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Ich stand oben an der Treppe und schaute zu ihr hinunter.

Als sie sich niederließ, hockte ich mich ebenfalls hin und sah ihr durch die geschnitzten Streben hindurch zu, wie sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht rieb, dann aufseufzend auf den Rücken fallen ließ und die Knie anzog. Immer wieder lief ein Zittern durch ihre Beine, das sie loszuwerden versuchte, indem sie sie locker ausschüttelte.

Ihre Augen waren geschlossen, das konnte ich erkennen, und auch dass ihr langes Haar einen rötlichen Schimmer hatte. Sie war wirklich sehr jung, kein kleines Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau. Ich wäre gern zu ihr hinuntergegangen, um sie aus der Nähe zu betrachten. Um mehr von ihrem Gesicht sehen zu können. Aber etwas hielt mich davon ab, eine Art von Scheu, die mir sonst fremd war.

Sie war anders als die anderen, die früher ab und zu hier eingedrungen waren. Die mit betont festen Schritten umhermarschierten, Fenster und Türen aufrissen und die verhüllten Möbel verrückten. Überlaut und forsch hatten ihre Stimmen dabei geklungen, als wollten sie damit die Stille in den Räumen hinausfegen und ihr Unbehagen übertönen. Und keiner von ihnen war je wieder zurückgekehrt.

Sie jedoch war voller Angst hier hereingestürmt; eine Angst, die nun von ihr abperlte und irgendwo im Raum versickerte. Als fühlte sie sich hier gut aufgehoben. Ausgerechnet hier.

Sie verwirrte mich und das ließ mich auf der Hut sein. Vor ihr. Vor mir selbst.

Dennoch verspürte ich Bedauern, als sie irgendwann die Augen öffnete und sich aufsetzte, auf wackeligen Beinen zum Stehen kam und ihren Rucksack aufhob. Ich wollte sie hierbehalten, mehr von ihr sehen, mehr von ihr wissen. Am liebsten hätte ich sie bei den Schultern gepackt und mit Gewalt zurückgehalten. Stattdessen umklammerte ich die Streben der Balustrade vor mir und presste mein Gesicht dagegen.

Bitte bleib, flüsterte ich stumm gegen das Holz. Bleib hier. Bitte.

Ihre Schritte verlangsamten sich und sie wandte sich um. Ein Schaudern lief durch sie hindurch, und eilig ging sie weiter, ein bisschen unsicher in der Dunkelheit und doch zielstrebig. Ich spürte, wie sie sich von mir entfernte und etwas mit sich fortnahm, das ich nicht benennen konnte. Etwas, das ich vorher auch gar nicht gekannt hatte, aber nach dem ich jetzt umso mehr hungerte.

»Komm zurück«, murmelte ich in das Haus hinein, das danach noch stiller dalag als zuvor. Noch leerer.

Morgen. Übermorgen. Irgendwann. Nur komm bitte wieder hierher.