Positive Umdeutung
Positive Umdeutung oder auch Reframing bedeutet, dass eine → Äußerung, eine Verhaltensweise oder ein innerseelischer Vorgang mit einem neuen, positiven Bedeutungsrahmen versehen wird.
Beispiel: Neben Frau Meyer ist ein neuer Nachbar eingezogen. Am Tag nach dem Einzug klingelt er bei ihr, um sich vorzustellen. Die beiden kommen ins Gespräch, und der Nachbar stellt Frau Meyer eine Menge Fragen: «Wohnen Sie schon lange hier? Alleine? Was machen Sie denn so beruflich?» Frau Meyer empfindet diese Fragen vielleicht als zudringlich und den Nachbarn als neugierigen Störenfried. Im Sinne einer positiven Umdeutung des Verhaltens würde sie ihren Ersteindruck überdenken, könnte ihrem Nachbarn «Gutes unterstellen» und sein Verhalten als Ausdruck von Interesse und dem Wunsch deuten, ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis aufzubauen. Je nachdem, welche Bedeutung Frau Meyer dem Verhalten zuschreibt, wird ihre Reaktion auf den neuen Nachbarn unterschiedlich ausfallen. In der zwischenmenschlichen Kommunikation kann uns die positive Umdeutung helfen, den guten Kern im Verhalten des anderen zu erkennen und zu würdigen (→ Werte- und Entwicklungsquadrat). Dann wird es auch leichter, aus → Teufelskreisen auszusteigen.
Positives Umdeuten kann auch ein Segen sein, wenn es um die Integration eigener, abgelehnter innerer Anteile geht: Bin ich z.B. angesichts von Kritik schnell am Boden zerstört und finde ich mich selbst überempfindlich und mimosenhaft, dann besteht die Gefahr, dass diese empfindlichen Anteile in mir der inneren Verachtung anheimfallen (→ Inneres Team). Durch eine Umdeutung dieser Anteile, die mir selbst so negativ erscheinen, könnte sich eine ganz andere Perspektive ergeben: Wie gut, dass ich berührbar bin und mir die Reaktionen meiner Umwelt nicht gleichgültig sind. Wie verheerend wäre es, wenn jegliche Kritik an einem dicken Fell abprallen würde!
Umdeutung soll jedoch nicht dazu führen, sich im Sinne einer Kritikvermeidung alles Unangenehme schönzureden. Es geht vielmehr darum, einmal eine andere Brille auszuprobieren, irritierbar zu bleiben und die eigene erstbeste Bedeutungszuschreibung in Frage zu stellen – auch und vor allem dann, wenn es innermenschlich oder zwischenmenschlich schwierig wird.