendem Haaransatz, duckte sich in Gefechtshaltung. »Ich biete dir eine Gelegenheit, diese Worte zurückzunehmen, Sterncommander Konti«, erklärte er mit einem verschlagenen Grinsen.
In den Schatten nickte der halbversteckte Krieger. Das war eindeutig der Mann, dessentwegen er gekommen war. Er hieß Gregori, und ganz so, wie nach Studium seiner Akte zu erwarten war, steckte er mitten in einem Zweikampf.
»Neg, du Dungmade«, antwortete sein Gegner.
»Und ich gewähre dir keinen Kreis der Gleichen. Ich stehe zu allem,
was ich gesagt habe, du Freigburtsabschaum.« Ein anderer Krieger,
der mit zum Kampf geballten Fäusten in der Nähe stand, grunzte
zustimmend.
»Wie du willst, Konti«, meinte Gregori und fuhr sich mit der Zunge
über die Lippen. »Dein Freund und du werdet jede einzelne dieser
Beleidigungen fressen.« Im selben Augenblick stürzte er sich
blitzschnell auf seinen Kontrahenten.
Konti versuchte auszuweichen, aber Alkohol und schlechtes Timing
machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Gregori traf ihn mit
einem weit ausholenden Fußtritt in der unteren Hälfte des
Brustkorbs und schleuderte ihn davon. Als er zu Boden ging,
streifte Kontis Faust seinen Angreifer, konnte aber keinen
ernsthaften Schaden anrichten. Gregori drehte sich im Flug und fiel
auf die Seite.
Jetzt sprang Kontis Kamerad vor, aber Gregori sah ihn kommen und
säbelte dem größeren Krieger mit einem Tritt die Beine unter dem
Körper weg, so daß er ebenfalls stürzte. Gregori rollte mit
wehenden Haaren, die einen Regen von Schweißtropfen über die
Zuschauer schleuderten, auf den Rücken des Mannes und schlug ihm
von beiden Seiten die Fäuste auf die Ohren.
Konti kam auf die Füße und hob einen Stuhl hoch, während die andern
Kneipengäste seltsam wortlos zurückwichen, um den Kämpfern Platz zu
machen. Konti stürmte brüllend vor, den Stuhl zum Schlag über den
Kopf gehoben, dann schlug er ihn auf Gregori hinab, der noch immer
auf dem Rücken seines verletzten Kameraden hockte.
Gregori stieß sich in dem Moment ab, in dem der Stuhl herabsauste.
Der Schlag traf seine Knöchel und den Rücken von Kontis
Verbündetem. Zeitgleich rammte Gregori gegen die Knie seines
Angreifers. Ein lautes Knacken ertönte, als Kontis Knie unter dem
Aufprall nachgab und nach hinten umknickte. Das Kampfgebrüll
verwandelte sich in einen Schmerzensschrei, als er außer Gefecht zu
Boden fiel.
Gregori kam keuchend hoch. Sein Blick strich über die Krieger, die
sich die Schlägerei angesehen hatten. »Noch jemand, der
herausfinden möchte, ob dieser ›Freigeburtsabschaum‹ es wert ist,
sich einen Krieger der Geisterbären zu nennen?«
Ein wütendes Raunen ging durch die Menge, das der Mann in den
Schatten als Ankündigung weiterer Herausforderungen von
Wahrgeborenen erkannte, die ihre Ehre verteidigen wollten. Es war
Zeit, einzuschreiten. Er trat in den schummrigen Lichtkegel und
wanderte zu dem Schläger hinüber »Du bist Gregori,
korrekt?«
»Pos, du wahrgeborener Bastard«, spie Gregori ihm den übelsten
aller Flüche entgegen. Natürlich konnten Wahrgeborene nicht
unehelich sein, aber andererseits waren sie es durch die Art ihrer
Herstellung automatisch. »Komm her, wenn du dich traust.« Er war
sichtlich in Rage.
»Ich sehe, dein Kodax hat nicht übertrieben«, erwiderte Constant
Tseng gelassen.
»Was soll denn das heißen?«
»Du weißt, was es heißt«, meinte Tseng. »Du hast ausgezeichnete
Kampfleistungen. Du hast ein halbes Dutzend Positionstests gewonnen
und jeden dadurch erreichten Rang durch deine ständigen Kämpfe
gegen Wahrgeborene im Kreis der Gleichen wieder verloren. Es gibt
mit Sicherheit niemanden in unserem Clan, der häufiger degradiert
worden ist als du.«
Gregori grinste. Zweifellos war das eine Folge übermäßigen
Alkoholkonsums. »Ich habe wenig Verwendung für Titel und Stellung.
Oder für arrogante Offiziere, die nichts besseres zu tun haben, als
herumzusitzen und meinen Kodax zu lesen. Komm schon, laß sehen, was
du draufhast.«
Tseng schüttelte den Kopf. »Nein, Gregori. Aber ich schlage vor,
daß du diesen Kampf beendest und gehst. Du wirst diesen Streit
heute nicht lösen.« Tseng fragte sich, ob Gregori tatsächlich
glaubte, den jahrhundertealten Konflikt zwischen Freigeburten und
Wahrgeborenen mit einer einfachen Kneipenschlägerei beenden zu
können. »Außerdem bin ich gekommen, um mit dir zu reden.«
Gregori schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht in der Stimmung zum
Reden. Ich will kämpfen. Wenn ich dir zuhören soll, mußt du mich
erst besiegen.«
Das war zwar nicht sein Stil, aber Constant Tseng zögerte auch
nicht. »Wenn du anders nicht zum Zuhören zu bewegen bist, von mir
aus.« Er zog die schwarzen Handschuhe aus und steckte sie neben der
Messingschnalle in Form des GeisterbärenClanwappens in den
schwarzen Uniformgürtel.
Wieder sprang Gregori ohne Vorwarnung auf seinen Gegner los. Der
Unterschied diesmal war, daß Constant Tseng im Gegensatz zu den
beiden vorherigen Kontrahenten des Freigeborenen nichts getrunken
hatte. Gregori war bereits durch den vorigen Schlagabtausch
ermüdet, und Tsengs Reflexe waren erheblich schneller als die
Kontis oder seines Verbündeten. Er trat mit perfekter Präzision
beiseite und rammte Gregori beide Fäuste auf den Hinterkopf, als
der an ihm vorbeiflog.
Gregori wankte, und Tseng sprang auf seinen Rücken, um den Kampf zu
beenden. Er zog die Arme des benommenen MechKriegers fest auf den
Rücken und hielt ihn am Boden. Gregori stöhnte leise, dann lachte
er plötzlich. »Du hast mich geschafft, Krieger. Hast du einen
Namen?«
»Sterncommander Constant Tseng.«
Nachdem der Kampf offensichtlich vorbei war, kehrten die Gäste der
Kneipe allmählich wieder zu ihren Beschäftigungen vor Beginn der
Schlägerei zurück. Unter dem lauter werdenden Kneipenlärm halfen
mehrere Krieger Gregoris zwei Opfern wieder auf die Beine. Constant
stand langsam auf, so daß Gregori ebenfalls hochkommem
konnte.
»Was willst du von mir?« fragte Gregori und wischte sich mit dem
Ärmel den Schweiß von der Stirn und das Blut aus dem
Mundwinkel.
»Deinem Kodax zufolge hast du auch die höchste Abschußquote in
unserem Clan, für eine Freigeburt, meine ich.«
Gregori kniff die Augen zusammen. »Ich will nicht noch einmal gegen
dich kämpfen, aber wenn das als Beleidigung gemeint war
...«
»Neg«, schnitt Tseng ihm das Wort ab. »Ich diene unter Sterncaptain
Angela Bekker. Sie hebt eine neue Einheit aus. Nach allem, was wir
aus deiner Akte ersehen können, halten wir dich für einen
hervorragenden Rekruten für unsere Truppe.«
Gregori lachte. »Wenn du meinen Kodax gelesen hast, weißt du auch,
daß die meisten meiner Kommandeure mich für einen Schmerz im Arsch
halten. Sie behaupten, ich sei zu starrköpfig und würde Befehle
ignorieren, wenn die taktische Situation das meiner Meinung nach
verlangt. Im großen und ganzen, Sterncommander, charakterisieren
sie mich als unbeherrscht und un-beherrschbar.« Wie um seine Worte
zu unterstreichen, sah er zu den zwei anderen Kriegern hinüber, die
Konti aus der Kneipe halfen.
Tseng nickte und fuhr sich mit der Hand durch das schwarze Haar.
»Ja, aber sie sagen gleichzeitig auch, daß du ein besonderes Talent
dafür besitzt, die taktische Situation einzuschätzen und im
gleichen Moment darauf zu reagieren. Deine Abschußquote bestätigt
das.« Constant Tseng verzichtete darauf zu erwähnen, wie viele
Gegner sein Gegenüber außerhalb des Schlachtfelds auf dem Gewissen
hatte, in Schlägereien wie der, die er gerade unterbrochen hatte.
Gregori würde mit Sicherheit Schwierigkeiten machen, aber wenn es
gelang, sein Talent in die richtige Bahn zu lenken, war er das
wert.
»Und es stört dich nicht, daß ich ein Freigeborener bin?«
»Solange es dich nicht stört, daß ich ein Wahrgeborener
bin.«
Gregori setzte ein breites Grinsen auf. »Es stört mich dann, wenn
du mir deine Herkunft arrogant unter die Nase reibst. Aber jeder,
der mich so schnell besiegen kann, verdient meinen Respekt,
gleichgültig, woher er seine Gene hat. Wenn du mich haben willst,
bin ich bereit, mich dir anzuschließen.«
»Gut, dann bist du ab jetzt ein Mitglied der 8.
Bärkürassiere.«
»Eine Frage noch, Sterncommander.« Gregori wischte sich wieder den
Schweiß ab und atmete tief durch. »Wie hast du mich
gefunden?«
»Dein letzter Kommandeur hat mir gesagt, ich soll nach einer Kneipe
voller Krieger und einem Freigeborenen suchen, der entweder wild
darauf ist, eine Schlägerei anzuzetteln, oder bereits mitten in
einer steckt. Mit anderen Worten, es war nur eine Frage der
Zeit.«
Die Freigeburt Gregori lachte. »Mit dir kann ich auskommen.«
Die drei Krieger saßen steif im Konferenzraum. Die Spannung war beinahe mit Händen greifbar. Eine von ihnen war eine stämmige Kriegerin mit kurzgeschorenem blonden Irokesenkamm und einer Brandnarbe unter dem rechten Ohr. Sie trug eine typische Geisterbären-Gefechtsmontur, aber unter der Manschette ihres Overalls ragte etwas hervor, das nach einer Novakatzen-Tätowierung aussah. Der zweite der drei war ein dunkelhäutiger Elementar, der den Raum durch seine bloße Größe dominierte. Aber auch wenn das allein schon ausgereicht hätte, die Aufmerksamkeit auf ihn zu ziehen, sorgten die grauen Ausläufer seiner Koteletten im allgemeinen für mehr Interesse. ClanKrieger erreichten selten in aktivem Dienst ein Alter von Ende dreißig, auf das ein Betrachter ihn geschätzt hätte. Wenn sie über fünfunddreißig wurden, wartete auf die meisten die Versetzung zu den Solahma, der letzten Zuflucht der Alten, Schwachen und aus sonstigen Gründen für die Clans Nutzlosgewordenen. Wenn sie Glück hatten, durften Solahma-Krieger ihr Leben in einem Selbstmordangriff opfern oder die Schande, nicht früher in ehrenhaftem Kampf gefallen zu sein, auf andere Weise ausbügeln. Einen älteren Krieger in den regulären Reihen der Geisterbären zu finden, war eine absolute Ausnahme.
Der dritte Krieger hatte kurzes schwarzes Haar und einen leichten Bartschatten. Seine Haut war blaß, so, als habe er in den letzten Jahren keine Gelegenheit gehabt, ins Freie zu kommen.
Angela und Constant Tseng betraten das Zimmer. Beide hatten einen Compblock in der Hand, und sie setzten sich den drei Kriegern gegenüber an den Tisch. Sie sagten ganz bewußt nichts. Nur einer der drei Krieger, der Bleiche mit dem Bartschatten, ließ sich irgendeine Regung anmerken.
»Ich werde mich kurz fassen«, ergriff Angela das Wort, und weil der Raum bis dahin so völlig still gewesen war, klang ihre Stimme besonders laut. »Ich bin Sterncaptain Angela Bekker. Auf Befehl Khan Björn Jorgenssons hebe ich einen neuen Trinärstern der 8. Bärkürassiere, Galaxis Delta, aus. Das ist Sterncommander Constant Tseng, Kommandeur des KampfSterns der Einheit. Wir haben euch heute hierher bestellt, weil eure Kodaxe Potential für eine Aufnahme in diese Einheit erkennen lassen.« Ihr Blick ging von der blonden Kriegerin zu dem schwarzen Elementar. Den dritten Krieger ignorierte sie. »Die wirkliche Frage ist, ob ihr wert seid, in dieser neuen Einheit zu dienen.«
»Wert«, stellte der Elementar fest, »liegt häufig imAuge des Betrachters, oder nicht,
Sterncaptain?« »Aye, Dolf«, erwiderte sie, ohne auf dem
Comp
block seinen Namen nachsehen zu müssen. »Aber
ein Kodax erzählt nicht die ganze Geschichte eines
Kriegers. In deinem Fall stehst du vor der Rotation in
eine Solahma-Einheit in der Peripherie. Möglicherweise willst du
nur in meine Einheit, um diesem
Schicksal zu entgehen.«
Dolfs dunkelbraune Augen hielten ihrem Blick
stand. »Ich lüge nicht, Sterncaptain. Wenn ich deiner
Einheit nicht zugeteilt werde, muß ich den Rest meines Daseins als
Solahma verbringen. Das kann immer noch passieren, aber wenn eine
Chance besteht,
daß ich noch ehrenhaft dienen und in der Schlacht
fallen kann, dann wünsche ich mir dieses Schicksal.« »Das ist noch
nicht alles, Krieger«, meinte Tseng. Dolfs Augen verdüsterten sich.
Er neigte leicht
den Kopf. »Das stimmt, Sterncommander. Da ist noch etwas. Ich habe
an drei großen Schlachten teilgenommen. Dreimal habe ich als
einziger meines Sterns überlebt. Manche behaupten, es läge ein
Fluch auf mir, aber das stimmt nicht. Ich brauche eine
letz
te Chance, das zu beweisen.«
Angela sah auf ihren Compblock. »Ich weiß deine
Ehrlichkeit zu schätzen, Dolf. Auch ich habe auf Tukayyid gekämpft
wie du. Aber ich glaube nicht an
Schicksal. Glück und Pech, vielleicht, doch nicht an
Schicksal. Würdest du mir gut dienen, um zu beweisen, daß kein
Fluch auf dir lastet?«
Dolf nickte. »Ich werde nie wieder der einzige
Überlebende meiner Einheit sein, Sterncaptain.
Nimm mich als Krieger an, und ich beweise es dir.«
Constant Tseng sah Angela an und nickte. »Ja, Dolf,
wir geben dir deine Chance. Wir planen, für den Trinärstern einen
Strahl Elementare auszuheben. Ich
möchte, daß du mir bei der Rekrutierung hilfst.« Der riesenhafte
Krieger lachte breit. »Es wäre mir
eine Ehre, Sterncaptain Angela Bekker.«
Angela blickte wieder auf ihren Compblock und
rief die Daten auf, die sie brauchte. Das fahle, bläuliche Licht
des Anzeigeschirms tanzte über ihre Finger. »Du mußt Neta sein«,
meinte sie und sah die
blonde Kriegerin an.
»Pos, Sterncaptain. Ich bin Neta, die Geisterbärin.« »Früheres
Mitglied der Novakatzen, frapos?« fragte Constant Tseng.
»Pos, Sterncommander. Ich wurde vom Krieger
Hosek zur Leibeigenen gemacht.«
»Ich kenne deinen Kodax«, stellte Angela fest.
»Aber mich interessieren ein paar Einzelheiten, die
nicht darin zu finden waren. Was ist aus Hosek geworden?«
»Er hat mich sechs Monate nach meiner Gefangennahme in einem
Besitztest um mein Generbe zur
Kriegerin gemacht. Zwei Tage später hatten wir eine
Auseinandersetzung um die Behandlung eines Mitglieds der
Technikerkaste, das einen unserer Mechs
beschädigt hatte. Wir traten uns im Kreis der Gleichen gegenüber,
und ich brach ihm das Genick.« In
ihrer Stimme lag kaum Emotion. Das Geschehen
schien sie nicht merklich berührt zu haben.
»War das Absicht?« fragte Tseng nach.
»Neg, Sterncommander«, antwortete Neta. Ihre
Augen funkelten, als sie sprach. »Es war ein bedauerlicher
Unfall.«
»Und seitdem hat dich keine Einheit aufgenommen, frapos?« fragte
Angela.
»Positiv, Sterncaptain.«
»Und was sollte mich veranlassen, es zu tun?« Diese Frage schien
Neta einen unangenehmen
Moment des Schweigens lang aus dem Konzept zu
bringen. »Lassen wir es dabei bewenden zu sagen,
daß ich zwar zur Geisterbärin gemacht wurde, aber
noch keine Chance erhalten habe, mich zu beweisen.
Ich habe bisher nur ein einziges Mal einen Kampf
verloren, und das gegen meinen neuen Clan. Ich habe
mit genug Können gefochten, um als Leibeigene genommen und später
wieder Kriegerin zu werden.
Jetzt wünsche ich mir die Gelegenheit zu kämpfen.« »Schlägt das
Herz des Bären in deiner Brust?«
fragte Angela.
»Früher war ich eine Novakatze und ließ mich von
Intuition und Gefühl durch das Universum führen.
Jetzt bin ich eine Geisterbärin und kämpfe als solche.
Wenn du mich fragst, ob alle Spuren meines früheren
Clans in mir ausgelöscht sind, lautet die Antwort
nein. Auch ich werde dich nicht anlügen. Ich fühle
noch immer den Ruf der Sterne, die mich leiten.
Aber mein Dienst und mein Herz gehören jetzt dem
Geisterbär. Meinem früheren Leibherrn gefiel meine
mystische Seite nicht, und schlußendlich hat es ihn
das Leben gekostet. Ich bitte nur um die Gelegenheit,
mich den Geisterbären zu beweisen, zu zeigen, daß
ich wirklich eine Kriegerin dieses Clans bin.« Sie sah
kurz zu Dolf, und er nickte. Die beiden teilten ein
gemeinsames Schicksal, auch wenn es unter verschiedenen Namen
lief.
Angela blickte zu Tseng, der auch diesmal sein
Einverständnis signalisierte. Sie warf den Compblock auf den Tisch
und sah den dritten Krieger an,
der ihr auf der anderen Seite gegenübersaß. »Und du,
alter Freund? Obwohl wir einander zwei Jahre nicht
gesehen haben, siehst du besser aus als bei unserer
letzten Begegnung. Ich frage dich, ob du bereit bist,
unter meinem Befehl zu dienen. Wir stammen aus
derselben Geschko, und das verbindet uns auf eine
Weise, für die es keine Worte gibt. Aber ich habe
einen Blutnamen und bin dir vorgesetzt. Würde es das schwierig für
dich machen, unter mir zu die
nen?«
Der Mann mit dem Fünf-Uhr-Schatten lächelte.
»Neg, Sterncaptain. Mir nicht. In deiner Einheit zu
dienen, wäre eine Ehre. Ich bin dir etwas schuldig,
und ich möchte diese Schuld auf dem Schlachtfeld
abtragen.«
»Ausgezeichnet«, erklärte Angela und schaltete
den Compblock mit einem kurzen Tastendruck aus.
»Ich werde euren derzeitigen Kommandeuren die
nötigen Versetzungsbefehle zukommen lassen.« Die drei neuen
Rekruten sagten nichts, aber ihre
Mienen sprachen Bände. Angela stand auf, Tseng tat
es ihr nach, und die beiden verließen den Raum.
Die drei Krieger schwiegen, bis sich die Tür geschlossen hatte. Dann drehte Neta sich zu dem blassen Krieger um und legte fragend den Kopf auf die Seite. »Du kennst diesen Sterncaptain Angela Bekker, frapos?«
»Pos. Das ist untertrieben. Ich verdanke ihr
mein Leben.« In seiner Stimme lag Stolz.
Neta nickte, als verstünde sie, was er meinte, und in ihrem
nächsten Satz lag ein gespenstischer Nachhall ihrer
Novakatzenerziehung. »Sie ist ehrbar über ihre Worte und
Erscheinung hinaus.«
»Sie hätte mich sterben lassen können, aber das hat sie nicht
getan«, meinte der Krieger und rieb sich in Erinnerung an die
schmerzhafte Verletzung die Rippen.
»Du hast schon einmal unter ihr gedient?« fragte Dolf.
»Neg. Nicht gedient. Es war mehr«, antwortete der Mann. Langsam
erzählte Sprange den beiden, wie Sterncaptain Angela Bekker ihm das
Leben gerettet hatte ...
Auf dem Korridor vor dem Konferenzraum hielt Constant Tseng Angela an und grinste ihr aufmunternd zu. »Das hast du gut gemacht.«
»Es ist ein Glücksfall, daß wir Sprange rekrutieren konnten. Wie ich dir bereits erzählte, habe ich ihm einmal das Leben gerettet. Er wird den anderen von mir erzählen, und das wird helfen, etwas von seiner Loyalität in ihnen zu wecken. Wir werden alle Hilfe brauchen, die wir bekommen können, um diese Einheit zu formen.«
Tseng nickte bedauernd. »So ist es, aber ich habe noch zwei andere Krieger getroffen, die wir in Betracht ziehen sollten. Einer heißt Sorrenteno. Er hat nicht viel Kampferfahrung, verfügt aber über einen guten Sinn für Defensivstellungen und Verteidigungsoperationen.«
»Gut«, erwiderte Angela. »Und der andere?« »Ihr Name ist Bethany. Sie kommt frisch von derBlutige-Tatze-Geschko.« In seiner Stimme lag ein leichtes Zögern, als wäre er sich bei ihr nicht ganz sicher.
»Deine Einschätzung?«»Sie ist ein Hitzkopf, aufbrausend. Impulsiv.
Ihr fehlt die Erfahrung einer abgebrühten Kriegerin.«
»Aber auf irgendeine Weise hat sie es dir angetan,
frapos?«
»Pos. Ihre Treffsicherheit und Waffenfertigkeit suchen
ihresgleichen. Unter deinem oder meinem Befehl hätte sie meiner
Ansicht nach ein beachtliches Potential für unseren
Clan.«
»Ich will sie kennenlernen«, meinte Angela. »Und wir werden
Sterncommander Stone mitnehmen. Er muß ebenfalls einen Anteil daran
haben. Es wird eine Bindung zwischen uns als Kommandeuren schaffen,
wenn wir diese wichtigen Entscheidungen gemeinsam
treffen.«
Sie rieb sich kurz die Schläfen, als wolle sie die Anspannung
vertreiben. »Du solltest schlafengehen, Sterncommander.
Sterncolonel Dana Vishio ist bereits unterwegs, um den Abzug zu
überwachen. Wir haben ein paar lange Tage vor uns. Wir müssen die
letzten Rekruten auswählen, uns mit den QuartiermeisterTechs
verständigen, und dann haben wir noch viel zu schaffen, wenn wir in
nicht einmal einer Woche bereit zum Ausrücken sein wollen.«