Kommunikationstraining
Kommunikationstraining bezeichnet eine ein- oder mehrtägige Veranstaltung, in deren Rahmen die Teilnehmer ihre Kommunikationskompetenzen entwickeln und erweitern. Die Kommunikationstrainings nach Schulz von Thun wurzeln im Verhaltenstraining der 1970er Jahre, haben jedoch über die Jahre eine folgenreiche Wandlung und Entwicklung erfahren. Damals waren die Teilnehmer zunächst Lehrer, später auch Führungskräfte, und das Lernziel lautete: «Mehr Partnerschaftlichkeit!» Der Begriff der «sozialen Kompetenz» entwickelte sich als Inbegriff all der Fähigkeiten, die das Menschliche und Zwischenmenschliche betreffen. Der Mensch im beruflichen Kontext sollte künftig nicht mehr nur fachlich-sachlich, sondern auch in sozialer Hinsicht kompetent sein! Diesem Entwicklungsbedarf folgend, begannen die Assistenten von R. Tausch (Inghard Langer, Bernd Fittkau und Friedemann Schulz von Thun) Verhaltentrainings mit Rollenspielen und Feedback durchzuführen, was nicht nur ein neues Verhalten anstrebte, sondern auch eine neue Form der Erwachsenenbildung bedeutete.
Aus den Erfahrungen mit diesem Ansatz sind im Laufe der Jahre viele zentrale Erkenntnisse gewachsen, die zu einer großen Veränderung der Trainings und zu einem neuen Verständnis der Trainerrolle geführt haben. Besonders bedeutsam dabei war die Erkenntnis, dass die Annahme eines für alle Menschen und Situationen gültigen Idealverhaltens geradewegs in eine Verhaltensuniform führt, die dem wahrhaften Menschen darunter ebenso wenig Platz lässt wie den Besonderheiten der Situation.
Weiterhin wurde deutlich: Die Menschen sind unterschiedlich, und das gilt auch für die Teilnehmer von Kommunikationsseminaren! Während Herr Müller sich damit schwer tut, seinen Standpunkt gegenüber den Kollegen klar zu vertreten, hat Frau Meyer diese Fähigkeit schon im Übermaß und erweckt aufgrund ihrer Vehemenz bei ihren Mitarbeitern den Eindruck «Diskutieren zwecklos!» Die beiden nun gleichermaßen darin zu schulen, die eigene Meinung eindeutig und standhaft zu vertreten, würde bedeuten, Frau Meyer einen Bärendienst zu erweisen – jedenfalls solange nicht herausgearbeitet wird, dass die Fähigkeit zur klaren Selbstvertretung eine Ergänzung braucht: nämlich die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich auch auf die Sichtweise des Gegenübers einzulassen. Dass sich die Entwicklungsrichtungen von Menschen «überkreuzen», lässt sich im Modell des → Werte- und Entwicklungsquadrates verdeutlichen, siehe auch → Kommunikationsstile.
Aus diesen Einsichten hat sich eine Kommunikationspsychologie entwickelt, die dem Ideal der → Stimmigkeit folgt: Unser Verhalten sollte zum einen dem Gehalt der Situation entsprechen, also dem Anlass der Begegnung, dem Rahmen, der eigene Rolle, dem Auftrag und dem Ziel gerecht werden. Zum anderen sollte die Kommunikation auch in Übereinstimmung sein mit dem, was den Menschen und seine Persönlichkeit ausmacht: Welche Gedanken und Gefühle regen sich angesichts einer Situation in mir? Bin ich ärgerlich, enttäuscht, verwirrt, unsicher, überrascht oder erstaunt? Was davon möchte ich mitteilen, und welche Art, das auszudrücken, entspricht mir? Die Antworten auf diese Fragen lassen sich in keinem Lehrbuch finden, sie müssen individuell entwickelt und gestaltet werden. Eine Verbesserung der Kommunikation impliziert eine Selbstauseinandersetzung mit dem inneren Menschen, der in mir sein Wesen und manchmal sein Unwesen treibt. Kommunikationsmodelle helfen bei dieser Auseinandersetzung mit sich selbst, insbesondere das → Innere Team. Die Rolle des «Trainers» erweitert sich hier zum (Selbst-)Klärungshelfer.
Die Ausrichtung am Ideal der Stimmigkeit («wesensgemäß und situationsgerecht») statt wie früher an einer standardisierten Verhaltensnorm hat auch den Sinn und Geist unserer Seminare verändert: Das Üben bestimmter Verhaltensweisen ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil – jedoch vor dem Hintergrund der individuell bestimmten Entwicklungsrichtung. Wenn ich erkannt habe, dass ich in manchen Situationen unbedingt die Fähigkeit brauche, «nein» zu sagen; wenn ich erkundet habe, welcher seelische Anteil in mir mich ständig bremst, dies tatsächlich zu tun, dann ist der erste, wichtige Schritt getan. Damit aber aus der Erkenntnis eine Fähigkeit werden kann, braucht es einen Übungsraum, in dem ich erproben kann, wie es ist, «nein» zu sagen. Idealerweise habe ich dann wohlwollende Menschen an meiner Seite, die mir ein Feedback darüber geben, wie das wirkt, was ich da tue. In diesem Sinne spielt das Einüben eines Verhaltensrepertoires eine wichtige Rolle in unseren Kommunikationstrainings, aber es ist nur eine der vier Lernstraßen, die mit «Kopf, Herz, Hand und Fuß» bezeichnet werden können:
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«Kopf»: Vorträge, Theorien und Modelle zur kognitiven Erschließung der Kompetenzfelder
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«Herz»: Die Erkundung des inneren Menschen mit seinen Gefühlen und Strebungen
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«Hand»: Das Einüben von wichtigem Basisverhalten (z.B. aktives Zuhören) sowie von individuell angestrebtem Repertoire im Training
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«Fuß»: Erkundung des eigenen Standpunktes auf dem systemischen Feld: Systemanalyse zur Ermittlung der «Wahrheit der Situation» (→ Situationsmodell)
Literatur
Schulz von Thun, F.: Klarkommen mit sich selbst und anderen, S. 11ff.
Schulz von Thun, F.: Bin ich ein Trainer? In: Schulz von Thun, F./Kumbier, D.: Impulse für Führung und Training, S. 165ff.