VI.

Paradies

Dante sagt im Paradiso, Himmel und Erde hätten Hand angelegt an sein Dichtwerk. Der Himmel bestätigt seinen Dichterauftrag, zuerst durch Cacciaguida (Par. 17, 98–120), dann noch einmal durch Beatrice. Der Apostel Petrus approbiert Dante (canto 24) und beauftragt ihn mit Kirchenkritik (27, 64–66). Dante stilisiert sich im Paradiso hoch; er gibt sich elitär und fast so abweisend, wie er nach Giovanni Villani (25, 2) im Alltag aufgetreten sein soll.

Gleich am Eingang des Paradiso wehrt er ungeeignete Leser ab: Wessen Boot zu klein ist, soll nicht wagen, ihm zu folgen aufs offene Meer, aufs Meer des Seins; er unternehme eine Fahrt, die noch niemand vor ihm unternommen habe (2, 7):

L’acqua ch’io prendo già mai non si corse.

Damit gibt er den wichtigen Wink, Traditionsbezüge nicht zu überschätzen. Dante wußte: Er war ein neuer Anfang, von keiner Vorlage ableitbar.

Er spricht mit Pathos, mit höchster Achtung von seinem Werk; zweimal nennt er es das heilige Dichtwerk, lo sacrato poema (23, 62), nicht mehr wie vorher comedia. Der Himmel hat ihn zum Propheten berufen. So steigert er das Erkenntnisinteresse des Lesers an seinem einzigartigen Reisebericht. Er ist stolz auf seinen Erfindungsreichtum. Verschmitzt, fast scherzend gibt er dem Leser seine Überlegenheit zu verstehen, indem er fragt (5, 109–111): Wenn der Text hier abbräche, wie gierig wärst du wohl zu wissen, wie es weitergeht? Wüßtest du vielleicht, wie es weitergehen könnte? Natürlich nicht.

Das alles schüchtert ein; der Leser kommt ins Schwanken, er mißt seine Kräfte ab, möchte die Auslegung des Paradiso gern Geeigneteren überlassen, aber die sind schwer zu identifizieren. Das Paradiso übergehen kann er auch nicht: Schließlich läuft die ganze Commedia auf das Paradiso zu. Der Himmel ist das Ziel der Jenseitsreise. Hier, nicht im Inferno, das sich fast selbst erklärt, hier, wo es nichts zu verifizieren gibt, steht der Leser vor der Probe, ob er die Commedia als Dichtung versteht, ob er sie wahr-nimmt, als rhythmisch gefügte, schöne und versteckt wahre Fiktion, als Frucht von Inspiration und Kunst. Die Hölle verstehen wir leichter: Sie zeigt mit unserem irdischen Leben eine verdammte Ähnlichkeit – aber im Paradies war noch keiner von uns; hier muß der Dichter zeigen, daß ihm etwas einfällt, das Unwahrscheinliche plausibel zu machen.

Das Paradiso ist Kontrastinstanz. Der Jenseitswanderer Dante zielt auf den ethisch-politischen Kontrast, indem er seinen Weg beschreibt: aus tiefstem Schmutz in göttliche Helle, oder schlicht: ›Ich kam aus Florenz zu gerechten Menschen‹. Der kleine Satz enthält die schärfste Kritik und den härtesten Kontrast; er deutet auf die Quasi-Unmöglichkeit des Gedichts: Wie es in Florenz, der verruchten Wolfsstadt zugeht, wissen wir, aber wie soll einer, der aus Florenz kommt, anschaulich das Zusammenleben von Gerechten beschreiben? Woher bekommt der Dichter des Paradiso Erfahrung? Das ist Sache der Eingebung, der göttlichen Erfindung: Die Poesie als Poesie, als Spiel der Farben und Formen, als Sternenglanz und Engeltanz, dieser Übermut der Imagination kommt im Paradiso zur Vollendung. Hier macht der Leser die Probe: Hat er nur Inhalte aufgenommen oder hat er auf die Form geachtet, die den meisten Menschen wenig gilt.

Ich will so vorgehen: Nach einer kurzen Präambel (1) beginne ich mit einer Skizze der Struktur des Paradiso (2), gebe also eine Art Übersicht, zunächst mehr stofflich, versuche dann eine distanziertere Beschreibung und nenne Lebenssphären, sozusagen Hauptthemen, die das heilige Gedicht berührt (3). Das Paradiso ist, meine ich, der Höhepunkt der Poesie Dantes. Es will und soll nicht als Kosmologie, Theologie oder Politik, sondern als philosophische Poesie mit ethisch-politischem Zweck gelesen werden, und dazu möchte ich ein besonders poetisches Stück zeigen, den canto 23: Paradiso als Lyrik (4).

1.

Präambel zum Paradies

Es gibt wohl heute niemanden mehr, der Dantes Paradiso ohne besonders große Anfangsschwierigkeiten liest. Auch Italiener können es nicht, auch sie hindern Sprachschwierigkeiten; auch ihnen fehlt die Kenntnis der ptolemäischen Astronomie und der mittelalterlichen kirchlichen Dogmatik, vor allem von deren Genese. Nach 1945 fiel es der Theologisierung zum Opfer. Ich will klar sagen, woran man diese erkennt: Sie unterbelichtet alles Antike, sie minimalisiert Politik und praktische Philosophie; sie geht vorbei an Dantes Kosmologie, sie schiebt die grundlegenden Forschungen von Bruno Nardi an den Rand. Jetzt sagte man, das Paradiso sei gedichtet zu Ehren der Gottesmutter. Mag ja sein, aber das Paradiso enthält noch ganz anderes: zum Beispiel die Anrufung Apollos im ersten Gesang, ein förmliches Gebet zum heidnischen Gott. Und da steht noch die ausdrückliche Erklärung Dantes, die Commedia solle ihm erstens die Dichterkrönung einbringen und zweitens die Rückkehr nach Florenz ermöglichen (25, 1–9). Dante war nicht einer von hunderttausend mittelalterlichen Marienverehrern, sondern der Denker und Künstler, der ein Gebet an Dantes Sternbild, an die Zwillinge, richtete. Man muß das doch wohl Gebet nennen:

O gloriose stelle, o lume pregno
di gran virtù,

auf die er Begabung und Berufung zurückführt (22, 112–123, Übersetzung S. 368), ohne daß sein Sternenglaube die Freiheit des Willens bestritte.

Dante nahm sich theoretische und poetische Freiheit. Er rechnete damit, daß ihn mancher frate der Häresie bezichtigen werde – aber er baut vor: Nicht irgendein Theologieprofessor oder Bischof hat ihn, den Laien, zur Lehre ermächtigt; der Apostel Petrus selbst hat seinen Glauben geprüft; insgesamt drei Apostel bescheinigen ihm korrekte Kenntnisse in Glauben, Hoffnung, Liebe. In der Hoffnung, ruft Beatrice ungerügt vor diesem Gremium aus, übertreffe diesen Mann kein Sterblicher.

Vieles klingt nach Anmaßung. Die Ambition des Verfassers gipfelt darin, daß er bestimmt, wer in den Himmel kommt. Er nimmt dorthin keineswegs nur kanonisierte Heilige auf; er ignoriert die Kompetenz der Kirche zur Kanonisierung. Er versetzt Freunde wie Carlo Martello ins Paradies, aber auch umstrittene Figuren wie Siger von Brabant und Joachim von Fiore. Thomas von Aquino polemisierte gegen Siger an wegen seines ›Averroismus‹; er verlor sein Lehramt in Paris, aber Dante versetzt ihn ins Paradies, und dort lobt ihn der heilige Thomas, der ihn auf Erden scharf angegriffen hatte (10, 136–138, Übersetzung S. 320):

la luce eterna di Sigieri,
che, legendo nel Vico de li strami (Rue de Fouarre),
silogizò invidiosi veri.

Siger gewann durch Folgerungen beneidenswerte und/oder vielbeneidete, haßerzeugende Wahrheiten. Das klingt nicht, als sähe Dante in Siger einen Häretiker, vielmehr kritisiert er die Ketzerverdächtigung; er kennt die Gemeinsamkeiten von Albert-Lesern. – Was Joachim von Fiore angeht: Bonaventura hatte ihn bekämpft, weil er den radikalen Flügel der Franziskaner inspirierte. Er hatte bestritten, daß Joachim ein Prophet sei. Dantes Bonaventura bestätigt ihm genau das im Paradies.

Das ist noch nicht alles. Dante legt seine Urteile den Himmelspersonen in den Mund; er läßt Petrus Damiani, die heiligen Benedikt und Petrus die Kirche verurteilen; er urteilt aus ihrem Mund buchstäblich von oben herab, er läßt die Seligen, die das Innere kennen, urteilen über alles und alle: Sie verwerfen so gut wie alle europäischen Herrscher, sie kritisieren Bettelorden und Benediktiner, sie verwerfen den Luxus der Prälaten (21, 27); sie treffen vernichtend die Kurie, die Kardinäle, die Päpste, den zur Zeit regierenden Nachfolger Petri inklusive. Das klang um 1300 frevelhaft anmaßend, präsumptuös: Und war es das nicht? Dante hat nicht an Demutsformeln gespart, um Einwände fernzuhalten. Er preist ständig die Gnade, die ihm alles vergönnt hat. Er dankt den Vermittlern, vor allem Beatrice und Maria. Und dabei erreicht seine Ambition ihren Höhepunkt, indem er Beatrice fast vergottet. Er setzt sie, die keine kanonisierte Heilige ist, in die höchsten Ränge des Paradieses. Er läßt sie – hochmütige Demut oder demütiger Hochmut? – Heroen wie Vergil und Heilige wie Bernhard dem Wanderer entgegenschicken. Sie kritisiert Prediger und Kirchenfürsten. Sie erreicht das Unmögliche: Ein Sterblicher sieht Gott, den kein Auge je gesehen. Er versetzt in Himmel und Hölle, wie er es für richtig hält, und spottet gleichzeitig über Krethi und Plethi, die zu wissen glauben, wer in Himmel oder Hölle ist (13, 130–143, vgl. 19, 64–66 und 20, 130–139). Selbst die Seraphim kennen die Beschlüsse der Vorsehung nicht (21, 91) . Dante kennt sie, jedenfalls einige von ihnen, die ihn direkt betreffen. Er meldet damit den universalen Erkenntnisanspruch einer Dichtung an, die sich als Philosophie und Prophetie versteht: Sie dekoriert nicht, was alle schon wissen. Sie schmückt nicht aus; sie sieht in den Grund der Dinge. Sie ist Philosophie, praktische Philosophie. Das ist nicht die Wissenschaft der Universitäten, sondern der argumentierende Entwurf einer neuen Lebensart. Sie lehrt leben in der Zeit des Verfalls. Als inspirierte, anschauliche Einsicht zeigt sie der Menschheit den Weg; sie übernimmt die Autorität der Lebensleitung. Damit tritt sie in Konkurrenz zur Theologie, und das wurde damals auch so gesehen. Ein erbitterter Kampf um die Wahrheit der Poesie begann: Ist sie nicht Fiktion, von minimalem Wahrheitsgehalt, wie Thomas von Aquino lehrte? Petrarca und Boccaccio fochten diesen Kampf aus, im Sinne Dantes, ohne ihn schon definitiv gewinnen zu können.

2.

Struktur

So viel an Präambel mußte sein, nun zum Aufbau des Paradiso und zum Gang der Handlung:

Der Gesang setzt ein mit der Beschreibung der Herrlichkeit, gloria, dessen, der alles bewegt, der alles durchdringt und aus allem hervorleuchtet, hier weniger, dort mehr. Am meisten erstrahlt er im Himmel, wo ich, Dante, war, den aber, wer herabsteigt, nicht darstellen kann; unser Gedächtnis ist der intellektuellen Erfahrung nicht gewachsen. Dante ruft Apollo an und erfleht dessen Hilfe – und den geliebten Lorbeer, die Dichterkrönung.

Dante wird auf schwer faßbare Weise vom irdischen Paradies ins Himmlische transportiert. Er findet sich in einem Lichtmeer. Er kommt in der Mondsphäre an; ihr sind die Engel, die unterste Gruppe der reinen Geistwesen, zugeordnet. Über diese Zuordnung sind sich weder Dante noch seine meisten Erklärer im klaren: Die Engel bilden unermeßliche Heere. Es ist unvorstellbar, daß sie alle damit beschäftigt sind, die Sternschalen geordnet zu leiten. Albert der Große hatte Klarheit geschaffen und gelehrt, Engel gehörten der Heilsordnung an und seien extrem viele, für die geordnete Bewegung der acht oder neun Sternschalen seien die von den Philosophen ermittelten, überschaubar zahlreichen Intelligenzen zuständig. Dante übernahm diese Präzisierung nicht.

Im ersten Himmelskreis begegnet Dante Seligen, denen noch etwas vom Mangel der Mondsphäre, nämlich Veränderlichkeit anhaftet: Es sind Frauen, Piccarda Donati, die Schwester des verruchten Corso Donati, und Kaiserin Constanza, die Mutter von Friedrich II. Äußere Gewalt hat sie gehindert, ihr Klostergelübde einzuhalten. Nicht ganz gefestigt in ihrem freien Beschluß, haben sie sich nicht heroisch der Gewalt widersetzt. Das wäre möglich gewesen; der Mensch hat freien Willen. Langen Erörterungen über religiöse Gelübde gibt Dante dadurch großes Gewicht, daß er sie mit der Theorie der Willensfreiheit verbindet. Schritt für Schritt enthüllt sich ihm die Ordnung des Himmels und zugleich die Würde der Freiheit des Willens. Zugleich steigt er auf zu immer größerer Helligkeit und Schönheit. Die Abstufung der Himmelssphären scheint ungleiche Seligkeit zu bedeuten; aber dies, zeigt sich, ist nicht so: Die Glückseligkeit ist ihrer Natur nach immer ganz da oder gar nicht. Alle Heiligen sind in verschiedenem Grad selig, und doch sind alle ganz selig. Bei geistigen Dingen bedeuten die Worte ›mehr oder weniger‹ etwas anderes, etwas Ganzheitlicheres als bei Quanten. Zudem macht die völlige Übereinstimmung mit dem Willen Gottes die Seligkeit aus.

Jeder der drei Hauptteile der Commedia ist dreigeteilt, außerdem kehrt die Dreiteilung in der Dreizeiligkeit der Terzinen wieder. Im Inferno blieben die ersten neun Gesänge außerhalb der Stadt des Dis[838]   und ab canto 30 kam der Kreis der Verräter; im Purgatorio folgte auf das ausgedehnte Ante-Purgatorio der Mittelteil: ihm folgt mit den canti 28 bis 31 das irdische Paradies. Ähnlich ist die Struktur des Paradiso. Auch hier bilden die ersten neun Gesänge eine Einleitung. Das Paradiso ist nach Himmelssphären der alten Astronomie geordnet: Zuerst kommen die sieben Planetensphären, in der Reihenfolge: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn, dann die Weltschale der Fixsterne, dann die letzte, die äußerste Sphäre mit ihrer schnellsten Umdrehung, von der alle andere Bewegung, alles Werden und Vergehen abhängt, das primum mobile, das erste Bewegbare. Gut aristotelisch, nach Metaphysik 12, 7, bewegt es sich aus Sehnsucht nach dem ersten Beweger als der Gesamtheit aller Wesensgestalten. Der erste Beweger bewegt, aber nicht indem er anstößt, sondern als das Geliebte, dem alles zustrebt. Das sind insgesamt neun Sphären, denen die neun Chöre der Engel zugeordnet sind: Engel, Erzengel, Kräfte, Mächte, Fürsten, bis zu Cherubim und Seraphim, wie sie Dionysius Areopagita um 500 angeordnet hatte. Über den neun Sphären dehnt sich der unräumlich gedachte, der unendliche, geistige Himmel. Das heißt: Er ›dehnt sich‹ nicht; er lebt. Er ist intellektuelle Tätigkeit, Erkenntnis und Liebe. Aus traditionellen Gründen führt er noch den alten Namen ›Feuerhimmel‹ oder Empyreum. Die Pariser Theologen erklärten noch 1241, er sei stofflicher Natur, eine zehnte äußerste Schale von höherer Materialität, aber Dante spiritualisierte ihn philosophierend zum Feuer der Liebe.[839]   Die drei Teile der Commedia enden ähnlich mit einem separaten Schlußteil: Das Inferno mit der Eiszone der Verräter, das Purgatorio mit dem irdischen Paradies, das Paradiso mit dem Empyreum.

Die niedersten Planetensphären – das sind Mond, Merkur und Venus – bilden den unteren Bereich des Paradieses, der die canti 19 umfaßt und dem Ante-Purgatorio strukturell entspricht. Auf diese drei Sphären fällt noch der Schatten der Erde. Hier zeigen sich Dante jene seligen Geister, die mit ihrer Vernunft die sinnlichen Regungen zu beherrschen wußten, die den drei regierenden Sternen entsprechen, aber noch vom Schatten der Veränderlichkeit getroffen waren; Mond und Sonne gelten hier als Sterne wie andere auch. Diese Seligen zeigen vorbildlich die Tugend des Maßhaltens, der sozialen Kompetenz, der Intelligenz. Ihr Wille war bei Gott, war aber getrübt durch Rücksichten auf irdische Interessen.

Aus der Mondsphäre steigt Dante auf zur Sphäre des Merkur. Er sieht zunächst nur singende und tanzende Lichter. Aus ihrem Reigen treten aktive, weltgestaltende Selige hervor; sie tragen noch den Charakter der unteren Welt an sich; sie haben gehandelt, um Ruhm und Ehre zu gewinnen. Ginge es nach Augustin, wären sie deshalb in der Hölle, nicht so bei Dante. Da ist vor allem Kaiser Justinian, der mit seiner Gesetzessammlung Ordnung in die Welt gebracht hat. Dante überläßt ihm lange das Wort; der Kaiser schildert die Entwicklung des Römischen Reiches. Er zieht Folgerungen für Dantes Gegenwart aus der Weltbedeutung des römischen Adlers (6, 97–108):

Jetzt kannst du urteilen über die, die ich oben anklagte, und ihre Fehler, die der Grund sind für all eure Übel. Der eine stellt dem Zeichen aller die goldenen Lilien entgegen, der andere bemächtigt sich seiner für seine Partei, so daß schwer zu erkennen ist, wer den ärgeren Fehler macht.

Das geht auf die aktuelle politische Situation: Die Guelfen bauen auf die goldenen Lilien Frankreichs gegen das Reich, die Ghibellinen bemächtigen sich des Reichsadlers zu Parteizwecken; Karl II. von Anjou führt die Guelfen gegen die Ghibellinen. Wir sind im sechsten canto des Paradiso; er ist geschrieben während des sechsjährigen Aufenthalts Dantes in Verona, 1312–1318. Dort hat er das Paradiso etwa bis canto 18 verfaßt; er hat wohl 1316 den Brief an Cangrande formuliert, in dem er die Absicht seiner Commedia zusammenfaßt. Er hat die Arbeit am Paradiso unterbrochen, um – wahrscheinlich um 1317 – die Monarchia zu schreiben. Zwischen 1319 bis 1321 hat er das Paradiso in Ravenna abgeschlossen. Jetzt gehört er keiner Partei mehr an und kritisiert sie alle aus dem Mund Justinians.

Auf Mond- und Merkursphäre folgt Venus. Dante sieht nur kreisende Lichter, aus denen sich aber Stimmen erotischer Talente offenbaren: sein Freund Karl Martell, Prinz von Neapel, und die Prostituierte Rahab. Sie hatte Verdienste bei der Eroberung des Heiligen Landes; sie hat die Kundschafter beherbergt. Auch so kommt man in Dantes Himmel.

Die drei folgenden Sphären, deutlich durch größere Helligkeit abgesetzt von den früheren, sind die von Sonne, Mars und Jupiter: Die Seligen, die hier auftreten, lebten vorbildlich höhere Tugenden, besonders Werthaltungen, die den Sternen zugeordnet sind: Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit.

Im Himmel der Sonne singen und tanzen die Weisen. Sie bilden drei Kränze, von denen jeder aus zwölf Lichtern besteht. Im ersten Kranz spricht Thomas von Aquino: Er, der Dominikaner, singt das Lob des heiligen Franz und tadelt den Verfall der Dominikaner. Aus dem zweiten Reigen tritt Bonaventura hervor, er, der Franziskaner, besingt den heiligen Dominikus und beklagt den Niedergang der Franziskaner. Die beiden Orden waren in der geschichtlichen Welt spinnefeind; Dante dichtet ihnen himmlische Harmonie an, weil sie auf der Erde nicht bestand. Noch strategischer: Er läßt Thomas von Aquino einen Denker verherrlichen, den dieser schroff als Averroisten bekämpft hatte, Siger von Brabant (10, 97–138), und er läßt Bonaventura den von ihm bekämpften Joachim von Fiore als Propheten preisen (12, 127–141). Die Parteiungen, die auf der Erde herrschen, haben keine Wahrheit. Dante gibt nicht die faktischen Individualitäten Thomas und Bonaventura wieder, er läßt sie sagen, was sie hätten sagen sollen. Ihre himmlischen Figuren widerlegen ihre irdische Existenz. Sie korrigieren sie, bestreiten ihren Streit und nehmen ihren Orden den irdischen Konkurrenzcharakter, der sie de facto kennzeichnet. Eben nur de facto.

Dante erteilt Thomas noch einen besonderen Lehrauftrag. Er läßt ihn im 13. canto über die Frage sprechen, wer der weiseste Mensch war, Adam, Salomon oder Jesus. Er nimmt diese Frage zum Anlaß, den besonderen Charakter der Weisheit eines Königs herauszustellen. Damit betont Dante Wichtigkeit und Eigenständigkeit der Politik, so schon in der langen Rede Justinians, jetzt mit der besonderen Anerkennung politischer Weisheit. Gleichzeitig läßt er Thomas den Zusammenhang von Ideenlehre und Theorie der Erschaffung erklären (13, 52–117). Die Himmelsbewohner neigen zu lehrhaften Passagen; mancher Leser hat gefragt, ob sie noch Dichtung sind: Gleich im ersten canto erklärt Beatrice die Ordnung der Welt als Ähnlichkeit mit Gott; sie erläutert die Antriebskräfte, die spezifisch zu jedem Geschöpf gehören (1, 103–120). Jetzt wird begreiflich, warum Farinata, Odysseus und selbst Ugolino nicht nur Böse sind; auch in ihnen strahlt die Herrlichkeit des höchsten Gutes wider. Piccarda erklärt die Verschiedenheit der Stufen der Seligkeit und weshalb sie keine Ungleichheit mit sich bringen (4, 26–63). Im canto 7 entwickelt Beatrice eine Theorie, warum Gott Mensch geworden ist; sie schließt sich dabei an die Schrift Cur Deus homo des Anselm von Canterbury an; im canto 14, besonders 43–51, erklärt König Salomo, welche Art von Körper die Seligen haben werden; Beatrice wiederum macht aufmerksam auf die Besonderheit des neunten Himmels (17, 100–120); später beschreibt sie die Ordnung der Engel (29, 10–84). Canto 29 bringt aus himmlischer Sicht die richtige, die neoplatonisierende Philosophie der Erschaffung, die schon in canto 1 anklang: Die Welt ist der abgestufte Widerschein der Mitteilsamkeit der Güte Gottes; daher ist das Universum Ordnung.

Das war der Besuch in der Sonnensphäre, es folgt die des Mars. Hier glänzen die Geister der Glaubenskämpfer, besonders der Märtyrer, im rötlichen Licht der Tugend der Tapferkeit. Sie bilden ein Ballett in der Form eines den ganzen Himmel umspannenden großen Kreuzes. Aus dieser wohlgeformten Gruppe löst sich der Geist Cacciaguidas, eines Urahnen Dantes, der 1147 beim zweiten Kreuzzug ums Leben kam, also Märtyrer war. Seine Vorstellungen gehören noch ganz in die florentinische Welt vor dem ökonomischen Boom seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Damals war Florenz noch bescheiden und klein, es lebte noch innerhalb der alten römischen Mauern des kleinen Kastells. Cacciaguida redet lange; Dante gibt ihm die drei canti 15 bis 17, er erzählt vom Ursprung der Familie Dantes und bricht in die Klage aus, (15, 97–128):

Fiorenza, innerhalb des alten Mauerrings,
von dem ihr heute noch Terz und Non erklingen,
lebte in Frieden, nüchtern und keusch.
Sie besaß kein Kettchen, keinen silbernen Stirnreif,
keine perlengeschmückten Röcke, keinen Gürtel,
der sehenswerter war als die Frau.

Aus Cacciaguida spricht der Geist des Kreuzritters. Er führt keine ›Gespräche‹ mit dem Islam, er bekämpft diese falsche Religion und die Verkehrtheit dieser Menschen. Er lobt die vergangenen Zeiten. Sein Florenz gibt es schon lange nicht mehr. Schließlich sagt er Dante sein Schicksal voraus, das Exil. Er ermahnt Dante, nicht aufzugeben, sondern die Wahrheit schroff und klar herauszusagen. Das ist die himmlische Inthronisation der politischen Poesie. Er beauftragt ihn mit Florenz-Kritik und bestätigt dem politischen Dichter die Risiken und die höhere Weihe (17, 31–142). Er beschreibt die politische Position Dantes: Er gehört zu keiner Partei mehr; er ist eine Partei für sich (17, 69).

Dante und Beatrice kommen dann in den Jupiterhimmel, den sechsten. Beatrice ermahnt ihn: Sieh dich um und hör zu! Das Paradies besteht nicht nur aus meinen Augen (18, 20–21). Er soll politisch denken, nicht nur verliebt dreinsehen. Denn hier bilden die Seelen gerechter Fürsten – darunter nur ein einziger Herrscher aus dem Mittelalter: Wilhelm II. von Sizilien – bedeutungsvolle Buchstabenreihen, sie stellen sich zusammen zu Symbolfiguren, aus denen der Spruch: DILIGITE IUSTITAM herausleuchtet. Das Ballett der Fürstenseelen bildet dann einen großen Adler, der Dante belehrt über die Unerforschlichkeit Gottes. Er nennt gerechte Herrscher, die im Himmel sind, darunter auch den Heiden Trajan. Dante erklärt, ihn quäle diese Frage schon lange: Nur die Taufe allein, ohne gerechte Werke, sichert nicht den Himmel, aber warum nur ist die Taufe nötig, wenn einer gerecht ist? Und dann diese Ausnahmen: Rahab zuvor, jetzt Trajan (canto 19). Der Adler spricht von Konstantin als gerechtem Herrscher, auch wenn er unrecht tat, das halbe Reich an Papst Silvester zu verschenken. Und dann setzt Dante noch einen Heiden in den Himmel: Ripheus (20, 67–77 und 117–129), der im zweiten Buch der Aeneis ›gerecht‹ genannt wird.

Dante hält die Frage nach der Seligkeit für Heiden als Wunde offen. Sie wird auch im Himmel nicht gelöst. Bei Chiavacci Leonardi steht, die Theologie habe für Fälle wie den des Ripheus die Theorie der Begierdetaufe entwickelt. Sie fragt nicht, wer das wann getan hat; sie hält jede theologische These für zeitenthoben wahr. Aber auch die Theologie hat eine Geschichte: Kirchenschriftsteller vor Augustin hatten davon gesprochen, daß, wenn ein Katechumene sich zur Taufe angemeldet hatte, er aber durch Krankheit oder Tod gehindert wurde, die reale Taufe zu empfangen, sein erklärter Wille als Taufe anerkannt wurde. Augustin aber bestritt das; er forderte den faktischen Vollzug des Sakraments mit Wasser. Erst spätere Theologen überlegten, ob nicht ernsthaftes Wahrheitsinteresse und gutes Leben als Begierdetaufe gelten könnten. Mit Dantes Ripheus hat das alles nichts zu tun. Dante sagt nichts von Begierdetaufe.


Der siebte Himmel ist der des Saturn mit der Engelgruppe der Throne. Die kontemplativen goldfarbenen Geister bilden eine goldene Leiter, deren Ende in den höchsten Himmel ragt. Dort herrscht geschäftige Bewegung, auf und ab. Zwei Geister wenden sich Dante zu: Petrus Damiani beklagt den Niedergang des Klosterlebens: Früher war das anders (21, 17–21). Dieses Motiv wird Boccaccio fortführen (Dec. 1, 4): Früher herrschte Heiligkeit im Konvent, heute nur noch Korruption. Dann spricht der heilige Benedikt und kritisiert schroff den Verfall seines Ordens (22, 73–93). Wenn die Heiligen auf die Erde blicken, vor allem auf die Kirche, ist es fast zum Verzweifeln. Alles liegt danieder. Die Kontemplation ist aufgegeben. Dabei ist sie doch, wie schon im Convivio (4, 22, 17) gezeigt, die bessere Lebensform.

Im Fixsternhimmel, dem achten, dem die Cherubim zugehören, bietet sich ein neues Bild: Christus, umgeben vom Strahlenkranz der Seligen, steigt auf ins Empyreum. Dante stellt es so dar, als komme Christus – wie die bisher gesehenen Heiligen – eigens für Dante herunter und wiederhole für ihn persönlich und die Leser seine Himmelfahrt. Das ganze Spiel in den Himmelsregionen unterhalb des Empyreum ist ein Kunstereignis, ein Schein. Denn Christus und Maria sind wie alle Heiligen oben, im unkörperlichen Empyreum. Auch Maria erscheint, wird gekrönt und steigt, umgeben von Engelchören, in den obersten Himmel auf. Das geschieht im 23. Gesang, auf den ich gleich zurückkomme.

Dante gibt, wenn auch zögerlich, zu verstehen, daß er, der Dichter, es ist, der die Heiligen auftreten und Jesus in den Himmel auffahren läßt, weil wir Menschen sinnliche Vorstellungen geistiger Vorgänge brauchen. ›Real‹ geschieht gar nichts im 23. canto. Christus und Maria ›zeigen‹ sich wie in einem Mysterienspiel.

Immer noch in der achten Sphäre, in der Dante länger verweilt, vom 22. bis zum 27. canto, folgen drei merkwürdige Auftritte: Drei Apostel treten hintereinander auf und prüfen Dante jeweils über eine der drei theologischen Tugenden: Petrus prüft seinen Glauben und findet ihn vollkommen (24), der Apostel Paulus prüft seine Hoffnung (25), der Apostel Johannes prüft seine Liebe (26). Dante verschafft sich die perfekteste Legitimation seiner Rechtgläubigkeit und seiner guten Absicht: Wer die Kirche so vernichtend kritisiert wie er, braucht himmlische Rückendeckung. Dante vergöttlicht Beatrice und verschafft sich selbst die höchste denkbare Legitimation: Cacciaguida bestätigte seine politische Schriftstellerei als höheren Auftrag; drei Apostel halten jede Theologenkritik von ihm ab. Petrus selbst beauftragt Dante mit seinem Dichtwerk (27, 64–66).

Dante trifft Adam, den ersten Menschen, und ist glücklich, ihm drei Fragen stellen zu können: Erstens fragt er nach der Art der ersten Sünde und erhält zur Antwort: Sie war nicht Naschhaftigkeit, sondern das bewußte Übertreten eines gesetzten Grenzzeichens. Zweitens will er wissen, wie lange Adam und Eva im Paradies waren: Die Herrlichkeit währte nicht lange, der Aufenthalt im Paradies dauerte nur gerade mal sechs Stunden, und drittens, ob die Sprache von damals erhalten sei, was Adam verneint: Die Sprache ist, wie alle irdischen Dinge, in ständigem Wandel (26, 79–108). Daß die Sprache des Paradieses verloren ist, daß sie nicht im Hebräischen die Zeiten überdauert hat, kann man als Dantes Selbstkritik an seinem De vulgari eloquentia auffassen. Aber dort bereits hatte er geschrieben, der Mensch sei ein äußerst unstabiles und veränderliches Lebewesen, instabilissimum et variabilissimum animal.[840]  

Der neunte Himmel, der auch Kristallhimmel heißt, ist der des primum mobile mit den Seraphim. Es trägt keine Sterne mehr, bewegt sich unvergleichlich schneller als die anderen Schalen und ist der Ursprung ihrer Kreisbewegung. Beatrice erklärt diese Astronomie, bricht noch einmal in die Klage über die Verirrung der Menschheit aus und endet mit der Vorhersage eines baldigen Retters (27). Wir erreichen den Endpunkt der Reise: In den Augen Beatrices erscheint Gott für Dante als ein Punkt von unendlicher Helle. Um ihn kreisen die neun Chöre der Engel. Dante erläutert die Ordnung dieser Chöre gemäß der Lehre des Dionysius vom Areopag. Beatrice erklärt, was Gott ist; sie tut es mit Worten aus der Metaphysik 12 des Aristoteles: Gott ist das Prinzip, an ihm hängen die Himmel und die ganze Natur (28, 41–42); dabei erstrahlt Beatrices Schönheit in immer hellerem Licht (28).

Der zehnte Himmel, der auch Empyreum heißt, ist der unräumliche Raum Gottes und der Seligen. Bei Dante ist er kein Raum mehr, sondern Intellekt, Liebe und reines Licht. Er ist die Energie der Einsicht und der Liebe, die sich auf das wahre Gute richtet (30, 40–42, Übersetzung S. 400):

pura luce:
luce intellettual, piena d’amore;
amor di vero ben, pien di letizia;
letizia che trascende ogne dolzore.

Diese Verse sind groß wegen ihres Inhalts wie wegen ihrer Form: Sie sprechen Dantes Neukonzeption des Empyreum aus: Es ist keine weitere Weltschale, sondern intellektuelle und affektive Energie. Und die Schönheit der intensivierenden Wiederholungen: Licht, reines Licht, ganz Liebe, Liebe zum wahren Guten, ganz Freude, Freude, die jeden Genuß übersteigt. Jeweils nimmt die neue Zeile das letzte Wort der vorausgehenden Zeile auf und steigert es.


Wir erfahren jetzt, daß die Heiligen dort ihren wirklichen Sitz haben, einen ›Sitz‹ ohne Ort und ohne Zeit. Was Dante bisher von ihnen gesehen hat, waren nur ihre für ihn bestimmten Erscheinungen. Sein und Erscheinen sind bislang noch auseinandergefallen. Die Seelen sind im Empyreum, wie Dante Paradiso 4, 28–48 erklärt, sie erscheinen aber in den verschiedenen Sphären. Um sich Dante zu zeigen, veranstalten sie in den unteren und mittleren Sphären Ströme von Licht, Ballette sprühender Geisterfunken, Harmonie der Bewegungen, die sich zu Sprüchen formieren. Alle Auftritte bilden ein faszinierendes metaphorisches Spiel der Farben und Töne. Dante sieht noch einmal Beatrice, die ihm Erschaffung und Art der Engel erklärt, auch deren Fall. Sie mokiert sich über die Torheiten der Prediger (29, 115–129), was Boccaccio zu vielen schönen Geschichten weiterentwickelt hat. Beatrice erscheint von überwältigender Schönheit. Die Lichtströme formen sich zuletzt zu einem Amphitheater und bilden die ewige Rose, die weiße Rose. Ihre Blütenblätter sind die einzelnen Seligen.

Dante äußert den Wunsch, die Seligen mit ihren auferstandenen Leibern zu sehen, die sie nach dem Jüngsten Tag wiedererhalten werden. Auch dieser – theologisch gesehen: ausgefallene – Wunsch wird erfüllt; am Rand der dogmatischen Korrektheit bekommt er die Szenerie eines privaten Jüngsten Gerichts zu sehen. Dante, der Schriftsteller, denkt auch im Empyreum politisch: Beatrice zeigt ihm den großen Thron, der noch leer ist und der bestimmt ist für Kaiser Heinrich VII. (30). Der fiktive Himmelsbesuch spielt im Jahr 1300, Heinrich starb erst 1313.

Dante, in der Erwartung weiterer Erklärungen, schaut sich um nach Beatrice; aber sie ist verschwunden, sie ist unangekündigt aufgefahren zu ihrem himmlischen Sitz. An ihre Stelle ist ein Greis in weißem Gewand getreten, Sankt Bernhard. Er erklärt die Sitzordnung der himmlischen Rose: Er zeigt ihm die Madonna, zu deren Füßen Eva, in der dritten Reihe von oben sitzt Beatrice neben Rachel. Weiter unten die jüdischen Frauen; die vorchristlichen Seligen sitzen getrennt. Bei den Christen sehen wir Franz, Johannes den Täufer, Benedikt und Augustin (32, 35), selige Kinder. Wieder quält die Frage der Gnadenwahl. Dante will Gott sehen; Bernhard hatte dazu auf Maria verwiesen. Sie soll es ihm vermitteln. Er beginnt den 33. Gesang (1–39) mit der Bitte an Maria für die Erfüllung von Dantes Begehren:

Jungfrau Mutter,
Tochter deines Sohnes,
niedrig und hoch, mehr als Geschöpf,
festes Ziel des ewigen Rates!
Du bist es: Du hast die menschliche Natur so geadelt,
daß ihr Schöpfer es nicht unwürdig fand,
ihr Geschöpf zu werden.
In deinem Leib ward die Liebe wieder entzündet;
durch ihre Wärme
im ewigen Frieden
ist diese Rose aufgegangen.

Das Gebet Bernhards füllt das erste Drittel des canto; die zwei letzten Drittel reden davon, wie Dante Gott sieht, wie er darüber reden könnte und daß er zur Erde zurück muß.

Bernhards Bitte ist formuliert mit großer Kunst: Maria vereint in ihrem Leib den Gegensatz von Schöpfer und Geschöpf. Wir nähern uns dem Ende des Buches: Maria wird angeredet als Zusammenfassung, als Vereinigung von Endlich und Unendlich. Durch ihre Vermittlung sieht Dante Gott. Jetzt verschwindet auch Bernhard. Dante ist allein. Zunächst waren Beatrices Augen, von Gott geliebt und geehrt, auf den Beter gerichtet und zeigten, wie willkommen ihr ergebene Gebete sind. Dann wandte sie sich zum ewigen Licht; nie habe ein Geschöpf sich mit so klarem Auge darein versenkt. Dante erzählt (33, 46–57):

Ich näherte mich dem Ziel all meines Verlangens; die Glut meiner Sehnsucht erreichte den Höhepunkt. Bernhard gab mir lächelnd ein Zeichen, nach oben zu blicken, aber ich tat schon von mir aus, was er wollte. Denn mein Blick wurde immer reiner; mehr und mehr trat er ein in den Strahl des hohen Lichts, das aus sich selbst Wahrheit ist. Von da an wurde mein Sehen stärker als die Sprache, die vor einem solchen Gesicht versagt; auch faßt das Gedächtnis nicht dieses Übermaß an Einsicht.

Drei Bilder beschreiben die Flüchtigkeit des höchsten Moments. Es war wie ein Traum: Wie es dem geht, der im Traum etwas sieht, aber nach dem Traum bleibt ihm nur ein leidenschaftliches Gefühl zurück, und alles andere gibt das Gedächtnis nicht her, so geht es mir: Was ich gesehen habe, ist fast ganz erloschen, aber das süße Gefühl, das daraus entstand, tropft noch ins Herz. So schmilzt Schnee in der Sonne, so verwehten die leichten Blätter der Weissagungen der Sybille im Wind.[841]   Das ist eine letzte Anspielung auf die Aeneis 3, 441–452. Wir können die verwehten Blätter nicht zum Buch zusammenfassen, wo doch das Universum eine Einheit bildet wie ein Buch.


Dante sieht Gott: Er sieht: In ihm ist aller Weltreichtum vereint. Er sieht ihn als drei identische Kreise mit je verschiedener Farbe, als Trinität: Der zweite Kreis erscheint wie ein Spiegel des ersten, wie der Nebenregenbogen den Hauptregenbogen spiegelt. Der dritte Kreis geht wie ein großes Feuer aus von beiden. Im zweiten Kreis, dem des Logos, sieht Dante ein menschliches Antlitz, Christus. Nach diesem kurzen Höhepunkt bricht Dante ab. Die Sprache sei unfähig, das Gesehene wiederzugeben. Seine Aufgabe ist jetzt nicht, Gott zu sehen, sondern die Commedia zu schreiben.

3.

Lebensbereiche. Hauptthemen

Soviel zur Inhaltsübersicht; ich beginne einen zweiten Erkundungsgang: Welche Lebenssphären spiegelt Dantes Paradiso? Gleich am Anfang zeigt der Anruf O buon Apollo die dichte Präsenz der Antike. In Inferno und Purgatorio ist sie durch Vergil und viele antik-mythologische Figuren unübersehbar; im Paradiso hört sie keineswegs auf. Wenn Dante seinen so wichtigen Begriff für das Übersteigen des Menschlichen, das trasumanar, erläutern will, erwähnt er weder Gnadentheologie noch Heiligenlegenden, sondern er nennt Glauco, der durch den Genuß einer Pflanze zum Genossen der Götter wurde (1, 70). Dantes Jenseits ist nach den sieben Planetensphären geordnet: Die achte Schale trägt die Fixsterne, die neunte Sphäre ist der Kristallhimmel oder das primum mobile, dann kommt das Empyreum. Dieses System ist im Grundriß ptolemäisch, also antik, arabisch interpretiert. Es bestimmt den Aufstieg des Jenseitswanderers.

Dieses Jenseitsbild faßt drei Elemente oder Bilderkreise zusammen: Die aristotelische Physik, die ptolemäische Kosmologie und die astrologische Mythologie. Dies alles sind Traditionen der Antike. Dante hatte nicht das Bewußtsein, im ›Mittelalter‹ zu leben. Im Interesse des freien Willens lehnte er wie Augustin den astrologischen Determinismus ab, aber das hinderte ihn nicht, zu seinem Sternbild, den Zwillingen, zu beten (22, 112–123). Er dachte das Universum als System von Vermittlungsrädern, die alle abhängen vom primum mobile, von der ersten, dem Beweger nächsten Weltschale, die sich bewegt, weil sie dem Formenreichtum des Weltgrunds so nahe wie möglich kommen und ihr Abbilder in der irdischen Welt schaffen will. Die Seligen erscheinen Dante in den Planetenhimmeln. Diese Personen sind durch die Planetensphären und durch ihre freien Entscheidungen zu dem geworden, was sie sind. Sie haben real ihre Eigenart durch die Sternenzonen gewonnen, denen sie angehören. Es handelt sich für Dante dabei um naturhafte Kausalitäten, nicht um poetische Assoziationen.

Der berühmte letzte Vers des Paradiso

L’amor che move il sole e l’altre stelle.

bezieht sich nicht auf romantische Liebe, sondern auf das Streben der äußersten Weltschale nach dem Formenreichtum des Weltgrunds, den das astronomische System engelgeleiteter Schalen vor allem durch die Sonne, die als Planet gedacht war, auf der Erde nachahmt. Die Weltschalen der griechischen und arabischen Denker waren von Intelligenzen geleitet. Anders war die Geordnetheit der Welt nicht zu erklären.

Antike Mythologie, Kosmologie und Astronomie zeichnen die Landkarte des Jenseits, nach der unser Himmelswanderer aufsteigt. Je höher er kommt, um so deutlicher sieht er die Struktur des Universums. Er fängt gleich im zweiten Gesang kosmologisch an. Da trifft der Liebende endlich die Geliebte im Paradies, und was sagt er als erstes? Ich karikiere nur wenig, wenn ich seine ersten Worte dahin zusammenfasse: Sag mal, was ich dich immer schon fragen wollte, wo kommen die Mondflecken her (2, 49)? Unromantischer kann ein Rendezvous nicht beginnen. Mond- und Sonnenflecken widersprachen der Vollkommenheit der supralunarischen Sphäre des Aristoteles. Wer die Welt gut und geordnet finden wollte, mußte sich auf diese Störung himmlischer Harmonie einen Reim machen. Beatrice holt aus zu einer philosophischen Belehrung über Einheit und Verschiedenheit; sie korrigiert den studierten Mann, der sich im Convivio (2, 13, 9) die Mondflecken durch Verdichtung und Verdünnung, sozusagen mechanisch, erklärt hatte. Sie widerspricht: Verschiedenheiten fordern forma-hafte Prinzipien (2, 70). Uns zeigt dies die Präsenz der antikisierenden Kosmologie im Paradiso und die Dringlichkeit des damaligen philosophischen Tagesproblems des ›Mehr und Weniger‹ – sei’s an Licht, sei’s an Seligkeit.

Antikes zeigt sich auch in anderen Zusammenhängen. Dante erdenkt sich, Cicero folgend, für seinen Himmelsreisenden eine Art Astronautenblick (22, 154): Er sieht die Erde weit unter sich: Wie klein sie doch ist! Wie falsch die Habgier der Menschen, die sich um Teilchen von ihr blutig bekämpfen. Die Habgier, Grund aller Kriege, ist töricht, wirkt lächerlich, blickt man aufs Universum (27, 106–134; 22, 133–139).

Vom großen kosmischen Zusammenhang wendet der Blick sich rasch, schon im sechsten Gesang, auf die Politik und oft auf das Geschick von Florenz. Dies ist der zweite große Themenkomplex im Paradiso. Dantes Ahnherr Cacciaguida beklagt den Verfall der Heimatstadt; sehnsüchtig erinnert er an eine Stadt ohne markanten Fernhandel, ohne Besitzindividualismus und ohne Modekram, eine Stadt (15, 99)

in pace, sobria e pudica.

Die Stadt wollte immer größer werden und wurde chaotisch; der alte Konservative bedauert die Öffnung der Stadt für die Bewohner der Umgebung; die Vermischung der Bevölkerungen sei der Ursprung allen Übels (16, 67).

Zwei Gesänge, 15 und 16, sind so gut wie ganz der Historie von Florenz gewidmet; sie enden mit harter Verdammung der Wolfsstadt. Dante erfährt in der Form von ›Prophezeiungen‹ sein eigenes Schicksal im voraus: Er wird die Demütigungen des Exils erleben, erfahren, wie bitter das Brot im Ausland schmeckt, das mit Salz gebacken wird: come sa di sale lo pane altrui (17, 58). Das Gedicht ist durchzogen von der Hoffnung auf Rückkehr in den Schafstall des heiligen Johannes, das ovil di San Giovanni (16, 25). Die Stadt ist zerrissen durch innere soziale Spannungen, und sie steht zwischen Kaiser und Papst. Daher die Bedeutung von Kaiseridee und Römischem Recht, das keine kaiserfeindliche Papstpolitik zuließ, im Paradiso, besonders im canto 6. Außer Florenz tadelt Dante besonders Robert von Anjou wegen seiner papsthörigen Kaiserfeindlichkeit: Der Herr von Neapel kann Predigten halten, aber von Politik versteht er nichts (8, 144). Naturhafte Unterschiede von Menschen haben forma-haften Ursprung; sie sind auch bei Personen zu respektieren und in der Politik zu beachten; wir kennen dieses Thema von den Mondflecken her.

Einen dritten großen Themenkomplex des Paradiso bildet die Kirchenkritik. Dantes Himmelsbewohner kritisieren die Päpste (18, 118ff.) und prophezeien dem regierenden Papst die Hölle: Dieser Papst verurteilt Leute, nur um sich später den Freispruch abkaufen zu lassen (18, 130). Vielleicht findet ein einziger Papst aus Dantes Lebenszeit Anerkennung, aber bei ihm sagt Dante nicht hinzu, daß er Papst war; Dante preist zwar den großen Logiker Petrus Hispanus, nennt ihn aber nicht unter dem Papstnamen Johannes XXI. Dieser ist 1277 bei einem Dacheinsturz des Papstpalastes in Viterbo ums Leben gekommen (Par. 12, 134–135). Ich sagte ›vielleicht‹, denn die Zuschreibung des Handbuchs der Logik an diesen Papst ist nicht ganz sicher.

Die Heiligen mahnen zum Kreuzzug, den die Päpste vernachlässigen; sie tadeln Machtgier und Geldsucht der Kirche. Für Theologie interessiert sich kaum jemand; die Herren wollen herrschen und Geld machen, sei’s mit Gewalt, sei’s mit Syllogismen (9, 133; 11, 1–6). Daher sind die meisten Predigten albern; sie ergehen sich in Mätzchen, sie dienen im besten Fall der Unterhaltung, dem Verkauf von Ablässen und der Eitelkeit des Predigers (29, 70–126).

Dante trifft den Reformmönch Petrus Damiani, der wenige Jahre vor seinem Tod Kardinal wurde und jetzt ausruft (21, 124–142):

»Vom sterblichen Leben war mir nur wenig verblieben,
da bat, ja schleppte man mich zu diesem Hut,
der heute von Schlechten zu immer noch Schlechteren übergeht.
Petrus kam barfuß und mager,
so auch das große Gefäß des Heiligen Geistes.
Ihr Essen nahmen sie wahllos in irgendeiner Behausung.
Die heutigen Hirten wollen links und rechts bedient sein,
sie brauchen einen, der sie begleitet
und, weil sie so dick sind, einen, der sie von hinten aufs Pferd hebt.
Ihre Prachtmäntel reichen auch noch für ihre gesattelten Pferde,
zwei Viecher gehen dann unter das eine Fell.
O Langmut, daß du das alles erträgst!«

Auf diese Rede antwortet der Chor der Seligen mit einem so lauten Wutschrei, daß dem Besucher die Sinne schwinden. Einen so donnernden Ausbruch hat er im Himmel nicht erwartet, er ist vor Schreck wie benommen, aber Beatrice fragt zurück: Weißt du denn nicht, daß du im Himmel bist? Er lernt: ›Himmel‹ bedeutet nicht pure Harmonie, sondern Heiligkeit und Gerechtigkeit, also auch heiliger Zorn (21, 127–135; 22, 1–8).

Wie genau schildert der fromme Mönch die Kardinäle von heute: Die Apostel kamen barfuß und mager, sie aßen, was sie grad bekamen, die Kardinäle heute sind viel zu dick und reisen zu Pferd. Sie kommen nie allein, sondern mit Personal; sie brauchen einen, der sie hinten hinaufhebt. Ihre teuren Pelzmäntel sind ostentativ zu groß: zwei Bestien unter einer Decke.

Das Paradiso bezieht seine poetische Potenz auch aus solchen Satiren; in ihrer unbarmherzigen Genauigkeit inspirierten sie Boccaccio. Poesie ist auch die menschliche Form des himmlischen Wutschreis. Sie ist die Sprache des gerechten Zorns und der Verachtung für das, was in der Welt als groß gilt.


Außer der Kirchenkritik bestimmen noch mindestens zwei Lebenssphären Dantes Paradiso: Einmal die großen Figuren, sodann die doktrinalen Fragen. Die Poesie des Inferno war geprägt durch die prägnante Kontur einer Reihe von Gestalten, die man nicht mehr vergißt – Francesca da Rimini, Farinata, Ulisse und Graf Ugolino. Diese plastisch-figurale Machart tritt im Paradiso zurück, fehlt aber keineswegs: Der Kaiser Justinian, der Freund Carlo Martello und der Urahn Cacciaguida sind konkrete, fest umrissene Gestalten, auch die Heiligen: Benedikt und Petrus Damiani, Franziskus und Dominikus, Thomas und Bonaventura. Literarisch lebt Dantes Text nicht nur vom ironisch-kritischen Blick auf die heutige Erde, sondern auch von der Unverwechselbarkeit solcher Figuren. Sie sind nicht so grell gezeichnet wie mancher Höllenbewohner. Im lichtüberfluteten Paradiso stellen sie sich als individuelle Figuren nicht so leicht plastisch dar.

Aber gilt das für Beatrice? Gewinnt sie in unserer Imagination Leben oder ist sie vielleicht doch keine Frau, sondern Symbolfigur der Theologie? Darüber hat man gestritten, aber doch nur, meine ich, weil man vergessen hat, daß nach korrekter Theologie des Paulus im Himmel nichts mehr geglaubt und auch keine Theologie betrieben, sondern geschaut und gesungen wird.[842]  

Die Geliebte übt im Paradiso mehrere Funktionen zugleich aus: Ihre Schönheit, vor allem die Schönheit ihrer Augen, zieht den Freund unendlich an; sie ermutigt, sie tröstet, sie ermahnt wie eine Mutter; sie ist aber auch, vielleicht ein wenig zu viel, die Lehrerin, die ihm die fremde Himmelswelt und den Kosmos überhaupt erklärt; sie ist Fürsprecherin bei den höchsten Instanzen, sie hat die Fäden in der Hand bei Personen der mittleren Ränge. Und sie macht sich am Ende entbehrlich; sie zieht sich nach oben zurück. Ihr Lächeln, das sie klug moderiert, auch zeitweise einstellt, um Dantes Fassungskraft zu schonen, bewegt als das Geliebte alle Schritte. Vielleicht leidet Beatrice als literarische Figur unter der Vielzahl ihrer Funktionen; sie wird zerrieben zwischen Geliebter und Göttin. Dante spricht von der Geliebten in den Sprachformen der zeitgenössischen Liebeslyrik; zugleich ist sie Lehrerin der Weltkunde und der Gotteslehre; der Himmelswanderer wundert sich einmal: Beatrice redet ja fast wie frater Thomas.

Das muß sie, sie argumentiert scholastisch fachgerecht, provando e riprovando (3, 3), denn das Paradiso behandelt mit Leidenschaft Fragen der Theorie. Sie bilden einen letzten Themenkreis. Nicht nur der Theologie, sondern auch der Astronomie und Dichtungstheorie, der Philosophie und insbesondere der Kosmologie. Die Dichtung steigt in den Himmel auf, gewinnt von dort her Übersicht und wird als Poesie der Intelligenz lebensleitende Macht. Sie macht durchsichtig, was sich sonst in Lebensknäueln und Debattenwirrsalen verliert. Sie zeigt die Struktur der Welt; sie klärt umstrittene Fragen der Gelehrten, z.B. die nach Vereinbarkeit von Prädestination und freiem Willen, aber auch der richtigen Platon-Interpretation (4, 49). Immer wieder hat der Himmelsbesucher Zweifel, dubbi; er fragt ungeniert, erstaunt: Che cose son queste? (20, 82) Das fängt bei Mondflecken an und endet bei der Theorie der Erlösung (7, 47). Ich nenne nur einige der Themen: Das Verhältnis von Einheit und Vielheit im Universum (2, 70ff.), Gottes Motiv zur Welterschaffung (29), Ewigkeit und Wandel, die beseligende Schau – mehr im Intellekt oder in der Liebe (28)? Und immer wieder das Rätsel: Verdammt Gott wirklich edle Heiden (1920)?

4.

›Paradiso‹ als Poesie

Man könnte das heilige Poem überfrachtet nennen. Aber es ist es nicht. Zunächst einmal durch seine rigorose Einteilung. Die fast geometrische Ordnung mit 33 fast gleichlangen Gesängen schafft Übersicht. Nichts wird breitgetreten. Rigorose Strategie sichert dem Gedicht die Einheit, dazu die durchgehaltene Kunstform der Terzinen, die beiden Hauptfiguren des Wanderers und seiner Führerin.

Vor allem ist das Paradiso eine Einheit kraft seiner poetischen Atmosphäre. Damit bin ich endlich bei seinem Lyrismus. Wie war er möglich? Wie kann Dante das Unsagbare sagen? Seine vielen Erklärungen, er könne es nicht, spitzen das Problem nur zu: Er hat Gott gesehen, er hat in Gott alle Weltinhalte gesehen, aber er kann uns nicht sagen, was er gesehen hat. Er hilft sich mit der Unterscheidung: Das Gedächtnis kann nicht aufnehmen, was der Intellekt erfaßt; dieses Motiv durchzieht das ganze Buch und führt zu der schönen Metapher, es gehe ihm wie einem, der träumt. Er spürt noch den Schrecken oder das Traumglück in seinen Gliedern, hat aber den Inhalt vergessen, kann also nicht sagen, was er geträumt hat.

Dennoch sagt Dante, was er gesehen hat: Funken, die ihre Feuerintensität verändern, Lichtspiele und pyrotechnische Figuren, die sich zu Buchstaben formen, zu einem großen M etwa, das dann zum sprechenden Adler wird. Engel und Selige tanzen Ballett und bilden Kreise, Kreuze, eine Leiter, die sich im Unendlichen verliert. Neben die Beleuchtungseffekte treten Farbspiele, intensive, ungegenständliche Farbmalerei. Gott selbst ist keine menschenartige Figur, sondern zuerst ein Punkt, der sich in drei Farbkreise auflöst, die einander umschlingen.

Um Dantes Lyrismus näherzukommen, muß der Leser ins Einzelne gehen. Ich wähle dafür den 23. Gesang (1–111). Er enthält weder historischen Stoff noch doktrinale Belehrung. Dante betritt den letzten, den Fixsternhimmel. Beatrice erwartet den triumphalen Aufflug, zuerst Christi, dann Marias; Christus und Maria entschwinden nach oben. Eine meditativ-lyrische Variation über das dogmatische Thema der Himmelfahrt Jesu und der Aufnahme Marias in den Himmel. Ein literarisch höchst prekäres Unternehmen, das gerade deshalb Dantes Dichtkunst zeigt. Er setzt so ein:

Wie ein Vogel, der während der Nacht, die uns die Dinge verbirgt,
auf vertrautem Zweig geruht hat am Nest seiner süßen Jungen
und der nun, ihres ersehnten Anblicks wegen
und um die Nahrung zu finden, mit der er sie füttert,
– die harte Mühe wird ihm Genuß –,
wie der den Zeitpunkt vorausnimmt, wie er vorfliegt auf einen offenen Zweig
und mit glühendem Gefühl die Sonne erwartet, starren Blicks,
daß nur die Morgenröte erscheine –
so stand meine Frau, aufgerichtet und wach,
der Himmelsgegend zugewandt, in der die Sonne langsamer zu gehen scheint.

Es gibt selbst im Paradiso kaum einen Gesang, der so wenig Gegenständliches enthält. Er fordert keine gelehrten Kommentatoren. Dante ist angekommen im Fixsternhimmel. Und Beatrice erwartet den Triumphzug Christi. Dieser zieht vorbei, als Sonne mit allen Sternen. Beatrice lächelt wieder, weil Dante jetzt gestärkt ist. Dann der Triumphzug Marias mit den Aposteln, schließlich ihre Krönung. Den Hauptvorgang, die Auffahrt Christi, erfahren wir nur aus dem Mund Beatrices. Dante sieht Lichterscheinungen und Farben. Der Eintritt zweier menschlicher Körper in den obersten Himmel läßt sich unkörperlicher, ätherischer nicht schildern. Wir bekommen Christus nicht zu Gesicht, erfahren aber: Er ist die Einheit von Weisheit und Macht. Bei uns hier wütet die Macht ohne Einsicht, und die Weisheit verglüht machtlos in sich.

Auch der Engel, der am Ende Maria mit saphirenem Licht krönt, ist entpersonalisiert; nicht nur hat er keinen Namen – die Kommentatoren rätseln vergeblich: Ist es Gabriel? Dante nennt ihn nicht einmal ›Engel‹, sondern er nennt sich: amore angelico, substantielle Liebe, nichts sonst.

Dem zusehenden Dichter schwinden mehrfach die Worte, die Sinne: Er kann nicht sagen, wie glücklich Beatrice ist in der Erwartung (23, 24); er hält den Sonnenglanz nicht aus, ist überwältigt (23, 33–34), sein Geist gerät außer sich, er kann sich an nichts erinnern (23, 40–45). Er sagt, daß er nichts sagt.

Die poetische Rede bricht mehrfach ab, und dies wird Anlaß, über eine Dichtung nachzudenken, die das Paradies ›figuriert‹. Sie kann nicht glatt fließen; sie muß zerstückt sein – wie das Wandern über einen Bergweg, der abgerutscht ist oder unter einer Schlammlawine begraben. Dante war im Himmel und sagt, er habe vergessen, was er gesehen hat. Und doch sagt er nicht nichts. Was er hinschreibt, ist alles andere als ein schwarzes Loch. Und warum nicht? Das eben macht die Poesie, deren Kunstgriffe hier zu sehen sind. Es sind mindestens drei:

Einmal die Vergleiche, sodann die Licht- und Farbspiele, und über allem die Intensität der Liebe zu Beatrice.

Der canto setzt ein mit dem Wie ein Vogel, der den Sonnenaufgang erwartet – wir dürfen an die Nachtigall denken, mit ihren süß-melancholischen Tönen –, so erwartet Beatrice die Himmelssonne. Sodann: Wie in heiterer Vollmondnacht der Mond mit allen Sternen, so erleuchtet die Himmelssonne all die sie begleitenden Lichter; Dante dachte, die Sonne sei die Lichtquelle nicht nur der Planeten, sondern aller Sterne. Der Mond heißt wie bei Vergil und Ovid Trivia, und der schöne Vers vergleicht, angelehnt an Horaz, die Sterne antikisierend mit Nymphen.

Nächster Vergleich: Wie der Blitz aus der Wolke gegen die Natur des Feuers, das immer aufsteigt, zur Erde schlägt, so gerät Dante außer sich. Dann die Beschreibung der Dichtung: Sie ist ein Springen, ein Überspringen; sie ist Last auf den Schultern, ein Boot auf hoher See. Diese und andere Metaphern schaffen, auch wenn sie literarische Vorbilder hatten, dichte Anschauung als Ausgangspunkt, den die poetische Meditation dann allerdings immer verläßt. Der Leser vollzieht selbst die Aufstiegsbewegung vom Sinnlichen zum Übersinnlichen. Dantes Poesie hat in der bildhaft festgehaltenen irdischen Erfahrung einen präzisen Ausgangspunkt, ent-springt ihr aber.

Aber indem sie ihn verläßt, gerät sie nicht ins Dunkel. Ins Unbestimmte steigt sie auf, aber nicht ins Graue, und dies bewirkt der zweite Kunstgriff, die Lichtmalerei. Der Vogel erwartet die Morgenröte, Beatrice die Himmelssonne, der Himmel erhellt sich, Sonne, Mond, Sterne, sie leuchten alle zugleich, aus einziger Lichtquelle gespeist. Die Seligen ziehen vorbei, lebendige Lichter, viva luce (23, 31). Christus ist das Lichtwesen selbst, nicht Licht als Epiphänomen, nicht nur als Schein, sondern er ist das substantielle Licht, la lucente sustanza (23, 32). Der Dichter, obwohl geblendet, weiß das; er verfällt nicht ins Klagelied einer schwarz-malenden, nur negativen Theologie. Die eigene Erschütterung, die Ohnmacht, den Gedächtnisverlust vergleicht er dem Blitz, der aus der Wolke stürzt; noch die Verdunklung seiner Sinne wird Lichtphänomen. Beatrices heiliges Antlitz, il santo aspetto, ist Licht, ihr heiliges Lächeln, il santo riso, macht es noch heller (23, 59–60). Beatrice verweist von ihrem Gesicht, das in Dante die Liebe neu entfacht, auf den Blumengarten, dem die Himmelssonne das Farbenglück gewährt; er sieht die Rose, Maria, die Lilien, die Apostel. Dann wieder setzt ein Vergleich ein: Wie in der irdischen Erfahrung ein Sonnenstrahl aus zerrissener Wolke auf eine Blumenwiese auftrifft, so taucht die Lichtgruppe auf, deren Lichtquelle sich, um seine Augen nicht zu zerstören, schon in die Höhe entfernt hat. Sie bestrahlt die Seligen, ohne selbst gesehen zu werden – wie bei uns die Sonne hinter Wolkenfetzen hervorstrahlt. Christus ist Sonne, Maria lebendiger Stern, die Seligen bilden Lichtergruppen und bewegen sich in Kreisen und Kränzen. Und alles ist in Farben getaucht. Gold haben die Himmelsbewohner immer verachtet, die Krone Mariens ist saphirnes Licht, kein dinghaftes Metall, nicht das glitzernde Zeug, für das Irdische sich töten. Lichter, Flammenkränze, saphirener Glanz, süßer Gesang des Regina caeli – das bleibt, wenn Zentralsonne und Hauptstern sich in den höchsten Himmel entziehen.

Beatrice nennt das sanfte Vorbeiziehen einen Triumphzug, der die Ernte des ganzen Weltprozesses einbringt, also das, was herauskommt beim Drehen aller Himmelsschalen. Es ist ein Triumphzug ohne die Allüren irdischer Sieger; die Hauptsonne entschwindet, um Dante wieder das Sehen zu ermöglichen.

Die Poesie dieses canto kommt durch einen dritten Kunstgriff zur Vollendung, wenn man das einen Kunstgriff nennen darf. Aber poetische Strategie ist das schon: Die Fülle irdischer Bilder als Ausgangspunkt, das überirdisch-üppige Spiel der Farben und Klänge – dies alles ist eingetaucht in die Atmosphäre der Liebe zu Beatrice. Sie wird vielleicht nie intensiver, nie direkter ausgesprochen als in diesem Gesang. Dieser Gesang ist ein Liebeslied an Beatrice: Nur hier redet er sie so an (23, 34):

Oh Beatrice, dolce guida e cara!

Sie lächelt jetzt wieder, was sie im vorigen canto bewußt unterlassen hatte; sie macht ihn in einer Art höherer Koketterie auf ihre Veränderung aufmerksam: riguarda qual son io (23, 46). Sie sieht: Ihr Gesicht macht ihn immer mehr verliebt (23, 70), sie verweist ihn aber von sich weg auf das vorbeiziehende Himmelsgeschehen; sie beginnt mit ihrer Ablösung. Negatives Liebesgedicht: Sie beginnt zu gehen, nicht ganz so schnell wie die Himmelssonne und der lebende Stern aufgetaucht sind, um rasch zu entschwinden im Lichtmeer. Sind die beiden Triumphzüge zufällig vorbeigekommen? Sind sie Dante zum Empfang entgegengeeilt? Das bleibt offen.

Wir haben einen Endpunkt erreicht. Ich könnte zusammenfassen: Dantes Paradiso bietet Schwierigkeiten, besonders für Leser mit einem biographistischen oder naturalistischen Begriff von Dichtung, aber es ist große Poesie. Das Paradiso arbeitet weniger an der skulpturalen Ausformung einzelner plastischer Gestalten; es gruppiert die Seelen zu Reigen, Tanzfiguren, Buchstaben, zu Kreuz und zu Adler, zur goldenen Leiter und zuletzt zur weißen Rose. Die Paradiso-Poesie bindet gern mehrere Terzinen zu großen Bogen. Man denke nur an die Beschreibung des die Sonne erwartenden Vogels am Anfang von canto 23. Wir sehen Aufwärtsbewegungen von Gruppen, aber sie gehen nicht mit der Mühsal des Purgatorio, sondern sanft, leicht und heiter. Die harmonische Atmosphäre schließt Invektiven und Zornausbrüche über die irdische Welt nicht aus. Das Paradiso ist Augenfreude, aber entmaterialisiert. Seine Elemente sind Licht, Farben und Musik. Es ist Poesie des Sehens, der Gewißheit und des gemeinsamen Glücks. Dante lebt auf wie der Falke, dem man die Kapuze wegnimmt, sich streckt, seine Kraft fühlt und zeigt, daß er Lust hat und daß er schön ist (19, 34–39). Dieses Moment der spontanen Eigenbewegung im Angesicht Gottes, das Omnipotenztheologien dem Menschen gern absprechen, hier wird’s gefeiert. Wärme und familienartige Vertrautheit spricht in der Metapher: wie ein Säugling, der sein Ärmchen ausstreckt zur Brust der Mutter (30,82–86). Interjektionen häufen sich im Paradiso. Schön im canto 23, 34:

O Beatrice, dolce guida e cara!
Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen
titlepage.xhtml
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_000.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_001.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_002.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_003.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_004.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_005.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_006.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_007.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_008.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_009.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_010.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_011.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_012.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_013.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_014.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_015.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_016.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_017.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_018.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_019.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_020.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_021.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_022.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_023.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_024.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_025.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_026.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_027.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_028.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_029.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_030.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_031.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_032.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_033.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_034.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_035.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_036.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_037.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_038.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_039.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_040.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_041.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_042.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_043.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_044.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_045.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_046.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_047.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_048.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_049.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_050.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_051.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_052.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_053.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_054.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_055.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_056.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_057.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_058.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_059.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_060.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_061.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_062.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_063.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_064.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_065.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_066.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_067.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_068.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_069.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_070.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_071.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_072.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_073.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_074.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_075.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_076.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_077.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_078.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_079.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_080.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_081.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_082.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_083.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_084.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_085.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_086.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_087.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_088.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_089.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_090.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_091.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_092.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_093.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_094.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_095.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_096.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_097.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_098.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_099.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_100.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_101.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_102.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_103.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_104.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_105.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_106.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_107.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_108.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_109.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_110.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_111.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_112.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_113.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_114.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_115.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_116.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_117.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_118.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_119.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_120.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_121.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_122.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_123.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_124.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_125.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_126.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_127.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_128.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_129.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_130.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_131.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_132.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_133.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_134.html
CR!V4MVJ7KDKN66VCXC4JW1Z83VPC69_split_135.html