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Als Striker den Anbau mit den Labors betrat, klingelte sein Handy. Auf dem Display stand Sue Rhaemer, das stimmte ihn optimistisch. Vielleicht hatten sie eine heiße Spur zu den Ostermanns gefunden. Er presste das Handy an sein Ohr. »Sue, was hast du für mich?«
Sie lachte leise. »Beruhig dich, großer Mann, nichts über die Ostermanns. Du musst mit deinem Problem weiterleben.«
Strikers Optimismus verlor sich. »Was ist der Grund für deinen Anruf?«, fragte er erkennbar enttäuscht.
»Der Grund ist Bernard Hamilton«, antwortete Sue.
Das machte Striker hellhörig. »Bernard? Was hat der Idiot jetzt wieder verbockt?«
Sue kicherte leise. »Nichts Schlimmes. Aber es ist trotzdem eigenartig. Er ruft mich dauernd an und versucht, mich über dich auszufragen.«
»Über mich?«
»Und den Fall. Das mit Larisa Logan.«
Strikers Hände ballten sich zu Fäusten. »Du hast ihm doch nichts erzählt, oder?«
»Nein, ich hab ihn angeraunzt, er soll meine Leitung nicht blockieren. Na ja, ich wurde neugierig. Und bin ein bisschen kreativ geworden: Ich hab seine GPS-Daten gecheckt. Und das Merkwürdige ist, Bernards Position ist exakt dieselbe wie deine, und zwar schon den ganzen Tag.«
»Bist du sicher?«
»Hundertprozentig. Gestern war es genauso. Er hängt sich permanent an dich dran. Als würde er dich verfolgen, checken, wo du bist und so.«
»Dieser hinterhältige kleine …«
Striker stockte. Er traute seinen Ohren nicht. Der Wichser kannte kein Pardon, und seine Motive waren offensichtlich. Bernard verfolgte sie, weil er vorhatte, ihnen Larisa vor der Nase wegzuschnappen. Das war nicht nur ein Scheißverhalten unter Kollegen, er setzte die Frau zudem einem hohen Risiko aus.
Er hatte die Nase gestrichen voll.
»Der Typ tickt nicht mehr richtig«, muffelte Sue.
»Schätzchen, du weißt längst nicht alles.«
»So oder so, Kollegen nachzuschnüffeln ist ja wohl das Letzte! Soll ich das mal bei einem meiner Vorgesetzten ansprechen?«
»Nein, damit komm ich schon allein klar«, versicherte Striker. »Obwohl ich deine Unterstützung gebrauchen könnte, das heißt, wenn wir ihn wirklich ins Messer laufen lassen wollen.«
»Schiffswrack, bei mir bist du goldrichtig.«
Striker grinste. »Ich meld mich wieder.«
Felicia erwartete ihn schon auf der Cordova Street, in jeder Hand einen Becher Kaffee. Sie reichte ihm einen, registrierte seine harte Miene und wurde ernst.
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, wollte sie wissen.
Er erzählte ihr, was er über Hamilton erfahren hatte, und Felicia entfuhr ein gequältes Stöhnen. »Wetten, der wird uns alles versauen, der Scheißkerl?«
Striker schüttelte den Kopf und grinste geheimnisvoll.
»Ich hab da eine Idee.«
Fünfzehn Minuten später hielt Striker an der Kreuzung Burrard und Pender und ließ Felicia aussteigen. Sie schwang sich aus dem Wagen, drückte die Beifahrertür zu und stellte sich in eine windgeschützte Ecke, etwas abseits von der Straße. Dann zeigte sie ihm die gereckten Daumen, Striker schnappte sich das Funkmikro und schaltete sich zu.
»Detective Striker an Zentrale«, meldete er sich.
Sue Rhaemer antwortete. »Hier ist die Zentrale.«
»Hast du die von mir angeforderte Adresse?«
»Die von Logan?«, kam es zurück. »Ja, die hab ich auf dein Display gesendet.«
»Danke«, sagte Striker. »Kannst du meiner Partnerin sagen, sie soll auf Chat Channel gehen?«
»Mach ich.«
»Ich bin auf Chat«, meldete sich Felicia kurz darauf.
Striker schaltete auf den nächsten Kanal und wartete noch ein paar Sekunden, um auch ganz sicherzugehen, dass Bernard ihr Gespräch belauschte. Dann fragte er über Funk: »Hey, Feleesh, wo bist du?«
»Vierter Stock, wieso?«
»Komm runter. Ich weiß, wo Larisa sich versteckt.«
»Echt? Wo denn?«
»Sie ist in Shaughnessy, 5142 Osler Street. Offenbar wohnt da eine Tante von ihr, die sie vor zwei Tagen aufgenommen hat. Man hat mir bestätigt, dass sie jetzt dort ist. Wir gehen da jetzt rein. Der Chef will, dass das schnell und unauffällig über die Bühne geht.«
»Ich komm jetzt runter«, antwortete seine Kollegin. »Hol mich ab.«
»Mach ich«, sagte Striker. »Verlasse Chat.«
Er wechselte abermals den Funkkanal. Dann rief er in der Zentrale an. Sue Rhaemer war sofort am Telefon. Sie lachte sich halb schlapp.
»Und, hat es funktioniert?«, fragte er.
»Ich checke gerade sein GPS. Und … Bernard fährt in Richtung Süden.«
Strikers Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen.
»Danke und tschüss.« Er legte auf. In diesem Moment kehrte Felicia zurück. Sie warf sich auf den Sitz und zog giggelnd die Beifahrertür hinter sich zu.
»Was meinst du? Hat er uns belauscht?«
»Oh ja, jede Wette.«
Striker startete den Wagen und fuhr nach Westen. »5142 Osler Street«, meinte Felicia versonnen. »In der Gegend um Shaughnessy? Kannst du mir mal verraten, wer da wohnt?«
Striker grinste bloß und fuhr weiter.
»Verlass dich getrost auf mich«, meinte er dann. »Du willst es gar nicht so genau wissen.«