Erlebnisaktivierende Methoden
Erlebnisaktivierende Methoden werden in der Beratung eingesetzt und zielen darauf, das → Anliegen eines Ratsuchenden nicht nur auf der Ebene der Reflexion zu bearbeiten, sondern auch emotional erlebbar zu machen. Beispiel: «Ich habe ein verlockendes berufliches Angebot bekommen, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mir und meiner Familie damit nicht zu viel zumute. Wie soll ich mich entscheiden?» Bei diesem Anliegen bietet sich zunächst die Erhebung und Visualisierung (→ Visualisieren) des → Inneren Teams an. Der Ratsuchende benennt im Dialog mit dem Berater verschiedene Stimmen, die sich in ihm zu dem Thema melden. Besonders prägnant und energiegeladen erscheinen zwei Stimmen: Der «Karrierist» sieht die Aufstiegschance («Da musst du zugreifen!»), während der «Familienmensch» davor warnt, Frau und Kindern die Mehrbelastung durch den Karriereschritt zuzumuten («Du bist jetzt schon ein Wochenend-Ehemann und ein Wochenend-Vater!»). Nun könnte sich folgende Erlebnisaktivierung anschließen: Der Berater lädt den Ratsuchenden ein, mit beiden inneren Stimmen nacheinander nicht nur reflektierend, sondern auch emotional und aktional in Kontakt zu treten. Dieser setzt sich auf einen bereitgestellten Stuhl, schlüpft ganz in die Rolle der einen Stimme, nimmt eine entsprechende Körperhaltung ein und spricht aus dieser Perspektive heraus. Der Berater gestaltet den Dialog im Wesentlichen mit Fragen, zum Beispiel: «Was genau befürchtest du, Familienmensch, könnte die Entwicklung in der Familie sein?» Entsprechend verfahren Ratsuchender und Berater mit der zweiten Stimme. Durch dieses Vorgehen wird die innere Ambivalenz auf einer tieferen Ebene verstehbar und die innere Wahrheit beider Stimmen für den Ratsuchenden fühlbar – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer stimmigen und tragfähigen Lösung.
Findet eine solche Anliegenbearbeitung im Rahmen einer Gruppe statt, beispielsweise im Rahmen eines mehrtägigen Kommunikationsseminars, wäre folgende Variante denkbar: Die beiden Stimmen könnten nach ausführlicher Erkundung vorübergehend von zwei Teilnehmern übernommen werden, die in einem Rollenspiel ein Streitgespräch führen – so wie es der Ratsuchende vermutlich innerlich erlebt. Dieser selbst kann die dabei entstehende Dynamik zwischen den Stimmen von außen auf sich wirken lassen und entwickelt durch diese entlastende Perspektive möglicherweise neue und bereichernde Impulse.
Zu den erlebnisaktivierenden Methoden gehört neben der Stühle-Arbeit unter anderem auch das Erproben von Verhaltensweisen in Form von Rollenspielen sowie die Arbeit mit Skulpturen oder Standbildern, so genannten «Aufstellungen». So können Szenen aus Vergangenheit und Gegenwart, aber auch Zukunftsphantasien inszeniert werden.
Literatur
Schulz von Thun, F.: Praxisberatung in Gruppen.
Benien, K.: Beratung in Aktion.