Kapitel 60
Corrisande fuhr schreiend aus dem Schlaf hoch, als jemand sie an den Schultern packte und schüttelte. Die Realität des neuen Tages brach mit schmerzhafter Vehemenz über sie herein, und nach einem Augenblick desorientierter Verwirrung war alles, was sie über sich herausgefunden hatte und was ihr am Tag zuvor geschehen war, wieder mit einem Schlag in ihren Gedanken. Einen Augenblick lang glaubte sie, Delacroix sei da und griffe sie erneut an. Doch ihr Blick fand Eliza, deren erbostes Gesicht viel zu nah über dem ihren schwebte. Ihre Begleiterin hielt sie bei den Schultern, und ihre dünnen, eleganten Finger bohrten beinahe Löcher in ihre Blutergüsse.
„Was hast du nur getan!“ zischte die Dame. „Du hast mir Gift gegeben! Du hättest mich umbringen können, du dummes Mädchen!“ Ihre grauen Augen funkelten vor Wut, und ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengezogen.
„Laß mich los. Ich erkläre dir alles“, antwortete sie. „Du tust mir weh. Ich bin voller blauer Flecken.“
„Gut, und ich war voller Schlafpulver. Wie konntest du! Gute Güte! Wie konntest du nur!“
„Es tut mir leid. Wirklich, es tut mir sehr leid. Aber ich hatte keine Wahl. Also laß mich jetzt los! Du bohrst mit den Fingern genau in meine Blutergüsse.“
„Blutergüsse?“ fragte Eliza. „Wo hast du die her? Was hast du getan?“
„Das ist eine lange Geschichte. Wie spät ist es?“
„Schon nach zwölf. Ich habe über achtzehn Stunden geschlafen!“
„Schön“, entgegnete Corrisande trocken, „das erklärt, warum du jetzt so furchtbar lebhaft und fidel bist.“
Elizas Hände lösten sich von ihren Schultern und schwebten einen Moment neben ihrem Gesicht. Corrisande war sicher, daß ihre Nenntante ihr gleich eine Ohrfeige geben würde. Doch sie riß sich zusammen. Ihr gutes Benehmen hielt jeder Herausforderung stand.
Corrisande sah sie an. Eliza war angekleidet und ausgehfertig. Sie sah forsch und rege aus – und sehr ärgerlich. Doch offenbar ging es ihr gut. Sie sah weder krank aus noch irgendwie leidend. Im Gegenteil. Sie wirkte weitaus munterer, stärker und bereiter für den Tag als Corrisande.
„Du siehst abscheulich aus“, sagte Mrs. Parslow und bemerkte erst jetzt, daß ihr Schützling halb angekleidet im Bett lag. „Warum um alles in der Welt hast du kein Nachthemd an? Dein Haar ist völlig verwüstet. Du hast es gestern wohl nicht gebürstet? Deine Augen sind verquollen, und du hast einen kleinen Kratzer an der Lippe. Letzterer“, sie klang ein wenig spöttisch, „verleiht dem Rest deines Aussehens eine gewisse Pikanterie und interessiert mich deshalb besonders. Wer war das?“
„Ich erzähle dir gleich alles“, versprach Corrisande im Versuch, Zeit zu schinden. „Laß mich mich erst einmal waschen und anziehen. Ich fühle mich furchtbar.“
„Das freut mich ungemein. Manche Dinge tragen ihre eigene Bestrafung in sich, und seine Freundin zu vergiften ist weder fein noch vornehm, meine liebe Corrisande. Du hast noch den ganzen Nachmittag Zeit, dich anzuziehen. Jetzt will ich erst einmal Antworten hören. Warum hast du mich betäubt?“
Sie hätte sich längst eine gute Ausrede einfallen lassen sollen. Doch sie hatte schlichtweg keine Zeit dazu gehabt, und jetzt war ihr Gehirn völlig leer. Üblicherweise war sie eine begnadete Lügnerin. Entschuldigungen und plausible Erklärungen für selbst die bizarrsten Ereignisse waren etwas, das sie sonst jederzeit parat hatte.
Nur jetzt war nicht eine Idee in ihrem Kopf, und Eliza ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken.
„Raus damit. Nur nicht zu lange grübeln, sonst glaube ich dir gar nichts. Ich will die Wahrheit!“
Corrisande seufzte.
„Ich habe dir einen Schlaftrunk verabreicht, damit ich mit den Offizieren die Bestie jagen gehen konnte. Ich hatte weder Zeit noch Lust, das auszudiskutieren, und ich wußte, wir würden uns nur darüber streiten, wenn ich versuchen würde, dir die Notwendigkeit meiner Präsenz bei der Sache klarzumachen. Ich hätte dich auch nicht mitnehmen können. Du wärst nur im Weg gewesen. Es war alles auch ohne zusätzliche Querelen schlimm genug.“
„Schlimm genug?“ antwortete Eliza in eisigem Ton. „Weswegen bestand denn die ,Notwendigkeit deiner Präsenz bei dieser Sache‘, und was hat das damit zu tun, daß du heute morgen ein so seltsames Bild abgibst?“
Corrisande setzte sich auf und begann, sich auszuziehen. Das veranlaßte Eliza keineswegs, den Raum zu verlassen. Sie ignorierte es vollständig. Sie hatte offenbar beschlossen, daß es nicht geschah.
„Als du gestern unterwegs warst, kam das Wesen zurück und hat mich auf ekelhafte Weise angegriffen. Körperlich. Es ist mir mit seinen Tentakeln in die Kleider und die Beine hochgefahren.“
Sie wunderte sich, daß sie das Erlebte so einfach hatte sagen können. Der Bericht klang so sachlich, geradezu kühl. Sie fühlte sich jedoch weder sachlich und noch kühl. Der Gedanke allein widerte sie an.
„Du lieber Gott!“ rief Eliza entsetzt aus. „Hat es ...? Was hat es ...?“
„Es hat versucht, mich zu ...“ Schänden. Sie wollte es genauso unemotional aussprechen, doch es gelang ihr nicht. Manche Worte waren unsagbar. Zumindest vor Eliza – und auch vor jedem anderen. „Es hat versucht, mich zu ... nötigen ... es hat versucht, mich zu rauben, mich in sein Reich mitzunehmen, um dort mit mir ... Delacroix, ich meine, die Offiziere haben ihr Leben riskiert, um mich zu retten. Dafür schuldete ich ihnen etwas.“
„Gar nichts hast du ihnen geschuldet. Wenn du hättest abreisen können, wärst du gar nicht erst angegriffen worden, und erzähl mir nicht, daß sie damit nichts zu tun hatten!“
Corrisande stand auf und ging hinter den Paravent, um sich fertig auszukleiden und zu waschen. Doch auch das veranlaßte Eliza nicht, sie allein zu lassen.
„Nicht direkt. Sie hatten einen Magier mit im Team, und er mag wohl verantwortlich dafür gewesen sein – und noch eins, Eliza. Solltest du noch einmal in meinem Namen einen Mord in Auftrag geben, wirst du mehr als nur drei Tropfen Schlafmittel in deinem Tee finden. Das meine ich bitterernst.“
Sie musterte ihre Gesellschafterin durch die Scharnierspalten des Paravents, wurde jedoch enttäuscht. Eliza lächelte nur.
„Droh mir nicht. Was ich tat, habe ich für dich getan. Dein Vater hätte genauso gehandelt. Manchmal bist du einfach zu weich und nachgiebig, um zu tun, was nötig ist. Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.“
Corrisande wäre gerne hinter ihrem kleinen Schutzwall hervorgesprungen, um ihrer Gesellschafterin in ihr selbstzufriedenes Gesicht zu schreien. Doch sie war inzwischen vollständig nackt und zu schamhaft, um so ihr Versteck zu verlassen.
„Ich bin vielleicht weich und nachgiebig, doch wenigstens morde ich nicht ohne Gewissensbisse.“
Das stimmte nicht. Sie hatte in der vergangenen Nacht einen Menschen getötet, und ihr Gewissen drückte sie nicht. Sie verspürte eher ein Gefühl von Verlust, als hätte sie ihre innere Reinheit verloren. Der Mann, den sie ermordet hatte, tat ihr nicht leid, vielmehr bedauerte sie, zu so einer Tat gezwungen gewesen zu sein. Sie hätte diese Erfahrung in ihrem Leben nie machen wollen.
„Wen beschuldigst du hier des Mordes?“ zischte Eliza. „Ich habe niemanden ermordet. Ich habe einen Brief geschrieben. Das war alles.“
„Das war alles, was nötig war. Jedenfalls hat Delacroix überlebt, und zudem weiß er von dem Brief. Du hast alles nur noch schlimmer gemacht.“
„Wenn er von dem Brief weiß, muß man ihn zum Schweigen bringen. Dein Vater würde ihm keinesfalls gestatten, mit einem solchen Wissen weiterzuleben, und ich werde es auch nicht erlauben.“
Corrisande fühlte, wie ihr kalt ums Herz wurde.
„Wenn du dem Mann auch nur ein einziges Haar krümmst, Eliza, dann verspreche ich dir, daß meine Weichheit und Nachgiebigkeit schnell an ihre Grenzen stoßen. Laß ihn in Ruhe. Delacroix ist mein Problem. Hörst du? Meines!“
Eliza rümpfte verdrießlich die Nase.
„So, so“, sagte sie und glättete mit der Hand ihr Kleid. „Es klingt, als sei er wirklich dein Problem. Hat er dir dieses Liebesmal auf die Lippen gesiegelt? Halte mich bitte nicht für beschränkt, mein Engel. Ich weiß, was es ist. Ich war einmal eine verheiratete Frau. Ich kenne mich aus. Also, was ist mit diesem Delacroix?“
Corrisande schwieg.
„Nichts“, sagte sie nach einer Weile. „Gar nichts. Laß ihn in Ruhe. Er würde nur noch gefährlicher, als er schon ist, wenn du noch einmal versuchst, ihn beseitigen zu lassen. Unterschätze ihn nicht. Zum einen ist er nicht allein, zum anderen ...“ Sie hielt inne, wußte nicht, was sie sagen sollte. Daß sie nicht wollte, daß er starb? Daß sie den Gedanken, sein Blut an den Händen zu haben, nicht ertragen konnte? „Laß ihn zufrieden. Sie haben ihr Monster gefangen. Also werden sie bald abreisen, und dann können wir wieder zur Tagesordnung übergehen und mit unseren Plänen weitermachen. Wir können all das hier vergessen.“
Ihr wurde klar, daß sie es nie mehr vergessen würde. Der vergangene Tag war in ihr Gedächtnis eingestanzt und würde für immer dort bleiben, mit all seinem Schmerz, seiner Angst und seiner Erniedrigung. Das konnte sie Eliza jedoch nicht sagen.
Sie sah unverwandt in den Spiegel über dem Waschtisch, versuchte, ihr Gesicht mit der Unvoreingenommenheit eines völlig Fremden zu betrachten. Sie hatte sich verändert. Natürlich spielten ihr zerwühlter Zustand und ihre geschwollenen Augen eine Rolle dabei. Doch sie fand den süßen Unschuldsblick, den sie so lange kunstfertig der Welt gezeigt hatte, nicht mehr in ihren Zügen. Ihre Augen wirkten argwöhnisch und gejagt. Die Wunde an ihrer Lippe war winzig, konnte wirklich nur jemandem mit einem allzu mißtrauischen Naturell auffallen. Marie-Jeannette konnte sie überpudern, und wenn sie dann überhaupt noch sichtbar war, würde von Orven wahrscheinlich denken, er sei es gewesen und würde vor Peinlichkeit sterben.
Sie musterte ihre Schultern. Dunkelblaue Flecken hatten sich gebildet, wo Delacroix’ Finger sich in ihr Fleisch gepreßt hatten. Seine Pranken waren wie Waffen. Sie wußte nicht, ob er ihr mutwillig weh getan hatte oder ob er in seiner bitteren Wut weitergegangen war, als er wollte, und plötzlich liefen ihr wieder Tränen übers Gesicht, und sie stand reglos vor dem Spiegel und rang um Fassung. Eliza durfte nichts merken.
Sie atmete tief ein und rieb sich ihr Gesicht mit einem Waschlappen ab. Dabei verschwanden alle Tränenspuren.
Aus dem Hintergrund hörte sie wieder Elizas verärgerte Stimme: „Vergessen? Du sagst, ich soll alles vergessen? Bevor ich anfange zu vergessen, wüßte ich gerne erst einmal, was eigentlich geschehen ist.“ Ihre Stimme klang abgehackt und bestimmt. „Ich bin nicht so dumm, wie du glaubst, mein Kind. Was bedeutet dir dieser Mensch?“
Was für eine Frage. Sie konnte sie nicht beantworten, wußte nicht wie. Was bedeutete er ihr? Ein Mann, der erst am Vorabend in ihr Leben getreten war und dessen Berührung etwas in ihr geweckt hatte. Anfangs.
„Raus damit!“ drängte Eliza. „Hat er sich danebenbenommen? Ist er aufdringlich geworden? Intim? Zärtlich?“
Intim? Zärtlich? Das waren kaum die richtigen Worte. Intimität und Zärtlichkeit mußten etwas anderes sein, nicht so ein gewalttätiger Übergriff. Sie wußte es nicht. Vielleicht war Leidenschaft immer gewalttätig. Irgendwann würde sie Eliza fragen. Nur nicht heute. Auf keinen Fall heute.
„Er hat mich geküßt.“
„Geküßt? Das hast du zugelassen?“ Eliza klang weniger schockiert als verärgert.
„Glaub mir, er hat mich nicht um Genehmigung ersucht. Sprechen wir von etwas anderem. Es ist unwichtig.“
Natürlich war es wichtig. Es konnte nicht unwichtig sein.
„Heißt das, er hat dich gegen deinen Willen angesprungen? Oder macht er dir den Hof? Wird er dir einen Antrag machen?“
„Nein.“ Sie hielt mitten in der Bewegung inne und starrte auf den Waschlappen. Dann schmunzelte sie. „Von Orven wird mir vielleicht einen machen.“
Sie lachte, als sie das überraschte Schnaufen von der anderen Seite des Paravents hörte.
„Von Orven? Der blonde Jüngling? Warum?“
„Weil ich ihn geküßt habe. Es war die einzige Möglichkeit, ihn aus einer magischen Betäubung zu holen, hat man mir gesagt.“
„Hat wer gesagt?“
„Delacroix.“
„Also wirklich!“ Elizas Stimme bebte vor Entrüstung. „Hat er dich sonst noch irgend jemandem angeboten? Oder ist das schon das Ende der Liste?“
Er hatte sie einem Dämon als Lockvogel angeboten, dachte Corrisande, doch sie sagte es nicht. Es gab so vieles, das besser ungesagt blieb, und noch mehr, bei dem sie sehr vorsichtig sein mußte. Vor allem mußte sie sicherstellen, daß Eliza nicht einfach über ihren Kopf hinweg entschied und tat, was immer sie für richtig hielt.
„Nein, das war alles. Ich hatte gestern einen schauderhaften, ermüdenden und nervenaufreibenden Tag. Ich will das alles so schnell wie möglich vergessen. Wenn du mich läßt.“
Sie begann, sich frische Wäsche anzuziehen.
Eliza war noch nicht fertig.
„Was wirst du tun, wenn dieser junge Mann herkommt, um über seine eventuell ernsten Absichten zu sprechen? Wirst du ihm Hoffnungen machen?“
„Ich weiß es nicht. Er ist hübsch, fürsorglich und sehr hingebungsvoll. Ich werde um Bedenkzeit bitten. Er kann ja kaum erwarten, daß ich mich nach einem Tag Bekanntschaft entscheide. Nicht einmal nach einem solchen Tag. Er ist anständig und lieb. Er wird geduldig warten.“
„Darf ich dich daran erinnern, mein Engel, daß wir nicht hergekommen sind, um dich an einen liebeskranken kleinen Leutnant zu verschwenden? Du bist hergekommen, um eine wirklich gute Partie zu machen, und du hast das Zeug dazu, eine brillante Verbindung einzugehen, wenn du dich erst ein wenig erholt hast. Ich kann nicht behaupten, daß dieser junge Mann irgendwie auf unserer Liste der in Frage kommenden Aspiranten auf deine Hand stünde.“
Nein, das tat er wahrlich nicht. Sie glaubte nicht, daß er reich war. Vielleicht nicht arm, aber gewiß nicht wohlhabend und einflußreich. Höchstwahrscheinlich verfügte sie selbst über größere Ressourcen, selbst wenn sie die Mitgift, die ihr Vater ihr versprochen hatte, nicht mitzählte.
Doch machte das einen Unterschied? Als sie ihre kurze, recht erfolgreiche kriminelle Karriere beendet hatte, um zu heiraten und ein normales Leben zu führen, hatte sie es nicht primär um des Geldes willen getan. Sie wollte ein friedliches, sicheres Leben und Liebe – oder doch zumindest Verständnis und Respekt. Jemanden, auf den man sich verlassen konnte, einen Mann, dessen Kinder man gebären wollte.
Sie konnte immer noch zu ihrem Leben als Diebin zurückkehren. Sie war gut, und sie mochte Juwelen. Sie war sich nur sicher, daß sie ein Leben ohne Angst vorzog. Falls sie überhaupt noch die Wahl hatte. Möglicherweise hatte sie längst keine mehr. Falls Delacroix die verleumderischen Worte, sie sei eine käufliche Dirne auf der Suche nach einem begüterten Idioten, schon weitergegeben hatte, dann würde ihr nichts weiter übrigbleiben, als zu ihrem Vater und zu einem Leben, von dem sie sicher war, daß es irgendwann im Desaster enden würde, zurückzukehren.
Sie zog ihren Morgenrock an und trat hinter dem Paravent hervor.
„Er mag kein großer Fang sein, aber er ist ein netter, fürsorglicher Mann. Doch das alles“, fuhr sie fort, „ist nebensächlich. Zum einen hat er mich bis jetzt noch gar nicht gefragt, und zum anderen habe ich mich noch nicht entschieden. Ich bin todmüde und verwirrt. Ich werde jetzt gewiß keine lebensverändernden Entscheidungen treffen. Sie wären doch nur falsch.“
Eliza betrachtete sie eingehend.
„Mein Kind, du siehst so alt aus, wie du bist – vielleicht sogar älter. Marie-Jeannette muß etwas gegen deine geschwollenen Augen tun. Ich hoffe, du hast nicht dieses unmöglichen Colonels wegen geweint. Er ist keine Träne wert. Sag Marie-Jeannette, sie soll unbedingt auch die Blessur an deiner Lippe abdecken. Ein wirklich leidenschaftlicher Mann, dein Delacroix, nicht wahr? Blaue Flecken und Lustblessuren auf den Lippen. Ich muß schon sagen. Oder stammen die Blutergüsse noch mal von jemand anderem?“
Corrisande wurde dunkelrot. Eliza lächelte jedoch nur bissig.
„Mein Engel, spar dir das Erröten. Ich weiß, daß du das zu jedem Zeitpunkt einfach so kannst. In der Tat hast du so viele Talente, daß dein kleiner Leutnant dich nicht verdient. Pure Verschwendung. Ich schlage vor, daß du dich nach dem Frühstück vor deinen Spiegel setzt und dein süßes, unschuldiges Lächeln wieder übst. Es scheint dir abhanden gekommen zu sein, und das werden wir nicht so hinnehmen. Also streng dich an, damit es sich wieder einstellt. Ich werde inzwischen dem Repräsentanten deines Papas ein Briefchen schreiben, um mehr über deinen jungen Verehrer herauszufinden. Wir sollten mehr über seinen Hintergrund wissen. Ich werde nicht erlauben, daß du dich an einen mittellosen Niemand wegwirfst, ganz egal ob er nett aussieht oder fürsorglich ist.“
Corrisandes Herz sank erneut. Hier wurde es riskant. Sie lächelte ihre Gesellschafterin herzlich an.
„Nun, dann mußt du wohl selbst zu Papas hiesiger Zentrale gehen, denn ich habe Marie-Jeannette strikte Anweisungen gegeben, dir irgendwelche Botengänge in diesem Zusammenhang nicht mehr abzunehmen.“ Das hatte sie zwar nicht, doch sie würde es noch tun. „Es kann sein, daß es schwer sein wird, Herrn Dupont und Konsorten dort anzutreffen. Oder überhaupt irgendwen. Dein Meuchelmörder hat seinen Angriff auf Delacroix gestern nämlich nicht überlebt, und was Dupont persönlich angeht, so muß ich leider gestehen, daß ich ihn erstochen habe. Tut mir wirklich außerordentlich leid.“
Die plötzliche Stille war voller Emotionen. Corrisande fühlte eine warme Welle der Befriedigung durch sich hindurchfließen, als sie sah, daß Elizas gönnerhaftes Lächeln mit einem Mal von ihrem Gesicht verschwunden war.
„Du hast was?“