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Landungsschiff Featheringham, im Landeanflug auf Raumhafen Alshain Geisterbären-Dominium

2. Januar 3062

»Ich weiß a'er immer noch nicht...«, winselte der Leibeigene, aber Sterncommander Constant Tseng gab ihm keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. Er versetzte ihm mit der Rückhand einen Schlag ins Gesicht, der den Mann zu Boden streckte. Nicht eines der Mitglieder der Technikerkaste, die ringsum arbeiteten, sah von seiner Beschäftigung auf.

Sterncaptain Angela Bekker hingegen sah auf ihrem Weg durch den Mechhangar alles sehr genau. Sie wußte, daß der Schlag den Leibeigenen weniger körperlich verletzen als beschämen sollte. Er war Teil seiner Einweisung in das Wesen des Clans.

»ClanKrieger verschlucken keine Silben, du Surat«, herrschte Tseng den Leibeigenen an. Er schien drohend über ihm aufzuragen, aber in Wahrheit hatte er ihm mehr an Auftreten voraus als an Körpergröße.

Angela setzte ihren Weg fort.
Tsengs herrische Haltung gefiel ihr. Als er die Hand ausstreckte, um dem Leibeigenen wieder aufzuhelfen, beeindruckte sie das noch mehr. Die wenigsten Leibherren hätten ihm das nachgemacht.
Auf dem Flug nach Alshain hatten Constant Tseng und sie sich angefreundet. Sie waren beide zur Zentralwelt des Dominiums befohlen worden, um sich zwecks einer Besprechung der »Umgruppierungsstrategie« beim Kommandeur der Galaxis Delta zu melden. Als die beiden einzigen Blutnamensträger an Bord der Featheringham hatten sie in den langen Tagen, während derer ihr Sprungschiff Energie für die Transition über interstellare Entfernungen sammelte, schnell zueinandergefunden, und der lange Flug vom Sprungpunkt ins Systeminnere hatte ein weiteres getan.
In ihren langen Gesprächen hatte sie erfahren, daß Tseng seinen Leibeigenen beim Überfall von Truppen der Inneren Sphäre auf den Planeten erworben hatte, auf dem Tsengs Einheit Garnisonsdienst geleistet hatte. Der Mann hatte gut gekämpft und zwei Geisterbären-Krieger besiegt, bevor er unter Tsengs Laserbombardement zu Boden ging. Entsprechend der Clan-Traditionen hatte Tseng sich entschlossen, den gegnerischen Krieger gefangen - und in die Reihen der Geisterbären aufzunehmen. Aber zunächst mußte der Gefangene sich als Leibeigener bewähren, sozusagen eine Lehrlingszeit durchstehen und beweisen, daß er es wert war, als vollwertiges Mitglied in die Kriegerkaste aufgenommen zu werden.
Ihre Schritte hallten über das Metalldeck des riesigen Mechhangaras, in dessen Luft der leicht beißende Geruch von Chemikalien, Kühlmittel und Hektolitern Schweiß hing. Sie erkannte den Geruch. Es war der Duft der bevorstehenden Schlacht, der Duft des anstehenden Sieges. Der dunkelhaarige Tseng wanderte vor seinem Leibeigenen auf und ab, als sie sich dem Schauspiel näherte. Der schien sich zu fragen, wie groß die Schwierigkeiten waren, in denen er steckte.
Tseng bemerkte Angelas Blick, und sie nickte ihm mit leichten Grinsen zu. »Bist du sicher, daß dieser Leibeigene hier die Aufnahme in unseren Clan verdient, Sterncommander?« witzelte sie.
»Aye«, erwiderte Constant Tseng. »Er hat es verdient, vorausgesetzt, er schafft es, das Konzept des Bietens zu begreifen.«
Sie kicherte. »Er hat Probleme mit dem Bieten? Vielleicht sollten wir einen neuabgeschütteten Bärling holen, der es ihm erklärt.« Bärling nannten die Mitglieder ihres Clans die jungen Wahrgeborenen, durch Genmanipulation aus dem Erbgut der besten Geisterbären-Krieger gezüchteter Kriegernachwuchs. Wahrgeborene standen an der Spitze der Clangesellschaft und waren deren höchste Kaste. Freigeborene andererseits waren das Ergebnis »natürlicher« Zeugung und Geburt und füllten die Reihen der niedereren Kasten. Gelegentlich gelang es einem Freigeborenen, in die Kriegerkaste aufzusteigen, aber das war eine Seltenheit. In aller Regel verachteten die Wahren die Freien und empfanden mehr oder weniger ausgeprägten Widerwillen für natürliche Zeugung und Geburt. Spannungen zwischen Wahrgeborenen und Freigeborenen waren alltäglich.
Der mit den traurigen Überresten eines zerrissenen Hemds und einer Hose bekleidete Leibeigene richtete sich zwischen den beiden ClanKriegern zu voller Größe auf. »Ich bitte um die Erlaubnis, es noch einmal versuchen zu dürfen.«
Tseng drehte sich zu seinem Leibeigenen um. »Na schön, Barthelow. Erkläre mir das Bieten für einen Test.«
Der Leibeigene atmete tief durch. Er wußte natürlich, daß Tseng und die anderen versuchten, ihn zu brechen, um ihn im Bild der Geisterbären neu formen zu können, aber wahrscheinlich sehnte er sich mit einem Teil seiner Kriegerseele immer noch nach einer Möglichkeit zur Flucht. Er atmete tief ein und antwortete in einem Ton, dem man anhörte, daß er die ihm von Constant Tseng eingedrillte Erklärung auswendig abspulte. »Die Clans tragen keine simplen Schlachten aus. Ein ClanKrieger nimmt an einem Test teil. Der Verteidiger erklärt, mit welchen Truppen er antritt. Danach muß der Angreifer um das Recht bieten, seinen Gegner mit minimal möglichem Aufwand zu bezwingen.«
»Und warum das?« fragte sein Leibherr.»Ich denke, daß es darum geht, die potentiellen Verluste zu begrenzen.«
»Das ist teilweise korrekt, aber was du denkst, ist ohne Bedeutung. Es kommt darauf an, was ich denke«, antwortete Tseng. »Es steckt mehr dahinter, Leibeigener. Warum ziehen wir nicht einfach in die Schlacht, wie es deine früheren Kommandeure in der Inneren Sphäre tun, mit allem, was an Menschen und Material verfügbar ist?« Er unternahm keinen Versuch, seine Verachtung zu verbergen.
Der Leibeigene schüttelte den Kopf, senkte dabei aber nicht den Blick. »Ich weiß es nicht.«
»Zumindest hast du diesmal auf deine Sprache geachtet«, stellte Tseng fest. »Sterncaptain Angela Bekker, vielleicht wärst du so freundlich, diesem Stück Suratdreck zu erklären, warum wir nicht mit allem angreifen, was wir besitzen.«
Angela musterte den Leibeigenen einen Moment. »Ehre.«
Barthelow sah sie verwirrt an, aber sie sprach weiter, bevor er Gelegenheit hatte, sie zu unterbrechen. »Seine ganze mögliche Kraft zum Erreichen eines Zieles einzusetzen, ist kein Ausdruck ehrbaren Verhaltens. Als Geisterbär strömt das Blut in deinen Adern rot von Ehre. Wäre ich dir vier zu eins überlegen und würde dich bei einem Angriff besiegen, was hätte ich damit bewiesen? Nichts. In einem derart billigen Sieg ist keine Ehre. Wenn ich meine Überlegenheit wegbiete und dich mit gleichstarken Kräften besiege, erwerbe ich eine gewisse Ehre. Aber wenn ich das absolute Minimum an Kräften biete, und es gelingt mir trotzdem, dich zu bezwingen, habe ich die größtmögliche Ehre errungen. Wenn du sonst nichts lernst, dann lerne zumindest, daß Ehre das Lebensblut des Clans ist.«
»Wenn Sie gestatten, Sterncaptain?« fragte der Leibeigene. »Wenn Sie zu niedrig bieten und verlieren, bringt das keine Ehre, frapos?« Er achtete darauf, das traditionelle Clan-Fragewort zu benutzen.
Tseng sah Angel an. »Er ist kein Dummkopf, oder, Sterncaptain? Seine Fragen machen Sinn.«
»Pos«, bestätigte Angela. »Aber wenn ein Offizier zu niedrig bietet und Gefahr läuft, zu verlieren, kann er den Test abbrechen oder die von ihm zuletzt weggebotenen Truppen doch noch heranziehen. Diese Erhöhung des Gebots verringert die möglicherweise erreichbare Ehre, aber eine Niederlage liefert in der Tat überhaupt keine.«
Tseng drehte sich zu seinem Leibeigenen um. »Du lernst dazu, Barthelow. Aber für jetzt ist es genug. Du hast Arbeiten, um die du kümmern solltest. Ich möchte, daß du die Beine meines Warhawk putzt.« Er deutete auf das Gerüst, das seinen gedrungenen OmniMech umgab. »Ich möchte, daß sie so sauber glänzen, daß man von ihrem Füßen essen könnte, und zwar in einer Stunde.«
»Aye, Sterncommander«, erwiderte Barthelow und zog ab, um zu tun wie befohlen.
Constant Tseng sah ihm einen Augenblick hinterher, und Angela Bekker stellte fest, daß seine Haltung die selbstverständliche Präzision ausdrückte, die ihm von Geburt an beigebracht worden war. Eine Aura von Stolz umgab ihn. Aber keine Spur einer so kleinlichen Emotion wie Selbstgefälligkeit. In ihren langen Gesprächen mit ihm an Bord des Landungsschiffes hatte sie nicht die kleinste Spur von Prahlerei bemerkt. Nein, was sie hier sah, war ein Krieger, der daran glaubte, daß er das Wesen des Geisterbären in seiner Seele trug.
»Nun, Sterncaptain? Wie findest du ihn?« fragte er.
Sie sah ihm über die Schulter und beobachtete Barthelow, wie er mit Eimer und Putzlumpen zu dem riesigen OmniMech ging. »Er hat Potential. Die Konzepte des Bietens sind nicht schwer zu verstehen, aber um die Nuancen zu begreifen, genügt reines Auswendiglernen nicht. Im Grunde könnte er die Wichtigkeit des Bietens verstehen, aber ihm fehlt die persönliche Erfahrungen mit dem Ritual. Trotzdem hast du dem Clan einen guten Dienst erwiesen, als du ihn behalten hast.«
»Wir werden bald aufsetzen«, meinte Tseng. »Bist du nicht neugierig, warum wir nach Alshain beordert wurden?«
Constant Tseng hatte den längsten Teil der Reise mit Spekulationen über ihre Befehle verbracht. Er war neugierig wie ein Feuermandrill, aber das störte Angela nicht. Wenigstens neigte er nicht dazu, Gerüchte zu verbreiten, wie mancher andere. Noch eine Reihe weiterer Geisterbären-Krieger an Bord des Schiffes waren nach Alshain, auf die neue Zentralwelt des Clans, bestellt worden. Unter ihnen brodelte die Gerüchteküche, aber sie hatte kein Interesse daran, sich direkt oder indirekt an diesem Treiben zu beteiligen. »Ich habe es mir durch den Kopf gehen lassen«, stellte sie fest. »Vermutlich wurden wir und die anderen an Bord im Zuge einer generellen Umorganisation der Touman hierher befohlen.«
Die Touman war die formelle Militärorganisation des Clans. Ihre unterste Stufe war der Strahl, ein einzelner Mech oder fünf Elementare. Darüber kamen die Sterne, die jeweils aus fünf Strahlen bestanden, gefolgt von Binär- und Trinärsternen, Kombinationen aus zwei respektive drei Sternen. Diese wurden wiederum zu Sternhaufen aus zwei bis fünf Binär- oder Trinärsternen organisiert, und aus mehreren Sternhaufen setzte sich schließlich eine Galaxis zusammen, die größte Militäreinheit des Clans. Manche Einheiten waren durch Verluste im Verlauf der Invasion geschwächt, und der Wiederaufbau ihrer militärischen Stärke war nun, nachdem die Geisterbären ihr Herrschaftsgebiet in der Inneren Sphäre konsolidiert hatten, zu einer Hauptaufgabe geworden.
Die Erinnerung an die Invasion und deren Nachwehen waren in Angelas Gedanken noch so frisch, als hätten sich die Ereignisse erst gestern zugetragen und nicht schon vor zehn Jahren. Die Geisterbären waren einer der wenigen Clans gewesen, die das Privileg errungen hatten, am großen Kreuzzug zur Befreiung der Inneren Sphäre aus Jahrhunderten selbstverursachter Tyrannei teilzunehmen, aber die Clans waren nicht geschlossen darangegangen, die Wiege der Menschheit zu überwältigen. Die KreuzritterClans wollten die Innere Sphäre erobern, um sie vor sich selbst zu retten. Die Bewahrer sahen es als ihre Aufgabe an, die Innere Sphäre zu bewachen und zu schützen. Der Clan der Geisterbären hatte die Invasion im Lager der Kreuzritter begonnen, sich aber im Lauf der Jahre immer stärker zu den Bewahrern hin umorientiert. Aber Kreuzritter oder Bewahrer, alle Invasionsclans waren mit demselben Ziel angetreten: der Eroberung Terras. Der Clan, dem es gelang, die Heimatwelt der Menschheit zu erobern, würde zum höchsten Clan, zum ilClan, aufsteigen. Von dort aus würde er das goldene Zeitalter des Sternenbunds auferstehen lassen, der dreihundert Jahre zuvor zerbrochen war und die Vorfahren der Clans dadurch gezwungen hatte, der Inneren Sphäre für immer den Rücken zu kehren.
Anfänglich waren die Kräfte der Inneren Sphäre vom Ansturm der technologisch und militärisch überlegenen Clans niedergewalzt worden. Aber schließlich hatte ComStar, der Technologieorden, der sowohl das Solsystem und damit Terra wie auch die gesamte interstellare Kommunikation in der Inneren Sphäre kontrollierte, die Clans in dem Versuch, die Invasion aufzuhalten, zu einer Entscheidungsschlacht auf dem seither bei den Clans verwünschten Welt Tukayyid herausgefordert. In dieser Schlacht hatten die Clans in einer erschreckenden Umkehr ihrer bis dahin gemachten Erfahrungen eine katastrophale Niederlage erlebt. Der Waffenstillstand von Tukayyid hatte den Clans daraufhin für fünfzehn Jahre die Wiederaufnahme der Invasion verboten.
Und während die anderen Clans untereinander fochten und nach Möglichkeiten suchten, den ihnen aufgezwungenen Frieden zu unterminieren, hatten die Geisterbären ihre Eroberungen konsolidiert. Im Verlauf der letzten sieben Jahre hatten sie nahezu ihre gesamte Bevölkerung in die Systeme ihrer Besatzungszone in der Inneren Sphäre geholt und nur ein symbolisches Kontingent in den ClanHeimatwelten zurückgelassen. Die Innere Sphäre würde ihre neue Heimat werden.
Gleichzeitig war es den Fürsten der Inneren Sphäre gelungen, die Lage der fernen Heimatwelten zu entdecken. Heimlich hatten sich ihre Truppen auf den Weg nach Strana Metschty gemacht und die Clans dort zu einem Widerspruchstest herausgefordert, um die Invasion endgültig zu stoppen. Die Bewahrer-Cans hatten sich unter Leitung des Geisterbären-Khans Björn Jorgensson geweigert, die Rechtmäßigkeit der Invasion auf dem Schlachtfeld zu verteidigen.
In einer schockierenden Umkehrung der Geschichte hatten die Truppen der Inneren Sphäre die Clans auf deren Heimatboden besiegt. Die Invasion war vorüber, aber der Frieden war längst nicht jedermann willkommen. Die Geisterbären hatten sich in ihrem neuen Dominium engerichtet und wurden täglich stärker. Aber noch immer war ihr Besitz gefährdet, sowohl von den Armeen der Inneren Sphäre als auch von ihren Bruder-Clans.
Sterncommander Tseng riß sie aus ihren Gedanken. »Ich vermute, man hat uns herbestellt, um einen neuen Sternhaufen oder eine neue Galaxis auszuheben.«
Angela runzelte leicht die Stirn, als sie das hörte. »Du hältst dich an Gerüchte wie ein Mitglied der Händlerkaste, Sterncommander«, wies sie ihn zurecht.
»Neg, Sterncaptain. Ich denke nur logisch. Da sind zum einen all die Krieger an Bord dieses Schiffes, alle versetzt. Es ist nur logisch, daß dies nicht das einzige Schiff seiner Art ist. Die Aushebung eines neuen Sternhaufens oder sogar einer neuen Galaxis ist die vernünftigste Erklärung.«
Sie bewunderte die Art, wie er während ihres Disputs kühl und gelassen blieb. »Wir sind Geisterbären. Es ist nicht an uns, über die Absichten unseres Khans zu spekulieren, sondern nur, unsere Pflicht zu erkennen. Wenn Khan Björn Jorgensson uns zu anderen Einheiten versetzen oder neue ausheben will, wird er das auch tun.«
»Das versteht sich von selbst«, gab Tseng zu. »Aber du mußt doch auch zumindest ein wenig neugierig sein.«
Sie fuhr sich mit einer Hand durch das Haar, das sie kurzgeschoren hielt, um den Kontakt zwischen Kopfhaut und Neurohelmsensoren zu erleichtern. »Natürlich bin ich neugierig. Aber ich kenne meine Pflicht als Kriegerin und behalte meine Gedanken für mich.« Wieder ignorierte Tseng die gelinde Zurechtweisung in ihrer Antwort einfach.
»Du bist mehr als nur irgendeine Kriegern, Angela Bekker. Ich habe mir erlaubt, deine Akte einzusehen. Dein Kodax ist herausragend, und du hast den Tatzenschlag erfolgreich durchgeführt. Ganz zu schweigen davon, was du mit Jarett gemacht hast.«
Die Erwähnung Jaretts löste einen Orkan von Erinnerungen in ihr aus. Jarett war ein Planet des Draconis-Kombinats, den die Geisterbären in der zweiten Angriffswelle der Invasion mit ganzer Wildheit angegriffen hatten. Angela hatte im 17. Gefechtstrinärstern der 1. Bärengarde an den Kämpfen teilgenommen. Auf dem Marsch durch den dampfenden Solundschungel hatte der 17. in einer Schlacht, die bis dahin unerreichte sieben Tage gedauert hatte, gegen das 9. Alshain-Regiment der Draconier gefochten.
Ausgedehnte Kämpfe waren nicht die Sache der Clans. Gefechtstests waren auf eine schnelle Entscheidung angelegt, und tagelanger Schlagabtausch war eine Kampfstil, mit dem die wenigsten Geisterbären vertraut waren. Angela Bekker aber hatte sich schnell auf die Gegebenheiten eingestellt und den logistischen Alptraum gemeistert, den Nachschub ihrer Einheit bei der Verfolgung der sich ihr immer wieder entziehenden 9. mit durch den Dschungel zu nehmen.
Ihr taktisches Können hatte ihr reichlich Lob eingetragen, aber das war alles schon lange her. Außerdem dachte Angela nicht gerne an Jarett zurück. Es erinnerte sie nur daran, wie viele ihrer Kameraden sie in späteren Gefechten der Invasion verloren hatte. So viele Freunde und Kameraden.
Sie warf einen Blick auf das Kodaxarmband am linken Handgelenk, knapp hinter der Hand mit den beiden bionischen Ersatzfingern. Die Speicherchips des Kodax enthielten die komplette Militärakte eines Kriegers oder einer Kriegerin, alle Details ihres Lebens im Dienste des Clans. Angela war eine gute Kriegerin, soviel gestand sie ein. Der Wunsch nach dem Blutnamen war in ihren jüngeren Tagen eine nahezu alles verzehrende Leidenschaft gewesen. Heute war der Bekker-Blutname schlicht und simpel ein Teil von ihr. Und die etwas hellere Hautfarbe ihrer prosthetischen Finger erinnerte sie ständig daran, was von einer Geisterbären-Kriegerin im Extremfall erwartet wurde.
»Mach dich nicht zum Narren, Constant Tseng. Ich habe dem 50. Einsatzsternhaufen in den letzten Jahren treu gedient, aber auf eine ehrenhafte Pflichterfüllung können sich auch viele andere Krieger berufen. Auch dein eigener Kodax ist nicht zu verachten. Wie ich bereits sagte, wenn der Khan entscheidet, daß ich dem Clan auf andere Weise dienen sollte, begrüße ich die Gelegenheit, ihm zu beweisen, wozu ich in der Lage bin.«
»Starrsinnig wie immer. Deshalb nennt man dich die ›Tatze‹.«
»Die Tatze?« Der bloße Gedanke machte Angela wütend.
»Aye, Angela Bekker. Ich habe einige Krieger diesen Namen für dich gebrauchen hören. Anscheinend bist du weithin bekannt. Deine Leistungen bei der Befreiung Jaretts hatten etwas von einem taktischen Geniestreich, gleichgültig, wie sehr du es auch herunterzuspielen versuchst. Und dann ... sind da natürlich noch ... deine künstlichen Finger.«
Sie starrte Tseng wütend an. Plötzlich zeigte seine Miene, daß ihm die Voreiligkeit seiner Worte bewußt geworden war. Er schien sich zu wünschen, er könnte sie ungeschehen machen. »Dieser Name, den andere für mich erdacht haben, gefällt mir ganz und gar nicht. Spitznamen sind etwas für Mitglieder der niederen Kasten.«
Constant Tseng setzte zu einer Erwiderung an, aber bevor er ein Wort herausbrachte, schallte ein tiefer, durchdringender Sirenenton durch den Hangar. An der Schottwand blinkte ein gelbes Warnlicht auf. »Die Landesequenz hat begonnen«, stellte er fest. »Vielleicht sehen wir uns am Boden wieder, Sterncaptain.«
»Aye«, antwortete Angela und rieb ihre künstlichen Finger, wie sie es häufig tat, wenn sie nachdachte. Irgendwie wußte sie, daß Sterncommander Constant Tseng so schnell nicht aus ihrem Leben verschwinden würde.

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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