Epilog
Feld der Ehre, Alshain Geisterbären-Dominium15. Juni 3062
Angela und der Rest des Trinärsterns Pirschende Bären, 8. Bärkürassiere, Galaxis Delta, nahmen Haltung an. Verschwunden waren die fleckigen, zerrissenen Uniformen des Toffen-Feldzugs, für diese Gelegenheit ersetzt durch neue graue Ausgehuniformen. Verschwunden auch die Müdigkeit auf den Gesichtern der Krieger, die den Kampf überlebt hatten. Zum Teil trugen sie noch Gipsverbände oder Bandagen um ihre verbrannten Glieder, aber ihre Mienen zeigten Kampfgeist und Entschlossenheit. Selbst Bethany, die den Arm mit den sorgfältig angepaßten bionischen Ersatzfingern an der Hand noch in der Schlinge trug. Das allein half, die verwirrte Mixtur aus Wut, Frustration und Peinlichkeit zu überdecken, die Angela fühlte.
Sie standen auf einer steinernen Empore, und die helle Sonne Alshains brannte auf sie herab. Auf dem schimmernden Rasen des Paradegrunds vor ihnen war alles versammelt, was Alshain an GeisterbärenKriegern aufzubieten hatte, und hinter ihnen drängten sich die Mitglieder der niederen Kasten. Sie alle waren Geisterbären und auf das Geheiß ihres Khans hier erschienen. Sie alle standen stramm, Reihe um Reihe hatten sie die Augen zu der Plattform erhoben, auf der Angela stand und ihre Blicke erwiderte.
Nach dem Sieg auf Toffen erschienen die letzten Monate beinahe enttäuschend. Fast zwei Wochen nach der letzten Schlacht gegen Dirk Radick und die Wölfe waren Ersatztruppen eingetroffen, um ihren Trinärstern abzulösen, ein ganzer Sternhaufen. Die Pirschenden Bären waren eingeschifft und zurück nach Alshain gebracht worden, offenbar auf Anordnung Khan Bjorn Jorgenssons. Angela hatte mehrmals um ein Gespräch mit ihren Vorgesetzten gebeten, aber all ihre Anfragen waren ignoriert worden. Jetzt, heute, begegnete sie ihnen zum erstenmal wieder. Sterncolonel Dana Vishio stand neben Galaxiscommander Roberto Snuka, und beide nickten Angela aufmunternd zu. Neben ihnen stand saKhanin Aletha Kabrinski, schweigend und mit strenger Miene.
Khan Jorgensson trat an ein kleines, säulenförmiges Podest im Zentrum der Empore. Er trug die traditionelle Robe seines Amtes, einen Pelzumhang mit Kapuze aus dem Fell eines Geisterbären über einem schwarzen Overall. Um seinen Hals hing eine Kette mit den Zähnen des Bären, den er bei seinem Tatzenschlag erlegt hatte. Der Khan sah sich nicht zu Angela und der Mitgliedern ihres Trinärsterns um, sondern wandte sich statt dessen an die Legion der Clanner und schlug die Pelzkapuze zurück, damit alle auf dem Platz Versammelten sein Gesicht sehen konnten.
»Für einen Khan der Geisterbären gibt es keine größere Ehre als einen Tag wie diesen. Vor einigen Monaten autorisierte ich die Aushebung eines neuen Trinärsterns innerhalb der 8. Bärkürassiere. Sterncaptain Angela Bekker erhielt den Befehl über diese Einheit. Es war eine neue Einheit, unerfahren, unerprobt im Kampf. Als ihren ersten Auftrag wurde sie nach Toffen gesandt, wo sie allein die Garnisonsaufgaben übernahm. Angela Bekker, eine betatzte Blutnamensträgerin, repräsentiert die besten Eigenschaften, die uns zu Geisterbären machen, und ihre Einteilung auf jener Welt war als Ehre für sie und die Mitglieder ihrer Einheit gedacht. Dann schlichen sich unsere früheren Eidgeschwister, der Wolfsclan, über unsere Grenzen. Sie kamen nach Toffen, um diese Welt unserem Dominium zu entreißen.
Sterncaptain Angela Bekker und ihre unerfahrene Einheit stellten sich den Blutsäufern, einer der besten Einleiten, die die Wölfe anzubieten haben, zu einem Besitztest um den Planeten. Die Schlacht währte nicht eine Stunde, sondern sechsundvierzig Tage. Angela Bekker und ihr Trinärstern Pirschende Bären besiegten nicht nur einen Trinärstern Wölfe, sondern sogar noch einen zusätzlichen Binärstern Wolfsclantruppen. Trotz ihrer Verluste hielt sie die Einheit zusammen, und ich veranasse hiermit deren Neuausstattung. Und während die Wölfe ihren vergeblichen Versuch unternahmen, uns Toffen abzutrotzen, und diese tapferen Krieger sie zurückwarfen, starteten wir Geisterbären unsere eigene Offensive gegen die Wölfe. Es war ein süßer Triumph, in dessen Verlauf wir Nox, Satalice und Altenmarkt eroberten, die Welt, auf der die Blutsäufer stationiert waren. Sterncaptain Angela Bekker hat dies möglich gemacht, und die Opfer, die ihre Einheit gebracht hat, werden dadurch noch ehrenvoller.«
Angela spürte, wie sie vor Wut puterrot anlief, als sie das hörte. Ihr Clan war ihr deshalb nicht zu Hilfe gekommen, weil sie auf Toffen einen ganzen Sternhaufen der Wölfe gebunden und dem Rest der Geisterbären damit einen separaten Krieg gegen die Wölfe ermöglicht hatte. Sie konnte nicht anders, als sich an die Worte Dirk Radicks am Tag seiner Niederlage zu erinnern. Warum waren die Pirschenden Bären auf Toffen alleingelassen worden? Jetzt kannte sie die Antwort. Sie waren als Köder benutzt worden, um die Wölfe anzulocken!
Khan Jorgensson sprach weiter. »Und in Anerkennung ihrer selbstlosen Hingabe an unseren Clan haben wir uns heute hier versammelt, um Sterncaptain Angela Bekker unsere höchste Ehre zukommen zu lassen, Tsengs Schild. Sterncommander Constant Tseng, Stern-Commander Stone und dem Rest der Pirschenden Baren entbiete ich mein höchstes Lob für ihren Mut und ihre Hingabe an die Ideale der Geisterbären.«
SaKhanin Kabrinski trat, immer noch schweigend
und mit steinerner Miene, vor und kam zu Angela herüber. In der
Hand hielt sie Tsengs Schild und befestigte die Auszeichnung an
Angelas Uniform. Dabei drückte sie so fest zu, daß Angela das kalte
Metall der Nadel auf ihrer Haut fühlte.
Bjorn Jorgensson drehte sich wieder zu den versammelten Kriegern
um, als sie fertig war. »Seht die Stärke unseres Clans im Kampf
gegen alle, die sich für würdig erachten, unsere Feinde zu sein.
Stimmt mit mir ein und ehrt diese
Krieger!« Er klatschte in die Hände, und die Versammlung der
Geisterbären tat es ihm nach, bis der Applaus zu einem
Triumphgebrüll anschwoll.
Angela betrat das Büro Galaxiscommander Roberto Snukas und nahm Haltung an. Das Zimmer wirkte sehr viel kleiner und dunkler, als sie es in Erinnerung hatte. Sterncolonel Dana Vishio war ebenfalls anwesend.
»Steh bequem, Sterncaptain, und meinen Glückwunsch.« Roberto Snuka bedeutete ihr, sich zu setzen, aber Angela blieb stehen.
Snuka stellte die Ellbogen auf den Schreibtisch und legte das Kinn auf die gefalteten Hände, während er sie betrachtete. »Khan Bjorn Jorgensson hat mich wissen lassen, wie sehr er deine wertvollen Dienste zu schätzen weiß, Sterncaptain. So sehr, daß er plant, einen neuen Sternhaufen auszuheben, der natürlich einen Kommandeur brauchen wird. Er wird dich persönlich für den betreffenden Positionstest vorschlagen und versichert mir, daß niemand dich herausfordern wird.«
Angela schaffte es nur mit Mühe, ihre Wut im Zaum zu halten. »Das ist nicht notwendig, Galaxiscommander«, erklärte sie, die Augen nicht zu ihm gewandt, sondern starr geradeaus gerichtet.
»Gibt es irgendein Problem, Sterncaptain AngelaBekker?« fragte Dana Vishio.
»Aye«, stellte Angela mit bitterer Stimme fest. »Or
den können keine Toten erwecken, ebensowenig wie
neue Einheiten. Ihr habt mich und meine Einheit nach
Toffen geschickt und alleingelassen, obwohl ihr genau
wußtet, daß die Wölfe uns angreifen würden, frapos?« Ihr Kopf flog
herum, und ihr Blick brannte sich in
die Augen ihrer Vorgesetzten.
Es gab eine kurze Pause, während Vishio sich zu
Roberto Snuka umsah, dann drehte sie sich wieder zu
Angela um. »Pos. Der Wolf-Clanwache wurden Information über deinen
Einsatzort zugespielt. Wir
transportierten eine außerordentliche Menge an
Nachschub und Ersatzteilen nach Toffen, um den
Planeten wichtiger erscheinen zu lassen, als er tatsächlich war.
All das war notwendig, um sie in die
Falle des Khans zu locken.«
»Wir waren ein Köder« Angela spie Vishio die
Worte geradezu ins Gesicht. »Es war nie geplant, uns
zu entsetzen.«
Galaxiscommander Snuka ergriff das Wort. »Es
war eine Strategie, Sterncaptain. Eine notwendige
Strategie. Deine Leistung auf Toffen hat uns mehrere
Wolfsclansysteme eingebracht.«
»Und du wußtest davon?« fragte Angela, ohne den
Blick von Dana Vishio zu nehmen.
»Aye«, bestätigte die. »Die Umsetzung einer Strategie gehört zu den
Pflichten eines Sterncolonels.
Das ist dir inzwischen doch sicher klar«
»Beantwortet mir eine Frage, Galaxiscommander,
Sterncolonel: Waren meine Pirschenden Bären und
ich entbehrlich?«
Roberto Snuka sah Angela in die Augen. »Wir alle
haben unsere Pflichten, Sterncaptain. Und in dieser
Hinsicht sind wir alle entbehrlich, wenn es darum
geht, den Clan und unsere Lebensweise zu schützen.
Was auf Toffen geschehen ist, war ein Einsatz deiner
Person und deiner Pirschenden Bären in einer strategischen Rolle.
Ihr habt eure Pflicht erfüllt. Nicht
mehr. Nicht weniger.«
Angela nickte. »Ich bin eine Taktikerin. Ich gewinne Schlachten.
Das ist meine Pflicht, meinen
Clan und meiner Einheit gegenüber. Wenn ihr von
mir als Stern-colonel erwarten würdet, Strategien zu
entwickeln und umzusetzen, wie ihr sie auf Toffen
vorgeführt habt, will ich damit nichts zu tun haben.
Meine Ehre würde mir das niemals gestatten.« »Was soll das heißen,
Sterncaptain?« fragte Snuka und stand hinter seinem Schreibtisch
auf. »Du
lehnst die Beförderung ab und willst Sterncaptain
bleiben?«
»Pos, Galaxiscommander. Besonders, wenn der
Preis für die Beförderung in meinem Gewissen oder
meiner Ehre bestünde. Und nach allem, was ich
durchgemacht habe, müßte ich beide mißachten,
wenn ich je gezwungen wäre, anderen das anzutun,
was uns angetan wurde. Ich will nichts weiter, als ein Sterncaptain
bleiben und den besten Trinärstern in
der Geisterbären-Touman kommandieren.« Angela wartete nicht auf die
Erlaubnis, wegzutreten, sondern drehte militärisch perfekt auf dem
Absatz um und verließ das Büro.
»Wie ist es gelaufen?« fragte Constant Tseng, als er und Stone Angela vor dem Zentralkommando einholten.
»Wie zu erwarten war. Sie haben mir die Chance geboten, Sterncolonel zu werden. Ohne Gegenbewerber. Eine Chance, einen neuen Sternhaufen auszuheben.«
»Hast du angenommen?«
»Neg. Ich habe ihnen erklärt, daß ich kein Verlangen verspüre,
anderen jemals das anzutun, was sie mit uns gemacht
haben.«
»Das wird ihnen sicher nicht gefallen haben. Hoffentlich bleibst du
unsere Kommandeurin«, meinte Stone.
»Es sieht so aus. Ich habe vor wenigen Minuten neue Order erhalten.
Wir sollen den Trinärstern neu ausrüsten und in einem Monat auf
Toffen zum Rest der 8. Bärkürassiere stoßen. Wie es scheint,
verzichtet man darauf, mich für meine Insubordination zu
bestrafen.«
»Es wäre dem Clan nicht dienlich, seine neueste Heldin zu
disziplinieren«, stellte Stone fest.
»Ich fühle mich nicht wie eine Heldin.« Angelas Stimme klang
matt.
»Ich bezweifle, daß irgendein Held das tut«, sagte Tseng.
»Willkommen zurück bei den Pirschenden Bären,
Sterncaptain.«
Angela lachte. »Danke, Constant Tseng. Es tut gut, zuhause zu
sein.«
»Da wäre noch etwas«, erklärte Tseng. Die drei hielten an, und er
griff in eine große Ledertasche, die über seiner Schulter hing. Als
er die Hände wieder zum Vorschein brachte, hielten sie einen mit
Silberstücken besetzten Samtbeutel, an dem Brummpfeifen aus
Elfenbein und Rosenholz hingen. »Das ist ein Geschenk der ganzen
Einheit. Ein neuer Dudelsack, hergestellt vom feinsten Handwerker
dieser Welt. Wir haben uns sagen lassen, daß er Monate daran
gearbeitet hat, die Brummpfeifen zu drechseln.«
Angela hob den Dudelsack in die Höhe und betrachtete die
Melodiepfeife. In der Nähe des oberen Endes sah sie eine kleine
Silbertafel. Sie trug das Wappen der Geisterbären und die Namen
aller Mitglieder des Trinärsterns, in so winzigen Buchstaben, daß
sie sie kaum entziffern konnte.
Sie hielt den Dudelsack ehrfürchtig in den Händen. »Danke, euch
beiden. Aber jetzt wird es Zeit für uns, nach Hause zu gehen,
frapos?«
»Nach Toffen«, sagte Stone.
»Neg«, erwiderte Angela. »Zu den Pirschenden Bären. Ein anderes
Zuhause brauche ich nicht.«