27

»Gefällt’s dir?«, wollte Ted wissen.

Ich nickte und schob mein Gesicht noch näher an die hohe, schmale Scheibe aus Plexiglas, bis ich fast mit der Nase dranstieß. Es gefiel mir tatsächlich, von hier oben auf die Stadt hinunterzugucken, über den von Kupfermünzen aus aller Herren Länder übersäten Mauervorsprung hinweg.

Wobei sich meine Begeisterung anfangs in Grenzen gehalten hatte. Denn Ted war der Meinung, auf den Telegraph Hill müsste man unbedingt zu Fuß hinauf, nicht mit dem Bus wie die Touristen. Und so war ich ächzend und stöhnend hinter ihm die verdammt steilen Straßen hinaufgestapft, während mir die Sonne, die hier Ende März so viel kräftiger schien als zu Hause in Deutschland, auf den Kopf brannte. Unter dem Rucksack klebte mir mein T-Shirt bald feucht auf dem Rücken, obwohl ich meine Sweatjacke schon längst ausgezogen und um die Hüften gebunden hatte. Ich hatte zwar nichts gegen Bewegung, aber das hier war definitiv etwas anderes, als joggen zu gehen. Ted schien dieser Marsch viel weniger auszumachen, auch die unzähligen Stufen, die schließlich durch das Grün hoch aufschießender Sträucher zum Coit Tower hinaufführten. Aber er war ja auch ganz andere Wanderungen gewohnt. Jahrelang war er bei Tropenhitze oder wasserfallartigen Regengüssen in unwegsamem Gelände mit seinem Rucksack und seiner Ausrüstung unterwegs gewesen, über reißende Flüsse, durch dichten Dschungel und auf Berggipfel hinauf.

Oben auf dem Hügel zerzauste mir eine angenehme Brise die Haare und kühlte mein erhitztes Gesicht, während ich unter der eisernen Statue von Christoph Columbus meinen Blick über die Zweige grüner Sträucher wandern ließ. Auf der einen Seite spannte sich orange leuchtend die Golden Gate Bridge zu den gegenüberliegenden braunen Hügeln, auf der anderen erstreckte sich ihr Gegenstück, die silbergraue Bay Bridge, und dazwischen lag die berüchtigte Gefängnisinsel von Alcatraz wie ein verwitterter Fischkutter im blauen Wasser.

Der Coit Tower selbst erinnerte mich an eine Schachfigur aus schmutzigem Elfenbein, und nachdem uns Ted in dem winzigen, bis zur Decke mit Souvenirs vollgestopften Shop, in dem man sich kaum umdrehen konnte, die Eintrittskarte besorgt hatte, quetschten wir uns im unteren Stockwerk mit seinen bunten, bäuerlichen Wandmalereien zwischen anderen Besuchern in den Aufzug. Das Ziehharmonikagitter hinter der Aufzugstür klemmte ein bisschen und war ebenso vorsintflutlich wie die beängstigenden Geräusche, die er beim Hochruckeln von sich gab. Das Geratter und Gequietsche wurde jedoch mühelos von der rauen Stimme der sehr netten, sehr redseligen Liftführerin übertönt, die mir ein Hallo, sweetheart! zugurrte, als sie uns mit ihrem Knipser ein Sternchen in den Eintrittsbon stanzte.

Ringsum breitete sich die Stadt vor mir aus, von den Piers, den lang gestreckten Gebäudezungen aus Kaimauern, Schuppen und Lagerhäusern, die wie die Strahlen einer Sonne ins Wasser hineinragten, bis hin zu den eleganten Fassaden der Wolkenkratzer im Financial District, deren Fensterscheiben in der Sonne glänzten. Dazwischen waren Tausende und Abertausende von würfelförmigen Häusern mit Flachdach wie Bauklötzchen auf einem überdimensionierten, ins Unendliche vervielfachten Schachbrett angeordnet, mit einzelnen Hochhäusern als besonders markanten Punkten. Von hier oben sah San Francisco gar nicht mehr so bunt aus, sondern cremefarben und beige, von dem dunklen Grün der Bäume und Parks durchzogen.

»Was ist das da unten?« Ich zeigte auf einige Häuserblocks hinunter, auf denen rote Fähnchen wehten; dazwischen konnte ich geschwungene Dächer aus grünen Schindeln erkennen.

»Das ist Chinatown«, erklärte Ted. »Und schräg rechts dahinter ist unser Viertel. Siehst du’s?«

Unwillkürlich hielt ich nicht nach dem vanillepuddinggelben Apartmenthaus in der Sacramento Street Ausschau, sondern nach dem Backsteinturm der Christian Science und nach dem Haus in der Franklin Street. In mir krampfte sich etwas zusammen, als ich an Nathaniel dachte.

Drei Tage war ich nicht mehr dort gewesen, den gestrigen Samstag nicht mitgerechnet, und er fehlte mir so, dass es mir sehnsüchtig in der Magengegend zog. Ich wusste einfach nicht, was ich von ihm halten sollte. Immer wenn ich mir fast sicher war, dass er mich auch mochte, immer wenn ich überzeugt davon war, jetzt, jetzt, endlich, würde er die Hand nach mir ausstrecken, zuckte er zurück. Wie er sich am Dienstag so abrupt aufgesetzt und mich dann gar nicht mehr angesehen hatte, tat mir jetzt noch weh.

Früher hatte ich nur ein genervtes Augenrollen für Mädchen übrig gehabt, die in einen schwierigen Typen verknallt waren und ihn mit sich spielen ließen wie mit einem Jo-Jo: Auf einen Wink des Zeigefingers durften sie heranschnurren, aber sobald sie dicht an ihm dran waren, wurden sie mit einem Fingerschnicken an der langen Leine wieder weggeschickt, an der sie dann ebenso hilflos wie hoffnungsvoll baumelten. Zum ersten Mal verstand ich diese Mädchen und es war mir selber peinlich.

Ewig war ich gestern vor meinem Laptop gesessen und hatte mit mir gerungen, Julia oder Sandra alles zu erzählen und sie um Rat zu fragen. Aber Julias letzte Mail hatte sich nur um einen gewissen Alex gedreht, den sie auf einer Fete bei ihrer Cousine kennengelernt hatte, und Sandra hatte mir in einer endlosen Mail haarklein ihr erstes Mal mit Hannes am letzten Wochenende geschildert und dabei auch kein noch so winziges Detail ausgelassen. Dinge, die ich eigentlich über meinen früheren Kumpel nicht unbedingt wissen wollte. Bei Tee und Keksen in meinem Zimmer wäre es vielleicht was anderes gewesen. Aber in einer Mail fühlte es sich irgendwie … komisch an. Und Gabi wollte ich nicht anrufen. Ihr konnte ich nichts vormachen, sie hätte früher oder später doch aus mir herausbekommen, dass Nathaniel kein Zuhause hatte. Sie wäre sicher nicht begeistert, dass ihr Patenkind sich in einen Streuner verguckt hatte. Wäre ich wahrscheinlich auch nicht, an ihrer Stelle. Wieder einmal merkte ich, wie sehr Mam mir fehlte.

Grüblerisch lehnte ich die Stirn an das Plexiglas und starrte auf die Stadt hinunter. Erstaunlich, wie viele Details man von hier oben noch gut erkennen konnte. Eine einladend hergerichtete und hübsch dekorierte Dachterrasse. Eine Kirche mit Doppelturm im Zuckerbäckerstil. Kinder, die auf einem umzäunten Sportplatz herumtobten. Segelschiffe, Lastkähne und Containerriesen, die sich in der Nähe und in der Ferne auf dem Wasser tummelten, und die Stahlseile der Golden Gate und der Bay Bridge. Für eine so große Stadt mit so viel Verkehr war die Luft unglaublich klar. Das helle Beige der Flachdächer und das Silber der Wolkenkratzer, das tiefe, satte Grün von Bäumen und Sträuchern, das sanfte Braun der gegenüberliegenden hügeligen Küsten und das leuchtende Blau von Himmel und Bucht – alles war heute deutlich zu erkennen, ganz ohne Nebel und Dunstschleier.

Und seltsam, wie sich die Sicht veränderte, je länger man von so hoch oben hinabschaute. Nicht nur auf die Stadt. Vielleicht war mein Problem gar nicht so groß, wie ich dachte. Vielleicht hatte ich es selbst in der Hand, endlich Klarheit zu schaffen. Morgen, versprach ich mir selbst. Morgen werd ich’s wissen. Morgen muss ich es wissen.

»Was meinst du«, sagte Ted in meine Gedanken hinein, »sollen wir morgen zum Fisherman’s Wharf hinunter und die Seelöwen dort angucken? Ist zwar voller Touristen, aber trotzdem ganz schön.«

Irritiert sah ich ihn an. »Musst du morgen nicht an die Uni?«

»Ich hab doch Ferien«, erwiderte er mit einem Augenzwinkern. »Genau wie du.« Ups. Richtig. Spring Break, die Frühjahrsferien, in denen die Universität genauso dicht war wie die Jefferson High. »Oder hast du schon was vor?«

Ich senkte den Kopf und tappte mit der Spitze meines Sneakers über den Betonboden. Einen Tag würde ich es doch noch aushalten. Ein Tag ohne Nathaniel. Ein Tag der Ungewissheit. Nur einen Tag. Einen einzigen, lächerlichen Tag.

»Eigentlich wollte ich lernen«, murmelte ich.

»Damit kannst du auch noch übermorgen anfangen. Du hast dir die Ferien wirklich verdient.«

Im totalen Blindflug hatte ich Mitte März die Orientierungsprüfungen geschrieben, für die ich abends an meinem Schreibtisch gepaukt hatte. Nur halbherzig und auch nur mit halbem Hirn, weil ich immerzu an Nathaniel denken musste. Meine Ergebnisse waren nicht glänzend gewesen, aber trotzdem besser als erwartet, ein A in Englischer Literatur und drei C, sonst lauter B. Ich war auf einem guten Weg, hieß es.

Mein Kopf senkte sich tiefer. »Ich hab mich schon zum Lernen verabredet.«

»Mit Matt Chang?« Teds neckender Tonfall ließ mir das Blut ins Gesicht schießen. »Schon in Ordnung. Ich wollte mich irgendwann diese Woche ohnehin mit einem alten Freund treffen. Dann seh ich zu, dass ich das morgen mache, und wir gehen eben Dienstag zu den Seelöwen, okay?«

Ich nickte und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen.

»Hey.« Ted berührte mich leicht am Arm. »Ist wirklich okay! Aber es wäre nett von dir, wenn du mit deinem alten Dad jetzt noch nach Chinatown hinuntergehen würdest und hinterher zu Lori’s. – Einverstanden?« Ich konnte ihn förmlich grinsen hören.

Von unten herauf lächelte ich ihn an. »Einverstanden.«

»Das ist Old St. Mary’s«, erklärte Ted und zeigte auf die Backsteinkirche auf der rechten Seite, die mit ihrem eckigen Turm und den Verzierungen in Anthrazitgrau so englisch-viktorianisch aussah wie aus einem Roman von Charles Dickens. »Die einzige Kirche der Stadt, die das große Beben überstanden hat.« Das Gebäude wirkte hier vollkommen fehl am Platz zwischen all den bunten Pagodendächern.

Ich fand es ziemlich schräg, den steilen Telegraph Hill zu Fuß hinaufzukeuchen, dann aber wieder mit dem Bus hinunterzufahren, weil Ted meinte, ich müsste Chinatown einfach erleben, indem wir von unten nach oben hindurchschlenderten.

Das chinesische Tor mit seinem dreiteiligen Stufendach aus grünen Ziegeln, durch das wir gekommen waren, war wie das Tor zu einer anderen Welt. Hier in Chinatown war San Francisco nicht einfach bunt, sondern knallig. Rot-gelbe Wimpel und rote Lampions mit goldenen Troddeln überspannten die schmale, auf beiden Seiten zugeparkte Einbahnstraße zwischen knallgelb und grellrosa angestrichenen Häusern. Dazwischen waren immer wieder Hausteile grün angemalt, in genau demselben Grün wie die Ziegel auf den geschweiften Vordächern, und auf manchen der Häuser thronten mehrstöckige Pagodendächer. Die rot-goldenenen Straßenlaternen wurden von goldenen Drachen umklammert, deren langer Schwanz sich mehrere Male um die quietschgrünen Pfosten wickelte. Auf Schildern waren sowohl chinesische Schriftzeichen als auch amerikanische Wörter zu lesen, mal mit Edding auf neonbunten Karton gekritzelt, mal mit Goldbuchstaben auf rotem Grund fixiert, und auf den schmalen Bürgersteigen eilten die Chinesen, die hier lebten und arbeiteten, vorüber, während die Touristen gemächlich durch die Straßen bummelten.

Dass es in Amerika keinen wirklichen Sonntag gab, daran hatte ich mich noch nicht so richtig gewöhnt, und auch hier in Chinatown hatten nicht nur die Imbisse und die Restaurants geöffnet, sondern auch die Massagesalons und vor allem die unzähligen Shops mit Kunsthandwerk und Souvenirs, mit Schmuck, Handtaschen und Asia-Klamotten. Von billig bis nobel und luxuriös war alles dabei. KANTON BAZAAR auf der rechten Seite bot erlesene Schätze aus Fernost und dementsprechend schick und teuer sahen die Auslagen aus. Definitiv zu teuer für eine Schülerin, selbst mit väterlicher Kreditkarte, und ich blickte über die Straße.

CHINA BAZAAR las ich dort in roten Buchstaben über einem Geschäft, und darunter versprach ein Schriftzug gleich Tausende einzigartiger Artikel, von denen schon geschätzt die Hälfte in den breiten, übervoll dekorierten Schaufenstern ausgestellt zu sein schienen. Ich blieb stehen und musterte das Gebäude, das mich mit seiner in Grün, Gelb und Pink angestrichenen Fassade an eine künstlich eingefärbte Torte erinnerte.

»Magst du da mal reinschauen?«, fragte mich Ted.

Ich hob zögernd eine Schulter. »Vielleicht. Gabi hat doch in ein paar Wochen Geburtstag und sie mag Asia-Schnickschnack ganz gern.«

»Na, dann komm.«

Ich wusste nicht, wohin ich zuerst schauen sollte in diesem kunterbunten Durcheinander aus bemalten Fächern, Winkekatzen und vor allem Buddhas in allen Farben, Formen und Variationen. Nur Drachen waren hier noch häufiger vertreten: als Marionetten, die zwischen unzähligen verschiedenen Lampions von der Decke hingen, als Schlüsselanhänger oder Kühlschrankmagnet und auf bestickten Geldbeuteln und Morgenmänteln. Plastikblumen und Lavalampen drängten sich zwischen aufgestapelten Kartons, die laut Abbildung Zimmerspringbrunnen enthielten. An der einen Wand hingen Dutzende Handtaschen und bunt gemusterte Shopper, an der anderen waren Bollywood-Poster zu sehen und Bilder von unnatürlich roten Sonnenuntergängen, Zen-Gärten und spielenden Katzen. Kitsch as Kitsch can, wohl alles in allem mehrere Hundert Quadratmeter davon. Oder Kubikmeter, wenn man die Regale dazurechnete, die mit Windlichtern in allen Farben des Regenbogens, chinesischen Mini-Vasen und glitzernden Döschen und Kästchen vollgestellt waren und an denen sich die Touristen vorbeischoben.

»Ich guck mich mal kurz oben um«, sagte ich zu Ted und stiefelte die schmale Treppe in der Mitte des Ladens hoch. Und fand mich in einem bonbonrosa Horror aus lauter Hello-Kitty-Kram wieder, der nahtlos in ein Sortiment an Manga-Figuren und bizarren Scherzartikeln überging. Gruselig! Als ich wieder herunterkam, wurde ich beinahe von einer Horde japanischer Mädchen in kurzen Röcken und Kniestrümpfen umgerannt, die kichernd und quiekend auf die Treppe zusteuerten. Mit einer halben Drehung wich ich ihnen schnell aus und mein Rucksack stieß gegen irgendetwas.

»Hoppla! Vorsicht!«

Ich fuhr herum. »Oh, sorry, ich …«

Erschrocken und verdutzt sahen wir uns an, Matt Chang und ich. Ich vielleicht noch verdutzter, denn seine Gelfrisur war nicht mehr pink, sondern leuchtete feuerrot. Chilischotenrot. Sicher auch keine Farbe, die Mrs Jankovich gefallen hätte.

»Hi«, sagte er leise. Er presste den großen Karton, den er in den Händen hielt, fester an sich, und zwei glühende Flecken erschienen auf seinen Wangenknochen.

»Hi.« Ich ruckte mit dem Kinn in seine Richtung. »Bloody Mary?«

Einer seiner Mundwinkel verzog sich zur Andeutung eines Grinsens. »Strawberry Daiquiri.«

Um den Hals hatte er das Totenkopftuch gewickelt, das er irgendwie immer trug, und der Aufdruck seines schwarzen T-Shirts über dem dunkelblauen Longsleeve empfahl Fuck Google – Ask Me!

Mein Blick fiel in den Karton, und meine Brauen rutschten nach oben, als ich die Action-Figuren darin als Michelle und Barack Obama identifizierte, sie in einem schwarz-weißen Kleidchen und ihr Plastik-Gegenstück im goldglänzenden Elvis-Anzug.

»Trägt man jetzt so in Taiwan.« Matts Grinsen vertiefte sich. Ich hatte noch nie vorher bemerkt, was für lange und dünne Finger er hatte, und dass er fast einen Kopf kleiner war als ich. Sein Blick konzentrierte sich auf einen Punkt hinter mir. »Dein Dad?«

Ich drehte mich halb um. Sichtlich bemüht, nicht allzu neugierig herüberzuschauen, betrachtete Ted gerade eine dicke Geisha in schreiend buntem Kimono, deren kugelrunder Kopf ewig nachwackelte, wenn man ihn anstupste. Ich nickte.

»Sieht man.« Bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte, klemmte Matt sich den Karton unter einen Arm und tigerte mit der ausgestreckten Rechten auf Ted zu. »Hi. Matt Chang. Ich gehe auf dieselbe Schule wie Amber.« Ich schickte ein super-eiliges Stoßgebet zum Himmel.

»Oh!«, rief Ted erfreut aus und schüttelte Matt kräftig die Hand. »Hallo! Ted Fowler. Du bist also Matt! Ich hab schon viel von dir gehört. Das ist wirklich sehr nett von dir, dass du Amber abends immer heimfährst! Ich beteilige mich selbstverständlich an den Benzinkosten!«

Und wieder war kein Schwarzes Loch in der Nähe.

»Äähm …« Matts schmale Augen wanderten fragend zwischen Ted und mir hin und her.

Ich riss die Augen auf und schnitt verstohlen eine Grimasse. Auf Matts Gesicht zuckte ein kleines Grinsen auf. »Ach was, nicht der Rede wert. Schon okay so. Mach ich doch gern!«

»Und wenn ihr wieder zusammen lernen wollt, könnt ihr das auch bei uns zu Hause machen. Du bist jederzeit willkommen!«

Matt sah mich mit hochgezogenen Brauen an und ich antwortete mit einem flehenden Blick.

»Yapp, okay. Danke, Mister Fowler«, sagte er schnell. »Ich, äh, muss dann auch wieder. Bis dann.« Den Karton vor sich her balancierend, ging Matt an mir vorbei zur Treppe. »Bye, Amber. Bis nächstes Mal bei …«

»Bis morgen«, warf ich ihm hastig hinterher. Er drehte sich auf der Stufe um und sah mich verblüfft an. Ich zeigte ihm mein flehentlichstes Gesicht und er grinste. »Äh, ja, klar. Bis morgen dann!«

Danke, formte ich stumm mit dem Mund, und er zwinkerte mir zu, bevor er die Treppe hinaufschlappte.

»Wolltest du nicht für Gabi …«, setzte Ted an, als ich mich eilig in Richtung Ausgang durch das Sortiment des Ladens hindurchschlängelte.

»Ein anderes Mal vielleicht«, brummelte ich und flüchtete über die Türschwelle auf die Straße hinaus.

»Das war also Matt Chang«, hörte ich Ted hinter mir. »Der ist wirklich sehr nett! Ein guter Typ. Sagt man doch so in eurem Alter, oder?«

»Hmpf«, machte ich; mein Gesicht fühlte sich an, als hätte es die gleiche Farbe wie Matts Haare. Tomatenketchuprot. Aber mein Herz schlug frei und schnell, weil ich die ganze Zeit daran denken musste, dass ich morgen Nathaniel sehen würde.