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Jotunberge, Kore Peripherie
14. April 3060

Karl Yaeger haßte Drecksarbeit. Sie war langweilig, eintönig und sinnlos, absolut nichts, womit sich ein MechKrieger hätte abgeben sollen, nicht einmal ein Raumpirat. Teufel auch, er war nicht MechKrieger geworden, um durch irgendeine Eiswüste zu stampfen und wissenschaftliche Daten für einen Haufen Eierköpfe zu sammeln. Er war ausgebildet, die gefährlichsten Kampfmaschinen des einundreißigsten Jahrhunderts zu steuern. Sein OmniMech verfügte über genügend Feuerkraft, um eine Stadt zu verwüsten, und jetzt spielte er hier auf einem tiefgefrorenen Höllenloch von einem Drecksplaneten den Scout, ohne zu wissen, wonach genau er eigentlich suchte.

Andererseits war Yaeger Soldat, und wenn er einen Befehl erhielt, dann befolgte er ihn. Besonders, wenn dieser Befehl von einer Frau wie Susie Ryan kam, seiner Kommandeurin und der »Königin« dessen, was von den Banditenkönigreichen übriggeblieben war, nachdem die Clans vor zehn Jahren wie ein Orkan über sie hinweggefegt waren. »Einauge« Ryan war die zäheste und gemeinste MechKriegerin, die er je getroffen hatte. Sie hatte es mit nicht mehr als Charisma, Entschlossenheit und hervorragendem taktischen Können geschafft, die Überreste der alten Banditenkönigreiche zusammenzuschmieden, und alle drei Fähigkeiten hatte sie wirksam gegen die Clans eingesetzt.

Ryans Rebellen hatten mit minderwertigen Mechs und überlegener Schläue mehrere Siege gegen Clan Jadefalke errungen. Diese Siege hatten den Rebellen Mechs wie den Uller eingebracht, den Yaeger jetzt steuerte. Das mußte ihnen der Neid lassen: Diese Clan-Bastarde wußten vielleicht nicht mehr, was es hieß, ein Mensch zu sein, aber sie bauten die besten Mechs, Machinen, die fortschrittlicher waren als alles, was in der Inneren Sphäre vom Band rollte. Der Uller war dem alten Commando, den Yeager vorher benutzt hatte, um Längen voraus. Er mochte seinen alten Mech, aber diesem Baby konnte er nicht das Wasser reichen. Die Konstruktionen der Nachfolgerstaaten waren in Jahrhunderten des Krieges hinter den Stand der Technik zur Zeit des Sternenbunds zurückgefallen, während die Clans ihre Maschinen weiterentwickelt hatten. Erst jetzt, Jahre nach der ClanInvasion, holten die Nationen der Freien Inneren Sphäre langsam auf.

Und was machen wir mit all dieser Supertechnik? fragte er sich. Wir benutzen sie, um irgendeinen Eisklumpen mitten im Nirgendwo zu übernehmen, machen ein paar leichte Mechs platt und verschwenden Tage damit, rumzurennen und ein paar eisverkrustete Gebirge zu kartographieren und mit den Sensoren abzutasten. Aber wenn Ryan das so wollte, dann tat Yaeger es auch. Er verstand es vielleicht nicht, aber er wußte, daß der Skipper irgendeinen Hintergedanken haben mußte. Bisher hatte sich noch jedes Unternehmen, das Susie Ryan in Angriff nahm, für ihre Männer zum Vorteil entwickelt, und sie ging nichts ohne einen Plan an, der ihr und den Rebellen einen guten Profit einbrachte, meist sogar einen ausgezeichneten.

Was es auch war, es würde mit zum leichtesten Gewinn zählen, den die Rebellen je gemacht hatten, soviel stand fest. Der Angriff auf die Mechlanze, die den Planeten verteidigte, war exakt wie geplant abgelaufen, geradezu wie geschmiert. Die wußten gar nicht, wie ihnen geschieht. Okay, der letzte Mech ist uns für eine Weile entkommen, aber weit kam der auch nicht.

Yaeger grinste, und sein Goldzahn funkelte im Licht des Sichtschirms, als er kichernd daran dachte, wie er den Thorn erledigt hatte. Das hatte Spaß gemacht. Zu schade, daß er den Piloten nicht erwischt hatte. Aber der mußte inzwischen auch so tot sein. Niemand konnte auf einer Welt wie der hier überleben, wenn sein Mech zerstört war und er keine richtige Ausrüstung besaß. Beinahe tat der Kerl ihm leid. So hätte Yaeger nicht sterben mögen, allein und gefangen in einer Eishölle. Wenn er abtreten mußte, sollte das im Kampf sein. Er hatte gehört, daß es in den Bergen auch noch Wölfe und anderes Viehzeug geben sollte. Möglicherweise war der Kerl gefressen worden, bevor er erfrieren konnte.

Das war übrigens nicht alles gewesen, was Yaeger gehört hatte. Ein paar der Techs und sogar die anderen MechKrieger hatten eine örtliche Legende aufgeschnappt, nach der es in den Jotunbergen spukte. Es wurde erzählt, daß geisterhafte Schemen eines ClanBattleMechs im und um das Gebirge aufgetaucht waren, seit die Truppen Clan Stahlvipers von den Söldnern aufgerieben worden waren, die Kore beschützten. Es hieß, einer der Clan-MechKrieger habe mit dem letzten Atemzug geschworen, sein Leben und das seiner Leute zu rächen, und jetzt gehe er tief nachts in den Bergen um und warte auf den Tag der Vergeltung.

Der Wind heulte um das Cockpit des Uller, und trotz der Hitze im Innern der Kanzel spürte Yaeger plötzlich ein Frösteln. Die Sensoren zeigten eine Außentemperatur deutlich unter Null an. Dieser Planet ist mir unheimlich, dachte er und überprüfte die Ortung. Die Modifikationen, die der asiatische Wissenschaftler gemacht hatte, sollten helfen, große Metallablagerungen aufzuspüren. Er hatte irgend etwas von der Suche nach günstigen Standorten für Erzbergwerke gefaselt. Yaeger hatte keine Ahnung, wonach sein Skipper damit suchte, aber er hoffte inständig, daß sie es schnell fanden, damit sie diesem gottverlassenen Felsklumpen den Rücken kehren und nach Hause fliegen konnten. Yaeger war lieber da, wo etwas abging, nicht zwischen diesen riesigen schwarzen Bergen, den Kopf voller Geistergeschichten. Mann Gottes, wir leben im einunddreißigsten Jahrhundert. Wer, zum Teufel, glaubt denn heute noch an Geister? Trotzdem überprüfte er noch einmal die Sensorergebnisse.
He, was war das? Yaeger öffnete die Kommverbindung.

»Uller an Basis. Ich habe irgendeine ungewöhnliche Hitzespur entdeckt. Ich seh' mir das mal an.«
»Verstanden, Yaeger«, antwortete die Stimme aus den Helmlautsprechern.
»Wahrscheinlich nur irgendein Dampfschlot oder ein Tier oder irgendsowas. Ich laß' es euch wissen. Uller Aus.« Dieser verdammte Planet macht mich nervös, dachte er. Kein Wunder, daß die Leute Geister sehen, bei all dem magnetischen und Thermalmüll, der die Sensordaten durcheinanderbringt. Er erhielt ständig falsche Meßwerte, und vermutlich war das hier nur der nächste Fall in der bereits ellenlangen Liste. Aber wenigstens unterbrach es die Monotonie. Er drehte den Uller mit laut über den gefrorenen Boden donnernden Metallfüßen herum und bewegte ihn auf die Quelle der Sensordaten zu.
Sie war von Schnee bedeckt und schien im Innern einer recht großen Felsspalte nicht weit vom Gebirge zu befinden. Das bedeutete, daß es sich vermutlich um einen Dampfschlot handelte. Während der Uller näher marschierte, fragte Yaeger sich, was das wohl sein konnte, bis er sich an eine ähnliche Thermalspur erinnerte, die er früher gesehen hatte. Das war in den Bergen gewesen, unmittelbar bevor der Thorn Darneils Puma überrascht hatte. Es war die Thermalsignatur eines unter einer Schneedecke versteckten BattleMechs.
Plötzlich explodierten Eis und Schnee, und ein riesiger, knochenweißer Mech stieg wie ein Gespenst aus der Bodenspalte auf. Es war ein ClanMech, ein Goshawk mit dem silbrigen Schlangenkopfsymbol Clan Stahlvipers. Die ausladenden Schulterdecken und der kapuzenförmige Aufbau hinter dem Kopf verliehen ihm das Aussehen eines Raubvogels. Der rechte Arm endete im Lauf eines schweren Impulslasers, während die linke Hand ein Waffenmodul mit drei MG-Mündungen hielt. Aus dem Mechtorso ragten zusätzliche Laser- und Maschinengewehrläufe, und zwei kleine, kastenförmige Raketenlafetten saßen auf den Schultern der Maschine. Vor den schwarzen Bergen und gegen den weißen Schnee wirkte der fahle Mech wie ein metallisches Skelett, und die Vorderseite seines Cockpits war mit einem grinsenden Totenschädel bemalt.
Der Goshawk richtete den rechten Armlaser auf den Uller. Energiebolzen aus infernalischem grünen Licht zuckten in schneller Folge aus der Mündung des S-Lasers und den zwei leichteren Impulslasern auf der rechten Seite des Torsos. Sie schlugen hart bei Yaegers Mech ein, verdampften mit ihrer gewaltigen Hitzeentwicklung die Panzerung. Rote Warnlichter blinkten auf dem Schadensdiagramm des Piraten auf.
Das Jaulen der Alarmsirenen riß Yaeger aus der Schreckenslähmung, die ihn beim Anblick des Mechs erfaßt hatte. Er packte die Kontrollen, bewegte den Uller zur Seite und hob den eigenen Laser zum Gegenschlag. Gleichzeitig öffnete er eine Kommverbindung zur Basis. »Uller an Basis! Ich werde von einem feindlichen Mech angegriffen! Ein Goshawk mit Stahlvipern-Insignien! Ich wiederhole, werde angegriffen!«
»Wir schicken Verstärkung, Uller!« rief die Stimme aus der Gegenstelle.
Yaeger nahm es kaum war. Er war zu sehr damit beschäftigt, mit dem schweren Laser seines Mechs zu zielen und zu feuern. Ein grüner Lichtstrahl schoß aus dem Lauf, aber der Goshawk war schon weg. Er flog aus der Bodenspalte und rannte über die Tundra davon. Der Laserschuß ging weit am Ziel vorbei. Der mittelschwere Impulslaser des Stahlviper-Mechs schälte weitere Panzerung vom Torso des Uller und arbeitete sich gefährlich nahe an die empfindlichen internen Systeme vor.
Yaeger wirbelte seine Maschine herum, um den Goshawk zu verfolgen, und feuerte Autokanone und KSR-Lafette ab. Ein Strom von Schnellfeuergranaten und Kurzstreckenraketen donnerte auf den feindlichen Kampfkoloß zu. Er sah wenigstens eine Rakete in die breiten Schulterabdeckungen des Goshawk einschlagen und die Panzerung zerbeulen, aber die Autokanone kam nicht einmal in die Nähe seines Gegners. Die meisten Waffen des Uller waren für Distanzgefechte ausgelegt. Um ihre volle Wirkung zum Tragen zu bringen, brauchte Yaeger mehr Platz.
Die Ortung warnte vor anfliegenden Raketen, als der andere Mech die KSR-Lafetten auf seinen Schultern abfeuerte. Die Raketen stürzten pfeifend herab und detonierten gefährlich nahe an der Pilotenkanzel des Uller. Die Druckwellen schüttelten Yaeger durch und warfen ihn in die Gurte, während der Goshawk seine Sprungdüsen aktivierte. Wie ein mechanisches Phantom schoß er auf Feuerzungen in die Höhe und verschwand vom Sichtschirm. Yaeger bemühte sich, wieder klar im Kopf zu werden, als die Statusanzeige mit kreischendem Alarm seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Die Raketentreffer hatten schweren Schaden angerichtet. Teile der Torsopanzerung waren komplett zerstört. Seine Maschine war plötzlich äußerst verwundbar.
Wo ist er hin? fragte Yaeger sich. Seine Ortung war kaum eine Hilfe. Durch die magnetischen und thermischen Störungen in dieser Umgebung lieferten die Sensoren jede Menge Geisterbilder und Fehlanzeigen. Yaeger suchte auf dem Sichtschirm nach der feindlichen Maschine, aber es war zu dunkel. Der Goshawk konnte sich irgendwo zwischen den zerklüfteten Felsvorsprüngen verstecken, aber ebensogut auch in einer anderen Schlucht oder Bodenspalte. Wer ist dieser Kerl? Wo kommt der auf einmal her?
Dann traf ein Laserschuß den Uller im Rücken. Er bohrte sich glatt durch die dünne Panzerung, und die Schadensanzeige meldete strukturelle Schäden auf der linken Torsoseite. Es war kein Kampf entscheidender Treffer, aber doch ziemlich herb. Yaeger drehte den Omni zu seinem Gegner um und feuerte gleichzeitig mit Lasern und Autokanone. Die AK erzielte einen Treffer und zog eine Einschlagspur über den Torso des Goshawk, aber die Temperatur im Cockpit des Uller stieg deutlich an. Yaegers Haut war naß von Schweiß, und die Kühlweste arbeitete mit voller Leistung, um seine Körpertemperatur zu senken. Der letzte Treffer hatte seine Maschine einen Wärmetauscher gekostet.
Der feindliche Mech war wieder in Bewegung, rannte über die Tundra davon. Yaeger zog das Fadenkreuz hinter ihm her und feuerte erneut mit dem schweren Laser Die Lanze aus gebündeltem Smaragdlicht verfehlte den Goshawk nur knapp. Er war einfach zu schnell. Plötzlich wirbelte der BattleMech herum und kam geradewegs auf den Uller zu, wurde auf Yaegers Sichtschirm immer größer, als er mit fast neunzig Stundenkilometern herandonnerte.
Es war zu spät, auszuweichen, also feuerte Yaeger statt dessen mit allem, was er hatte. Laser- und Autokanonenfeuer krachte in den Goshawk und schnitt schwarze Breschen in die weißlackierte Panzerung. Der Angriff richtete Schaden an, aber nicht genug, um den Sturmangriff fünfundfünfzig Tonnen humanoiden Metalls aufhalten zu können.
Der Goshawk rammte eine seiner Schulterabdekkung in den Rumpf des Uller. Yaeger kämpfte um die Kontrolle über seinen Mech und konnte unter Mühe verhindern, daß der Uller auf den Rücken geworfen wurde, was ihn nahezu hilflos gemacht hätte. Er ließ den Mech einen Schritt zurück machen, um die Balance wiederzufinden, und stand jetzt gefährlich dicht an der Bodenspalte, aus der sein Gegner aufgetaucht war. Auch der Stahlviper-Mech trat einen Schritt zurück, und es wirkte fast, als nehme er eine Kampfsporthaltung an. Die Clan-Neurohelme verliehen den Bewegungen humanoider Kampfkolosse eine beinahe natürliche Eleganz.
Der Goshawk richtete beide Arme auf den Uller, den rechten, mit dem schweren Armlaser, den linken mit dem gewehrartigen Aufbau aus schweren Maschinengewehren. Yaegers Ortung heulte warnend auf, als sein Gegner ihn mit den Waffen erfaßte. Yaeger versuchte auszuweichen, aber es war zu spät. Der Impulslaser flammte auf, den Bruchteil einer Sekunde später jaulten die MG auf. Ein Stakkato giftgrüner Energiebolzen hämmerte auf das Cockpit der Piratenmaschine, zerkochten die Panzerung und reflektierende Abschirmung, bevor der Geschoßhagel die Hülle durchschlug und Yaegers Körper zerfetzte.
Das letzte, was Karl Yaeger sah, war der grinsende Totenschädel des Goshawk und das Emblem Clan Stahlvipers. Sein letzter Gedanke war, daß er sich immer gewünscht hatte, im Kampf zu fallen. Wenigstens würde er nicht irgendwo in der Wildnis krepieren, erfroren oder von einem Raubtier gefressen. Er starb einen Kriegertod.
Als der Puma und der Fenris eintrafen, war von dem Angreifer keine Spur mehr zu sehen. Nur der Uller stand stumm und einsam auf der gefrorenen Tundra wie ein von Wind und Wetter zerfressenes, jahrhundertealtes Standbild. Seine Panzerung war geborsten, zerschmolzen und verkohlt, an mehreren Stellen waren Myomermuskulatur und Endostahlskelett der eisigen Luft ausgesetzt. Das Cockpit war ein Trümmerhaufen aus geschwärztem Metall und Plastik, von Einschüssen durchlöchert. Aus den Breschen und vom rasch abkühlenden Leichnam des Piloten stieg noch Dampf in den Nachthimmel.
Und auf dem Permafrostboden vor ihm prangte die mit Laser eingebrannte grobe Darstellung eines Schlangenkopfs mit zum Biß gebleckten Fangzähnen. Das Symbol des Clans Stahlviper.

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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