Kapitel 84
Graf Arpad stand dicht vor von Orven und blickte ihm direkt ins Gesicht. Der Offizier hatte nicht gesehen, wie der Feyon plötzlich vor ihn getreten war, er war mit einem Mal dagewesen. Geheimnisvolle Augen fixierten ihn, und der Mann sah so irreführend menschlich aus, daß Asko gar nicht der Gedanke kam, ihn anzugreifen.
„Gehen Sie ihr nach“, sagte der Mann leise und eindringlich. „Sie ist ein Mensch, keine Sí. Sie ist verletzt, hat Schmerzen, und sie hätte soeben beinahe ihr Leben für Sie geopfert. Für Sie alle.“
Der Offizier starrte ihn an, dann dem Mädchen nach, verstand nichts, wußte nicht, was er tun sollte. Mit unsicheren Bewegungen steckte er sein Messer weg. Er wußte weder, was er sagen noch was er fühlen sollte. Sein Seelenleben war in Aufruhr.
„Das kann ich nicht“, murmelte er und löste seinen Blick von der Tür am Ende des Ganges, hinter der die junge Frau verschwand, die er zu der Seinen hatte machen wollen. „Ich kann es nicht.“
Die Tür schloß sich.
Cérise Denglot war nun zur Gruppe gekommen. Sie ging auf den Leutnant zu. Ihr liebreizendes Antlitz sprühte vor Wut.
„Sie sind ein Dummkopf, von Orven“, schalt sie bitter. „Das wird Ihnen leid tun. Sie werden das bereuen.“
Er antwortete nicht, starrte nur unglücklich auf den Teppich. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Hinter seinem selbstgefälligen Zorn regten sich Reue und Scham. Diesmal war er sich nicht sicher, sich korrekt verhalten zu haben.
„Sie lassen sie einfach gehen?“ fragte Graf Arpad die Gruppe, die wie betäubt dastand. „Hat sie nicht genug für Sie getan? Sie war Ihre Jägerin, Ihr Lockvogel, sie ist Wände hochgeklettert, um Sie zu warnen, sie ist ohne Zögern in ihren Untergang gegangen, um Sie alle zu retten. Reicht das alles nicht, daß Sie sie als das akzeptieren können, was sie ist?“
In seiner Stimme schwang kalte Wut.
„Sie sind so stolz darauf, menschlich zu sein. War das menschlich? Ist das die Art menschlichen Betragens, das Sie so stolz sein läßt? Was ist aus Ihren ach so christlichen Grundsätzen geworden, aus Barmherzigkeit, Vergebung und Humanität? Verdammte Philister!“
Er sah beunruhigend gefährlich aus. Etwas in seiner Wut erreichte sie alle. Ein Schweigen aus gemischten Gefühlen senkte sich über die Gruppe.
Schließlich trat McMullen vor, streckte die Hände in einer beruhigenden Geste aus.
„Graf Arpad, wir müssen das hier zu Ende bringen. Wir werden uns dann um sie kümmern. Ich verspreche es.“
Delacroix nickte.
„Ich gehe“, sagte er. Seine Miene war unlesbar.
Der Sí trat ihm in den Weg, sah ihn an wie ein Tiger, der seine Beute abschätzt.
„Sie nicht!“ befahl er und blickte dem größeren Mann in die Augen. „Sie haben sie schon mal mit Kalteisen verbrannt. Ich erlaube nicht, daß Sie ihr wieder etwas tun.“
Cérise trat neben ihren Liebsten, berührte seinen Arm. Bei ihrer Berührung entspannte er sich.
„Laß ihn“, sagte sie. „Er wird ihr nicht noch einmal weh tun. Ich weiß es.“
„Woher willst du das wissen? Ich bin mir nicht so sicher. Die Kleine steht nicht unter meinem Schutz, und das kann sie auch nicht. Aber was Sie alle ihr antun, ist grausam.“ Er klang bitter und leidenschaftlich. „Wenn das, was ihr widerfährt, ein Spiegel dessen ist, was Steinberg sein Leben lang erdulden mußte, kann ich verstehen, warum er die Welt ändern wollte.“
„Meine Herren“, McMullen unterbrach ihn mit ruhiger, fester Stimme. „Wir sind hier, um das Manuskript zu bergen, und noch ist es nicht aufgetaucht. Die Welt ist noch in Gefahr. Denken Sie an unsere Prioritäten.“
Es wurde ihnen plötzlich klar, daß sie den Krieg noch nicht gewonnen hatten. Sie sahen sich ein wenig verunsichert um.
„Ich dachte, es würde einfach auftauchen“, sagte Udolf, „sobald wir die beiden vernichtet hätten. Ich meine, ich hatte es gehofft.“ Er hielt immer noch die Pistole, mit der er Steinberg erschossen hatte. Er wußte nicht, woher er plötzlich die Gewißheit genommen hatte, daß er das nun tun mußte, daß dies genau der richtige und einzige Moment war, in dem es möglich war. Er hatte das Mädchen in die Flammen gehen sehen, und danach hatte sich die Ausrichtung der arkanen Energie verändert. Er hatte auf den Doktor gefeuert, weil Miss Jarrencourt die andere Gestalt verdeckt hatte. Corrisande Jarrencourt, die eine Feyon war. Oder etwas Ähnliches.
Er begriff das noch immer nicht. Nichts hatte ihn darauf vorbereitet. Sie war ein Mensch, hatte Arpad gesagt. Warum wurde ihr dann Kalteisen gefährlich, und wie hatte Delacroix das herausgefunden? Hatte er sie nur so zur Probe verletzt?
Von Görenczy hatte die Verbrennung an ihrer Hand gesehen. Wären die Umstände anders gewesen, hätte er sie wohl gefragt, wie sie sich so hatte verletzten können. Nur war dazu gar keine Zeit gewesen.
Sie hätte es ihm auch nicht gesagt. Er sah hinüber zu Asko. Sein Freund stand zerrissen und verloren herum. Groll war in seinem Antlitz zu sehen, aber auch Schuld und Schamgefühl. Er hatte sie ebensowenig verdächtigt wie Udolf. Sie hatten gewußt, daß etwas Besonderes an dem Mädchen war, oder sie hätte ihnen von vornherein gar nicht helfen können. Doch sie hatten nicht verstanden, was.
Es war schon nicht einfach, überhaupt an die Existenz der Fey zu glauben, obwohl er den lebenden Beweis direkt vor sich sah. Zu glauben, daß etwas so rührend Süßes, das sogar Askos zugeknöpftes Herz erreicht hatte, zu diesen Wesen gehörte, war schlichtweg undenkbar, und für Asko vermutlich zweimal.
Ein wenig geschah es ihm recht. Asko liebte und haßte mit so viel beharrlicher Intensität, seine Überzeugungen und seine moralischen Wertvorstellungen waren so streng und unverrückbar, daß ihm so etwas einfach passieren mußte. Vielleicht würde er aus der Begebenheit ja lernen, etwas lockerer zu sein. Doch im Grunde bezweifelte von Görenczy es. Er würde sich wahrscheinlich nur noch weiter in sein Schneckenhaus aus überkorrekter Selbstgerechtigkeit zurückziehen.
„Brauchen Sie mich gerade?“ fragte Cérise. Sie hielt immer noch ihre Pistole in der Hand. „Wenn nicht, dann gehe ich zu ihr. Sie sollte jetzt nicht allein sein.“
Delacroix sah sie dankbar an, seine gelblichen Augen bohrten sich schier in ihren Blick.
„Tu das. Bitte sag ihr ...“ Er hielt inne. „Was auch immer. Du wirst schon wissen, was du ihr sagen mußt.“
Sie nickte, lächelte ihn belustigt an.
„Verlaß dich auf mich“, sagte sie und wandte sich zum Gehen. Sie sahen ihr nach, wie sie zur Treppe ging und nach oben verschwand.
Alle sahen ihr nach. Alle hatten sich von dem Kampffeld weggedreht. Keiner blickte in die entgegengesetzte Richtung.
Graf Arpad schrie plötzlich und fiel auf die Knie. Er wand sich während er noch fiel wie eine Katze, rollte sich zur Seite und stieß von Orven um, der ihm am nächsten stand.
Sie drehten sich um.
Leutnant von Görenczy und Delacroix warfen sich in dem Bemühen, Deckung zu finden, gleichzeitig auf den Boden.
Steinberg lag noch, wo er gefallen war, doch er hatte sich teilweise am Türrahmen hochgezogen, den Rücken dagegen gelehnt. Aus dem Loch in seiner Brust floß noch immer Blut. Es hatte ihn aber nicht getötet. Er atmete nur schwer, und jedes Mal, wenn er ausatmete, sprühten Blutstropfen von seinen Lippen.
Udolf verfluchte sich. Er war absolut sicher gewesen, den Mann ins Herz getroffen zu haben. Er hatte es nicht überprüft, und sonst auch keiner. Sie hatten schlichtweg angenommen, daß eine Kugel durchs Herz reichen würde, einen Mann zu töten. Doch entweder hatte dieser Mann sein Herz nicht auf dem rechten Fleck, oder sein Sí-Erbe ließ ihn eine Wunde überleben, die jeden anderen sofort getötet hätte.
Der blonde Arzt hielt die Hände ausgestreckt. Energieblitze zuckten aus seinen Fingern. Sie sahen aus wie feurige, faustgroße Felsbrocken oder Vierpfünder-Kanonenkugeln. Sie flogen ihm mit großer Geschwindigkeit aus den Händen. Gott sei Dank zielte er schlecht. Dem Anschein nach behinderte ihn die Wunde beim Zielen, jedoch nicht so sehr wie von Görenczy sich das gewünscht hätte. Sie waren unter Artilleriefeuer oder etwas Vergleichbarem. Wo die Kugelblitze die Wände trafen, explodierten große Stücke Ziegel und Mörtel und schossen als Schrapnelltrümmer durch den Gang. Wo die magischen Geschosse Türen trafen, hinterließen sie große, qualmende Löcher. Niemand kam aus den Zimmern, um nachzusehen, was im Gange war. Die Männer waren dankbar, daß das Hotel fast leer war.
Der Flur bot keine Deckung außer einem kleinen Seitentisch, auf dem normalerweise Blumen in eine Vase standen. Diese Dekoration war jedoch gleich der ersten Energiesalve zum Opfer gefallen. Verkohlte Reste von Dekorspitze hatten sich in die Holz-oberfläche gebrannt.
Delacroix warf den Tisch um, um mehr Deckung zu haben, zog McMullen mit sich, doch ein weiterer Angriff traf das Möbelstück, und es zersplitterte zu Kleinholz. Fast hätte es den Colonel und den Meister getroffen, die beide laut fluchten. Gemeinsam sprangen sie in die Nähe der Wand, an der ihr Feind immer noch lehnte. Sie versuchten, sich in eine Türöffnung zu schieben. Dann brach McMullen zusammen. Er konnte nicht getroffen sein, doch er wankte, und Delacroix mußte ihn festhalten und in Sicherheit ziehen, bevor er direkt in die Schußlinie taumelte. In der Türöffnung mußten sie vor den Geschossen sicher sein, vorausgesetzt, Steinberg beherrschte nicht die Kunst, um die Ecke zu schießen. Ob er das konnte, wußte Delacroix nicht, und der einzige, den er hätte fragen können, war nicht in dem Zustand, ihm die Frage zu beantworten.
Von Görenczy war ihnen sofort gefolgt, hatte sich über den Boden gerollt und im unsicheren Schutz der Wand wieder hochgezogen. Zu langsam. Ein Geschoß streifte seinen linken Arm, und die Geschwindigkeit des Aufpralls ließ ihn unkontrolliert nach hinten stürzen, obwohl der Kugelblitz nur seinen Ärmel und nicht direkt seinen Arm getroffen hatte. Er rollte seitlich und rückwärts durch den Gang, und Delacroix sah ihm besorgt nach. Doch Udolf schaffte es, sich in die nächste Türöffnung zu rollen und dort Deckung zu suchen. Seine unflätigen Flüche machten deutlich, daß er sich weh getan hatte, aber nicht in einer lebensbedrohlichen Situation war.
Von Orven und Graf Arpad lagen noch direkt in der Feuerlinie. Der geheimnisvolle Sí lag auf dem Boden, ein Bein unterhalb des Knies auf unnatürliche Weise verdreht. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, als er versuchte, sich umzudrehen. Er hatte die Hände gehoben, und die Kugelblitze verfehlten ihn um Haaresbreite. Sie verfehlten auch von Orven.
Zuerst hatte der Leutnant versucht, wieder aufzustehen, nachdem der Sí ihn mit zu Boden gerissen hatte. Doch nun kniete er neben dem Feyon, der offenbar versuchte, sie beide zu schützen. Von Orvens Gesicht zeigte Besorgtheit und völlige Verwirrung.
„In Deckung!“ rief der Colonel, und der Leutnant sah sich hektisch um nach einer Möglichkeit, wohin er in Sicherheit springen konnte. Er war durchaus nicht sicher, ob er nicht doch noch getroffen werden würde, wo er ein solch einladendes Ziel abgab, nur ein paar Schritte vom Ursprung der Geschosse entfernt und ohne irgendeine Deckung zwischen ihm und dem Unheil. Er blickte in das verzerrte Gesicht des Lebewesens neben ihm, das er selbst erst vor einigen Minuten bedroht hatte. Die Gesichtshaut des Feyons war vor Anstrengung und Schmerz straff gespannt.
Es war der Schmerz, der von Orven schließlich in Aktion versetzte. Er legte dem schmalen Mann neben sich seine Arme von hinten um die Brust und warf sich auf die andere Seite des Flurs, indem er den anderen mit sich mit riß. Delacroix streckte die Hand aus und zog die beiden durch die Tür, die er inzwischen geöffnet hatte, in Sicherheit.
Von Orven ließ seine Last im Zimmer wie einen Sack zu Boden gleiten, und der Verletzte zischte.
„Wunder über Wunder“, murmelte Delacroix, ohne sich umzudrehen. „Arpad, wie kommen wir an den Mann ran? Können Sie uns helfen?“ Er fragte ihn nicht nach seiner Verletzung.
Der Sí setzte sich halb auf, stützte seinen Oberkörper auf den Ellenbogen ab.
„Viel kann ich nicht tun“, preßte er zwischen seinen Zähnen hervor. „Einen Schutzschild gegen magische Geschosse aufzubauen und aufrechtzuerhalten braucht viel Kraft. Ich kann uns nicht alle gleichzeitig beschirmen, nicht einmal, wenn ich jetzt stehen könnte. Er hat kein Leben mehr ausgestrahlt, als er getroffen wurde. Ich hätte damit rechnen sollen, daß die Kugel ihn nicht erledigen würde. Ich hätte es in Betracht ziehen müssen.“
„Das hätten Sie wohl, und ich auch. Wir haben uns ablenken lassen. Ist jetzt auch unwesentlich. Was tun? Warten wir, ob er die Güte besitzt, nachträglich noch das Zeitliche zu segnen?“
„Ich weiß nicht, wie schnell er heilt. Mischlinge sind schwer einzuschätzen, und er ist zudem Magier. Darin ist er besser als ich. Fast alles, was er wirkt, ist menschliche Magie. Sehr weit entwickelt.“
„Er kann sich von einem Schuß ins Herz selbst heilen?“ fragte von Orven.
„Das Herz ist ein Muskel, und Muskeln kann man heilen“, entgegnete Graf Arpad. „Wo ist Ihr Kalteisenmesser, Colonel?“
„In Mrs. Parslows Kopf. Ich habe die erste Regel des Messerwerfens verletzt. Immer die Waffe holen.“
„Schlecht. Können Sie das Messer des Leutnants werfen? Oder ist es zu klein?“
Von Orven fummelte sein Messer aus der Tasche und streckte es Delacroix hin, der es nahm und skeptisch ansah.
„Schlecht gewichtet“, sagte er. „Ich werde kaum Zeit haben, anständig zu zielen. Die Chancen, daß ich nicht treffe, sind hoch.“
„Dann wären wir vollständig waffenlos“, bemerkte von Orven. „Haben wir noch eine andere Möglichkeit?“
„Wir können versuchen, McMullen zu wecken“, sagte Delacroix.
„Er hat einiges abbekommen, als er Sie vor der Energieentladung schützte“, erwiderte Graf Arpad. „Selbst wenn es uns gelänge, ihn zu wecken, wäre er vermutlich recht schwach. Es wird ihm besser bekommen, wenn sein Körper sich die Erholungszeit nimmt, die er braucht.“
Er saß auf dem Boden, lehnte sich nach vorne und betrachtete sein gebrochenes Bein. „Wenn ich gehen könnte, könnte ich ein Ablenkungsmanöver starten“, sagte er ärgerlich, während Delacroix um die Ecke spitzte und nur um Haaresbreite einem Geschoß entging, das an seinem Kinn vorbei pfiff. Die Menge der fliegenden Geschosse war zurückgegangen. Doch noch war Steinberg offensichtlich lebendig und aktiv.
„Der Bruch wird Sie eine Weile beschäftigen“, sagte Delacroix zu Graf Arpad, fuhr sich über den Kopf und schüttelte den Staub, der ihn getroffen hatte, aus seinem Haar.
„Nein. Ich heile schnell. Ich muß nur den Knochen richten. Ich weiß nicht, ob ich das allein kann. Es ist ein glatter Bruch, nicht gesplittert. Sollte einfach sein. Man kommt nur nicht wirklich gut an seinen eigenen Unterschenkel heran.“ Er wandte sich mit einem sarkastischen, schmerzhaften Lächeln von Orven zu. „Können Sie das versuchen, Herr Leutnant? Für einen guten Zweck?“
Delacroix zuckte bei der Formulierung zusammen.
Von Orven starrte Arpad an.
„Ich weiß nichts über die Knochenstruktur der Fey“, sagte er, und seine Stimme klang unnachgiebig neutral.
„Sie unterscheidet sich nicht sehr von Ihrer eigenen, Herr Leutnant. Ich bin nur widerstandsfähiger.“
„Das muß wohl so sein. Wenn so ein Ding mein Bein getroffen hätte ...“
„... hätten Sie jetzt keins mehr. Ich weiß. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß es alles andere als angenehm war, und ich möchte Ihnen auch dafür danken, daß Sie mich in Deckung gebracht haben. Ich gestehe, ich war verblüfft.“
„Oh, bitte.“ Askos Mißbehagen war nun deutlicher sichtbar. Trotzdem kniete er sich neben das Geschöpf. „Sagen Sie mir, was ich tun muß.“
Graf Arpad hob erstaunt die Brauen.
„Sie wollen mir wirklich helfen?“
„Ich habe eine Pflicht zu erfüllen. Es ist uninteressant, ob sie mir angenehm ist oder nicht.“
Helle Augen trafen auf schwarze. Asko fiel es schwer, sich zu konzentrieren. Er fühlte sich, als wögen die dunklen Augen einen Moment lang seine Seele. Dann senkte Arpad den Blick.
„Nehmen Sie meinen Fuß und ziehen Sie. Gerade. Mein Körper wird den Rest erledigen.“
Der Schwarzhaarige seufzte schmerzvoll auf, als der Soldat sein Knie mit der einen und sein Fußgelenk mit der anderen Hand nahm und den zerbrochenen Knochen mit einer schnellen, starken Bewegung auseinanderzog. Er hielt die geheimnisvollen Augen geschlossen und sah ein wenig blaß aus, und Asko wunderte sich, wie verletzlich und menschlich er in diesem Moment wirkte. Die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, war etwas, was ihn und das Wesen verband.
Dann war das Bein gerade, und der zischende Atem des verletzten Feyons wurde langsam ruhiger. Sein Gesicht war zu einer starren Maske der Selbstbeherrschung verzogen.
„Geben Sie mir einen Augenblick“, flüsterte Arpad ohne aufzusehen. Seine Augen waren vor Konzentration geschlossen. Er atmete ein paarmal kräftig durch. „Nur kurz.“
Einen Augenblick später zog er sich hoch, nahm dabei als Krücke einen Sessel zu Hilfe.
„Besser“, sagte er. „Viel besser. Danke, Herr Leutnant.“ Dann wagte er den ersten zögernden Schritt.
Der Offizier rechnete mit einem erneuten Sturz des Feyon, doch der zuckte nur ein wenig zusammen.
„Gut“, sagte er. „Ich werde wohl nicht so schnell sein, wie ich das gerne wäre, aber wir können es probieren, Delacroix. Versprechen Sie mir nur, daß Sie sich mit dem verdammten Messer nicht vertun. Es macht auch mich nicht gerade gesünder.“
„Ich werde mein Bestes tun“, versprach Delacroix.
„Das wird wohl ausreichen müssen“, entgegnete der Sí. „Also dann. Für eine Welt voller freier Menschen und Sí!“ Er schenkte den Offizieren noch ein trockenes Lächeln und sprang in die Schußlinie.