Kapitel 70

Bogotá, Kolumbien
15. April 2011

Amonite lag auf dem Hotelbett, am Rande eines Orgasmus, als es an der Tür klopfte.

»Wer ist denn da?«, rief sie.

»George.«

»Augenblick.«

Blödes Arschloch! Das sah ihm ähnlich, genau im falschen Augenblick aufzukreuzen. Sie klappte ihren Laptop zu, stieg in ihre Kampfhose, zog sich ein grünes Hemd über und ging an die Tür.

»Was ist denn?«, fragte sie wirsch, als sie die Tür aufriss.

George stand vor ihr, mit ernster Miene. Er trug einen blauen Nadelstreifenanzug mit passender Seidenkrawatte. Nach allem, was sie über seinen teuren Geschmack gehört hatte, musste ihn die Aufmachung Tausende gekostet haben. Hinter ihm standen zwei Bodyguards in grauen Anzügen.

»Wir müssen reden.«

»Setzen Sie sich doch.«

George nickte den beiden Bodyguards zu, die darauf vor der Tür Posten bezogen. Dann trat er ein, als gehörte das Zimmer ihm. Sachte zog er die Tür hinter sich zu. Er sank in einen Sessel am Fenster und sah sich um.

»Sie sollten sich wirklich was Eigenes kaufen«, sagte er.

»Ich bin ja nie hier.«

George schürzte die Lippen. »El Patrón sitzt mir im Nacken.«

»Ach ja?«

»Er möchte diesen Kershner tot sehen. Und zwar sofort.«

»Wer will das nicht?«

»Er wusste von Kershners Einbruch in das Schutzhaus der Botschaft.« Amonite sagte nichts. El Patrón war außer sich gewesen, als sie ihm von dem Zwischenfall berichtet hatte. Natürlich hatte sie George die Schuld gegeben. Aber El Patrón hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass die drei Agenten der Botschaft zu bestrafen waren. Was Amonite nur recht war. Sie hatte diesen nobligen Engländer, diesen Rupes, von Anfang an nicht ausstehen können.

»Er schraubt die Bombenattentate hoch«, sagte George.

»Ich hab’s gemerkt.«

»Was haben Sie ihm gesagt.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Amonite.«

»Spielchen?«

Georges Augen verengten sich zu waagrechten Schlitzen. Er starrte sie an, kaum dass er blinzelte, als wollte er sie durchschauen. Sie wusste, dass er sie von dem Augenblick an nicht ausstehen konnte, an dem El Patrón ihnen die Zusammenarbeit befohlen hatte.

»Ist die Lieferung angekommen?«, fragte er schließlich.

»Ja.«

»Wieso haben wir noch nichts gehört?«

»Das kommt schon noch.«

Eine Schweißperle erschien auf Georges glatter Stirn. »Sie haben mir nie erzählt, wie Sie mit El Patrón ins Geschäft kamen«, sagte er.

»Sie haben nie gefragt.«

»Und, wie kam es dazu?«

»In Mexiko. Letztes Jahr. Seine Leute haben mich da rausgeschafft.«

»Alle Welt ging davon aus, die Polizei hätte Sie und Don Camplones hingerichtet.«

»Der Don ist umgekommen. El Patrón hat jemanden gefunden, der meine Stelle einnahm.«

George wischte sich über die Stirn. Seine Hände zitterten. Amonite wurde mit einem Mal klar, dass George noch mehr Angst vor ihr hatte als sie vor ihm. »Und Sie?«, fragte sie. Sie verkniff sich ein höhnisches Grinsen ob ihrer Erkenntnis. »Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«

»Vor einer Ewigkeit.« George strich sich übers Kinn. »Ich weiß nicht warum, aber er vertraut Ihnen. Es wäre mir lieb, wenn Sie mit ihm reden würden. Sagen Sie ihm, wir sind dran an diesem Kershner und dass das mit Black Coke klargeht. Überhaupt dass alles rund läuft. Okay?«

»Sicher, George, sicher.«

»Er wollte etwas über unsere Pläne für die Gala wissen.«

»Einzelner Schütze. Die Fluchtroute ist klar. Die ASI ist an Bord.«

»Gut. Der Präsident wird mir langsam, aber sicher ausgesprochen lästig. Ich traue ihm nicht über den Weg.«

»Sie meinen, er wendet sich wirklich gegen uns?«

»Ich bin mir ganz sicher. All das Gerede über Drogen, mehr Soldaten auf der Straße, das ist doch alles Quatsch! Sie haben doch diese Journalistin im Fernsehen gehört. Präsident Caviedas teilt die Ansicht des mexikanischen Präsidenten. Er hat irgendetwas vor. Da bin ich mir ganz sicher.«

»Und was könnte das sein?«

George blinzelte, als würde ihm eben klar, dass er zu viel redete.

»Wann schaffen Sie denn die Waffen aus dem Schutzhaus?«

»Sind bereits auf dem Weg nach Putumayo.«

»Wunderbar.« George stand auf, sichtlich erleichtert. »Gut, ich mache mich dann besser mal auf den Weg.«

Kaum hatte sich die Tür hinter George geschlossen, schlug Amonite einen Jab in die Luft. Sie hätte am liebsten vor Freude geschrien. Der große Sir George Lloyd-Wanless, der skrupellose Politiker, der die Ressourcen Ihrer Majestät für die Front 154 abzweigte, zitterte beim Gedanken daran, El Patrón zu missfallen, und bat sie, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Aber was wusste er über den kolumbianischen Präsidenten, was sie nicht wusste?

Sie zuckte die Achseln. Sie würde es schon noch herausfinden. Sie riss sich das Hemd vom Leib, als ihre Aufregung sie zu erregen begann. Sie legte den Laptop wieder neben sich aufs Bett und starrte auf die Bilder eines jungen El Patrón: offenes Hemd, dünner Oberlippenbart, seine Locken gaben ihm ein jungenhaftes Aussehen. Sie streifte sich die Kampfhose ab, legte sich hin und begann sich zu reiben. Ihre Lust nahm zu.

Ihr Telefon summte.

Anrufer unbekannt.

Verdammt. Sie versuchte das Summen zu ignorieren, aber irgendwie war die Lust wie weggewischt. Sie nahm das Telefon ans Ohr.

»Wer ist da?«

»Rudolph Hoffman. Ich bin privater Militärberater.«

»Was wollen Sie?«

»Dex hat mir gesagt, Sie anzurufen. Ich habe Informationen über zwei Personen, die Sie interessieren dürften.«

Schwarzer Koks
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