Kapitel 96
„Sie sind mein Leben“, hatte er gesagt, und daran hatte sie sich festgehalten. Als sie vom Dach gestürzt war, war sie sich sicher gewesen, daß dies nun das Ende sein würde. Erst als sie fiel, hatte sie Delacroix eine Sekunde lang im Hof erblickt. Das Feuer hatte ihn rot angestrahlt. Nur für einen Moment hatte sie ihn gesehen und gewußt, daß dieser Moment der ganze Abschied war, den sie von ihm nehmen konnte. Dann war sie auf das schwarze Wasser aufgeschlagen.
Daß Wasser so hart sein konnte, hatte sie nicht gewußt. Der Aufschlag preßte ihr die Luft aus den Lungen. Das Wasser war eisig, schnitt ihr in die Haut, faßte mit gefrorener Faust nach ihrem schlagenden Herzen. Wie Steine waren sie beide gesunken, bis hinunter zum Bachbett, und nur das Wasser fing ihre Wucht ab. Die Strömung hatte sie sofort im Griff, zerrte sie weiter, und schon wurde es vollständig schwarz um sie herum. Sie hatte versucht aufzutauchen. Beide hatten sie es versucht. Doch sie schlugen sich nur ihre Köpfe an der Tunneldecke an. In der Röhre gab es keine Luft.
Sie hielt ihren Atem an, aber lange ging das nicht. Als ihre Lungen brannten und nach Luft schrien, gab sie auf. Sie atmete ein, in der Hoffnung, daß sie schnell ertrinken würde. Ihre Lungen füllten sich mit eisigem Wasser, und der Schmerz war so groß, daß sie glaubte, ihr Brustkorb würde von innen heraus bersten.
Doch sie war nicht gestorben. Sie hatte eine Weile gebraucht, um zu merken, daß sie tatsächlich immer noch atmete. Wie das gehen sollte, wußte sie nicht, aber sie konnte es, und mit der Zeit hörte der Schmerz in ihren Lungen auf, und sie überantwortete sich dem Wasser.
Die Handschellen zerrten an ihrem Handgelenk, wann immer die Strömung versuchte, sie und den Mönch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fortzureißen. Doch nach einiger Zeit verging auch dieser Schmerz. Sie fühlte nichts mehr, nicht einmal die Kälte. Sie fragte sich, ob sie gestorben war. Vielleicht nahm man die Welt so wahr, wenn man tot war. Man trieb dahin ohne Empfindung, wie betäubt, unfähig sich zu bewegen, ohne Schmerz. Ihr Denken verlangsamte sich, ihr Verstand schloß sich um sie herum ab, bis nichts mehr in ihm übrig war als der eine Wunsch, auf den Grund zu sinken und dort zu bleiben, ein Teil des Wassers zu werden, das Bett des Baches unter sich zu spüren und alle Erinnerungen den Wellen preiszugeben. Teil des Stromes wollte sie sein, eine kalte Königin des Sees. Die letzte Erinnerung, die davonspülte, war die an Delacroix, wie er im Schein des Feuers gestanden hatte, verzweifelt und von Zorn zerrissen. Dann löste sich auch dieses Bild in den Fluten auf.
Zeit verging, doch sie verstand den Fluß der Zeit nicht mehr. Stunden oder Jahre lag sie im Wasser, es machte keinen Unterschied. Und plötzlich konnte sie nicht mehr atmen. All das Wasser hatte man ihr genommen, das sanfte, liebliche Wasser, ihre Heimat war mit einem Mal fort. Seine Stimme hatte sie dann vernommen, so weit weg, und sie verstand nicht, warum er sie so quälte, ihr so weh tat. Warum wollte er sie töten?
Die Eiseskälte kam wie Folter über sie und stach in sie hinein, biß in ihre Haut, durch ihre Knochen bis in ihr Sein. Ihr Bewußtsein kam und ging in Wellen, und sie wollte wieder wegtauchen, zurück in die lockende Dunkelheit, um dort alle Schmerzen zu verlieren, die sie quälten, wenn sie wach war.
Seine tiefe, schroffe Stimme wurde ihr zum Anker. Der Klang allein ließ sie sich wehren – gegen ihren eigenen Wunsch, sich aufzugeben und der Ewigkeit zu überantworten. Sie wollte diese Stimme hören. Manchmal hatte sie versucht zu antworten, aber sie war sich nicht sicher, ob das, was ihre wirren Gedanken zu Worten formten, irgendeinen Sinn ergab.
„Sie sind mein Leben“, hatte er gesagt, und das hatte sie verstanden und sich als Verantwortung auferlegt. Sie mußte sich zwingen, wieder die harte, trockene Luft zu atmen, die so kalt war und so schmerzhaft durch ihre Brust schnitt. Alles war kalt. Nicht einmal der Arm, den er um sie gelegt hatte, half, nicht sein Körper, gegen den sie lehnte. Stundenlang ritten sie dahin, so kam es ihr vor, Stunden und Tage durch das Eis, das sie scharfgratig durchquälte und ihr weh tat. Und sie hielt sich an seiner Stimme fest, als wäre sie das einzig Warme im gesamten Universum.
Ihre Seele trudelte noch immer auf den Wellen der Unwirklichkeit, schwebte im Grenzbereich zwischen Leben und einladender Dunkelheit. Sie verlor sich wieder und wieder in der Tiefe, um dann erneut in die Kälte hervorzubrechen. Es wäre so schön gewesen, einfach nur loszulassen. Doch er zog sie immer wieder hoch zu sich und zurück, ohne Gnade, ohne Einsehen.
Die erste vollständig bewußte Wahrnehmung war die gewesen, als er angefangen hatte, sie auszuziehen. Die Konditionierung einer wohlanständigen Erziehung saß zu tief in ihrem Bewußtsein, als daß sie sich ignorieren ließ, und so war es ihr äußerst peinlich gewesen, als er ihr einen kalten Stoffetzen nach dem anderen von der Haut gezogen hatte. Heiße Scham schoß durch ihren Körper und Geist.
Er hatte sie gebeten, ihm zu vertrauen. Und das hatte sie getan. Sie hatte ihn gewähren lassen. Seine Hände waren so warm gewesen, als sie über ihren Körper geglitten waren. Sie hatte einige Sekunden gebraucht, um zu verstehen, daß er sie nach Verletzungen absuchte, nichts weiter als das. So unendlich sanft hatte er sie berührt. Ihr Körper erwachte. Ihr Verstand begann, die Ereignisse wahrzunehmen und zu verarbeiten. Ihr Bewußtsein hakte sich ins Hier und Jetzt. Die schwarze Tiefe hatte ihre Anziehungskraft verloren.“
Er streichelte ihre Wange.
„Sie sind wach“, sagte er, und seine gelben Augen blickten sie erleichtert und freundlich an. Er sah furchtbar aus. Sein Haar war angesengt, an einer Schläfe hatte er Brandblasen, die Haut darum war rot angelaufen und sein ganzes Gesicht rußverschmiert. Die Schwärze von Rauch und Asche mischte sich mit seinem schwarzen Stoppelbart.
„Ja.“ Er hatte sie so fest eingepackt, daß sie sich gar nicht bewegen konnte. Doch das machte ihr nichts aus. Er war da, um sie zu befreien, wenn sie befreit werden wollte. Er war da, um sie zu wärmen. Er war einfach da.
„Gut.“ Er rollte sie vorsichtig auf den Bauch, wobei er auf ihren Kopf achtgab, und ihn so positionierte, daß sie gut atmen konnte. „Ich werde Sie warmrubbeln. Entspannen Sie sich. Haben Sie keine Angst. Sagen Sie mir gleich, falls ich Ihnen weh tun sollte.“
Er begann an ihren Schultern und Schulterknochen, seine großen, starken Hände rieben sie mit einiger Kraft, massierten ihre Haut durch mehrere Lagen rauhe Wolle. Sie fühlte, wie das Leben dort, wo er am Werk war, wieder in ihr erwachte. Sie spürte ein Kribbeln, ihre Haut prickelte wie eingeschlafen, und das Gefühl lag irgendwo jenseits von Schmerz und Kitzeln. Sie konzentrierte sich darauf, ja nicht zu jammern, denn sie wußte, er würde sonst aufhören.
Und sie wollte nicht, daß er aufhörte. Also lag sie ganz still da, nahm seine starke Berührung in sich auf und genoß die Wärme, die durch ihre Haut und ihre Knochen floß. Leben durchströmte sie und auch der Wille zu leben, die Sehnsucht, in seinen Händen zum Leben zu erwachen. Sie schloß die Augen. Er hörte auf.
„Corrisande! Sind Sie wach?“
„Ich bin wach“, antwortete sie.
Seine Hände arbeiteten sich ihren Rücken hinunter und ihre Arme entlang, die neben ihrem Körper ausgestreckt waren. Sie zuckte zusammen, als er an ihre blauen Flecken kam.“
„Verzeihen Sie mir!“ Er klang zerknirscht.
Jetzt hatte er ihre Taille erreicht, seine Hände hielten einen Augenblick lang inne und wanderten dann weiter zu ihrer Hinterfront, und sie zuckte erneut zusammen, diesmal aus Peinlichkeit über diesen Angriff auf allzu Privates.
„Keine Angst“, sagte er ruhig. „Entspannen Sie sich. Sie sind ganz sicher bei mir. Ich will Sie nur warm bekommen.“
Das allerdings gelang ihm ausgesprochen gut. Ihre Haut, ihr ganzer Körper schien wieder zum Leben zu erwachen, und die Wärme durchlief sie. Er hatte nun ihre Oberschenkel erreicht, rieb sie, bewegte seine Hände um sie herum und zwischen sie, soweit die festgezurrten Decken das erlaubten.
Sie versenkte ihr feuerrot angelaufenes Gesicht in ihrem Kissen und biß hilflos hinein. Schon waren seine Hände in ihren Kniekehlen und dann an den Waden und Fesseln.
Dann kam er zurück ans Kopfende, setzte sich neben sie, drehte sie wie eine Puppe wieder auf den Rücken.
Es klopfte an der Tür. Marie-Jeannette brachte einen Korb und legte zwei Wärmflaschen und einen heißen Stein neben sie aufs Bett, alles eingeschlagen in Stoffhüllen.
„Versuche etwas heißen Tee mit Cognac zu bekommen“, befahl er ihr. „Und sag den anderen, daß sie lebt und es ihr den Umständen entsprechend gutgeht. Keine schlimmen Verletzungen. Ich werde noch eine kleine Weile hierbleiben, so lange wie ich gebraucht werde. Dann löse ich die Herren drüben ab.“
Die Zofe nickte, knickste und verschwand.
Seine heißen Hände umfaßten ihr Gesicht und blieben dort einige Sekunden.
„Geht es Ihnen gut genug, daß wir sprechen können?“ fragte er, und sie nickte.
Seine großen Pranken faßten nach ihren Schultern und wanderten von dort weiter, erneut bestrebt, sie trocken und warm zu reiben. Nun war es an ihm, peinlich berührt beiseite zu sehen, als er seine Hände von außen zu ihren Brüsten zusammenführte.
„Keine Angst!“ sagte er, ohne ihr in die Augen zu blicken.
„Ich habe keine Angst vor Ihnen, Colonel Delacroix!“ antwortete sie, und nun sahen sie sich doch in die Augen, während seine Hände über ihren Brustkorb strichen. Sie konnte deren Hitze durch die Decken hindurch fühlen. Sie schloß die Augen, unfähig ihn dabei zu beobachten, wie er sie berührte.
„Gut“, sagte er sachlich. „Sie sollen keine Angst vor mir haben. Aber ich habe Sie bislang nicht gut behandelt. Ich möchte, daß Sie wissen, daß Sie mir vertrauen können.“
„Ich vertraue Ihnen, Colonel“, erwiderte sie und konzentrierte sich darauf, ihre Atmung unter Kontrolle zu halten. „Ich bin ... ganz in Ihrer Hand.“
Er hielt in der Bewegung inne, und sie blickte wieder zu ihm hoch. Seine Hände reisten weiter, zu ihrer Taille. Ein etwas schiefes Lächeln lag auf seinen Zügen. Er wirkte ein wenig betreten, und das sah ungewöhnlich aus. Er drehte sich nun um in Richtung ihrer Beine, wandte ihr seinen Rücken zu.
„Gut“, sagte er wieder. „Corrisande – Miss Jarrencourt – Sie sollten auf keinen Fall allein in München bleiben. Mrs. Parslow ist tot, und wenn ich auch im Moment keine direkte Gefährdung durch die Bruderschaft erwarte, sollten Sie doch nicht allein hiersein nach allem, was geschehen ist.“ Er rubbelte sie kräftig, seine Hände wanderten von ihrem Bauch zu ihren Oberschenkeln. Seine Stimme war sachlich und knapp. „Ich möchte, daß Sie mit uns kommen. Ich nehme Sie mit zurück mit mir nach England. Ich möchte Sie unter meinem Schutz wissen.“
Sie verstand die Umschreibung. Er schlug ihr vor, seine Geliebte zu werden. So umschrieben es Herren gemeinhin, wenn sie sagten, eine Dame lebte unter ihrem Schutz.
Eine eigenartige Empfindung stieg in ihr hoch. Eine Flut gemischter Gefühle durchspülte sie. Die Aussicht, von ihm geliebt zu werden, war einladend und verführerisch. Seine Berührung löste Empfindungen in ihr aus, die weit, weit unter die Haut gingen. Doch so ein Mädchen war sie nie gewesen. Sie war keine Kurtisane. Er wußte das nicht. Seine kräftige Berührung änderte sich plötzlich in ihrer Art, war nicht mehr das, was sie sein sollte.
„Ich werde nicht Ihre Geliebte sein, Colonel“, erwiderte sie so sachlich wie möglich. Seine Hände hielten mitten in der Bewegung inne, dann machte er weiter, rieb kräftig an ihren Beinen entlang nach unten.
„Ich will Sie nicht als meine Geliebte, Corrisande. Ich will, daß Sie mich heiraten. Heute. Es wird weitaus einfacher sein, die vielen Landesgrenzen in diesem multideutschen Flickenteppich zu passieren, wenn Sie als meine Frau reisen, anstatt als ein junges Mädchen, das aus unerfindlichen Gründen mit einer Gruppe Soldaten herumzieht. Wir können per Sondergenehmigung noch heute nachmittag heiraten, bevor wir abreisen. Die Sondergenehmigung wird der britische Gesandte ausstellen. Er schuldet mir mindestens einen Gefallen. Es gibt auch einen anglikanischen Geistlichen, der zur Botschaft gehört. Er wird die Zeremonie durchführen. So was läßt sich rasch arrangieren.“
Er schwieg einen Moment lang. Seine Hände hatten ihre Füße erreicht. Er wickelte sie aus der Decke und massierte sie sorgsam und vorsichtig. Er hatte ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht. Nun, vielleicht nicht wirklich einen Antrag, eher einen Heiratsbefehl gegeben. Seine Pläne waren schon fertiggestellt, und er hatte sie über die Details informiert. Sie konnte nicht verstehen, was da geschah.
„Sie wollen mich heiraten – wegen der Grenzkontrollen?“ fragte sie verwirrt. So viele Worte, so viel Neues und so viele versteckte Bedeutungen, die sie nicht erfassen konnte. Sie begriff nicht ganz. Und ihr war schwindlig.
„Ich will Sie heiraten, weil ich nicht mehr ohne Sie sein will. Und ich will es heute tun, weil das alles erheblich vereinfachen wird.“ Er hielt einen ihrer Füße in der Hand. „Süß. Die sind ja wirklich winzig. Wie schaffen Sie es eigentlich, darauf zu laufen?“
In ihren kühnsten Träumen hätte sie sich nie vorgestellt, daß der Mann, der sie dereinst um ihre Hand bitten würde, ihr dabei den Rücken zukehren und ihre nackten Füße kommentieren würde. Auf welche Frage sollte sie jetzt eigentlich antworten? Sie war verwirrt. Und ziemlich nervös.
Er rieb ihre Füße sanft zwischen seinen Händen. Seine Stimme klang kühl und beinahe unbeteiligt, während er fortfuhr.
„Ich verstehe vollkommen, wenn Sie mich lieber nicht ehelichen möchten. In diesem Fall biete ich Ihnen meinen Schutz und meine Freundschaft – ohne Bedingungen oder Hintergedanken. Ich kann es durchaus begreifen, wenn Sie mich nicht lieben können, wenn Ihnen der Gedanke, meine Frau zu werden, nicht behagt. Sie haben guten Grund, Angst vor mir zu haben. Oder mich vielleicht sogar zu hassen. Ich habe mich Ihnen gegenüber abscheulich benommen. Was Ihnen geschehen ist, ist mein Fehler. Es tut mir so leid.“
Er wickelte ihre Füße wieder in die Decke, legte den heißen Stein dazu und setzte sich wieder weiter oben an ihr Bett, ihr zugewandt. Ihre Gedanken wirbelten unstet herum, Worte, ganze Sätze und Gefühle zogen ihr durch Kopf und Herz, und weder Vernunft, noch Einsicht geboten ihnen Einhalt. Sie wußte nicht, was sie tun oder sagen sollte.
„Haben die Ihnen sehr weh getan?“ fragte er nun, völlig aus dem Zusammenhang gerissen, und legte seine warme Hand an ihre Wange. Die freundliche Geste ließ mit einem Mal ihre Beherrschung zersplittern. Die Erinnerungen der schrecklichen Nacht brachen über sie herein, überwältigten sie vollständig. Sie schluckte einmal, zweimal und zerbrach wie Glas. Wellen von Panik und Grauen schlugen über ihrer Fassung zusammen. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie schniefte und rang nach Luft. Plötzlich zitterte sie am ganzen Leib.
Er sah sie besorgt und erschrocken an, beinahe unsicher. Er hatte sie nicht zum Weinen bringen wollen. Schließlich hob er ihre Schultern an und zog sie in seine Arme, streichelte ihr den Rücken.
„Ist schon gut“, sagte er rauh. „Es ist vorbei. Lassen Sie es raus.“ Er hielt sie ganz fest, wiegte sie in der Umarmung hin und her. „Erzählen Sie’s mir!“
Sie keuchte und schluchzte und fühlte dann seine Lippen auf ihrer Stirn, nur eine Sekunde lang.
„Raus damit“, wiederholte er. „Nichts auf der Welt kann so schlimm sein, daß Sie es mir nicht anvertrauen könnten.“
Sie fand keine Worte. Ihr gesamter Wortschatz hatte sie verlassen, als ob das Grauen dessen, was sie erlebt hatte, sie stumm und sprachlos gemacht hatte, gerade als gäbe es nicht genug Wörter auf der Welt, um zu beschreiben, was ihr geschehen war. So weinte sie einfach weiter in seinen vom Feuer mitgenommenen Gehrock. Sie zitterte in seinen Armen. Er hielt sie fest und streichelte ihr weiter den Rücken.
„Und jetzt erzählen Sie es mir“, sagte er nach einiger Zeit. „Ich will alles wissen!“
„Er hat versucht, mich zu blenden“, murmelte sie in seine Schulter. „Er hat versucht, mir die Augen auszustechen. Er hat mich festgehalten, mich nach hinten gebogen, und ich konnte mich überhaupt nicht bewegen. Und er wollte mit seinem Messer meine Augen zerschneiden. Es hat ihm solche Freude bereitet. Jeder einzelne Schmerz, den er mir zugefügt hat, hat ihm Freude bereitet. So viel Freude. – Ich bin nichts, haben sie gesagt. Und ich war nichts, für die war ich nichts, gar nichts, nur etwas, das man zerstören, ausmerzen und vernichten muß, dreckiges Ungeziefer, das niemand will und niemand vermißt und das in der Welt der Menschen nicht einmal eine leere Stelle zurücklassen würde. Einfach nur nichts.“
Sein Mund war über ihrem Ohr, und er murmelte hinein. Sie konnte spüren, wie sich seine Lippen an ihrer Haut bewegten.
„Sie sind nicht nichts, meine kleine Nixe. Sie sind eine mutige und wunderbare junge Frau. Sie haben viele Menschenleben gerettet. Und wir würden Sie alle vermissen. Ich würde Sie vermissen. Ich würde Sie mehr vermissen, als ich zu sagen vermag. Ich dachte, ich hätte Sie verloren.“
„Ich sollte tot sein“, schluchzte sie und verlor sich in verwirrter, weinerlicher Verzweiflung. „Es ist nicht natürlich, daß ich noch lebe. Das Wasser hat mich irgendwie verwandelt, und ich weiß nicht in was. Ich hatte solche Angst. Und er hätte mir die Augen ausgestochen ohne Steinbergs Sand. Der hat uns getroffen, und dann war ich mit einem Mal stark, aber nur ganz kurz. Und ... und ich dachte, Sie würden nicht kommen.“
Sie konnte nicht mehr weitersprechen, wußte, daß er ihre wirren Sätze nicht begreifen konnte, war jedoch auch nicht in der Lage, klar darzulegen, was geschehen war. Ihre Gedanken flogen ungeordnet umher.
Doch er schien sie trotzdem zu verstehen. Er hatte sogar ihre letzte Angst begriffen.
„Aber ich bin gekommen, Corrisande. Und der Mann hat Sie nicht geblendet. Und das Wasser hat Sie auch nicht behalten. Und Sie sollten nicht tot sein, denn ich will, daß Sie am Leben sind.“ Er zog ihr den Kopf von seiner Schulter weg und küßte ihr die Tränen von den Wangen und dann von den Augen. Dann legte er sie zurück ins Kissen, streichelte ihr sanft das Gesicht mit seiner großen Hand.
„Sie sind jetzt sicher“, sagte er. „Bei mir sind Sie absolut sicher. Diese Leute können Ihnen nichts mehr tun. Es gibt sie nicht mehr. Sie sind an ihrer eigenen mörderischen Verbohrtheit gestorben.“
Mit dem Daumen wischte er weitere Tränen fort. Sein Gesicht wirkte angespannt, voller schmerzhaftem Mitgefühl, doch auch voller Schuld. Er fühlte sich schuldig, wußte um seine Verantwortung an all dem, was ihr geschehen war.
Sie rang um Fassung. Ihr Zwerchfell zuckte vor unterdrücktem Schluchzen wie bei Schluckauf. Er legte seine heiße Hand auf ihren Bauch unterhalb ihrer Brüste. Nach einer Weile wurde sie ruhiger. Mit den Fingerspitzen der anderen Hand fuhr er an ihrem Gesicht entlang und erhaschte die letzten vereinzelten Tränen. Ein, zwei Minuten lang sagte er nichts.
„Besser jetzt?“ fragte er dann.
„Bitte verzeihen Sie mir“, murmelte sie, rot vor Scham. „Tränenreiche Szenen sind sonst nicht mein Stil. Ich verabscheue Hysterie. Ich habe in den letzten zwanzig Jahren zusammen nicht so viel geweint, wie in den letzten drei Tagen.“
Er grinste sie amüsiert an, und sein Gesicht hellte sich auf. Das Lächeln in seinen Augen wärmte geradeso wie seine Hände das getan hatten.
„Corrisande, Sie haben allen Grund aufgeregt zu sein. Sie sind von Monstern und Idioten angegriffen worden – und da muß ich mich hinzuzählen. Sie wurden von Wahnsinnigen gefangen, von irren Fanatikern verschleppt und gequält. Wenn Sie sich danach fühlen zu weinen, dann weinen Sie nur. Sie werden noch Monate lang Alpträume von alldem hier haben. Ich kann nichts davon ungeschehen machen. Ich wünschte, ich könnte es. Ich kann auch nicht dafür sorgen, daß Sie keine Alpträume bekommen. Aber ich kann bei Ihnen sein, wenn Sie sie bekommen. Und ich kann Sie in die Arme nehmen und festhalten. Wenn Sie das möchten. Wenn Sie meine Frau werden.“
Sie schwieg eine Weile. Er hatte das Gespräch geschickt wieder zum Ausgangspunkt zurückmanövriert. Sie holte tief Luft.
„Sie können mich nicht wirklich heiraten wollen, Colonel Delacroix. Ich bin kein Mensch“, sagte sie sachlich und mied seinen Blick.
„Sie sind menschlich genug für mich, kleine Nixe. Ich bin froh, daß Sie sind, was Sie sind, sonst wären Sie jetzt nämlich tot.“ Das klang kaum romantisch, eher ein wenig herzlos.
„Ich bin nach München gekommen, um einen reichen Idioten zu finden, den ich dazu bringen wollte, mich zu ehelichen“, fuhr sie fort, und diesmal sah sie ihm kurz in die Augen. Er lächelte. Immer noch lächelte er.
„Ich bin einigermaßen wohlhabend“, sagte er. „Mein Vater besitzt eine kleine Reederei. Und daß ich ein Idiot bin, habe ich hinreichend bewiesen. Sie würden also das erhalten, wofür Sie gekommen sind.“
„Aber ich bin eine Kriminelle“, protestierte sie. „Sie kennen mich doch gar nicht! Ich bin eine Diebin und Einbrecherin. Oder war es zumindest früher.“
„Das trifft sich ausgezeichnet, mein kleiner Liebling.“ Er grinste inzwischen breit. „Ich war immer schon der Meinung, daß Eheleute irgend etwas gemeinsam haben sollten. Was stehlen Sie denn so?“
„Juwelen meistens“, erwiderte sie und lief dunkelrot an.
„Nun, da ich ein wohlhabender Idiot bin, kann ich Ihnen die Umstände ersparen und Ihnen einfach Juwelen schenken. Dann müßten Sie nicht mehr einbrechen.“
Er lachte in sich hinein, und sie war sich nicht sicher, ob sie die Situation wirklich komisch fand.
„Ich werfe Messer“, sagte sie herausfordernd.
„Gut! Ich auch. Wir können im Sommer hinter unserem Landhaus Wettkämpfe austragen. Es ist ein recht hübsches Landhaus, wissen Sie. Ausgesprochen geeignet fürs Messerwerfen.“
„Sie sollten sich nicht über mich lustig machen, Colonel. Es ist gefährlich, mich zu kennen. Mein Vater ...“ Sie hielt inne und sprach nicht weiter.
„Ja“, sagte er, ein wenig ernster geworden, „ich weiß. Ihr Vater ist ein wenig problematisch, meine kleine Prinzessin. Aber vielleicht ist er ja vernünftig? Schließlich hat er Sie zu einer wunderbaren, mutigen, wohlanständigen und sehr findigen jungen Dame erzogen. Vielleicht können wir ein Abkommen treffen? Ich lasse ihn in Frieden – und er läßt mich in Frieden. Glauben Sie, das ließe sich arrangieren?“
Sie dachte darüber nach, stellte sich das Gesicht ihres Vaters vor, wenn man ihm sagte, was für eine Art Mann sie da geheiratet hatte. Sie hoffte inständig, daß Eliza keine Zeit mehr gehabt hatte, ihn noch über ihre Liebe zu informieren. Wissen konnte sie es nicht.
„Vielleicht“, erwiderte sie. „Er liebt mich sehr auf seine Weise, wissen Sie, selbst wenn er als Vater ein wenig ungewöhnlich ist. Die meiste Zeit meines Lebens hat er mich von sich ferngehalten. Doch ...“
„Gut. Dann ist das erledigt.“ Plötzlich änderte sich seine Stimme und wurde sehr ernst. „Corrisande. Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie nicht gezwungen sind, mich zu heiraten, wenn Sie das nicht möchten. Mein Angebot für eine Freundschaft steht. Aber wenn Sie sich entschließen, mich nicht zu heiraten, dann bitte aus den richtigen Gründen. Wenn Sie mich nicht lieben können, ist das ein Grund. Wenn Sie nicht mit mir zusammensein möchten, weil ich Sie zu sehr verletzt habe, ist das ein Grund. Wenn Sie hoffnungslos und über beide Ohren in Leutnant von Orven verliebt sind, ist das auch ein Grund. Alles andere läßt sich regeln.“
„Ich bin nicht in Leutnant von Orven verliebt“, sagte sie.
„Gut. Sie hätten nicht zusammengepaßt.“ Er klang ein wenig schroff.
„Ich ...“ Es war nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. „Ich liebe Sie“, sagte sie dann, und sah von seinem Gesicht fort. Ihre Wangen brannten. „Mehr als ich Worte finden kann. Ich habe die heimelige Dunkelheit des Wassers verlassen, nur weil ich Ihre Stimme hören und Ihre Arme um mich fühlen wollte. Aber ich will nicht aus Mitleid geheiratet werden, nicht als Sühneopfer, nicht weil Sie sich mir gegenüber schuldig fühlen. Das könnte ich nicht ertragen. Wenn Sie mich heiraten, dann will auch ich, daß es aus den richtigen Gründen geschieht. Es tut mir leid, aber weniger kann ich nicht akzeptieren. Jetzt nicht mehr. Ich habe einfach nicht mehr die Kraft oder die wohlerzogene Duldsamkeit, mich mit weniger abzufinden. Höfliche Toleranz oder eine Regelung à la convenance sind mir nicht genug.“
Sie hatte mit einem Mal unbändige Angst, daß sie zu weit gegangen war. Seine Bernsteinaugen glitzerten. Ein harscher, schroffer Ausdruck lag auf seinen Zügen. Sie konnte ihn nicht interpretieren. Doch er sah zumindest nicht ärgerlich aus.
Er nahm wieder ihr Gesicht zwischen seine Hände.
„Corrisande. Ich liebe Sie mit meinem Herzen, meinem Verstand und auch mit meinem Körper. Ich will Sie haben und halten. Und ich will, daß Sie zu mir ein Leben lang so ehrlich sind, wie Sie es eben waren. Ist Ihnen das genug?“
Sie wand sich aus dem engen Deckenkokon und versuchte, einen Arm freizubekommen. Ihr war viel zu heiß. Er hatte sie so fest eingepackt, daß sie sich kaum bewegen konnte.
„Was machen Sie denn da, mein Liebes? Ich will, daß Ihnen warm wird. Bleiben Sie unter der Decke.“
„Mir ist warm“, sagte sie. „Mir ist wirklich sehr warm, Colonel Delacroix.“
„Philip“, korrigierte er. „Ich heiße Philip Fairchild. Delacroix ist mein Deckname, wenn ich unterwegs bin.“
Jetzt hatte sie sich einen Arm freigekämpft und streckte ihn nach oben zu seinem Gesicht. Seine Wangen waren bartstoppelig, stachlig und rauh. Sie strich darüber entlang bis zu seinen Lippen, fuhr sie mit ihren Fingern langsam ab. Er saß ganz still da. Dann griff sie mit ihrer Hand in seine kurzen, schwarzen Locken.
„Ich bin erfreut, Sie kennenzulernen, Mr. Philip Fairchild“, sagte sie und zog seinen Kopf zu sich hinunter. Er widerstand der Bewegung nicht, begann sie zu küssen, sanft und vorsichtig zuerst, dann mit wachsender Leidenschaft. Seine Zunge glitt über ihre Lippen und eroberte schließlich ihren Mund. Seine Hand liebkoste ihre nackte Schulter, streichelte ihr Schlüsselbein, ihren Hals, glitt auf ihrer Haut entlang überall dort, wo sie außerhalb der Decken zu erreichen war. Sie fühlte seine Leidenschaft, hörte seinen Atem gehen. In ihrem wollenen Deckenkokon wurde die Hitze beinahe unerträglich. Sie fühlte sich lebendig, lebendiger denn je zuvor, sehnte sich nach ihm. Sie küßte ihn, legte ihre ganze Sehnsucht in diese Liebkosung, war erstaunt, daß es so einfach war, daß sie so genau wußte, was sie tat und was sie wollte. Ihre Hand war immer noch in seinem Haar. Seine Bartstoppeln kratzten auf ihrem Gesicht und fühlten sich unsagbar männlich an.
Nach einer Weile nahm er ihr Handgelenk und zog ihre Hand sanft von seinem Kopf fort. Er löste sich von ihr. Sein Gesicht war sehr nah über dem ihren, er sah wild aus, raubtierhaft und fast ein wenig gefährlich. Seine Augen waren halb geschlossen.
„Du weckst das ganze Wolfsrudel, mein Liebes“, sagte er und klang außer Atem. Zunächst verwirrte sie der Satz, dann verstand sie die seltsam unsinnige Äußerung. „Ich sollte besser gehen und dich schlafen lassen. Du mußt völlig erschöpft sein. Und ich brauche dich wach und stark für die Reise. Es gibt noch so viel zu tun. Das Team muß ...“
„Bleib“, bat sie, „Philip.“ Der Name klang fremd von ihren Lippen. Ihn auszusprechen war das „Ja“ auf seinen Antrag. Seinen Name zu sagen war wie eine innige Liebkosung. „Bitte bleib. Laß mich nicht allein.“
Er schloß kurz seine Augen und atmete tief durch. Sie sehnte sich danach, ihm wieder in die Haare zu fahren und ihn zu sich hinunterzuziehen, doch er hielt ihr Handgelenk immer noch in seiner Pranke fest.
„Du weißt nicht, worum du da bittest, mein Kleines“, sagte er allzu leichthin.
Sie blickte in sein Gesicht. Der Ruß war an manchen Stellen weggewischt. Vermutlich war ihre Haut jetzt damit befleckt. Er sah sie mit einer Intensität an, die beängstigend war.
„Das stimmt“, sagte sie einfach. „Ich weiß wirklich nicht genau, worum ich bitte. Meine Kenntnisse über ... auf manchen Gebieten sind theoretischer Natur und vermutlich äußerst oberflächlich. Eliza, Gott hab’ sie selig, fand es strategisch günstiger, mich unwissend zu halten, was gewisse ... Details angeht. Ich wünschte, ich könnte sie fragen ...“
Nun sah er ein wenig irritiert aus. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem amüsierten Grinsen.
„Kleines, wir werden die kundige Dame wirklich nicht brauchen. Ich bin sicher, daß ich in der Lage bin, dir alles Nötige zu erklären. Das werde ich ... liebend ... gern tun. Detailliert. Mit genug Möglichkeiten zum Üben – das verspreche ich. Es wird mir in jeder Hinsicht ein Vergnügen sein. Aber nicht jetzt. Du bist überreizt und verwirrt. Wenn man große Gefahr überstanden hat, bekommt man schon mal so ein besonderes körperliches Hochgefühl. Ich habe dir mein Wort gegeben, daß du mir vertrauen kannst. Ich wäre ein übler Schurke, wenn ich diese Situation jetzt ausnützen würde.“
Er stand vorsichtig auf und wandte sich dabei von ihr ab. Und ihr selbst fiel es schwer, ihn anzusehen. Er trat auf die Tür zu.
„Schlaf ein bißchen, meine kleine Nixe. Ich werde ...“
„Philip!“ unterbrach sie ihn und riß ihren gesamten Mut zusammen. „Ich bin eine Diebin und Einbrecherin. Ich mag üble Schurken!“
Er protestierte nicht noch einmal. Statt dessen begann er sich auszuziehen. Er öffnete seinen Kragen, warf seinen Rock von sich, knöpfte sein Hemd auf. Das flog achtlos dem Rock hinterher. Sie beobachtete ihn mit brennenden Wangen, schämte sich zutiefst ob ihrer Unverfrorenheit. Wohlerzogene junge Damen taten so etwas gewiß nicht. Hoffentlich hatte sie ihn nun nicht mit ihrem Verhalten enttäuscht. Er sah nicht enttäuscht aus.
Er zog sich rasch aus. Es schien nur wenige Momente zu dauern, und dann war sein Oberkörper nackt. Sie musterte seinen muskulösen Körperbau. Ein kleiner Teppich schwarzer Haare wuchs auf seiner Brust und von dort in einer dünnen Linie nach unten. Sie hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, wo Männer überall behaart sein könnten. Ein Verband war um eine Schulter gewickelt. Sie hatte ganz vergessen, daß er verletzt war. Er hatte kein Wort zu den Schmerzen verloren, die er fühlen mußte.
Seine Stiefel fielen klappernd auf den Boden. Er stieg aus seinen Hosen. Und kurz danach stand er nackt vor ihr. Völlig und beängstigend nackt. Er lächelte, doch ihr Blick lag nicht auf seinem Gesicht. Sie musterte etwas beunruhigt seine Männlichkeit und dachte darüber nach, daß er ein wirklich großgewachsener Mann war – und sie nur eine sehr zierliche Frau. Sie lief feuerrot an, versuchte woanders hinzusehen, fand seinen Blick. Er grinste breit.
„Lektion Nummer eins“, sagte er und kniete sich neben sie aufs Bett. „Das – nennt man eine Erektion.“ Er hielt kurz inne, suchte erneut ihren Blick. „Das bedeutet, daß ich dich liebe und daß ich dich will.“
Wie eine Praline wickelte er sie aus ihren Decken. Eine kurze Zeitlang musterte er reglos ihren Körper.
„Du bist so schön“, sagte er. Er legte sich neben sie und zog sie in seine Umarmung, eine große Hand an ihrem Po, um sie nahe, ganz nahe an seine Hüften zu ziehen. Sie fühlte, wie seine Haut die ihre berührte auf der ganzen Länge ihres Körpers. Seine Haut war so heiß wie ihre. Seine Erektion preßte gegen ihren Bauch. Er sah ihr von ganz nah ins Gesicht.
„Jetzt hast du Angst vor deiner eigenen Courage, nicht wahr?“ fragte er freundlich amüsiert.
„Nein“, log sie.
„Lügnerin!“ schalt er etwas heiser, grinste, während seine Hände sich über ihren Körper bewegten. „Du brauchst keine Angst zu haben. Du hast bösen Ungeheuern und üblen Wahnsinnigen getrotzt. Ein bißchen Leidenschaft erfordert weit weniger Mut.“
„Ein bißchen Leidenschaft“ beschrieb ihn nicht wirklich gut. Er küßte sie noch einmal auf den Mund, dann begann er mit seinen Lippen ihren Körper zu bereisen. Und kam bei ihren Brüsten an. Er war sanft. Fast. Doch sie konnte gerade noch seine Zähne spüren, und eine ganze Flut neuer Gefühle brach in ihr los und sie schnappte bebend nach Luft. Seine Hand reiste liebkosend weiter ihren Körper hinab.
Es klopfte an der Tür.
„Oh nein“, keuchte sie rauh. „Geh weg, Marie-Jeannette. Nicht jetzt!“ Ihre Stimme war unkenntlich, harsch und heiser.
Sein Gesicht hob sich ihrem entgegen. Er lachte.
„Sieh an!“ Er atmete selbst nicht minder heftig. „Da laufen ja die Wölfe.“ Mit seiner Zunge liebkoste er ihren Körper. Seine Hand streichelte die Innenseite ihrer Schenkel. „Dann lassen wir die mal gemeinsam so richtig durch den Wald jagen.“
Sie ignorierten beide Cérise Denglots Stimme von der anderen Seite der Tür.
„Wirklich, Delacroix, du bist einfach völlig impossible!“