Kapitel 17
East London,
England
9. April 2011
Nathan trat Tony in die Seite, bis der sich bewegte. Tony öffnete einen Spaltbreit die Augen, versuchte dann sofort davonzukriechen. Sein kaputter Arm hing lose an ihm herab.
Nathan richtete die Pistole auf ihn. »Du Dreckschwein.«
Tony ließ ein ängstliches Wimmern hören. Nathan setzte sich auf seine Brust und pinnte ihn zu Boden. Mit der linken packte er Tonys Kopf und stieß ihm mit der Rechten die Pistole in den Mund. All der Zorn, die Frustration der letzten Wochen wallten in ihm auf. Ihm wurde ganz schwindlig. Er hätte gute Lust gehabt, Tony eine Kugel in den Kopf zu jagen.
»Wo ist Amonite Victor?«
Tony grunzte etwas. Nathan zog die Pistole zurück, hielt sie ihm aber direkt zwischen die Augen.
»Die bringen mich um«, sagte Tony.
»Das sollte jetzt die geringste deiner Sorgen sein.«
»Amonite ist einer der ganz großen Dealer.«
Nathan drückte Tony die Mündung gegen die Stirn.
Tony quiekte.
»Sag mir was, was ich noch nicht weiß«, sagte Nathan.
»Sie ist Amerikanerin. Sie importiert aus Kolumbien. Sie hat einen guten Kontaktmann in Jamaika, ihr Verteiler für die ganze Welt.«
Nathans Lider zuckten. Dann war also Jamaika Verteilpunkt.
»Wieso ist sie hier?«, fragte er.
Tony zögerte. Nathan verstärkte den Druck der Mündung.
»Antworte, verfluchte Scheiße noch mal!«
»Um ihre Gang aufzubauen.«
»Die Front 154?«
Tony nickte.
»Gehörst du dazu?«
»Mehr oder weniger.«
»Ist Amonite der Boss?«, fragte Nathan.
»Keiner weiß, wer der große Boss ist.«
»Was verkauft Amonite denn?«
»Dieses neue Zeug. Black Coke.«
»Was ist das?«
»Verdammt starker Stoff.«
»Und dafür war der Schotter in dem Koffer?«
Tony nickte wieder.
Nathans Gedanken rasten. Er hatte also die ganze Zeit Recht gehabt, was die Front anging. Er würde Sir George persönlich Bericht erstatten und sich in der Verlegenheit des Bastards suhlen. In Gedanken versunken, lockerte Nathan für den Bruchteil einer Sekunde den Griff um die Pistole. Mit ungeheurem Kraftaufwand rollte Tony sich zur Seite und warf Nathan aus dem Gleichgewicht. Er schlug mit seinem guten Arm zu und erwischte Nathan direkt am Kinn. Sein gebrochener Arm stieß die Browning zur Seite.
Die Pistole flog davon. Nathan stach hinterher. Tony sprang auf die Beine. Er trat Nathan gegen den Hinterkopf. Nathan fiel aufs Gesicht. Er rollte sich in dem Augenblick herum, in dem Tony durch die Tür wollte. Mit der Linken stützte er die Schusshand ab. Er feuerte zweimal. Die Schüsse hallten durch das mittlerweile verlassene Haus.
Eine Kugel traf Tony seitlich am Kopf, die andere fuhr ihm in den Rücken. Er fiel gegen die Wand und rutschte zu Boden. Reglos blieb er liegen. Hinter ihm war eine blutige Spur an der Wand.
Nathan kam wankend auf die Beine. Auf dem Weg die Treppe hinab stolperte er und knallte unten gegen die Wand. Er verließ das Haus und wankte die Straße hinab. Er musste eine Gehirnerschütterung haben. Er lehnte sich an eine Backsteinwand. Ihm war schlecht. Er klappte sein Handy auf und wählte eine Nummer.
»Polizeiwache Islington«, sagte eine Frauenstimme knapp.
»Nathan Kershner. SOCA.«
»Wie kann ich helfen?«
»Schicken sie Verstärkung. Steve ist tot.«
»Wer?«
»Steve Willinston.«
»Wo sind Sie?«
Nathan gab ihr die Einzelheiten durch.
»Wir sind unterwegs.«