26

Jotunberge, Kore Peripherie
23. April 3060

»Lon, du Schweinehund ...« stieß Laura aus. Sie konnte es nicht fassen. Sicher, Lon war gelegentlich selbstsüchtig, aber die Lanciers an Einauge Ryan und ihre Piratenbande zu verraten? Das Konglomerat wiedersprüchlicher Empfindungen, das sie für ihn empfand, löste sich in einer Woge von Wut und Empörung auf.

»Tut mir leid, Laurie«, erklärte Lon Volker über die Kommleitung. »Hier draußen kämpft jeder für sich. Ich will weg von dieser Dreckswelt und endlich Action sehen. Ich erkenne eine hoffnungslose Sache, wenn ich sie sehe, und ich habe kein Interesse daran, den Märtyrer zu spielen. Was ich will, ist einen Mech steuern, und Ryan gibt mir die Chance dazu. Dieser Mech gehört mir, und ich habe vor, ihn zu behalten.«

»Eure Bedenkzeit ist um, Lanciers«, unterbrach Ryan ihn. »Ich habe euch ein großzügiges Angebot gemacht. Ergebt euch, und keinem von euch wird etwas geschehen. Wir holen unsere Mechs und Ausrüstung aus dem Clandepot ab und ziehen ab. Wenn ihr euch weigert, töten wir euch und holen uns dann, wofür wir gekommen sind. Es ist eine sehr einfache Entscheidung. Jetzt schaltet die Mechs ab!«

Laura zögerte nur einen Herzschlag. Was Ryan da sagte, stimmte: Ihr Angebot war außergewöhnlich großzügig. Nicht einer der neuernannten MechKrieger hatte die geringste Kampferfahrung. Sie hatten ihre Mechs noch nicht lange genug gesteuert, um den Schmerz des Entrechtet-Seins zu spüren, gerade ein paar Tage. Auf Ryans Forderungen einzugehen, schien der einfachste Weg, diese ganze verfahrene Situation beizulegen, ohne daß jemand zu Schaden kam.

Vorausgesetzt, du glaubst daran, daß ausgerechnet Susie Ryan, die Königin der Raumpiraten, ihr Wort hält, dachte Laura. Sie dachte an alles, was Ryan der Bevölkerung Kores und den Lanciers angetan hatte, seit sie gelandet war. Und sie dachte an Lon und dessen Verrat. Konnte sie diesen beiden einfach gestatten, damit durchzukommen? So viele gute Leute zu ermorden und dann schadlos abzuziehen, mit den Mechs und der Clanausrüstung, wegen der sie gekommen waren, als Belohnung für ihre Verbrechen?

Sie öffnete eine Verbindung zu den beiden anderen Lancier-Mechs. Natürlich würden sie alle hier im Tal hören, aber das war ihr inzwischen egal.

»Clancy, Flannery, ihr könnt tun, was ihr für richtig haltet.« Dann: »Was mich betrifft, Ryan: Hier ist meine Antwort. Wenn Sie meinen Mech haben wollen, dann müssen Sie ihn mir schon abnehmen. Und Volker: Fahr zur Hölle, du Drecksschwein!« Sie richtete den Impulslaser der Lady Fuchs auf Volkers Hellhound und stieß den Feuerknopf durch, bis ihre Daumenkuppe kreideweiß war. Ein Orkan giftgrünen Lichts zuckte in den linken Arm der anderen Kampfmaschine und verflüssigte deren Metallkeramikpanzerung.

Der Schuß zerbrach die Stille, die über dem Gebirgstal gelegen hatte, und die Kampfkolosse beider Seiten traten in Aktion. Laura überprüfte auf der Sichtprojektion die Position der anderen Maschinen, um das beste Ziel auszuwählen. Mehr als alles andere wollte sie Volker treffen, hart treffen, ihn dafür bezahlen lassen, was er ihr und dem Rest der Lanciers angetan hatte. Aber sie zügelte ihre Wut. Sie erinnerte sich daran, was Krenner sie gelehrt hatte. Ein Krieger mußte ruhig und vernünftig handeln. Susie Ryan stellte die größte Gefahr dar. Wenn sie Ryans Mad Cat ausschalten oder zerstören konnte, bestand eine gute Chance, daß die anderen kapitulierten oder sich zumindest zurückzogen und den Lanciers eine Atempause ließen.

Die Helmlautsprecher knackten. »Wir sind dabei, Laura!« hörte sie Clancy sagen, während der Peregrine vorrückte. Auch Flannerys Vixen hatte sich in Bewegung gesetzt und marschierte auf den Panther zu. Laura war froh, daß die beiden sie unterstützten, sie hoffte nur, daß dieser Kampf nicht ihr Tod sein würde.

»Auf die Sekundärfrequenz umschalten und drauf!« Natürlich kannte Volker alle Kommfrequenzen der Lanciers. Es würde nicht lange dauern, bis er ihren Funkverkehr wieder abhörte, aber diese wenigen Sekunden wollte sie wenigstens nutzen.

Sie wich mit Lady Fuchs einem Laserschuß des Hellhound aus und übermittelte den anderen beiden Mechs einen neuen Zerhackerschlüssel. »Kommgeräte umstellen, sobald sich die Gelegenheit ergibt!« befahl sie. Es würde nicht leicht werden, den Angriff ohne effektive Kommunikation zu koordinieren. Die feindlichen Mechs rückten gegen die Lanciers vor, aber für den größten Teil feuerten sie nicht. Nachdem Lauras Vixen den Hellhound angegriffen hatte, waren zwei Schüsse gefallen, aber ansonsten griffen die Piraten nicht an.

Worauf warten sie, fragte sich Laura. Warum feuern sie nicht? Dann erkannte sie, warum. Sie wollten die Mechs. Nur deshalb waren Ryans Rebellen überhaut auf Kore aufgetaucht. Wenn sie ihre schweren Geschütze gegen die Kampfkolosse der Lanciers einsetzten, riskierten sie, die Clanmaschinen schwer zu beschädigen oder sogar zu zerstören. Wahrscheinlich hatte Ryan ihren Leuten befohlen, die Mechs so wenig wie möglich zu beschädigen. Sie wußte, daß die Lanciers hier in diesem Tal festsaßen und keine Fluchtmöglichkeit hatten. Die Vixens waren schnell, aber nicht sprungfähig. Der Peregrine hatte zwar Sprungdüsen, aber er war den Piraten-Mechs nicht gewachsen und hätte mehrere Sprünge benötigt, um über die Berge in offenes Gelände zu kommen.

»Sie werden es wahrscheinlich mit Nahkampf und Nadelstichattacken aus nächster Nähe versuchen«, gab Laura an die anderen weiter. »Gebt ihnen alles, was ihr habt! Vielleicht können wir sie bremsen!«

»Verstanden«, antwortete Tom Flannery. Der Panther kam auf seinen Mech zu. Er war mehrere Tonnen schwerer als die Vixen, aber der ClanMech war besser gepanzert und bewaffnet. Außerdem stützte sich der Panther massiv auf seine Arm-PPK, was Flannery einen leichten Vorteil verschaffte. Er feuerte mit den mittelschweren Lasern im Torso seiner Maschine auf den anrückenden BattleMech. Die Strahlbahnen bohrten sich in die Panzerung und schleuderten dicke Wolken superheißen Dampfes in die frostige Bergluft. Der Panther reagierte mit einer Salve Kurzstreckenraketen, von denen mehrere auf dem Torso der Vixen detonierten.

Clancys Peregrine stand dem Fenris und dem Puma gegenüber. Der Puma gehörte zur selben Gewichtsklasse, war aber mit seiner PPK-Bestückung auf Distanzgefechte angelegt, nicht auf Schußwechsel über geringe Entfernungen. Der Fenris war schwerer, benutzt aber als Hauptwaffensystem ebenfalls eine Partikelprojektorkanone. Der Peregrine war für seine fünfunddreißig Tonnen Gewicht gut bestückt, mit einem schweren Impulslaser im Torso und mittelschweren Impulslasern an beiden Armen. Alles in allem war er ein zäher Gegner, aber das änderte nichts daran, daß er gegen zwei Kampfkolosse gleicher oder höherer Gewichtsklasse antreten mußte.

Keiner der beiden Piraten-Mechs feuerte auf den Peregrine. Statt dessen versuchten sie, Clancy im Nahkampf zu überwältigen. Sie schoß mit ihren Lasern auf den Fenris und schnitt mit den Lichtsäbeln über Beine und Torso des gegnerischen Mechs, verdampfte Panzerung, wo sie traf, und hinterließ rußgeschwärzte Brandspuren auf dem Rumpf der Maschine. Als die feindlichen Mechs ihr zu nahe kamen, aktivierte Clancy die Sprungdüsen, und der Peregrine schoß auf Feuerzungen in den Himmel und flog davon.

Guter Zug, dachte Laura. Clancys Gegner waren nicht sprungfähig, und das gab dem Peregrine einen deulichen Vorteil an Beweglichkeit. Laura beobachtete seine Landung auf der Sichtprojektion. Sie war nicht allzu elegant. Clancy hatte Mühe, ihre tonnenschwere Kampfmaschine aufrecht zu halten, als sie auf dem Berghang aufsetzte. Allzu viele Sprünge würde sie nicht schaffen, ohne sich hinzulegen.

Laura mußte sich auf Volkers schnell näherkommenden Hellhound konzentrieren. Einen kurzen Augenblick hoffte sie, doch noch darum herumzukommen, hoffte, Lon würde es sich anders überlegen, wenn es darauf hinauslief, gegen seine alten Freunde zu kämpfen. Aber der Hellhound kam unaufhaltsam näher. Dann feuerte er seine beiden KSR-Lafetten auf sie ab. Offenbar interessierten Lon Volker Susie Ryans Befehle weniger als ein schneller Sieg.

Zum Glück war die Lady Fuchs einer der schnellsten Mech auf dem Feld. Laura blieb in Bewegung, wie sie es im Simulator gelernt hatte, und die Raketen flogen vorbei. Sie wirbelte herum und feuerte den Armlaser ab. Ein lodernder Hagel kohärenter Lichtpfeile schlug in die Schulterabdeckung des mittelschweren ClanMechs. Ein Geysir von Dampf stieg auf, und dicke Klumpen zerschmolzener Panzerung fielen herab.

Ein weiterer Blick auf die Sichtprojektion zeigte Laura, daß Ryans Mad Cat in der Nähe des Paßeingangs stand, ohne in die Kämpfe einzugreifen. Worauf wartet sie, fragte sich Laura. Anscheinend hatte die Piratenchefin keine Lust, ihren eigenen Hals zu riskieren. Statt dessen postierte sie ihren Mech so, daß sie eine Flucht der Lanciers aus dem Talkessel verhinderte, damit ihre Piraten Zeit genug hatten, sie niederzukämpfen.

Kaura riß die Vixen herum, um einem Schuß aus dem schweren Laser des Hellhound auszuweichen. Der Lichtwerferschuß sprengte und schmolz eine Reihe von Felsen entlang der Talwand. Schnee und Steinbrocken donnerten herab. Laura hielt die Lady in Bewegung, um der Lawine zu entgehen. Scheint, daß ich noch andere Sorgen habe als nur die Mechs, dachte sie. Auf das Gelände muß ich auch aufpassen.

Sie erwiderte den Angriff, indem sie alle drei Laser auf Volker abfeuerte. Die smaragdgrünen Lichtbolzen zuckten durch den Talkessel. Beide mittelschweren Laser bohrten sich in den Torso des Hellhound, aber der schwere Laser verfehlte sein Ziel, als Volker seinen Mech mit tosenden Sprungdüsen in die Luft erhob. Er feuerte einen Antwortschuß mit seinem Laser ab, der Lady Fuchs am linken Arm erwischte. Warnlichter blinkten auf der Schadensanzeige auf. Die Panzerung des Mecharms war zerstört. Ein weiterer Treffer in dieser Zone drohte, ernsten Schaden anzurichten.

Der Fenris und der Puma kletterten den Berghang hinauf, um den Peregrine zu erreichen. Clancy nutzte die Situation aus, und feuerte aus ihren Lasern auf die beiden Maschinen hinab. Sie richtete bei beiden Mechs Schaden an, aber nicht genug, um sie aufzuhalten. Sie bereitete einen erneuten Sprung vor, aber bevor sie abheben konnte, erreichte der Fenris sie und schlug mit der rechten Mechfaust zu.

Die Sprungdüsen feuerten, aber der Peregrine war außer Balance. Er flog über die Köpfe der beiden Piraten-Mechs davon, dann senkte er sich dem Talboden zu. Laura sah aus dem Augenwinkel, wie Clancy auf dem Sichtschirm um die Kontrolle ihres rasant durch die Berglandschaft segelnden Mechs kämpfte, aber es war vergeblich. Der Kampfkoloß kippte zur Seite weg und stürzte ab. Jetzt lag er auf der Seite. Die beiden Piraten-Maschinen drehten um und rannten halb, halb rutschten sie den Hang herunter auf den Peregrine zu.

Komm schon, Clancy, steh auf, steh auf! schrie Laura in Gedanken. Es gab nichts, was sie tun konnte, um ihrer Kameradin zu helfen. Sie war zu weit entfernt, und außerdem saß ihr Volker immer noch im Nacken. Sie versuchte, den beiden Piraten mit einem Impulslaserschuß den Weg abzuschneiden, um Clancy einen Augenblick mehr Zeit zu geben, die Maschine auf die Beine zu bringen.

Flannerys Vixen war derweil in einen Zweikampf mit dem Panther verwickelt. Der Piraten-Mech hatte seinen Gegner erreicht und versetzte der Vixen einen brutalen Fausthieb. Seine Mechfaust traf mit lautem Krachen auf die Schulterpanzerung des ClanMechs, und die schweren Panzerplatten beulten ein und zerbrachen. Flannery reagierte, indem er die Torsolaser seines Metallriesen abfeuerte. Unter der Liebkosung der sonnenheißen Lichtbahnen zischte und verdampfte die Torsopanzerung des Panther, aber sie war stärker als die der Vixen und hielt dem Angriff stand.

Die Ortung der Lady Fuchs heulte warnend auf, als ein KSR-Schwarm Kurs auf sie nahm. Laura versuchte auszuweichen, aber es war zu spät. Die Raketen trafen den linken Arm der Vixen, dessen Panzerung vom Laser des Hellhound bereits zerschmolzen worden war. Die Explosion ließ das Cockpit erzittern, und die Schadenanzeige blinkte im Takt des lauten Warntons. Der gesamte linke Mecharm war abgerissen worden und lag jetzt nicht weit entfernt dampfend auf dem Felsboden. Volkers Hellhound kam näher und hatte sichtlich nicht vor, mit dem Rest ihres Mechs sanfter zu verfahren. Laura tat ihr Bestes, den Schaden zu ignorieren, und hielt die Lady in Bewegung. Deren Geschwindigkeit war der einzige Vorteil, den sie gegenüber Volkers größerer und besser bewaffneter Maschine besaß. Aber durch ihre Fluchtmanöver entfernte sie sich immer weiter vom Hauptschauplatz des Gefechts. Wenn das so weiterging, mußte sie in Kürze damit rechnen, völlig abgeschnitten zu sein, ohne eine Möglichkeit, Hilfe von den anderen zu bekommen.

Sie versuchen, uns zu trennen, erkannte sie. Sie suchte nach einer Möglichkeit, zurück in die Nähe Clancys und Flannerys zu gelangen, aber es gab keinen Weg zurück, der nicht gefährlich dicht an dem Hellhound vorbeiführte. Laura war klar, daß sie so gut wie erledigt war, wenn sie bis auf Nahkampfdistanz an die schwerere Maschine herankam. Volker kannte offensichtlich keine Skrupel, wenn es darum ging, seine eigene Haut zu retten. Inzwischen hatte sie keinen Zweifel mehr daran, daß er sie genau wie jeden anderen umbringen würde, der sich ihm in den Weg stellte.

Clancys Peregrine erhob sich mühsam auf seine Beine, aber die beiden anderen Piraten-Mechs rückten näher. Der Puma richtete seine PPK auf Clancys Mech und feuerte. Gleich darauf schossen zwei Kurzstreckenraketen aus den Abschußrohren des Fenris. Der künstliche Blitzschlag der Partikelkanone ließ die Panzerung an einem der Beine des Lancier-Mechs brodeln und davonströmen, während sich die beiden Raketen auf den Torso des Kampfkolosses senkten.

»Bleib in Bewegung, Clancy!« rief Laura über den

Kommkanal.
»Eine meiner Sprungdüsen ist ausgefallen«, kam die Antwort. »Ich versuche mein Bestes, aber sie haben mich in der Zange!«

Die Lanciers wurden zu Klump geschlagen. Sie hatten zwar einen gewissen Schaden bei den PiratenMechs anrichten können, aber selbst falls es ihnen gelang, diese Gegner zu besiegen, blieb noch Ryans Mad Cat, und der konnte die leichteren Mechs der Lanciers wahrscheinlich ganz allein zerstören. Um dieses Gefecht zu überleben, würden sie mehr brauchen als nur eine geschickte Taktik.

Sie brauchten ein Wunder.
BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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