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Landungsschiff General Gordon, Nadirsprungpunkt, Slewis-System
Randgemeinschaft, Peripherie

26. März 3059

Harley flatterte das rechte Pedal des Assassin und ließ ihn leicht nach rechts ziehen, während er den Schubhebel zurückzog und abbremste. Der stumpf graue Berghang schnitt das Sichtfeld ab, aber auf der Taktikanzeige des Zweitmonitors konnte er den Feindmech auf der anderen Seite auf ihn warten sehen. Den Daten nach zu schließen, die ihm die Sensoren des Magnetischen Anomaliedetektors über den Reaktor seines Gegners lieferten, handelte es sich um einen einzelnen Mech, vermutlich von derselben Gewichtsklasse wie sein vierzig Tonnen schwerer Kampfkoloß.

Harley ließ sich die Situation gründlich durch den Kopf gehen. Wenn er über den Berg vorrückte, hatte er eine erhöhte Position und damit einen taktischen Vorteil. Andererseits konnte den Berg auch seitlich umgehen und seinen Gegner aus der Flanke angreifen. Aber aus seiner Ausbildung wußte er, daß wenn er den Feind orten konnte, der Feind ihn sicher auch auf dem Schirm hatte.

Jeder BattleMech war anders. Die verschiedenen Typen unterschieden sich in der Stärke der Panzerung und ihrer Bewaffnung. In der Peripherie fanden sich hauptsächlich ältere Typen wie der Assassin, die zum Teil noch aus der Zeit des ersten Sternenbunds stammten. Aber das machte die titanischen Kampfmaschinen um nichts weniger tödlich. Die dreistökkigen Kampfkolosse wurden von Fusionsreaktoren angetrieben und waren mit genug Waffensystemen bestückt, um einer ganzen Häuserblock in Schutt und Asche zu legen.

Er aktivierte sein Kommsystem und stellte es auf die Frequenz seines Begleitmechs ein, eines FünfzigTonnen-Centurion, an dessen Steuer ein erfahrener Acer Gefreiter Jord MacAuld, saß. MacAuld befand sich fast drei Kilometer hinter Harley. Sie waren auf ihrer Streife bereits auf einen schwereren Quickdraw getroffen, und MacAulds Maschine hatte Schaden an einem Hüftaktivator erlitten, durch den sie langsamer vorwärtskam als normal.

Der MechKrieger an Bord des Quickdraw hatte seine Sache hervorragend gemacht. Er war stark und schnell gewesen. Bevor er schließlich ins Gras beißen mußte, hatte er nicht nur den Centurion schwer beschädigt, auch Harleys Assassin hatte einige Panzerung an Torso und rechtem Arm verloren. MacAuld hatte Harley losgeschickt, um auszukundschaften, was sie noch erwartete, und die Reaktordaten auf seinem Ortungsschirm zeigten Harley deutlich, daß es Zeit wurde, seine Verstärkung zu rufen.

»Alpha-Leiter von Alpha Eins«, gab er durch und bremste seinen Mech ab, so daß er nur noch im Schritttempo auf den Berg zuschlenderte, der vor ihm aufragte. »Ich zeichne einen einzelnen MADKontakt auf den Koordinaten Drei Neun Zwo Komma Zwo Eins. Ziel bewegt sich nicht. Erbitte Erlaubnis zum Angriff.«

»Bestätige Koordinaten bei Drei Neun Zwo Komma Zwo Eins. Erlaubnis abgelehnt, Alpha Eins. Halten Sie sich ein paar Minuten zurück, Rassor«, antwortete MacAuld. »Sie wissen noch nicht, womit Sie es zu tun haben. Warten Sie, bis ich in Reichweite bin und Sie unterstützen kann.«

Harley leckte sich den salzigen Schweiß von der Oberlippe. Er wollte nicht warten. Er wollte kämpfen. Darum ging es in diesem Training, um einen Test seines Kampfgeschicks. Sein Mech war leicht beschädigt, aber er hatte noch immer fast neunzig Prozent Gefechtsleistung. Bei den Schäden an der Maschine des Gefreiten würde es einige Minuten dauern, bis er weit genug aufgeholt hatte, um einen spürbaren Beitrag zum Kampf leisten zu können.

Harley blieb stehen, und augenblicklich veränderte sich die Situation auf seiner Sekundäranzeige. Das stationäre Ziel setzte sich in Bewegung und kam auf der anderen Seite den Berg herauf. Die Distanz zwischen ihnen verringerte sich stetig. Sein Puls wurde immer schneller, während er das Feindsymbol näherkommen sah. Obwohl der Mech noch nicht in Sicht war, wußte er, daß es nur noch eine Frage von Minuten war, bis sein Assassin und der Gegner freies Sicht- und Schußfeld aufeinander hatten.

Beinahe zittrig streckte Harley die Hand aus und überprüfte die Feuerleitkreise. Auf dem Primärfeuerknopf lagen sein mittelschwerer Laser und die Kurzstrecken-Raketenlafette. Der zweite Feuerknopf löste die fünf mit Langstreckenraketen bestückten Abschußrohre aus. Harleys Finger streichelten die Auslöser auf dem Steuerknüppel fast, während er darauf wartete, daß sein Gegner auftauchte.

»Alpha-Leiter von Alpha Eins«, meldete er über das Mikro des Neurohelms. »Bandit nähert sich meiner Position. Erbitte Erlaubnis zum Angriff.«

»Negativ, Alpha Eins«, hörte er MacAulds Stimme im Helmlautsprecher. »Nicht angreifen. Bandit auf Distanz halten und zurückweichen, bis ich Ihnen Unterstützung liefern kann.«

Harley schüttelte den Kopf. Er hielt nicht viel von dieser Anweisung. Ben hatte ihm einmal erklärt, daß kein Plan die Begegnung mit dem Feind überlebte. Jetzt verstand er endlich, was damit gemeint war. MacAulds Gefechtsplan war bereits überholt. Er stand einem einzelnen Gegner seiner Gewichtsklasse gegenüber Er sollte in der Lage sein, sich lange genug gegen ihn zu halten, daß MacAuld aufholen konnte. Entweder würde er den Feindmech bis dahin allein ausgeschaltet haben oder der Gefreite würde rechtzeitig eintreffen, um ihm zu helfen.

Er stieß den Schubhebel nach vorne, stürmte auf den Berg zu und den steilen Hang hinauf. »AlphaLeiter, hier Alpha-Eins. Ich greife an.« Das Cockpit schwankte leicht, während der Mech sich bewegte, und im Innern wurde es wärmer, schwüler.

Er sah den Spider etwa zur gleichen Zeit, in der deren Pilot ihn entdeckte. Mit dreißig Tonnen Gewicht war der feindliche Mech etwas leichter als sein Assassin Bewaffnet war er mit zwei mittelschweren Lasern und einer größeren Beweglichkeit. Der MechKrieger an Bord des Spider zögerte keine Sekunde und eröffnete das Gefecht mit einer gutplazierten Breitseite, die sich wie ein Speer in die Torsomitte des Aces-Mechs bohrte. Einer der Laser verfehlte sein Ziel, aber beim Treffer des anderen schlug Harleys Cockpit hart nach vorne und wieder zurück. Das Schadensdiagramm meldete einen erschreckenden Verlust an Panzerung.

Harley wurde durch den Treffer hart genug durchgeschüttelt, um zu reagieren. Er preßte den zweiten Feuerknopf in die Fassung und schleuderte eine Salve aus fünf Langstreckenraketen den grauen Berghang hinauf. Zwei der Geschosse jagten am Ziel vorbei ins Leere, die drei anderen detonierten auf dem rechten Arm und Torso des Spider. Das schien zu genügen, um den Vormarsch der Feindmaschine zum Stehen zu bringen. Sie drehte um und jagte zurück in Richtung Berggipfel.

»Alpha Eins von Alpha-Leiter. Angriff abbrechen.« MacAulds Stimme bebte vor kaum beherrschter Wut Aber Harley wußte, daß der Spider vor ihm auf der Flucht war. Er war seinem Gegner an Masse und Bewaffnung überlegen. Der gegnerische Pilot hatte den Kampf abgebrochen, um sich in Sicherheit zu bringen. Wenn er ihn jetzt nicht verfolgte, würde die höhere Geschwindigkeit der Feindmaschine sie außer Reichweite tragen. Das war seine erste Gefechtsübung bei den Aces, und er dachte gar nicht daran, sie zu verpatzen. Er stieß den Schubhebel bis zum Anschlag vor und fühlte eine Hitzewelle aus dem Kabinenboden steigen. Die Innentemperatur des Cockpits stieg schnell an.

»Nichts zu machen, Alpha-Leiter. Ich stehe im Gefecht und bin so gut wie fertig. Wir können uns weiter unterhalten, wenn ich mit dem Kerl hier fertig bin.«

Als der Spider den Berggipfel erreichte, hörte Harley einen Summton, der eine erfolgreiche Zielerfassung meldete. Er stieß den Daumen auf den primären Feuerknopf und löste den Laser und die Kurzstrekkenraketen aus. Der Laser feuerte vorbei und brachte die Luft gute acht Meter rechts neben dem Spider zum Kochen. Aber die Raketen fanden ihr Ziel. Die mit größeren Sprengköpfen als ihre Langstreckenvettern ausgestatteten Geschosse pflügten in das rechte Bein des leichten Mechs und zertrümmerten den größten Teil der Panzerung. Die Maschine schien auf der anderen Seite des Bergs mehr ins Tal zu stolpern als zu laufen. Sehen konnte Harley sie nicht mehr, aber das hieß keineswegs, daß er bereit war, sie ziehen zu lassen.

Harley stürmte weiter auf die Bergkuppe zu, um seinen Feind erneut zu stellen, als plötzlich ein Warnlicht auf dem Sekundärschirm aufflammte. Sein Blick suchte den stumpfgrauen Berghang ab. Er entdeckte den Spider und nicht weit daneben einen riesigen, achtzig Tonnen schweren Zeus. Harley begriff sofort, was gespielt wurde. Der gigantische überschwere Kampfkoloß hatte die ganze Zeit im Sichtschatten des Bergs gewartet, entweder mit abgeschaltetem oder auf Sparflamme heruntergefahrenem Reaktor. Er hatte gewartet, während der Spider ihn angelockt hatte.

Zu spät erkannte Harley, daß er in einen Hinterhalt geraten war.
Der Zeus feuerte, sobald Harley in seinem Schußfeld auftauchte, und deckte ihn mit Autokanone und Langstreckenraketen ein. Fünfzehn Raketen jagten bereits auf den Assassin zu, noch bevor Harley sein Fadenkreuz über das Metallmonster gezogen hatte. Die Raketen explodierten krachend auf Torso und Arm des BattleMechs und schleuderten Panzerfetzen in alle Winde davon. Harley war sich nicht sicher, wieviel der Salve ihn getroffen hatte, aber nach den Warnlichtern auf der Cockpitkonsole zu schließen, mußte es ein gehöriger Teil gewesen sein.
Jetzt setzte der Zeus mit der Autokanone nach und schleuderte einen Strom von Granaten in Kniehöhe auf das linke Bein des mittelschweren Mechs. Der Assassin schwankte wie wild, und im Innern des Cockpits wurde Harley so heftig durchgeschüttelt, daß er sich wie in einem gigantischen Mixer fühlte. Sein Mech stolperte nach hinten, und er verlor die Balance.
Harley stieß beide Füße auf die Pedale und versuchte verzweifelt, den Steuerknüppel herumzureißen, der Schaden und die durch die Panzerungsverluste abrupt veränderte Balance seiner Kampfmaschine auszugleichen, aber vergebens. Der Assassin schlug hart auf der Rücken und zertrümmerte dabei noch weitere Panzerplatten, und der Aufprall schleuderte Harley in die Sicherheitsgurte.
»Alpha-Leiter, hier auf der anderen Seite des Bergs wartet ein Zeus. Ich bin am Boden«, gab er durch, während er sich bemühte, den Kampfkoloß wieder auf die Beine zu bringen. Es war ein schwieriges Unterfangen aber er schaffte es, gerade rechtzeitig hochzukommen um eine Lasersalve des wieder vorrückenden Spider abzufangen. Die Lichtbolzen gruben sich durch die bereits geschwächte Panzerung und brachten die von den früheren Treffern begonnene Arbeit zu Ende. Harleys Schadensanzeige meldete ihm, daß einer der Wärmetauscher sich in einen Klumpen nutzlosen Ballast verwendet hatte. Eines war sicher, falls er dieses Gefecht überlebte, würde sein Mech erheblich heißer laufen.
Noch hatte er Waffen und seine Entschlossenheit. Mehr aus Instinkt als unter Zuhilfenahme der Ortungs- und Feuerleitsysteme schwenkte Harley den mittelschweren Lichtwerfer herum und feuerte den Hang hinab auf den dürren Spider, der erheblich näher war als der hochaufragende Zeus. Der feuerrote Energiestrahl schnitt eine tiefe Brandspur in die Torsopanzerung der gegnerischen Maschine. Eine gleißende Lichtfackel brach aus der Bresche und zeigte Harley, daß er die Reaktorabschirmung getroffen hatte. Der Spider fiel nach hinten um, aber Harley wartete nicht ab, bis sie aufschlug. Stattdessen zog er sich eilig den Hang hinab zurück, um dem Feuer des überschweren Mechs zu entkommen.
Aber wo, zur Hölle, steckte MacAuld? Harley wartete nicht auf den Zeus. Er drehte um und rannte den Berghang hinunter, so schnell die Mechbeine ihn trugen. Die vom Verlust des Wärmetauschers und dem Einsatz der Mechsysteme schwülheiße Luft verwandelte das Cockpit in eine Sauna. Er warf einen Blick auf den Sekundärschirm und sah, daß er die Langstreckenlafette mitsamt der eingelagerten Raketenpacks verloren hatte.
Aber trotz allem war ihm das Glück hold geblieben: Die im Mechtorso lagernde Munition war nicht explodiert. Er fragte sich, wie lange sein Glück noch halten würde.
»Alpha-Leiter, jetzt wäre ein guter Moment, hier aufzutauchen und mir die angebotene Feuerunterstützung zu liefern«, rief er über das Helmmikro.
Endlich sah er MacAulds Centurion auf der Sichtprojektion. Er war nicht allein. Ein anderer Mech hatte ihn unter Beschuß, ein Grashopper, und nahm ihn mit seiner tödlichen Phalanx aus mittelschweren Lasern nach allen Regeln der Kunst auseinander. MacAuld war zu weit entfernt, als daß Harley ihm hätte helfen können. Außerdem hätte er sich gemeldet, wenn seine Funkanlage noch funktioniert hätte.
Harley stand vor der Wahl, und es blieb ihm nicht viel Zeit, seine Entscheidung zu treffen. Er konnte versuchen zu fliehen, aber es waren zu viele Gegner in diesem Gebiet aktiv, als daß er eine Hoffnung gehabt hätte, ihnen zu entkommen. Er konnte versuchen, zu MacAuld aufzuschließen, aber die Entfernung war zu groß, um ihn noch rechtzeitig zu erreichen. Oder er konnte umdrehen und zum Angriff übergehen, was einem Selbstmord gleichkam.
Andererseits war ein Angriff sicher das Letzte, was der Gegner erwartete. Er überprüfte die Sprungdüsenkontrollen und vergewisserte sich, daß sie funktionierten, gerade als eine Salve panzerbrechender Granaten aus der Autokanone des Zeus dicht über dem Kanzeldach vorbei pfiff.
Harley schob den Daumen auf die Steuerung und schaltete die Sprungdüsen auf volle Leistung. Die riesigen Schubdüsen waren dazu ausgelegt, dem Mech eine begrenzte Sprungfähigkeit zu liefern. Er hatte vor, mit ihrer Hilfe seinen Kampfkoloß selbst in eine Waffe zu verwandeln. Er stieg in die Höhe und steuerte den Assassin zurück den Hang empor, auf dem der Zeus noch immer abwärts stürmte und wild auf den in die Luft aufsteigenden Mech feuerte.
Die Temperatur im Innern des Cockpits erreichte neue Rekordwerte, aber Harley ignorierte die Hitze. Die Kühlweste auf seinem nackten Oberkörper pumpte Kühlflüssigkeit über seinen Leib, um einen Teil der Hitze abzuleiten, aber gegen diese Temperaturen hatte sie keine Chance. Harley konzentrierte sich ganz auf seinen titanenhaften Gegner und flog immer näher auf den heranpreschenden Zeus zu. Kurz bevor er über dem überschweren Mech vorbeiflog, tat er, wovon jeder MechKrieger zugleich träumt und zittert. Er schaltete die Sprungdüsen ab.
Der Assassin stürzte mit solcher Gewalt zu Boden, daß seine Füße sich tief in die Schultern und die Kanzel des Zeus bohrten. Alles ging so schnell, daß Harley es kaum registrierte. Der Zeus unter ihm stürzte, und er verlor die Gewalt über seinen Assassin, als dessen Beine unter der Kollision der beiden Metallriesen zersplitterten. Der überschwere Feindmech rutschte den Berg hinab, während Harleys Mech nach vorne kippte und der junge MechKrieger wieder hart in die Gurte geschleudert wurde. Sein Neurohelm schlug gegen die Steuerkonsole, und unmittelbar vor ihm schoß zischend eine Dampf- oder Kühlmittelwolke auf und nahm ihm die Sicht.
In seinen Ohren klingelte es, und er versuchte, die Daten auf den Bildschirmen zu deuten. Der Sturz war ihn teuer zu stehen gekommen. Die bloße Anzahl der gelben und roten Warnlichter auf der beschädigten Anzeige allein zeichnete bereits ein grausiges Bild. Wenn die Meldungen stimmten, waren sein rechter Mecharm und der dort montierte mittelschwere Laser nur noch wertloser Metallschrott. Die Sprungdüsen und Mechbeine waren schwer beschädigt, und allem Anschein nach hatte er den rechten Knieaktivator und das Gyroskop verloren. Er hatte noch Energie, aber konnte seine Maschine nicht mehr bewegen, konnte nicht mehr aufstehen, konnte nicht mehr kämpfen. Für ihn zumindest war der Kampf vorbei.
Er hatte seinen ersten Mech im Kampf verloren. Wie er mit dieser Niederlage fertig wurde, war wichtig, wenn er nicht zur Infanterie versetzt werden wollte.
Er überprüfte die Nahortung und sah den Zeus nur ein paar Meter entfernt reglos am Boden liegen. Wie es schien, hatte der Angriff den gewünschten Erfolg gehabt und den gegnerischen Mech erledigt, auch wenn Harley das die eigene Maschine gekostet hatte.
Das war zumindest ein Trost. Er lebte noch und hatte sich gegen eine feindliche Übermacht durchgesetzt Seine Fernortung war ausgefallen, entweder durch den Sturz oder die Hitze im Innern der Kanzel. Harley wußte, daß irgendwo dort draußen noch der Spider war, und er konnte nur hoffen, daß Jord MacAuld mehr Glück gegen seinen Gegner hatte.
Von der Cockpit-»Luke« drang ein lautes Klopfen herüber. Harley streckte in der schummrigen Enge die Hand aus, öffnete die Kabine und stieg hinaus auf das Flugdeck der General Gordon. In der kühlen Luft des Raumschiffdecks zog sich eine Gänsehaut über seine Arme und Beine. Er hob den Neurohelm vom Kopf und klemmte ihn unter den Arm. Bei jeder Bewegung schmerzten ihn Arme und Hals. Er war sich gar nicht klar gewesen, wie sehr er sich während des Simulatorgefechts angespannt hatte.
Als er sich zur Simulatorkapsel umdrehte, sah er, daß die Dampf- und Raucherzeuger bereits abgeschaltet waren und das System neu startete. Die Hydraulikkolben, die den Aufprall simuliert hatten, senkten oder hoben sich wieder in die Waagerechte. Aus vier nahen Simulatorkapseln stiegen andere MechKrieger, Veteranen ebenso wie unerfahrene Rekruten. Alle waren schweißnaß wie Harley. Manche machten ein düsteres Gesicht, andere grinsten. Gefreiter Jord MacAuld machte keinen fröhlichen Eindruck.
Geschützfeldwebel Coombs trat vor die Gruppe und schüttelte den Kopf. Er fuhr sich mit der Hand durch den Bürstenschnitt, als müsse er zu Berge stehende Haare glattstreichen. »Schützin Patterson, Sie sind als erste ausgefallen. Haben Sie eine Vorstellung, was Sie falsch gemacht haben?«
Patterson war das offensichtlich peinlich. Ihre Wangen liefen rot an, und sie versuchte, dem Blick des Feldwebels auszuweichen. »Ich glaube, ich habe den Feind aus zu kurzer Entfernung angegriffen, Feldwebel Coombs.«
»Verdammt richtig«, bellte er zurück. »Sie saßen in einem Whitworth, Schützin. Ihre Bewaffnung bestand zum überwiegenden Teil aus Langstreckenraketen. Und Sie sind auf kürzeste Distanz vorgeprescht und haben zu feuern versucht. Langstreckengefechtsköpfe werden erst nach einer bestimmten Flugweite scharf. Für Kurzstreckenraketen gilt diese Einschränkung nicht, aber für LSR schon. Sie haben mit dem Charger praktisch Walzer getanzt. Streitrösser sind für Nahkämpfe gemacht. Himmel und Hölle, Sie hätten Gefreiten Glancy zu Matsch zerblasen können, wenn Sie nur Distanz gehalten hätten. Sie sollten besser gehörig Zeit damit verbringen, Mechfähigkeiten und Konfigurationen zu studieren.«
Coombs drehte sich langsam auf dem Absatz herum, bis er Harley sah.
»Was Sie angeht, Rassor, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Erst lassen Sie Ihren Lanzenkameraden im Stich, der, nicht, daß ich es vergesse zu erwähnen, bereits schwer beschädigt ist Er befiehlt Ihnen, zurückzubleiben, und statt sich daran zu halten, preschen Sie geradewegs in einen Hinterhalt. Dann sehen Sie, was mit Gefreitem MacAuld geschieht, und statt zu versuchen, sein Leben zu retten, nehmen Sie sich einen fast doppelt so schweren Mech vor und versuchen auch noch einen so idiotischen Stunt wie den ›Todessprung‹.«
Coombs schien auf eine Erwiderung Harleys zu warten, also gab er sie ihm. »Der Angriff hat funktioniert, Feldwebel Coombs. Mir war klar, daß ich Mist gebaut hatte, und ich hielt es für zu spät, um Gefreiten MacAuld noch zu erreichen, bevor sein Kampf entschieden war. Statt zu versuchen, vom Schlachtfeld zu fliehen, hielt ich es für das Beste, den Zeus auszuschalten.«
»Das war verdammt arrogant, und der einzige Grund, daß der Angriff Erfolg hatte, war entweder, daß Sie der verfluchteste Glückspilz sind, der je gelebt hat, oder daß niemand erwartet hat, irgend jemand könnte einen derartig jeder Vernunft Hohn sprechenden Schwachsinn versuchen.«
»Ja, Feldwebel«, antwortete Harley ohne große Überzeugung.
»Wenn Sie Gefreiten MacAuld gar nicht erst im Stich gelassen hätten, wäre es nicht dazu gekommen, daß sie Ihren Mech verlieren. Lassen Sie das nächste Mal die Heldenmätzchen und arbeiten Sie mit Ihrem Lanzenkameraden zusammen, Rassor.«
Livia Hawke stand im Korridor, als die AceVeteranen, die sie mit nach Slewis gebracht hatte, aus der Halle kamen, während Feldwebel Coombs hinter ihnen weiter die neuen Rekruten zurechtstauchte. Sie hatte die gesamte Übung zusammen mit Coombs von der Simulatorsteuerung aus beobachtet, aber sie wußte, daß bei so einer Übung mehr zu sehen war als nur Datenreadouts und Zahlenwerte.
Als Gefreiter MacAuld in der Luke erschien, salutierte er kurz, und sie erwiderte den Gruß. »Gefreiter, Sie waren zusammen mit Harley Rassor da draußen. Sagen Sie mir, was halten Sie von ihm?«
Jord schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Gunney hat recht. Der Bursche ist nicht bei mir geblieben. Der Hinterhalt war schlau gemacht, aber zu zweit hätten wir eine bessere Chance gehabt.«
»Was noch?« fragte sie nach, weil ihr sein anfängliches Zögern nicht entgangen war.
»Nun, Ma'am, was Gunney nicht gesagt hat, ist, daß Rassor richtig reagiert hat. Er hätte mir nicht mehr helfen können. Sicher, er hat es am Anfang verbockt, indem er mich so weit zurückfallen ließ, aber den Zeus auszuschalten, hat, verdammt nochmal, eiserne Nerven gekostet, das wissen Sie so gut wie ich. Jeder normale Anfänger wäre in die Berge geflüchtet, hätte sich hinter meinem Rockschößen vor Angst bepißt oder wäre starr vor Schreck gewesen. In der Situation umzudrehen und einen Veteran wie Jeremy Lewis auszuschalten, das ist eine echte Leistung. Zugegeben, es war ein Simulatorkampf. Man wird ein bißchen durchgeschüttelt, und das Ganze ist mehr ein Holovidspiel als eine echte Schlacht, aber er hat einen gesunden Kampfinstinkt. Er weiß, was zu tun ist, wenn es darauf ankommt.«
»Geben Sie mir ein Fazit«, befahl sie.
Gefreiter MacAuld rieb sich die Stirn. »Entweder ist er der größte Glückspilz, der seit langem in einen Simulator gestiegen ist, oder er hat ein seltenes Talent für den Mechkampf. So oder so wäre ich bereit, mit ihm in die Schlacht zu ziehen.«
Hawke nickte und ließ MacAuld ziehen. Ein kalter Schauder lief ihr Rückgrat entlang, als sie dort in der geringen Schwerkraft des Landungsschiffs allein im metallenen Korridor stand. MacAulds Antwort hatte eine nicht zu unterschätzende Wirkung gehabt. Kurz nachdem Benjamin Rassor zu den Aces gestoßen war, hatte jemand sie nach ihrer Einschätzung von ihm gefragt, und sie hatte ihm fast wortwörtlich dieselbe Antwort gegeben.

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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