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In der Nähe des Ishimaru-ko-Ufers, Toffen Geisterbären-Dominium
27. März 3062

Der BefehlsStern der Blutrünstigen Wölfe verlies die Straße in einer weitgefächerten W-Formation, mit Sterncolonel Dirk Radicks Executioner in der vordersten Position. Die Mechs verteilten sich mit militärischer Präzision und deckten mit ihren Waffen sowohl den Wald als auch den entfernten See ab. Auf den ersten Blick war im gelben Licht der Vormittagssonne kaum die Spur einer Schlacht zu sehen. Dirk Radick sah die zertrümmerten Überreste der ReißerStern-Mechs als erster, zerbeulte Klumpen verwüsteter Gefechtsfeldtechnologie, die man zurückgelassen hatte, wo sie zu Boden gegangen waren. Allmählich fand er noch andere Hinweise darauf, was sich hier zugetragen hatte, wie vereinzelte Krater, wo eine Rakete oder AK-Granate ihr Ziel verfehlt hatte. Mehrere Bäume am Rand der Lichtung zeigten vielsagende schwarzverkohlte Wunden, Spuren schlecht gezielter Laserschüsse.

»Stelle deine Truppen auf, Sterncaptain Jergan«, befahl er und schwenkte die Mechgeschütze über die Waldlinie.

Jergan, die unmittelbar hinter ihm in ihrem Warhawk saß, trat vor, um dem Rest des Sterns, der sich noch am Waldrand zwischen den Bäumen vorarbeitete, schneller ausfächern konnte. »BefehlsStern, Gebiet sichern.

Fletcher, Waldrand beobachten. Patton und Helenica, vorgeschobene Position, Waffen auf den See gerichtet.«

Ihre Befehle hatten einen ernsten Hintergrund. Die Datenübermittlung, die Sterncolonel Radick ihr überspielt hatte, meldete, wie die Geisterbären ReißerStern in den Hinterhalt gelockt und aus dem tiefen Seewasser und dem Waldinnern angegriffen hatten. Der Bericht war sehr kurz gewesen, und der Ausgang des Gefechts war nicht bekannt. Sie hatten nur erfahren, daß ReißerStern von den Geisterbären in eine Falle gelockt worden war. Danach hatten sie nichts mehr gehört.

Dirk Radick steuerte seinen Executioner beinahe schlendernd auf das Ufer zu. Er fühlte nichts von der Anspannung, die seine Untergebenen ergriffen hatte, als sie auf die Wiese traten und sich dem Ishimaruko näherten. Als er keine Nachricht mehr von ReißerStern erhalten hatte, war er vom Schlimmsten ausgegangen. Es hatte anderthalb Tage gedauert, den See zu erreichen, und als sie schließlich angekommen waren, war sich Radick nicht nur sicher, daß ReißerStern nicht nur vernichtet oder bestenfalls zerschlagen war sondern auch, daß kein Geisterbär mehr in der Nähe war und auf ihn wartete.

Das wäre der Strategie zuwidergelaufen, die diese Angela Bekker verfolgte. Nein, sie spielte ein anderes Spiel, ein Spiel, an das er sich schnellstens anpassen mußte, wenn er nicht untergehen wollte. Aber trotzdem hatte er durch diese Niederlage etwas gewonnen, einen Einblick in ihre Strategie und die Erkenntnis, daß er im Umgang mit ihr vorsichtiger sein mußte.

Er hielt den BattleMech an und schaltete die Systeme auf Bereitschaft. Nicht weit von den Füßen seines Mechs lagen die Überreste eines Gargoyle, dessen interne Struktur wie bei einem aufgeschlitzten und ausgewaideten Stück wild aufgerissen war. Als er die Luke des Cockpits öffnete, schlug ihm der Gestank von zerschmolzenem Isoliermaterial und verschmorten Myomerfasern entgegen, durchsetzt mit dem Geruch von verschütteter Kühlflüssigkeit. Dirk kannte diesen Gestank, den Geruch des Schlachtfelds. Während er die Sprossen hinabkletterte, die entlang des Torsos und Beins seines Executioner in das Metall eingelassen waren, sah er noch andere Mechwracks, alle ebenso verwüstet wie der Gargoyle.

Radick ging zu dem zertrümmerten Mech hinüber und starrte auf das Cockpit. Es war mit dem Wappen der Blutsäufer bemalt gewesen, aber jetzt waren nur noch geschwärzte, abblätternde Farbreste zu sehen, Spuren des gnadenlosen Kampfes, den der Mech hinter sich hatte. Er kannte den Mech, und dessen Piloten, Sterncommander Digorno aus der Blutlinie Carns. Das eingetrocknete Blut auf der Innenseite des Kanzeldachs sagte ihm, was aus Digorno geworden war. Er war ehrenvoll gefallen, wenn auch besiegt. Radick schwor sich, diesen Test zu gewinnen, damit der Tod so guter Krieger nicht vergebens gewesen war, ihre Ehre nicht verschwendet.

Er starrte lange auf den bräunlich-schwarzen Schmierfleck, dann sah er hinüber zum Seeufer, an dem die Mechs des BefehlsSterns patrouillierten und sicherstellten, daß dieses Gebiet sicher war. Radick stand fast zehn Minuten dort, schaute über das Gelände, leerte seinen Geist, versuchte sich vorzustellen, was hier geschehen war.

Er hörte Schritte hinter sich. Als er sich umdrehte, sah er Sterncaptain Jergan auf sich zukommen. »Gefechtsschadensbericht, Sterncaptain«, verlangte er ruhig.

Der Ausdruck auf ihrem Gesicht sprach Bände. »Wir haben die Überreste von vier Reißer-Mechs gefunden, Sterncolonel.« Ihr Blick wanderte kurz zu dem neben ihnen am Boden liegenden Gargoyle. »Es befinden sich auch die Überreste von zwei Geisterbären-Mechs auf dem Gelände.«

»Was ist mit dem fünften Mech ReißerSterns? Könnte er im See liegen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben die Reifenspuren eines Mechtransporters gefunden. Soweit ich es fest-stellen kann, haben die Geisterbären die gesamte Munition unseres Sterns und mindestens einen unserer im Verlauf des Kampfes beschädigten Mechs mitgenommen, Krieger Lucians Summoner.« Über die Lichtung kamen zwei Krieger heran. Radick. ging ihnen entgegen, und Jergan mußte einen Teil der Strecke im Laufschritt zurücklegen, um mitzuhalten. Einer der Krieger gehörte ihrem BefehlsStern an, Patton Ward. Er stützte einen verletzten Krieger, Kevin Carns vom ReißerStern. Der Mann hinkte und trug einen Arm in der Schlinge. Der Kontrast zwischen seiner dreckigen, blutverschmierten Uniform und der fleckenlosen Uniform Patton Wards war beträchtlich. Er nahm mühsam Haltung an, als Radick die beiden erreichte, dann fiel er halb auf einen Baumstumpf.
Jergan sprach als erste. »Kevin Carns, was ist geschehen?«
Er hob den Kopf, und Radick sah, daß sein schwarzer Schnurrbart fast vollständig weggebrannt war. Sein Gesicht war von den kleinen Kraternarben geplatzter Brandblasen übersät. Seine Augen lagen blutunterlaufen in dunklen Höhlen. Er war sichtlich erschöpft. Patton Ward reichte ihm eine Feldflasche, aber er trank nicht daraus, sondern hielt sie nur kraftlos in den schmutzstarrenden Händen.
»Einer ihrer Krieger griff uns an, sobald wir aus dem Wald traten. Ein einzelner Timber Wolf. Er traf Sterncommander Digorno. Wir rückten gemeinsam vor. Er hatte keine Fluchtmöglichkeit. Dann tauchten mehrere von ihnen aus dem Wasser auf. Das Wasser und die Felsen mußten ihre Reaktorsignale verdeckt haben. Als wir sie gerade angreifen wollten, griff uns der Rest des Sterns von hinten an. Sie müssen sich die ganze Zeit im Wald versteckt gehalten haben. Wir müssen gerade einmal hundert Meter entfernt an ihnen vorbeimarschiert sein, ohne sie zu bemerken.« Seine Stimme war eine Mischung aus Verzweiflung und Erschöpfung.
»Ein Timber Wolf«, wiederholte Jergan. »Welche anderen Mechs hast du gesehen?«
»Einen Mad Dog, eine Summoner, einen Cauldron-Born und einen Grizzly«, erzählte er. Dann erlag er endlich der Versuchung der Feldflasche und setzte sie zu einem langen Schluck an. Ein Teil des Wassers lief ihm übers Gesicht, als er trank, und zog eine dünne Spur durch den eingetrockneten Schmutz.
Radick sah Jergan an. »Nach allem, was wir von ihrer Einheit wissen, müssen sie es mit Sterncommander Constant Tseng und seinem KampfStern zu tun gehabt haben.«
»Gibt es noch andere Überlebende?« fragte Jergan nach, als Kevin Carns die Feldflasche endlich absetzte.
»Neg. Wir wurden vernichtet. Sie haben in dem Gefecht zwei Mechs verloren, und die anderen wurden schwer beschädigt.«
Dirk Radick beugte sich vor, bis er nur noch Zentimeter von dem jungen Carns entfernt war. »Erzähle, was geschah danach?« Er war zornig, wütend aber das, was sich hier ereignet hatte. Das war ganz und gar nicht, was er erwartet, was er geplant hatte. Irgend jemand würde dafür bezahlen müssen, teuer bezahlen.
»Sterncaptain Angela Bekker traf nur drei Stunden nach dem Kampf mit ihren Techs ein. Sie haben alles, was noch irgendeinen Wert hatte, aus unseren Mechs ausgebaut: Gyros, Aktivatoren, Munition, alles, was sich nur ausbauen ließ. Sie haben sogar die Reste von Lucians Summoner mitgenommen.«
Jergan starrte ihn streng an. »Und sie haben dich nicht gefunden?«
Die Frage war von Bedeutung für einen Krieger. Von einem Gegner besiegt zu werden, kostet Ehre, aber die Schande war noch weit schlimmer, wenn der Feind ihn nicht zum Leibeigenen machte und damit in seinen Clan aufnahm. »Sie haben mich gefunden, Sterncommander. Sie haben mich medizinisch versorgt und hier zurückgelassen.«
»Sie sind zu dem Schluß gekommen, daß du nicht wert bist, ein Geisterbär zu werden«, stellte Radick fest und lehnte sich noch weiter zu Kevin Carns hinab.
Carns war eingeschüchtert, schien aber in seinem Innern eine verborgene Kraftreserve zu entdecken, und seine Stimme zeugte von neuer Leidenschaft, als er antwortete. »Sie hat mir gesagt, diese Angela Bekker, daß sie mich normalerweise zum Leibeigenen gemacht hätte. Sterncommander Constant Tseng hat ihr berichtet, daß ich ehrenhaft gefochten habe. Sie erklärte mir, daß ich aus einem bestimmten Grund zurückgelassen wurde.«
»Und der wäre?« fragte Jergan nach.
»Um dir eine Nachricht zu überbringen, Sterncolonel.« Carns fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blinzelte nervös unter Radicks unbewegt starrem Blick.
»Die Nachricht?«
»Sie sagte, wir hätten bereits verloren. Sie hat uns hierher gelockt und hier besiegt. Ich soll dir sagen, daß sie dein Handeln kontrolliert, wie an dem Tag, als wir hier landeten. Ich soll dir sagen, wir können uns jetzt zurückziehen und unsere Ehre retten. Wenn wir auf diesem Test bestehen, wirst du mein Schicksal teilen.«
Einen Moment sagte Dirk Radick gar nichts. Dann versetzte er Carns ohne Vorwarnung einen Schlag ins Gesicht, der den jüngeren Krieger fast von seinem Sitzplatz auf dem Baumstumpf warf. Die Feldflasche flog aus Carns' Händen, und ihr Inhalt plätscherte ins Gras. Kevin Carns erduldete die Mißhandlung wortlos. Er war zu entehrt, um sich zu wehren.
Sie wagt es! Radick wirbelte zu Jergan herum. »Du siehst, wie ihre Strategie sich entwickelt, frapos?«
Jergan nickte. »Die Geisterbären wollen uns ausbluten, unsere Vorräte aufzehren, uns schwächen und uns schließlich vernichten.«
Radicks Augen weiteten sich einen Augenblick. »Wie ist unser Nachschub- und Ersatzteilstatus?«
Sterncaptain Jergan zog einen kleinen Compblock aus der Hüfttasche ihres Overalls und tippte auf mehrere Tasten. »Unsere Raketen- und Autokanonenmunition ist beinahe aufgebraucht. Wir haben noch Panzerplatten und Myomer-Reparatursets, aber nach dem Wiederaufbau AggressorSterns sitzen wir, was systemkritische Ersatzteile betrifft, praktisch auf dem Trockenen.« Sie sah sich auf der Wiese um, und ihre Miene sprach Bände. Mit der Vernichtung ReißerSterns wurde die Lage noch düsterer.
»Ihre Strategie wird scheitern«, knurrte Radick.
»Aye, Sterncolonel«, stimmte Jergan ihm zögernd zu, offensichtlich bemüht, seine Wut nicht noch anzuheizen. »Um sie zu besiegen, müssen wir unsere verbliebenen Kräfte stärker kontrollieren und viel dichter beieinander operieren, damit wir unsere Truppen schnell konzentrieren können, wenn es zu einem Kampf kommt.«
»Nicht nur das«, erklärte Radick. »Wir müssen Leute losschicken, um ihre Basis zu finden. Wenn wir diese Operationsbasis finden, können wir den Bären dieselbe logistische Niederlage zufügen, die sie für uns vorgesehen haben.«
»Das könnte problematisch werden«, stellte Jergan fest. »Was, wenn sie mehrere Nachschubdepots benutzen?«
Wieder riß Radick die Augen auf, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. »Falls das der Fall ist, können wir sie ihr nacheinander abnehmen und uns neu versorgen.« Er trat ein Stück zurück und starrte erst Kevin Carns, dann Jergan wütend an. »Zweimal hat sie uns jetzt an einem Ort ihrer Wahl in einen Kampf gelockt. Beim ersten Mal hatten wir das Glück, zwei Sterne in Position zu haben, und wir konnten sie zurückschlagen. Diesmal nicht. Gib folgendes an alle Krieger durch: Wenn wir die Geisterbären das nächste Mal stellen, muß die Verfolgung mit äußerster Vorsicht erfolgen. Sie sollen das Gelände gründlich abtasten und den Gegner auf keinen Fall auf dem sich anbietenden Weg angreifen. Dadurch können wir ihre Fallen vermeiden und ihre Pläne durchkreuzen.«
»Jawohl, Sterncolonel«, bestätigte Jergan.
Radick starrte auf Kevin Carns hinab. »Und schafft diese Überreste eines Kriegers aus meinen Augen. Wenn wir diesen Test verlieren, wird er nicht mehr sein als ein Mitglied der Schwarzen Kaste, ein Bandit. Wer nicht wert ist, als GeisterbärenLeibeigener zu dienen, ist es ganz bestimmt nicht wert, sich Wolf zu nennen.« Er hatte seine Worte sorgfältig gewählt, Aus der Kriegerkaste ausgeschlossen zu werden, war für einen Krieger ein Schicksal schlimmer als der Tod. Es war ein Weg ohne Wiederkehr. Radicks Drohung war ernstgemeint und darauf ausgelegt, allen unter seinem Befehl klarzumachen, was denen blühte, die in diesem Kampf versagten.
Als Patton Ward den verletzten Kevin Carns wegführte, trat Jergan näher an ihren Kommandeur heran und sprach mit leiser Stimme zu ihm, so daß niemand anderes es hören konnte. »Sterncolonel, ich verstehe, was du tust und was du sagst, aber manchmal verstehen unsere Krieger es nicht. Die meisten sind von einer fanatischen Loyalität dir gegenüber, andere sehen dich als den nächsten Khan unseres Clans. Wenn du sie beschimpfst, riskierst du, ihre Unterstützung zu verlieren.«
Radick schüttelte den Kopf. »Es ist ohne Bedeutung, was sie von mir halten. Sie sollen die Angst kennen. Gelegentlich sehe ich sie in ihren Augen, Jergan. Nicht nur vor den Geisterbären, Angst vor mir. Angst ist der größte Ansporn, den es je gab. Und ich werde jede Waffe einsetzen, die mir zur Verfügung steht, um diesen Test zu gewinnen.«

BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
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