47
Striker wandte sich von der Kamera weg.
»Hier ist jemand!«
Er zog seine Waffe und sondierte mit Blicken das Terrain. Wie auf Knopfdruck sprangen vier winzige rote Lämpchen an. Wie die glutroten Augen eines wütenden Monsters. Striker hob mechanisch die Pistole und stockte mitten in der Bewegung, als er begriff, was die Lichter bedeuteten. Weitere Kamerasensoren.
»Da ist Rauch!«, rief Felicia.
Striker sah es auch. Er starrte durch den dunklen Nebel, der sich langsam ausbreitete. Bei dem Dämmerlicht hatte er zunächst geglaubt, der Rauch stamme von dem verbrannten Kaffee in der Küche. Jetzt, nachdem die dunkle Masse auf sie zurollte, realisierte er die tödliche Wahrheit.
Die Wohnung stand in Flammen. Sie waren geradewegs in eine Falle gelaufen.
Die Waffe im Anschlag, stürzte er durch die Diele zur Treppe, die nach oben zur Tür führte. Und sah bloß dichten, dunklen Rauch. Ein leises Knacken durchschnitt die Luft. Es wurde zunehmend lauter.
»Komm schnell«, brüllte er zu Felicia. »Verdammt, wir müssen hier raus!«
Gemeinsam stürmten sie durch den schlauchartigen Flur. Im Bereich der Treppe wurde der Rauch schwärzer und dichter, das Atmen wurde zur Qual. Die heiße Luft reizte Augen und Lunge. Felicia begann zu husten und presste einen Arm vor den Mund.
Auf der ersten Stufe knickte sie mit dem Fuß um und wäre fast gestürzt, hätte Striker sie nicht geistesgegenwärtig aufgefangen. Er zog sie entschlossen die Treppe hoch. Auf halbem Wege zerrte sie an seiner Winterjacke.
»Es ist viel zu heiß«, überschrie sie den Lärm. »Wir laufen direkt in das Feuer. Wir müssen zurück. Und einen anderen Weg finden.«
Bilder vom Grundriss der Wohnung zuckten durch Strikers Kopf; das gesamte Apartment war unterhalb des Bodenniveaus, und die einzigen Fenster, die er gesehen hatte, waren klein und verriegelt.
»Wir können nicht zurück«, brüllte er. Es gibt keinen anderen Weg nach draußen.«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern schob sie weiter, Felicia an sich gepresst. Sie erreichten die kleine Halle, wo eine immense Hitze durch die Haustür ins Innere drang. Ohne nachzudenken griff Striker nach der Türklinke …
… und riss seine Hand zurück.
Die Türklinke glühte. Er zog hastig sein Jackett aus, wickelte es um den Türgriff und drückte fest zu.
Die Tür bewegte sich keinen Millimeter.
Felicia leuchtete mit der Taschenlampe die Tür ab. Die dichten Rauchwolken machten es fast unmöglich, etwas zu erkennen.
Sie zeigte auf das Türblatt. »Die Tür muss von innen aufgeschlossen werden, siehst du das?«
Ihr Kollege ersparte sich eine Antwort. Er trat zurück und versetzte der Tür mehrere gezielte Tritte, was nicht viel bewirkte. Dann trat er noch ein letztes Mal mit voller Wucht gegen das Holz, bevor er hustend zurückwich.
Brandrauch drang beißend durch die entstandenen Ritzen. Toxisch, tödlich. Nicht mehr lange, und die Luft wäre so dick, dass sie nichts mehr sehen könnten und hilflos in der Dunkelheit herumtasten müssten.
Blind.
Sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Striker zielte mit seiner Waffe. »Das Schloss. Wir müssen das Schloss rausschießen.«
Felicia zog schweigend ihre Pistole und drückte ab. Peng! Peng! Peng! feuerte es auf die Tür. Zwölf Schüsse. Dann war ihr Magazin leer. Sie lud nach.
Striker folgte ihrem Beispiel. Vierundzwanzig Kugeln gingen durch das Holz. Durchbrachen Schloss und Türblatt. Zersplitterten es.
Er trat zurück und versetzte der Tür mehrere Tritte. Das Schloss brach zwar aus, aber die Tür blieb intakt.
»Schieß das Loch größer!«, schrie er.
Felicia feuerte bereits, bevor er den Satz beendet hatte. Sie jagte zwölf weitere Kugeln in das Holz, legte ihr letztes Magazin ein.
Striker ballerte ebenfalls ein volles Magazin leer, dann trat er erneut hart gegen das Holz.
Diesmal brach das gesamte Mittelteil der Tür aus.
Zunächst war Striker erleichtert, und Felicia schrie unbewusst auf. Doch dann drang Brandrauch durch die Öffnung, das Knacken und Krachen verstärkte sich bedrohlich. Flammen leckten an der gähnenden Öffnung.
»Geh zurück! Zurück!«, brüllte Striker.
In den Rauch mischte sich glühende Asche, die ihm Gesicht und Hals verbrannte. Er konnte die Hand nicht vor Augen sehen.
Er riss Felicia an sich. »Der Rahmen!«, schrie er. »Schieß zwanzig Zentimeter über das Schloss! Damit wir es raustreten können! Los, schieß!«
Felicia eröffnete das Feuer mit ihrem letzten Magazin, und die Explosion der Kugeln übertönte das wütende Feuer. Striker folgte ihrem Beispiel und legte sein letztes Magazin ein.
»Ich hab keine Munition mehr!«, schrie Felicia.
Striker sagte nichts. Alles in allem hatten sie jeder drei Magazine durch die Tür geballert. Genug für einen Krater im Holz und um die Balken zu lockern.
Das müsste reichen, dachte er.
Er sprang mit voller Wucht vor die Tür – das Holz knirschte und knarzte. Felicia bearbeitete die Tür ebenfalls mit Tritten.
Endlich gab die Tür nach. Sie brach mit einem kreischenden Schnappen aus, und Striker sah Rauch und Asche und Flammen – und ein winziges Stück blauen Himmel.
Felicia rannte impulsiv los, doch Striker hielt sie zurück. Riss ihr die Winterjacke vom Leib. Stopfte sie ihr vor den Bauch.
»Hier, nimm das!«, brüllte er. »Zieh dir das über Haare und Gesicht!«
Sie warf sich die Jacke über den Kopf, und Striker schob sie vorwärts. Mit einer schnellen Bewegung setzte sie durch den Türrahmen und verschwand. Striker folgte ihr. Den Kopf gesenkt, umklammerte er das Jackett, hielt den Atem an und sprang ins Ungewisse.
Er hatte keine Option.
Er sprang in das tobende Flammenmeer.