Aktives Zuhören
Aktives Zuhören hat zwei Bedeutungen und zwei Komponenten. Erstens ist damit eine innere Einstellung während eines Gespräches gemeint, die sich intensiv auf das, was der andere mitteilt, konzentriert: Ich bin «ganz Ohr»! Zweitens ist es aber auch eine ganz bestimmte Art, auf den anderen in der Rückäußerung zu reagieren: Ich gebe das, was ich von ihm aufgenommen und atmosphärisch erspürt habe, mit meinen eigenen Worten möglichst prägnant wieder. Anders ausgedrückt: Ich mache das Ergebnis meines Zuhörens zum Inhalt meiner Rückäußerung. Dabei enthalte ich mich eigener Wertungen und wähle die Formulierung so, dass der andere sich maximal gut verstanden fühlt.
Nicht immer passt ein solches Kommunikationsverhalten zur Situation und zur Beziehung (→ Stimmigkeit), aber wenn es passt, kann es für den anderen überaus wohltuend sein und ihn zu weiterer und vertiefter → Selbstklärung anregen. Daher gehört das Aktive Zuhören in der Gesprächstherapie nach Carl Rogers zum Basisverhalten des Therapeuten. Freilich setzt das Aktive Zuhören viel Einfühlungsvermögen (→ Empathie) und weiterhin auch die Fähigkeit voraus, in der «Sprache des Herzens» die treffenden Worte zu finden. Es will also gekonnt sein, deshalb gehört es zu den Grundübungen jedes Kommunikationstrainings.
Ratsam ist, dieses Gesprächsverhalten in Verbindung mit der dazu passenden menschlichen Haltung in verschiedenen Stufen zu vermitteln: Die erste Stufe des Aktiven Zuhörens ist das Herstellen einer Beziehung, indem man dem Gegenüber Interesse und Aufmerksamkeit signalisiert, z.B. durch so genannte Telefonlaute («Hmm», «Ah ja …»).
Im zweiten Schritt werden die verstandenen Inhalte vom Zuhörer in eigenen Worten wieder gegeben; diese Stufe des Aktiven Zuhörens wird auch Paraphrasieren genannt: «Ich möchte mal wiedergeben, was ich bis jetzt verstanden habe (…) Stimmt das so?» Hilfreich ist dabei die innere Grundhaltung des «einfühlenden Verstehen-Wollens», bei der man einen Perspektivwechsel vornimmt und versucht, die Welt des anderen mit seinen Augen zu sehen.
Die dritte Stufe des Aktiven Zuhörens, das Verbalisieren, geht über das Gesagte hinaus: Der Zuhörer versucht nun, auch das Unausgesprochene, die (emotionalen) Zwischentöne des Gesagten herauszuhören und wiederzugeben. Dies sollte immer mit einem «inneren Fragezeichen» geschehen, da letztlich nur der Gesprächspartner wissen und rückmelden kann, ob die vom Zuhörer geäußerten Vermutungen zutreffen: «Das klingt so, als wärest du nicht nur anderer Meinung, sondern auch regelrecht empört?»
Das Aktive Zuhören gehört zu den Kernkompetenzen der → Gesprächsführung, es ist die Basis für gegenseitiges Verstehen und klaren Austausch. Dies gilt besonders für kontroverse Auseinandersetzungen, in denen man versucht, das Interesse hinter der Position des Gesprächspartners zu erkunden und sich im weiteren Gespräch auf dieses Interesse zu beziehen. Die Sichtweise des anderen zu verstehen und sein Interesse zu erkennen heißt jedoch nicht, damit einverstanden zu sein. In einem Gespräch sollte die Fähigkeit zum Aktiven Zuhören ergänzt sein um die Fähigkeit, persönlich Stellung zu beziehen, damit beide Gesprächspartner in ihren Positionen füreinander greifbar und deutlich werden.
Aktives Zuhören kann, wenn es übertrieben wird, zum Psychologisieren verkommen und erscheint dann als gekünstelte Marotte oder als → Oberhand-Technik, die es dem Betreffenden erspart, selbst Farbe zu bekennen, und die den Fokus penetrant auf der Befindlichkeit des Gegenübers belässt. Beispiel: Susi sagt zu ihrem Mann Bernd: «Du hast den Mülleimer immer noch nicht runtergebracht!» Antwort von Bernd: «Ist es so, Liebling, dass du ungeduldig und auch schon etwas ungehalten bist, wenn du merkst, dass ich Dinge, die Dir sehr wichtig sind, auf die lange Bank schiebe?»
Im Alltag ist Aktives Zuhören in vielen Fällen nicht angebracht, nämlich immer dann, wenn in der Situation nicht wirklich Einfühlung und Perspektivenübernahme gefragt sind. Wohldosiert, an der richtigen Stelle und ergänzt um die Bereitschaft, selbst Farbe zu bekennen, kann das Aktive Zuhören in Kontroversen und emotional aufgeladenen Situationen jedoch überaus sinnvoll und hilfreich sein.
Literatur
Schulz von Thun, F./Ruppel, J./Stratmann, R.: Miteinander reden. Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, S. 70ff.
Schulz von Thun, F./Stierlin, L.: Zur Psychologie des guten Zuhörens. In: Klarkommen mit sich selbst und anderen, S. 234ff.