33

»Dieser Bernard Hamilton wird mir immer unsympathischer«, knurrte Striker, als sie Burnaby erreichten. »Und ich hab den Typen noch nie leiden können, das sagt schon alles.«

»Was ist, wenn er bloß Larisas Privatsphäre schützen will?«, gab Felicia zu bedenken.

Striker schoss ihr einen vernichtenden Blick zu. »Das glaubst du doch selbst nicht, Feleesh. Bernard Hamilton denkt bloß an seine Karriere, an sonst gar nichts, kapiert? Wir versuchen, die Frau zu retten, und was macht er? Er unterstützt uns nicht einmal dabei. Im Gegenteil: Er wirft uns noch Knüppel zwischen die Beine.«

Er fuhr die Willingdon hoch, bog dann in östliche Richtung auf die Parker Street und parkte vor Larisas Haus. Der kleine Bungalow sah im Hellen ganz anders aus. Die Wände waren nicht grau, sondern dunkelblau gestrichen, der ehemals cremeweiße Stuck stellenweise abgeplatzt und schmuddelig braun. Vor dem Frontfenster waren die Vorhänge zugezogen.

Das fiel Striker sofort auf.

»Waren die von Wagen 87 im Haus?«, fragte er.

Felicia scrollte sich durch den Computerbericht. »Hier steht, nein.«

»Dann war sie zwischendurch zu Hause.«

Er stieg aus dem Wagen und hätte sich fast lang hingelegt auf dem spiegelglatten Asphalt. Mit Felicia im Schlepptau stakste er vorsichtig die betonierte Auffahrt zu dem überdachten Eingang hoch, wo er unschlüssig stehen blieb.

Die Tür war nicht verschlossen, sondern stand einen Spalt breit offen, genau wie am Abend zuvor. Dabei hatte er gestern Abend eigenhändig dafür gesorgt, dass alles zugesperrt war.

»Halt dich bereit«, raunte er Felicia zu.

Als sie nickte und ihm von links Deckung gab, klopfte Striker dreimal fest auf die Tür.

»Larisa?«, rief er. »Hier ist Detective Striker vom Vancouver Police Department. Ich bin’s, Jacob. Sind Sie zu Hause?«

Als niemand antwortete, drückte er mit einer Schulter vorsichtig die Tür auf und spähte ins Innere. In dem Moment erfasste eine Windböe das Holz, und die Tür flog ganz auf. Das Bild, das sich ihm dann bot, versetzte ihm einen mittleren Schock.

Es war das reinste Chaos. Das Haus sah aus, als wäre es systematisch auseinandergenommen worden. Irgendjemand hatte sämtliche Mäntel von den Bügeln heruntergezerrt und vor die Garderobe geworfen, die Taschen nach außen gestülpt. In der Küche waren die Schubfächer aus den Schränken herausgerissen worden, der Inhalt war auf den Küchenfliesen verstreut. Und im Wohnzimmer waren Sofapolster und -rücken aufgeschlitzt worden.

»Irgendjemand ist hier gewesen«, konstatierte Striker. Er zog seine Pistole und glitt in die Halle, Felicia folgte seinem Beispiel. Nach drei Schritten blieb er stehen.

»Bring dich auf der Rückseite vom Haus in Stellung«, raunte er.

»Draußen?«

»Ja. Falls hier jemand im Haus ist, wird er versuchen zu fliehen.«

Felicia blieb unschlüssig stehen. »Wir sollten eine weitere Einheit anfordern, Jacob. Und vielleicht einen Hund.«

»Dafür haben wir keine Zeit.«

»Aber …«

»Ich schaff das allein, Feleesh. Übernimm du die rückwärtige Seite.«

»Nein«, sagte sie bestimmt. »Ich bleib hier und geb dir Deckung. Zur Sicherheit.«

Er gab ihr zunächst keine Antwort. Als er merkte, dass sie wild entschlossen war, nickte er kurz.

»Okay, dann also zusammen.«

»Okay.«

»Polizei von Vancouver«, riefen sie mehrmals, während sie das Haus inspizierten. Im Schlafzimmer sah es kaum anders aus als in Küche und Wohnzimmer. Schubfächer und Schranktüren standen offen, alles war durchwühlt worden, und der Inhalt – Geld, Schmuck, Papiere und Unterwäsche – lag auf dem Boden verstreut.

Der Aktenschrank im Arbeitszimmer war leergeräumt worden. Jemand hatte alles gefilzt, dabei jedoch nichts zerstört.

Es handelte sich also nicht um Vandalismus, sondern jemand hatte etwas ganz Bestimmtes gesucht.

Striker machte von jedem Zimmer einen mentalen Check.

Sie durchsuchten das gesamte Haus vom Keller bis zum Dachboden, vergewisserten sich dabei, dass niemand dort versteckt war. Als sie sich dessen sicher sein konnten, rief Felicia in der Zentrale an und meldete einen Einbruch.

Nach dem Gespräch betrachtete sie gedankenvoll das Chaos im Wohnzimmer. »Sieht nicht so aus, als ob irgendwas fehlen würde«, bemerkte sie. »Ist womöglich gar kein Einbruch gewesen. Könnte genauso gut aus Larisas Nervenzusammenbruch resultieren.«

Striker starrte sie mit großen Augen an. »Du meinst, Larisa hat das Chaos selbst angerichtet?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Weißt du, wie sie sich momentan fühlt? Als wir gestern hier waren, war das Haus ein Schweinestall. Die Schränke standen offen. Überall lagen Papiere herum. Und Klamotten. Heute ist es genauso, bloß noch schlimmer.«

Striker schüttelte den Kopf. »Nein. Das hier ist was anderes.«

Felicia schaute sich im Zimmer um. »Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber nach allem, was wir gehört haben, musst du mir doch zustimmen, dass sie in letzter Zeit verdammt merkwürdig tickt, oder?«

»Das hier waren andere, Feleesh. Wer das gemacht hat, hat etwas ganz Bestimmtes gesucht. Irgendwas Wichtiges.« Er schlenderte durch den Wohnraum und inspizierte dabei die Sachen aus den herausgerissenen Schubfächern. Auf dem Teppich fiel ihm eine geöffnete DVD-Box auf.

Sie war leer.

Er schaute sich suchend um, entdeckte aber keine DVD. Im Arbeitszimmer lagen weitere leere DVD-Hüllen. Von den DVDs keine Spur.

»Jemand hat die DVDs mitgenommen«, folgerte er. »Die DVDs sind alle weg. Fällt dir sonst noch was auf?«

Über Felicias Nasenwurzel bildete sich eine steile Falte. »Hier passt vieles nicht zusammen, Jacob.«

»Zum Beispiel?«

»Zum Beispiel, dass Larisa türmt. Ich kann mir zwar lebhaft vorstellen, dass sie vor einem Einbrecher flüchten würde oder vor einer Einweisung in die Psychiatrie, aber doch nicht vor uns, oder? Überleg doch mal. Du bist ganz gut mit ihr befreundet, sie hat dich angerufen. Dich um Hilfe gebeten. Wieso vertraut sie sich nicht der Polizei an, wenn sie irgendwas loswerden will? Warum läuft sie vor uns weg?«

Striker schob die Pistole zurück ins Holster und kombinierte. Larisa auf der Flucht. Bernards unkollegiales Verhalten. Er war hier gewesen. Zweimal, um genau zu sein.

Schlagartig spürte er ein entsetzliches Engegefühl im Brustraum.

»Ich kann mir vorstellen, warum«, sagte er schließlich.

Zornesblind
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