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Landungsschiff General Gordon, Zenithsprungpunkt, Caldarium-System Randgemeinschaft, Peripherie
28. Mai 3059 Aus dem Tagebuch des Harley Rassor:Der einzige Grund, daß ich mir die Zeit nehme, das zu schreiben, ist, daß Zeit das einzige ist, was ich habe. Oberleutnant Hershorn ist tot, aber meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt angesichts der Tatsache, wohin wir unterwegs sind und was wir planen.
Die Aces sind von Gillfillan's Gold gestartet und haben das System verlassen. Konflikt-Lanze ist mit Ausnahme der Infanterie auf dem Planeten zurückgeblieben, und wir haben den größten Teil unserer Zeit damit verbracht, mit den Techs an der Reparatur unserer Mechs zu arbeiten. Kompanie Zwo hat den Hauptanteil der Kämpfe bestritten und gleich zu Anfang eine komplette Lanze leichte Mechs verloren. Für eine Bande von Raumpiraten haben die Ausbeuter verteufelt harten Widerstand geleistet.
Zwei Tage nach dem Aufbruch zum Sprungpunkt habe ich Jeremy Lewis getroffen, und er hat ein großes Theater darum gemacht, wie toll ich mich geschlagen habe. Er benutzt meinen wirklichen Namen überhaupt nicht mehr und nennt mich nur noch Teufelskerl. Und dann fing Jord auch noch an. Die beiden haben mich zugeschwatzt damit, was für ein Naturtalent ich bin.
In Wahrheit bin ich kein Held oder großer MechKrieger. Als die Schlacht vorbei war, habe ich gezittert, geradeso wie daheim nach der Jagd auf einen Säbelzahneber. Es hätte mein Tod sein können. Das ist kein Spiel hier. Menschen sterben. Ich erinnere mich daran, wie sie gestorben sind. Besonders an einen.
Ich wache mitten in der Nacht auf, weil Hershorns Lachen mich verfolgt. Er hat dafür bezahlt, was er getan hat, aber ich habe immer noch damit zu kämpfen.
Ich wollte Da und Jolee schreiben, aber ich bin mir nicht sicher, was ich ihnen erzählen soll. Schlimmer noch, ich weiß nicht, wann ich eine Chance bekommen werde, ihnen einen Brief zu schreiben. Ich habe eine kurze Nachricht geschrieben und in meinen Spind gelegt, für den Fall, daß ich es nicht überlebe. Wenn ich bei dieser Aktion falle, sollen sie zumindest wissen, daß der Mann, der Ben verraten hat, nicht mehr lebt. Aber bis wir ›König‹ Hopper Morrison erledigt haben, werde ich nicht zufrieden sein können, daß Bens Tod endgültig gerächt ist.
Diese Alpträume machen mir zu schaffen. Es liegt nicht nur daran, daß Hershorn unter solchen Schmerzen gestorben ist. Irgend etwas an seinen letzten Worten geht mir nicht aus dem Kopf. Es war, als wüßte er etwas, wovon wir nichts ahnen, und er fand es lustig. Irgendwie habe ich schon das Gefühl, daß die Gerechtigkeit gesiegt hat, aber gleichzeitig scheint mir, daß er mit seinem Tod entkommen ist. Das ergibt vielleicht keinen Sinn, aber das ändert nichts daran, wie ich fühle.
Im Moment sind wir im Caldarium-System und laden die Sprungtriebwerke auf. Ich habe der Crew dabei zugesehen, wie sie das Sprungsegel gespannt hat, mit dem wir Sonnenenergie einsammeln, um den Antrieb für den Sprung ins nächste System aufzuladen. Ich habe so etwas noch nie vorher beobachten können. Es ähnelt dem Segel für ein Boot, aber es ist rund, mit einem Loch in der Mitte. Es ist harte Arbeit, das Segel da draußen sauber aufzuspannen. Einer der SegelTechs hat mir erzählt, daß wir unter Umständen keine Möglichkeit hätten, den Antrieb neu zu laden, wenn es beschädigt wird. Ich habe mir nie klargemacht, was für eine schwierige Operation das ist. In ein paar Stunden holen sie es wieder ein, und dann springen wir weiter.
Der Kommandanthauptmann ist mit einer Raumfähre herüber gekommen, um uns den Plan zu erläutern, während wir im All Dawn-System die Triebwerke aufluden. Noch während wir in der »Zweiten Schlacht um Gillfillan's Gold« standen, hat er die restlichen Aces zum Sprungpunkt beordert. Die Ausbeuter, denen wir auf dem Rectorplateau eine Abreibung verpaßt haben, konnten mit ihren Sprungschiffen entkommen, von einem noch näheren Piratensprungpunkt als zuvor. Unsere Jäger haben ihren Landungsschiffen reichlich Schaden beigebracht, aber trotzdem ist es den Piraten gelungen, mit zwei ihrer Mechs wieder abzuheben. Einer davon war dieser verfluchte Timber Wolf.
Wir sind auf der Reise zu dem Rest der Aces gestoßen. Die meisten sind schon zusammen mit uns von Gillfillan's Gold losgesprungen. Die restlichen Kompanien haben über All Dawn auf uns gewartet. Caldarium ist die letzte Station. Die nächsten Sprünge tragen uns in die äußere Peripherie.
Der Kommandanthauptmann hat uns erklärt, daß der Plan vorsieht, in die Offensive zu gehen. Er hat alles schon vor Wochen mit Präsident Moroney ausgearbeitet. Sie waren einer Meinung, daß Morrisons Ausbeuter eine direkte und akute Bedrohung der Randgemeinschaft darstellen. Deshalb hat Moroney seine Zustimmung zu einer Aktion gegeben, zu der unsere Regierung bis jetzt noch nie gezwungen war: einer Militäroffensive.
Der Kommandanthauptmann hat uns klargemacht, daß der beste Platz, um ›König‹ Hopper Morrison zu treffen, ein mieser kleiner Planet namens The Rack ist.
Nach allem, was er uns erzählt hat, ist es ein übles Loch, eine Art Mischung aus Slum und Piratenkönigreich, in dem Morrison regiert und sein Wort das einzige Gesetz ist.
Anscheinend sind eine Reihe seiner Banditen vor ein paar Jahren auf The Rack gelandet und haben bei der Suche nach etwas, das sich zu plündern lohnte, einen verschütteten Sternenbundbunker komplett mit eingemotteten BattleMechs entdeckt. Morrison hat die Mechs dann dazu benutzt, seine Mörderbande zu einer ernsthaften Bedrohung auszubauen.
Pain hat er als Wirtschaftsbasis behalten, aber seine Militäroperationen steuert er von The Rack aus. Er hat sogar eine großangelegte Suchaktion nach weiterer Sternenbund-Tech gestartet, bei der er ein Heer von Sklaven einen Berg abtragen läßt, unter dem er den Rest der alten SBVS-Anlage vermutet.
Wir haben die wenigen Daten, die wir über The Rack besitzen, alle eingehend studiert. Es ist keine angenehme Welt. Wenn die Informationen stimmen, gibt es kaum Ebenen, auf denen ein Landungsschiff aufsetzen könnte. Nur völlig zerklüftete Felsformationen, Obsidian, alle Arten radioaktive und Metallerze, die Langstrecken-Sensorabtastungen praktisch unmöglich machen. Es heißt, in unserer Landezone toben nahezu permanent Gewitter mit reichlich Donner und Blitz. So ein Wetter wird unserer Luftunterstützung verdammt zu schaffen machen. Als es den Sternenbund noch gab, ließ sich das Wetter eines Planeten kontrollieren. Aber das ist lange her. Es ist genau, wie Da immer sagt: Die Natur hat eine Art, die Pläne der Menschen zu durchkreuzen.
Wir werden The Rack angreifen, das ganze Regiment. Das wird eine Operation von mehr BattleMechs, als ich je zusammen an einem Ort gesehen habe. Kommandanthauptmann Able hat erklärt, daß wir Morrisons Ausbeuter ein für allemal als Bedrohung ausschalten werden. Das ist eine höfliche Umschreibung dafür, daß unsere Mission in der Vernichtung der Ausbeuter besteht. Auf Pain werden ein paar überleben, aber wenn wir auf The Rack fertig sind, wird das ihren militärischen Möglichkeiten den Todesstoß versetzen. Morrison wird zwar ein paar Mechs behalten, aber nicht genug, um je wieder einen Angriff auf die Randgemeinschaft zu wagen.
Ich habe mich sehr verändert, seit ich mich den Aces angeschlossen habe. So vieles, wovon ich früher nur geträumt habe, ist inzwischen selbstverständlich geworden. Ben und ich haben oft darüber geredet, zu anderen Planeten zu reisen, andere Mechs als das alte Commando-Wrack zu steuern und Schlachten um das Schicksal des Universums zu schlagen. Jetzt kommt mir das alles vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. Hier bin ich an Bord eines Raumschiffs auf dem Weg aus der Randgemeinschaft in die Tiefen der äußeren Peripherie, und es erscheint mir alles so normal.
Ich glaube, ich verstehe jetzt, warum Ben so von Hochtechnologie besessen war, aber auf eine andere Weise. Wenn man in und um BattleMechs arbeitet, gewinnt man eine andere Sicht dafür, was Macht in diesem Universum bedeutet und wie verletzlich die Menschen sind. Dank der Technologie können wir diese Monster steuern, und wir benutzen sie, um einander umzubringen. Ich fürchte manchmal, daß Ben sich so von der Technik in ihren Bann hat ziehen lassen, daß er die Menschen vergessen hat.
Bis jetzt habe ich geglaubt, ich könnte etwas von meiner Trauer über Ben verarbeiten, indem ich dafür sorge, daß der Verräter seine gerechte Strafe erhält. Aber Hershorns Tod hat mir in dieser Hinsicht nichts gebracht. Irgendwie scheint nichts gelöst und die Gerechtigkeit noch immer nicht erreicht.
Ich bin müde und sollte mich ausruhen, aber irgendwie habe ich Angst, daß ich schweißnaß hochschrecken werde, wenn ich mich jetzt schlafen lege, weil mich Hershorns Lachen immer noch verfolgt.