Professionalität
Professionalität hat in der Kommunikation in den letzten zwei Jahrzehnten eine enorme Wertsteigerung erfahren. Wer im Berufsleben den Wunsch hat, jemanden unmöglich zu machen, wirft ihm am besten vor, «unprofessionell reagiert» zu haben. Und tatsächlich, besonders in Krisen und schwierigen Momenten, auf der Kippe zwischen Gedeih und Verderb, hängt viel davon ab, ob jemand zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Kontext die richtigen Worte findet. Gut, wenn er/sie dann die Regeln der Kunst beherrscht und sich nicht allzu sehr dem Menschlich-Allzu-Menschlichen überlässt.
Professionelle Kommunikation macht es uns auch zur Aufgabe, zwischen Mensch und Rolle klar zu trennen. Wenn ich es am Flughafen-Schalter mit Reisenden zu tun bekomme, deren Koffer nicht mitgelandet sind, dann bin ich gut beraten, unflätige Schimpfkanonaden nicht persönlich zu nehmen. Die richtige («professionelle») Mannschaftsaufstellung wäre: die sachliche Aufklärerin und (ein wenig) die Empathische an der Kontaktlinie, die empfindliche «Kleine» irgendwo im Hinterland der Seele an einem sicheren Ort (→ Inneres Team).
Trotz alledem ist das Ideal der Professionalität für die menschliche Kommunikation nicht unproblematisch. Das Wesen der Professionalität liegt in der Rationalität, der Kontrolle und der Perfektion. Für die menschliche Seele sind das, im Übermaß angestrebt, fragwürdige Qualitäten: Zur Menschlichkeit gehört die Berührbarkeit im Gefühl, die Herzlichkeit, die «Natürlichkeit», die sich der einstudierten Norm entzieht, die Fehlbarkeit (nobody is perfect). Und der Ehrgeiz, alles (auch sich selbst) zu kontrollieren und «im Griff zu behalten», kann sich im zwischenmenschlichen Kontakt als ungut erweisen. Professionalität und Menschlichkeit stehen also in einem prekären Verhältnis zueinander – und sind doch für ein Gelingen der zwischenmenschlichen Kommunikation aufeinander angewiesen. Eine anspruchsvolle Partnerschaft!