XII.

Gegenwart

 

 

Anna betrachtete das historische Papier, welches gerade unter dem Heizkörper hervorgerutscht war. Auf der linken Seite konnte sie Buchstaben erkennen und auf der rechten Seite war jedem Buchstaben exakt ein Symbol zugeordnet. Anna blickte zu Emily, die brummelnd auf ihrem Bett saß und versuchte, die Aufzeichnungen von Bastian Mühlenberg zu entziffern. Sie blätterte hektisch in den Unterlagen hin und her und schüttelte den Kopf.

»Ich verstehe gar nichts mehr. Hier könnte auch etwas auf Chinesisch stehen!« Emily stöhnte und ließ sich entnervt nach hinten in die Kissen fallen. Anna nahm sich die Notizen und verglich die Symbole mit denen auf dem Blatt in ihrer Hand. Dann nahm sie ein leeres Blatt und fing an zu schreiben.

»Was tust du da?«, fragte Emily neugierig.

Anna antwortete nicht. Fasziniert übersetzte sie die verschlüsselten Notizen von Bastian Mühlenberg, indem sie jedem Symbol seinen Buchstaben zuordnete. Als sie fertig war, blickte sie auf und schenkte Emily ein strahlendes Lächeln.

»Ich kann dir genau sagen, was Bastian Mühlenberg da geschrieben hat«, sie holte tief Luft und begann, den verschlüsselten Inhalt zusammenzufassen.

»Es gibt ein Labyrinth unter Zons. Bastian hat dort für Pfarrer Johannes nach einem Schatz gesucht. Der Fundort ist mit einem doppelköpfigen Adler gekennzeichnet. Pfarrer Johannes versteckte diesen Schatz an einem neuen Ort. Wo dieser Ort ist, steht hier nicht. Ich glaube, Bastian Mühlenberg wollte es nicht aufschreiben. Aber hier beschreibt er, wie er in das Labyrinth eingestiegen ist. Sieh dir diese Textstellen an, Emily. Das ist ja Wahnsinn.«

Emily sprang auf und setzte sich neben Anna auf den Boden. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Da hatten sie also doch ein vergessenes Geheimnis entdeckt. Aufgeregt rieb sie sich die Hände und studierte mit Anna die Unterlagen.

Bastian Mühlenberg war außerhalb der Stadtmauern in das Labyrinth eingestiegen. Unter einer alten Weide hatte er einen Zugang gefunden. Im Sommer vor fünfhundert Jahren war ein ganzer Gang des Labyrinths eingestürzt. Dieser hatte auch einen der Wehrtürme an der Südmauer von Zons mit sich gerissen. An der Stelle, wo der unterirdische Gang lag, hatte sich vor Bastians Augen eines Tages ein Graben aufgetan.

Emily und Anna legten einen Stadtplan von Zons auf den Tisch, um sich das Labyrinth besser vorstellen zu können. Der Eingang hatte sich bei einer Weide befunden, wo heute die Wiesenstraße lag. Im Prinzip entsprach ihr heutiger Verlauf dem eingestürzten Gang des Labyrinths. Bastian war westlich davon in einen Parallelgang eingestiegen. Dieser führte geradewegs unter dem Zwinger, der heutigen Freilichtbühne und der südlichen Stadtmauer von Zons hindurch ins Zentrum der Stadt. Bastian hatte nach mehreren möglichen Eingängen gesucht, doch nur diesen einen Zugang unter der alten Weide gefunden. Im Labyrinth hatte er ein schreckliches Geheimnis entdeckt. Diese Textpassage mussten Anna und Emily jedoch später noch weiter enträtseln. Seitenlang hatte Bastian mit verschlüsselter Schrift seine Aufzeichnungen fortgeführt. Den Zugang gab es jedoch nicht mehr, da er von Bastian noch im selben Sommer versiegelt worden war.

Anna und Emily blickten sich an. Beide hatten denselben Gedanken: Sie mussten in dieses Labyrinth gelangen! Das würde die Story des Jahrhunderts werden. Aufgeregt sprang Emily auf und holte einen Zeitungsartikel.

»Sieh dir das an, Anna. Erst vor ein paar Wochen haben sie in Zons einen mittelalterlichen Gewölbekeller entdeckt. Der Museumsvorplatz sollte umgestaltet werden und dabei ist ein Bagger fast hineingerutscht. Ich wette mit dir, dass wir über den Keller des Kreismuseums einen Zugang finden. Schau dir die Karte genau an. Hier an dieser Stelle müsste der größere Gewölbegang liegen, von dem Bastian geschrieben hat.«

Emily malte ein dickes, rotes Kreuz auf den Stadtplan und steckte ihn mit einer Nadel an der Wand fest. Das Labyrinth bestand aus etlichen kleinen, eng verschlungenen Gängen. Sie mussten sich gut vorbereiten, wenn sie sich nicht verlaufen wollten.

 

 

 

 

Kommissar Oliver stand in einer weiß gefliesten Waschanlage neben der Tankstelle und lief um den toten Frauenkörper herum. Die Leiche war in eine Bodennische gequetscht worden. Die Gliedmaßen ihres Körpers standen in einem unnatürlichen Winkel ab und gaben dem Anblick etwas Surreales. Sie hätte auch auf ein Gemälde von Picasso gepasst.

Ihr Mund stand weit offen und war schwarz von verkrustetem Blut. Oliver beugte sich vorsichtig hinab, kniff die Augen zusammen und schreckte augenblicklich zurück. Entsetzt stellte er fest, dass sie keine Zunge mehr hatte. Und die Kehle war mit einem sauberen Schnitt durchtrennt. Die Augen der Frau waren schreckgeweitet. Sie sah mager und verdreckt aus. Ihre Hand- und Fußgelenke wiesen Fesselspuren auf. Die Haut war an diesen Stellen aufgescheuert und blutunterlaufen.

»Es sieht aus, als hätte der Täter sie längere Zeit gefangen gehalten«, brummte Klaus, der eben am Tatort eingetroffen war.

»Wo zum Teufel hast du gesteckt, Klaus?«

Klaus lief rot an und erwiderte: »Ich war verabredet.«

Oliver sah ihn verständnislos an.

»Mit Sonja, du weißt schon. Wir haben uns wieder vertragen.«

Oliver nickte. Er kannte das Hin und Her zwischen Klaus und seiner Freundin längst in- und auswendig. Sie stritten sich und vertrugen sich wieder. Sie hatten eine Art Sport daraus entwickelt, aber immerhin hielt ihre Beziehung jetzt schon seit fünf Jahren. Emily kam ihm in den Sinn, und Oliver fragte sich, ob auch sie beide in fünf Jahren noch zusammen sein würden. Sein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass es nicht so sein könnte.

Die Spurensicherung war auch eingetroffen und die kleine Waschanlage war bevölkert von weiß gekleideten Menschen. Frau Scholten, die Leiterin des Kriminallabors, stellte sich direkt neben Oliver und Klaus und begutachtete die Leiche. Mit einer Pinzette zog sie vorsichtig einen Hautfetzen ab, der sich am Unterarm abgelöst hatte und wie ein welliges Stückchen Papier vom Arm abstand. Prüfend hielt sie das Hautstück in das grelle Neonlicht. An jeder Ecke der Waschanlage waren Neonlampen mit blauweißlichem Licht montiert, die auch die kleinste Ritze des Raumes hell ausleuchteten.

Frau Scholten zog die Augenbrauen hoch und betrachtete den Hautfetzen, der nicht nur wellig, sondern auch hart wie Pappe war, von allen Seiten.

»Ich kann es noch nicht genau sagen, aber es sieht aus, als wäre die Tote mit Säure in Kontakt gekommen.«

Oliver sah Frau Scholten überrascht an. Sollte es hier einen Zusammenhang zu den Knochenfunden geben?

»Wann können Sie das genau beurteilen?«, fragte Oliver und richtete seinen Blick auf die Laborleiterin.

»Ich denke, in einer, maximal zwei Stunden kann ich Ihnen mitteilen, ob es sich bei den Hautschäden um Verätzungen handelt und mit welcher Chemikalie diese herbeigeführt wurden. Wir haben einen Schnelltest dafür.«

»Das hört sich gut an. Rufen Sie mich sofort an, wenn Sie etwas haben. Komm Klaus, ich möchte jetzt diesen Frederick Köppe verhören.«

Sie stiegen in den Dienstwagen und fuhren die Landstraße in Richtung Zons davon.

Frederick Köppe wohnte in der Grünwaldstraße mitten im Zentrum von Zons. Sein Appartement war winzig und lag direkt unter dem Dach. Obwohl das schräge Dachfenster geöffnet war, staute sich die Hitze darunter unerträglich Oliver blickte kurz zu Klaus hinüber, dem bereits die Schweißperlen auf der Stirn standen. Dann setzten sie sich auf das fleckige Sofa. Frederick Köppe war nervös. Sein linkes Knie zuckte unaufhörlich, sodass Oliver es am liebsten festgehalten hätte. Dieser Kerl hatte etwas zu verbergen, soviel stand fest!

»Herr Köppe, erklären Sie uns doch bitte, wann und wie Sie für Ihren Onkel, Fritz Kallenbach, tätig waren.«

Frederick Köppe rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.

»Ich helfe mit dem großen Wagen beim Düngen. Das mache ich für viele Bauern.«

Seine Stimme klang dumpf und er stotterte. Es war unschwer zu erkennen, dass er geistig zurückgeblieben war. Fast schon tat Oliver seine abwertende Einschätzung gegenüber diesem Jungen leid, als plötzlich mit einem lauten Piepton ein Pop-up-Fenster auf dem Computerbildschirm von Frederick Köppe erschien. Oliver erkannte die Internetseite von Facebook. Offensichtlich hatte gerade jemand eine Nachricht an ihn gesendet. Gehetzt drehte Frederick sich um.

»Sie können ruhig nachsehen«, erklärte Klaus mit ruhiger Stimme.

»Nein, nein. Ist schon gut. Das ist nur mein Freund«, erwiderte Frederick und richtete seinen verschrobenen Blick wieder nach unten.

Oliver wiederholte noch einmal geduldig seine letzte Frage: »Wann waren Sie das letzte Mal für Ihren Onkel, Fritz Kallenbach, tätig?«

»Vor ein paar Tagen. Ich arbeite vormittags an der Pforte im Chemiepark und nachmittags erledige ich verschiedene Arbeiten auf dem Feld oder in den Ställen für die Bauern.«

Oliver blickte den Jungen forschend an. Ein Erinnerungsblitz durchzuckte sein Gedächtnis und plötzlich sah er den jungen Pförtner aus dem Chemiepark wieder vor sich, der sie zuerst begleitet hatte und dann verschwunden war. Er dachte an das Gesicht von Karl Rotenburg, dem arroganten Pressesprecher, den sie zum Verschwinden des Mitarbeiters, Markus Heilkamp, befragt hatten. Oliver runzelte die Stirn. So viele Zufälle auf einmal konnte es doch nicht geben!

Er blickte auf den Tisch und sah dort den Prospekt des Gülletankwagenherstellers Kotte Landtechnik liegen. Auf dem Titelbild prangte das riesiges Modell GARANT Profi PQ 33000. Der Gülletankwagen sah wie ein grünes Monster aus und warb damit, dreiunddreißigtausend Liter Gülle mit einer einzigen Fahrt auf einem Feld ausbringen zu können. Oliver nahm den Prospekt in die Hand und hatte eine Idee.

»Benutzen Sie diesen Güllewagen hier?«

»Nein, der von meinem Onkel ist viel kleiner. Der Wagen auf dem Prospekt ist der Mercedes unter den Güllewagen. Dies ist ein Vierachser mit einer Pumpleistung von zwölftausend Litern pro Minute. Dafür sind die Schläuche vom Güllewagen meines Onkels dicker und man muss die Gülle nicht so flüssig aufbereiten. Das spart Zeit.«

Fasziniert betrachtete Frederick Köppe den Prospekt in Olivers Händen. Dieser starrte immer noch auf das grüne Güllemonster mit den riesigen Rädern. Dickere Schläuche! Ob durch diese Schläuche auch Knochenreste passten? Oliver sah sich den Wagen genauer an. Die langen, riesigen Schläuche konnten an beiden Seiten des Wagens ausgeklappt werden. So war es möglich, auf dem Feld eine Breite von ungefähr dreißig Metern auf einmal zu düngen. In Olivers Kopf ratterten die Gedanken. In dem großen Tank hätten mehrere Leichen auf einmal Platz. Die Frage blieb, ob die Schläuche und der Gülleauslauf an dem alten System so dick waren, dass ganze Fußknochen durch sie hindurchpassten. Er blickte zu Klaus und dieser nickte ihm wissend zu. Er hatte denselben Gedanken und fragte:

»Herr Köppe, wäre es möglich, uns den Güllewagen Ihres Onkels zu zeigen? Wir würden ihn gerne begutachten und uns auch ansehen, woher die Gülle stammt und auf welchem Weg diese in den Tank gelangt.«

In der Miene von Frederick Köppe spiegelten sich abwechselnd Misstrauen und Vorfreude wider. Er wippte ein paar Mal mit dem Oberkörper vor und zurück und antwortete schließlich:

»Ich zeige Ihnen den Wagen, aber wie gesagt, es ist kein GARANT Profi PQ 33000.«

 

 

 

 

Die Aussage von Frederick Köppe, dass es sich bei dem Güllewagen von Fritz Kallenbach um ein viel kleineres Modell als den Garant Profi aus dem Prospekt handeln sollte, konnte Kommissar Oliver nicht richtig nachvollziehen. Sie standen auf einem stinkenden Hinterhof nördlich der Altstadt von Zons, in der Nähe des Herrenwegs und blickten auf einen grauen Riesen, aus dem mehrere dicke Gülleschläuche herausragten. Je näher Oliver und Klaus an den Wagen herantraten, desto unerträglicher wurde der Gestank. Klaus zerrte ein Taschentuch aus der Tasche und hielt es sich vor die Nase.

»Womit habe ich das eigentlich verdient, dass ich permanent diesem Gestank ausgesetzt bin?«, brummte er ärgerlich vor sich hin.

Oliver klopfte ihm auf die Schulter und zeigte auf einen der Gülleschläuche.

»Siehst du diesen Durchmesser, Klaus? Durch diesen Schlauch passt unser Fundstück locker hindurch. Ich wette mit dir, dass unsere Knochenreste mit diesem Monstrum hier auf den Feldern verteilt wurden.«

»Du könntest recht haben. Frederick Köppe hat ausgesagt, dass sein Onkel diesen Wagen auch an andere Bauern ausleiht und dass er ausschließlich mit diesem Güllewagen fährt. Ich rufe direkt die Spurensicherung an. Die sollen prüfen, ob sich Salzsäure im Gülletank nachweisen lässt.«

Zufrieden rieb Oliver sich die Hände. Zumindest wussten sie jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie die Knochen auf die Felder gelangt sein könnten. Es blieb nur noch die Fragen offen: durch WEN?

Oliver erblickte Frederick Köppe am anderen Ende des Hinterhofes. Er telefonierte aufgeregt und fuchtelte mit einem Arm wild in der Luft herum. Es sah aus, als hätte er Streit mit jemandem. Oliver ging langsam zu ihm hinüber und achtete mit jedem Schritt darauf, nicht in die Fäkalienreste zu treten, an denen es auf dem Hofpflaster nicht mangelte. Frederick Köppe beendete hastig das Gespräch. So hastig, dass Oliver vom Inhalt des Telefonats nichts mehr mithören konnte.

»Haben Sie Ärger?«, fragte Oliver.

»Nein, das war nur mein Freund«, erwiderte Frederick, während er seine Augen starr auf den Boden gesenkt hielt.

Oliver beobachtete ihn genau. Nach einem Gespräch mit einem Freund hatte das Telefonat ganz und gar nicht ausgesehen. Oliver erinnerte sich an Fredericks gehetzte Reaktion, als sein angeblicher Freund ihm eine Facebook-Nachricht gesendet hatte. Nein, ein Freund war das ganz sicher nicht. Er würde sich die Facebook-Seite von Frederick Köppe ansehen müssen.

»Woher stammt die Gülle für das Düngen der Felder?«, fragte Oliver, obwohl er Frederick lieber über seinen Freund ausgehorcht hätte. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass er den Teilnehmer am anderen Ende der Leitung lieber noch eine Zeit lang in Sicherheit wiegen sollte. Oliver ging davon aus, dass Frederick bei seinen Düngefahrten die Knochen auf dem Feld verteilt hatte. Das erklärte natürlich noch lange nicht, wer diese Knochenreste in den Gülletank verbracht hatte. Frederick wirkte mit seiner geringen geistigen Entwicklung so unselbstständig, dass Oliver es ihm nicht alleine zutraute. Entweder wusste er gar nichts von den Knochen oder er handelte auf Anweisung eines Dritten. Dieser Dritte ist sein Freund! Oliver spürte ein aufregendes Prickeln in seinem Inneren. Dieses Prickeln befiel ihn immer, wenn er sich auf einer heißen Spur befand.

Frederick Köppe öffnete ein riesiges Scheunentor. Sie gingen durch die Scheune in einen weiteren Hinterhof, in dessen Boden sich mehrere unterirdische Tanks befanden.

»Das sind die Gülletanks«, Frederick zeigte auf den ersten Tank direkt vor ihren Füßen. »Mit dem Wagen kann ich die Gülle direkt in den Tank pumpen. Das geht ganz einfach.«

»Und wie gelangt die Gülle in den Bodentank?«

»Damit habe ich nichts zu tun. Das macht mein Onkel!«

Ob Fritz Kallenbach für die Knochenreste verantwortlich war?, überlegte Oliver.

»Sie pumpen also alles in den Tank, was sich in diesem Behälter befindet?«

»Ja.«

»Kontrollieren Sie die Gülle, wenn sie angeliefert wird?«

Frederick Köppe zappelte nervös mit den Armen und trat von einem Fuß auf den anderen. Er weiß es, dachte Oliver. Lass dir jetzt nur nichts anmerken! Er setzte ein breites Lächeln auf und blickte Frederick so vertrauensvoll an, wie es ihm möglich war. Es schien zu funktionieren. Frederick entspannte sich ein wenig und antwortete schließlich:

»Nein, ich kontrolliere da nichts.«

Das war eine glatte Lüge. Oliver konnte sie förmlich riechen. Trotzdem nickte er freundlich und erwiderte:

»Dann sind wir wohl ganz umsonst hergekommen. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Hilfe, Herr Köppe. Wir wollen Sie jetzt auch nicht länger aufhalten. Den Rest kann uns sicherlich Ihr Onkel erklären. Aus formalen Gründen kommt gleich noch unser Team von der Spurensicherung vorbei. Aber das muss Sie nicht beunruhigen. Sie wissen ja, wie das mit Beamten so ist. Alles muss nach einem strengen Protokoll abgearbeitet werden.«

Oliver setzte abermals ein freundliches Lächeln auf und reichte Frederick zum Abschied die Hand. Dieser atmete erleichtert auf und verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Oliver nahm sein Handy und wählte Hans Steuermarks Nummer.

»Wir brauchen dringend einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Wir glauben, nun zu wissen, wie die Knochenreste entsorgt wurden, und wir haben einen Tatverdächtigen!«

 

 

 

 

Anna blickte angestrengt auf ihr Navigationssystem. Es hatte sie jetzt zum dritten Mal im Kreis herumgeführt und sie verlor langsam die Nerven. Hektisch blickte sie auf die Uhr. Verdammt, es war schon kurz vor neunzehn Uhr. Sie würden zu spät kommen. Ihr Smartphone klingelte. Oh Jimmy, dachte Anna, ich bin doch gleich da! Jetzt nerve mich nicht! Sie nahm ab:

»Jimmy? Ich bin sofort da. Mein Navi spielt verrückt.«

»Hier ist nicht Jimmy. Hier spricht Matthias Kronberg. Entschuldigen Sie, Frau Winterfeld, ich wollte Sie nicht stören. Ich wollte mich nur noch einmal für Ihre gute Beratung bedanken …«

Es knackte in der Leitung.

»Hallo, Herr Kronberg, sind Sie noch da?«

Anna blickte auf die Netzanzeige ihres Handys. Sie hatte vollen Ausschlag.

»Hallo?«

»Ja, können Sie mich hören? Ich wollte mich nur kurz bedanken und Sie zu einem Essen einladen? Passt es Ihnen Ende nächster Woche? Ich veranstalte mit einigen anderen Unternehmern eine Dinnerparty. Das wäre für Sie doch sicher interessant? Sie könnten potenzielle neue Kunden kennenlernen. Ich würde Sie gerne weiterempfehlen.«

Anna überlegte kurz und antwortete:

»Vielen Dank, Herr Kronberg. Ich komme gerne. Lassen Sie mir doch eine E-Mail mit der Einladung zukommen.«

Anna legte auf und starrte abermals entnervt auf ihr Navigationsgerät. Dieser Kronberg ging ihr langsam auf die Nerven. Er rief sie jeden zweiten Tag an und mittlerweile fühlte sie sich von ihm belästigt.

Sie steckte mitten im Einbahnstraßengewirr von Düsseldorf und konnte einfach nirgendwo links abbiegen. Sie befand sich gerade im Stadtteil Oberkassel. Dort lebten viele wohlhabende Menschen, so wie ihr Kollege Jimmy. Heute Abend fand eine Kundenveranstaltung im Hotel Swissôtel in Neuss statt, und Anna hatte versprochen, Jimmy abzuholen und dort mit ihm zu Abend zu essen. Anna wäre heute Abend viel lieber bei Emily gewesen. Sie hatten sich fest vorgenommen, gemeinsam in das Labyrinth hinabzusteigen und mussten noch etliche Vorbereitungen treffen. Keine von beiden hatte so etwas schon einmal unternommen und es war ganz sicher nicht ungefährlich. Aber es bedeutete für Emily eine große Chance. Das könnte ihr endgültiger Durchbruch als ernst zu nehmende Journalistin sein. Kein Mensch vermutete ein Labyrinth unter Zons, und wenn sie die Ersten wären, die es entdeckten, würde es eine Riesenpublicity für sie geben.

Endlich. Sie hatte es geschafft und parkte vor einem herrschaftlichen Haus mitten in Oberkassel. Die vornehmen Marmorstufen zur Haustür wurden von zwei großen Säulen flankiert. Anna sah auf die Klingelschilder. Nur vier Namen waren zu sehen. Das waren nicht sehr viele Bewohner für ein so großes Haus. Über der Haustür waren zwei Kameras angebracht. Direkt daneben befand sich die rote Signallampe einer Alarmanlage. Sie klingelte und vernahm kurz darauf Jimmys krächzende Stimme. Im Hintergrund konnte sie Chormusik vernehmen. Sie erinnerte sie an gregorianische Mönchsgesänge.

Der Türöffner summte und Anna stieg schnell die Treppen zu Jimmys Wohnung hinauf. Über seiner Wohnungstür blinkten die roten LEDs von zwei weiteren Überwachungskameras. Durch die Wohnungstür vernahm sie wieder die Musik. Jetzt konnte sie ganz deutlich den Mönchsgesang hören. Die Musik verstummte und die Wohnungstür öffnete sich. Mit breitem Grinsen nahm Jimmy Anna in Empfang. Er hatte sich für die Kundenveranstaltung in Neuss mächtig herausgeputzt. Seine gegelten Haare glänzten wie nasse, schwarze Seide, eine teure Krawatte schmückte seinen Hals und goldene Manschettenknöpfe zierten die weißen Ärmel seines Hemdes. Er roch stark nach herbem Herrenparfüm, welches er gerade erst aufgelegt haben musste.

Anna sah sich im Flur um. Wieder entdeckte sie zwei Kameras an der Decke. Jimmy führte sie in sein Wohnzimmer und bat sie, kurz Platz zu nehmen. Nervös schaute sie auf die Uhr. Ihnen blieben noch dreißig Minuten bis zur Eröffnungsrede. Das würde verdammt knapp werden. Trotzdem setzte sie sich. Das Wohnzimmer war riesig. An der Wand befand sich ein großer offener Kamin. Auf der anderen Seite sah sie eine ellenlange Fensterfront, die sich bodentief über die gesamte Wand hinzog. Altes, wunderschönes Eichenparkett unterstrich die gehobene Atmosphäre und gab der Wohnung gleichzeitig die nötige Wärme, um sich hier wohlzufühlen. Sie blickte an die Decke und entdeckte weitere Kameras.

»Hast du Angst vor Einbrechern?«, rief sie Jimmy hinterher, der gerade durch eine Tür am hinteren Ende des Wohnzimmers verschwunden war.

»Nein, die Alarmanlage war schon installiert, als ich die Wohnung übernommen habe. Mittlerweile bereitet sie mir jedoch richtig Spaß. Ich kann sie von überall steuern. Entweder mit meinem Laptop oder mit dem Handy.« Mit diesen Worten kam Jimmy zu Anna zurück. Eilig stiegen sie die Treppe hinunter und liefen zu Annas Wagen.

 

 

 

 

Annas Wangen glühten. Sie hatte mehr als einen Cocktail mit Jimmy getrunken und überlegte ständig, wie lange sie noch bleiben musste, damit sie wieder Auto fahren konnte. Wenn sie sich richtig erinnerte, baute die Leber maximal ein Glas in einer Stunde ab. Für sie bedeutete dies, dass sie jetzt noch mindestens zwei Stunden ausharren musste.

Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter. Langsam drehte sie den Kopf und stellte erstaunt fest, dass Matthias Kronberg hinter ihr stand. Was hatte er denn hier zu suchen? Sie konnte sich nicht erinnern, ihn eingeladen zu haben. Trotzdem schenkte sie ihm ein professionelles Lächeln.

»Herr Kronberg, das ist ja eine Überraschung. Was machen Sie denn hier?«

»Das gilt ganz meinerseits. Wissen Sie, ich habe so viele Abendveranstaltungen, dass mir gar nicht aufgefallen ist, dass diese heute von Ihrer Bank durchgeführt wird. Ich glaube, ich stehe auf allen Adressverteilern dieser Erde.« Er lächelte sie freundlich an.

Anna betrachtete ihn zum ersten Mal gründlicher. Matthias Kronberg war schon etwas in die Jahre gekommen, aber trotzdem war es unverkennbar, dass er einmal ein attraktiver Mann gewesen war. Jetzt hatte er dunkle Ringe unter den graublauen Augen und sein Haar war bereits ergraut. Die völlig weißen Koteletten verliehen ihm ein seriöses Antlitz. Er schien gelöst, wozu sicherlich auch ihre Kreditzusage beigetragen hatte. Anna unterhielt sich den Rest des Abends intensiv mit Matthias Kronberg, und sie musste zugeben, dass er ein hervorragender Gesprächspartner war.

Gegen Mitternacht wollte sie sich auf den Heimweg begeben und begann nach Jimmy zu suchen. Die Party war immer noch in vollem Gange und Anna drängte sich durch die Menschenmenge zur Bar. Dort hatte sie Jimmy zuletzt mit einer Blondine gesehen. Sie konnte ihn nicht entdecken. Sie ging noch einmal zum anderen Ende des Saales und ließ ihren Blick über die Partygäste schweifen. Von Jimmy gab es weit und breit keine Spur.

Das ist ja mal wieder typisch, dachte Anna, wahrscheinlich lag er längst mit dieser Blondine in einem Hotelbett und amüsierte sich köstlich. Merkwürdigerweise spürte Anna, dass diese Vorstellung sie ärgerte. Sie interessierte sich nicht wirklich für den oberflächlichen Jimmy, aber trotzdem gab es da eine gewisse Anziehungskraft zwischen ihnen. Ein wenig enttäuscht verließ Anna die Party und fuhr durch die dunkle Nacht zurück nach Zons, wo sie todmüde in ihr Bett fiel und auf der Stelle einschlief.

 

 

 

 

Hans Steuermark funkelte seine beiden Mitarbeiter missmutig an. Er kam gerade von einer Pressekonferenz, in der er wegen einer zerstörten Brücke auf der Autobahn A57 Rede und Antwort stehen musste. Unbekannte hatten unter der Autobahnbrücke vor einigen Wochen einen Brand gelegt. Experten hatten kurz nach dem Brand festgestellt, dass die Brücke einsturzgefährdet war und vollständig erneuert werden musste. Dies hatte zur Folge, dass die komplette A57 an dieser Stelle in beide Richtungen gesperrt worden war. Jeden Tag quälten sich deswegen Tausende von Pendlern, die von Köln in Richtung Neuss oder Düsseldorf und umgekehrt unterwegs waren, über die angrenzenden Landstraßen oder mussten große Umwege in Kauf nehmen. Auch die Fähre von Zons nach Düsseldorf hatte Hochkonjunktur und es bildeten sich jeden Morgen lange Schlangen vor dem Zonser Rheinufer. Das Verkehrsnetz drohte zu kollabieren. Entsprechend groß war der Druck auf Hans Steuermark, die Täter zu finden. Bislang allerdings hatte er nicht die geringste Spur.

Die neuerlichen Knochenfunde und die weibliche Leiche, die erst vor ein paar Tagen in der Autowaschanlage gefunden wurde, verbesserten seine Laune nicht gerade. Zwar waren seine besten Ermittler Oliver Bergmann und Klaus Gruber mittlerweile auf einer vielversprechenden Fährte unterwegs, der Durchbruch war ihnen jedoch bisher nicht gelungen.

Unruhig lief Steuermark seinen üblichen Pfad im Büro ab und ließ sich ausführlich Bericht erstatten. Der Obduktionsbericht der Frauenleiche lag seit heute vollständig vor. Es konnte einwandfrei nachgewiesen werden, dass die Haut der Leiche mit Salzsäure in Kontakt gekommen war. Die Tür seines Büro öffnete sich und Steuermarks Sekretärin trat mit einem freundlichen Lächeln ein.

»Die Identifizierung der Toten ist abgeschlossen«, sagte sie mit leiser Stimme und drückte Kommissar Bergmann die Akte in die Hand. Dieser überflog das Blatt und las die Resultate laut vor: »Der Name der Toten ist Dorothea Walser. Alter: achtundzwanzig Jahre, Familienstand: ledig.« Oliver runzelte die Stirn. Schon wieder eine Bankangestellte, dachte er und fügte laut hinzu: »Sie war als Kundenberaterin bei einer Düsseldorfer Bank tätig.«

»Was ist mit dem Güllewagen?«, fragte Steuermark.

»Es konnten eindeutig Spuren von Salzsäure nachgewiesen werden. Allerdings nur im Gülletank des Wagens direkt. Die Bodentanks auf dem Firmengelände waren alle sauber.« Oliver huschte bei den letzten Worten ein Grinsen übers Gesicht. »Na ja, so sauber, wie ein Bodentank vollgepumpt mit stinkender Gülle eben sein kann!«

Steuermark machte halt und dachte nach.

»Dann wurden die Knochenreste also direkt in den Güllewagen verbracht?«

»Offenbar ja.«

»Wusste Frederick Köppe, was er da auf den Feldern verteilt hat?«

»Wir glauben, dass er es wusste. Aber aufgrund seiner geistigen Einschränkungen kann er es nicht alleine gewesen sein. Wir können es nur noch nicht beweisen. Aber seine Reaktion bei der Befragung war durchaus vielsagend.« Oliver erinnerte sich an die Lüge, die Frederick Köppe ihm offensichtlich aufgetischt hatte.

»Also gut, meine Herren. Ich möchte, dass Sie sämtliche Telefonate, Facebook-Kontakte und sonstige Internetaktivitäten von Köppe untersuchen. Begeben Sie sich sofort an die Arbeit, und finden Sie heraus, was für Hintermänner er hat.« Steuermark blickte auf seine Uhr. »Morgen um dieselbe Zeit erstatten Sie mir wieder Bericht. Und diesmal will ich etwas Handfestes von Ihnen haben. So eine Pressekonferenz wie heute brauche ich so schnell nicht wieder!« Er wischte sich kleine Schweißperlen von der Stirn.

»Ach ja, und vergessen Sie nicht, vorher diesem Materialfriedhof im Chemiepark Dormagen einen Besuch abzustatten. Ich will wissen, was dort alles herumliegt und wie gut dieses Restelager gesichert ist. Also meine Herren, ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag!«

 

 

 

 

Am Montag war Jimmy immer noch nicht wieder aufgetaucht. Anna hatte ihm am Wochenende ein paar SMS geschrieben und sogar einmal versucht, ihn anzurufen, doch sein Handy war die ganze Zeit ausgeschaltet. Sie hatte sich geärgert, und vor ihrem inneren Auge sah sie, wie Jimmy zusammen mit der jungen Blonden von der Bar ein amouröses Wochenende verbrachte, während sie anfing, sich zu sorgen. Aber die Tatsache, dass er heute nicht auf der Arbeit erschienen war, ließ sie stutzig werden. Keine Frau auf dieser Welt könnte den ehrgeizigen Jimmy von seinem Job abhalten. Er war geradezu süchtig danach, auf den Bildschirm zu starren und die Kurse etlicher Wertpapiere im Sekundentakt zu verfolgen.

Anna überlegte angestrengt, was sie jetzt tun sollte. Einem ersten Instinkt folgend griff sie zu ihrem Smartphone und wollte Emily anrufen, doch dann hielt sie inne. Sie hatte Emily das halbe Wochenende mit ihren Sorgen genervt und wollte ihre Geduld nicht überstrapazieren. Die fleißige Emily hatte fast die ganze geplante Tour ins Zonser Labyrinth alleine vorbereitet, weil Anna mit ihren Gedanken einfach nicht bei der Sache war. Angefangen von Outdoor-Taschenlampen, die man mit einer kleinen Kurbel aufladen konnte, bis hin zu atmungsaktiver Kleidung und selbstleuchtender Farbe, mit der man die verschlungenen Wege im Labyrinth markieren konnte, hatte Emily an alles gedacht. Annas Nerven vibrierten. Sie musste irgendetwas unternehmen. Emily könnte es vielleicht ihrem Kommissar erzählen. Anna war sich sicher, dass der innerhalb kürzester Zeit herausfinden konnte, wo Jimmy sich aufhielt. Sie zögerte noch einen Augenblick und wählte schließlich Emilys Nummer.

 

 

 

 

Oliver konnte diesen arroganten Typen einfach nicht ausstehen. Bewundernd betrachtete er Klaus, der – obwohl er Karl Rotenburg ebenfalls nicht leiden konnte – freundlich mit dem Pressesprecher des Chemiekonzerns plauderte. Mit einem kleinen weißen Firmenbus waren sie bis ganz an den hintersten Rand des riesigen Chemieparks gefahren und standen jetzt auf dem sogenannten Materialfriedhof, der sich wie ein unendlicher Schlauch, von dickem Stacheldraht umzäunt, einen Kilometer in der Länge zog. Sie liefen einen schmalen Pfad inmitten von altem Gerümpel entlang. Riesige ausgediente Stahlbehälter wechselten sich mit Eisengerüsten und verrosteten Messgeräten ab. Als sie am Ende des Materialfriedhofs angekommen waren, nahm Oliver eine Bewegung in seinem rechten Augenwinkel wahr. Er erblickte einen großen, schwarzen Raben, der sich wie ein Todesvogel auf einen Kadaver gestürzt hatte und hungrig an dem Fleisch des toten Tieres herumpickte.

Olivers Blick heftete sich an den Kadaver. Was könnte das für ein Tier gewesen sein? Für ein Kaninchen wirkte es zu groß. Oliver ging näher heran. Zwar konnte er den Kadaver, der eigentlich nur noch aus dem Gerippe bestand, nicht identifizieren, aber er fragte sich verwundert, wie ein so großes Tier die hohe, engmaschige Umzäunung überwunden hatte. Wie war es hier hereingekommen? Oliver lief den halben Weg am Stacheldraht entlang zurück und traute seinen Augen nicht. Der Draht war direkt an einem der Zaunpfosten aufgeschnitten. Professionell aufgeschnitten. Hätte er nicht unmittelbar davor gestanden, wäre es ihm nie aufgefallen. Mit durchsichtiger Angelsehne war der Maschendraht exakt dem Muster folgend wieder am Pfosten festgebunden worden. Das nunmehr jederzeit zu öffnende und wieder zu verschließende Loch war riesig. Hier konnte man jederzeit selbst große Materialien herein- oder hinausbringen.

Er blickte sich um. Direkt hinter ihm standen veraltete Salzsäurebehälter. Oliver suchte das Gelände nach Kameras ab. Er konnte nur zwei Überwachungskameras am Eingang des Materialfriedhofs entdecken. Mit schnellen Schritten lief er zurück zu Klaus, der sich immer noch angeregt mit Karl Rotenburg unterhielt.

»Sind das die einzigen Kameras auf diesem Gelände?«

Rotenburg richtete seinen arroganten Blick auf Oliver. »Natürlich. Es gibt keinen weiteren Zugang zu diesem Bereich.«

Oliver führte die beiden zu der Stelle, wo der Zaun durchgeschnitten war. Rotenburgs Gesicht wurde weiß und seine Arroganz wich erkennbarer Bestürzung. Klaus zog eine kleine Pinzette aus seiner Hosentasche und zupfte damit rote Stofffasern von einer Schnittstelle am Drahtzaun.

»Sieht aus, als hätte unser Täter rote Kleidung getragen«, sagte er, während er die Fasern vorsichtig in ein kleines Plastiktütchen stopfte. Dann begann er Oliver ins Ohr zu flüstern, so dass Rothenburg ihn nicht verstehen konnte. »Sag mal Oliver, hatte Frederick Köppe nicht einen roten Pullover an, als wir ihn befragt haben?«

Oliver nickte. Er erinnerte sich lebhaft an den altmodischen roten Strickpullover, der für die sommerliche Jahreszeit viel zu warm war. Aber wahrscheinlich hatte Frederick Köppe in seinem Kleiderschrank keine besonders große Auswahl.

»Wir sollten ihn festnehmen. Ich denke, das reicht für einen Haftbefehl!«

Oliver schüttelte den Kopf. »Nein, dann verschrecken wir seinen Hintermann. Ich habe eine andere Idee. Wir lassen den Zaun genauso, wie er ist, und postieren hier zwei Streifenpolizisten, die den Bereich Tag und Nacht überwachen. Dann erwischen wir ihn auf frischer Tat, und wenn wir ein wenig Glück haben, kommt er nicht allein! Oder glaubst du, er kann diese großen Behälter hier ohne Hilfe rausschleppen?« Oliver zeigte auf die alten Säuretanks und Klaus nickte ihm zu.

»Genauso machen wir es!«

 

 

 

 

Volltreffer, dachte Oliver. Er legte den Hörer auf und blätterte in seiner Akte. Vor sich hatte er die fünf Namen der vermissten männlichen Personen, von denen die ersten Fußknochen stammen könnten.

 

Peter Schreiner

Markus Heilkamp

Peter Hirschauer

Dimitri Orlow

Vladimir Tereschenko

 

Zwar hatte die Analyse dafür keinen Treffer ergeben, dafür aber bezüglich der Knochen, die auf dem Feld sichergestellt worden waren. Oliver strich vier Namen auf der Liste durch. Er begann mit den beiden oberen und zog anschließend eine dicke rote Linie durch die letzten beiden. Dann nahm er einen grünen Marker zur Hand und markierte den Namen Peter Hirschauer neongrün. Peter Hirschhauer, der erfolgreiche Banker! Seine DNA passte zu einem der Knochen von dem Feld. Endlich hatten sie eine Übereinstimmung.

Oliver hatte es die ganze Zeit geahnt. Jetzt hatten sie es schon mit zwei toten Bankangestellten zu tun. Dorothea Walser und höchstwahrscheinlich Peter Hirschhauer. Sicherlich war es möglich, dass der Banker auch ohne Fuß noch lebte, aber die Wahrscheinlichkeit hierfür ging wohl gegen null.

Oliver klickte auf seinen Internetbrowser und öffnete Facebook. In das Suchfenster gab er den Namen Frederick Köppe ein. Eine Sekunde später wurde der öffentliche Teil seines Profils angezeigt. Ein lächelnder Frederick mit grünen Augen und blonden Haaren blickte Oliver an. Anhand dieses Fotos wäre niemand auf die Idee gekommen, dass er geistig behindert sein könnte. Wer auch immer dieses Foto von Frederick geschossen hatte, hatte das Beste aus ihm herausgeholt.

Olivers Handy klingelte. Er holte es aus seiner Hosentasche danach und stellte erfreut fest, dass Emilys Name auf dem Display aufleuchtete.

»Hallo, meine Süße, schön deine Stimme zu hören«, säuselte Oliver leise ins Telefon. Ihre Stimme am anderen Ende der Leitung übertrug förmlich ihr Lächeln und begrüßte ihn mit einem Kuss, den Emily ihm durch das Telefon zuhauchte.

»Eigentlich möchte ich dich nicht mit solchen Lappalien belästigen, aber Anna ist in Sorge, und ich habe ihr versprochen, dich um Rat zu bitten. Ich weiß, dass du im Moment viel Stress hast.«

»Das macht doch nichts. Ich freue mich immer, wenn du mich von meinem Stress ablenkst. Also was gibt es?« Oliver lächelte.

»Ein Kollege, mit dem Anna gut befreundet ist, ist letzten Freitag auf einer Kundenveranstaltung verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. In der Bank gilt er als besessener Investmentbanker, der keinen Tag freiwillig fehlen würde. Sein Name ist Jimmy Henders. Könntest du vielleicht irgendwie herausfinden, wo er ist?« Emily machte eine kurze Pause. »Du musst wissen, er ist ein Frauenheld. Ich persönlich vermute, er macht sich eine schöne Zeit. Anna hat ihn zuletzt mit einer vollbusigen Blondine an der Bar flirten sehen.«

»Gut, ich schreibe mir den Namen einmal auf«, erwiderte Oliver. »Wo hat die Kundenveranstaltung stattgefunden?«

»Im Swissôtel in Neuss.«

Oliver notierte sich die Daten und legte auf. Er kannte das Swissôtel in Neuss. Das Hotel lag in unmittelbarer Nähe des Rheinpark-Centers und verfügte über einen großen Konferenzbereich. Ununterbrochen fanden dort Seminare, Veranstaltungen und auch internationale Galas statt. Er legte den Notizzettel beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Facebook-Seite von Frederick Köppe. Erstaunlicherweise hatte Frederick über zweihundert Facebook-Freunde. Angestrengt scrollte er durch die vielen Kontakte. Er konnte jedoch keinen Zusammenhang mit den Personen auf seiner Liste finden. Fredericks Facebook-Freunde schienen kunterbunt gemischt zu sein.

Klaus stürmte ins Büro. Er war voll beladen und trug eine große Magnettafel unter seinen Armen. Klappernd fiel eine Packung mit Stiften zu Boden.

»He Partner, kannst du mir mal helfen?« Ohne auf Olivers Antwort zu warten, begann Klaus, die Magnettafel an die Wand zu montieren.

»Was soll das, Klaus?« Oliver war verärgert. Während er hier die ganze Zeit im Büro schuftete und vergeblich nach einer Spur zu den Hintermännern von Frederick Köppe suchte, war Klaus offensichtlich auf Shoppingtour gewesen.

»Das ist unser neues Whiteboard!« Stolz betrachtete Klaus sein Werk und nahm einen schwarzen Stift aus der Verpackung. Sorgfältig begann er nun, Spalten auf das Board zu malen.

»Wozu brauchen wir ein Whiteboard?« Oliver verlor langsam die Geduld. »Wie wäre es, wenn du mir bei den Ermittlungen behilflich wärst?«

»Das bin ich doch! Dieses Whiteboard wird unsere Kommunikation verbessern. Wenn wir uns intensiver austauschen, werden wir unsere Fälle viel schneller lösen. Außerdem fällt mir meistens mehr ein, wenn ich meine Gedanken visualisiere!«

Meine Güte, auf welchem Persönlichkeitsseminar bist du denn gewesen?, fragte sich Oliver im Stillen. Wenn er kommunizieren wollte, dann machte er seinen Mund auf. Und wenn er etwas notieren wollte, nahm er seinen Notizblock und schrieb es auf. Doch Klaus war in seiner Euphorie nicht zu bremsen. Er ignorierte Olivers Bedenken und fuhr geduldig fort, Linien auf die Tafel zu malen. Anschließend notierte er die fünf Namen der männlichen Vermissten und den Namen Dorothea Walser.

Oliver merkte, wie die Wut unaufhaltsam in ihm hochstieg. Was hatte Klaus nur für Prioritäten? Genau diese Namen standen längst ordentlich untereinander auf seinem Notizzettel. Ihm wäre es lieber gewesen, Klaus hätte eine Dartscheibe gekauft, dann hätte er jetzt seinen Frust wenigstens mit spitzen Pfeilen an ihr auslassen können!

Ungeduldig erhob Oliver sich und nahm einen roten Stift zur Hand. Ohne zu zögern, strich er auf der Tafel die vier Namen durch, die er schon auf seiner Liste durchgestrichen hatte. Dann folgte er einem plötzlichen Impuls, nahm einen blauen Stift und fügte den Namen von Jimmy Henders hinzu. Klaus runzelte erstaunt die Stirn, sagte jedoch kein Wort. Er grinste Oliver an und nahm ihm den blauen Stift aus der Hand. Damit schrieb er zwei weitere Namen auf das Whiteboard.

»Woher hast du diese Namen?«, fragte Oliver verwirrt.

»Dasselbe könnte ich dich fragen!«, entgegnete Klaus. Oliver fügte den Spalten Überschriften hinzu: Beruf und vermisst seit. Dann füllte er die Zeile von Jimmy Henders aus.

 

Name: Jimmy Henders

Beruf: Bankangestellter

Vermisst seit: Freitag, 22. Juni 2012

 

Herausfordernd sah er Klaus an. Dieser ließ sich nicht lange bitten und ergänzte seine Daten ebenfalls.

 

Name: Jörg Plaggenwald

Beruf: Bankangestellter

Vermisst seit: Freitag, 15. Juni 2012

 

Name: Kerstin Hohenstein

Beruf: Bankangestellte

Vermisst seit: Freitag, 08. Juni 2012

 

Verblüfft stellte Oliver fest, dass alle drei Personen an einem Freitag verschwunden waren. Das war die zweite Gemeinsamkeit, welche die Personen auf der Liste miteinander verband. Die erste war, dass sie allesamt bei Banken arbeiteten.

»Woher hast du deine Namen?«, fragte Oliver.

»Ich habe nicht nur eingekauft, sondern bin auch beim Labor vorbeigefahren. Sie waren gerade fertig mit den DNA-Analysen und hatten bei zwei Funden einen Treffer in der Datenbank.«

 

 

 

 

Sie hatten sie viel schneller entdeckt, als er erwartet hatte. Wahrscheinlich war er doch in zu großer Hektik aus der Waschanlage verschwunden. Es wäre besser gewesen, wenn er die Leiche mitgenommen und wie die anderen beseitigt hätte. Wütend schlug er sich mit der Geisel auf seinen nackten Rücken. Wie konntest du nur so unvorsichtig sein? Hätte ich die Leiche entsorgt, wären sie mir längst nicht so dicht auf den Fersen. Aber was hätte ich denn tun sollen? Zur Antwort sauste die Peitsche erneut auf seine Haut nieder. Feine, blutige Rinnsale liefen seinen nackten Rücken hinunter und tropften hellrot auf das Handtuch, auf dem er kniete. Die Glocke schlug. Klar konnte er ihren hellen Klang in seinen vom Schmerz rauschenden Ohren hören. Er blickte auf die Uhr. Es war an der Zeit.

Eilig stand er auf und öffnete die Truhe, in der die goldene Sichel lag. Mit einer ehrwürdigen Geste nahm er sie heraus und fuhr mit seinem Zeigefinger prüfend über die scharfe Klinge. Dann ging er zu einem seiner Monitore und zoomte sein neues Opfer heran. Wie ein Riesenembryo lag der blutende Mann gefesselt in dem kleinen Kofferraum des Wagens, den er extra für ihn besorgt hatte. Er war immer noch bewusstlos. Das war schade, aber er würde sein Bestrafungsritual sowieso ändern müssen. In die Waschanlage konnte er nicht mehr zurück und in so kurzer Zeit würde er auch keine Alternative finden.

Es wäre besser, du würdest verschwinden!, sagte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf.

Jetzt sei kein Feigling!, erwiderte ein strenges Krächzen die Bedenken. Es sind doch nur noch drei Sünder. So schnell werden sie dich nicht entdecken. Du hast alle Zeit, die du brauchst. Gott ist bei dir! Und danach tauchst du unter!

 

 

 

 

Anna und Emily hatten sich in der Toilette des Kreismuseums versteckt. In knapp zehn Minuten würde das Museum seine Pforten schließen und dann könnten sie sich in den Keller schleichen. Emily hatte in den letzten Tagen Erkundigungen eingeholt und herausgefunden, dass es durch den Keller eine Verbindung zu der Baustelle auf dem Museumsvorplatz gab. Bei der Umgestaltung des Museumsvorplatzes hatten die Bauarbeiter ein mittelalterliches Kellergewölbe entdeckt. Emily vermutete, von dort aus einen Zugang zum Labyrinth zu finden. Sie war wahnsinnig aufgeregt und konnte es kaum erwarten, endlich loszulegen. Heute Morgen noch hatte sie große Teile ihrer neuen Reportage über den Sichelmörder von Zons vervollständigt und jetzt wollte sie unbedingt dem Schatz des Erzbischofs von Saarwerden auf die Spur kommen. Das würde der Höhepunkt ihrer Geschichte werden.

Schlürfende Schritte rissen Emily aus ihren Gedanken. Das Geräusch kam immer näher. Besorgt blickte sie zu Anna. Hoffentlich werden wir nicht entdeckt! Die Tür zur Damentoilette wurde geöffnet und jemand trat ein. Emilys Herz pochte bis zum Hals. Sie konnte hören, wie die Schritte den Vorraum durchquerten. Dann wurde das Fenster geschlossen und die Schritte entfernten sich wieder. Erleichtert atmeten Anna und Emily auf. Das war knapp. Anna blickte auf die Uhr. Seit zehn Minuten hatte das Kreismuseum jetzt geschlossen. Sie lauschten angestrengt, konnten jedoch keine Laute mehr vernehmen. Sie warteten noch weitere fünf Minuten ab, bis sie sich sicher waren, dass niemand mehr im Museum war. Sie schlichen sich aus der Toilette und liefen schnurstracks in den Keller. Emily hatte vorher alle Pläne auswendig gelernt und bewegte sich mühelos durch die dunklen Gänge. Sie war so geschickt und schnell unterwegs, dass Anna Mühe hatte, ihr zu folgen. Der Keller roch muffig und überall standen in Tücher verhüllte Exponate herum. Das Licht ihrer Taschenlampen bewegte sich huschend über den Kellerboden.

Emily blieb stehen.

»Hier muss es sein.« Sie leuchtete auf ihren Plan und tippte mit dem Zeigefinger auf ein rotes Kreuz. Sie lief drei Schritte nach links und blieb vor einer rostigen, mit Spinnweben bedeckten Tür stehen. Sie versuchte, den riesigen Hebel – welcher statt einer Türklinke auf dem Metall angebracht war – hochzudrücken. Der Hebel bewegte sich keinen Millimeter.

»Anna, hilf mir mal. Das Ding ist festgerostet!«

Gemeinsam versuchten sie, den Hebel mit aller Kraft zu bewegen, doch ohne Erfolg.

»So wird das nichts. Vielleicht ist der Hebel festgestellt und muss erst entriegelt werden«, murmelte Anna und leuchtete die Tür ab. Vorsichtig tastete sie an der Innenseite des Hebels entlang und spürte einen kleinen Nippel. Sie schob ihn nach unten und etwas klickte leise.

»Das war es«, freute sich Anna und drehte den Hebel nach oben. Die Tür öffnete sich und ein kalter, feuchter Luftschwall schlug ihnen aus dem dahinterliegenden Dunkel ins Gesicht. Emily blickte auf die Karte.

»Wir müssen noch tiefer nach unten kommen. Dies hier ist nur ein weiterer Keller.«

Sie stocherte mit den Zehenspitzen auf dem staubbedeckten Boden herum und stieß an eine eiserne Platte von knapp einem Quadratmeter Größe. Da Emily gut ausgerüstet war, hatte sie auch eine Brechstange dabei. Sie hebelte die Platte ein Stück an. Anna und Emily gerieten kräftig ins Schwitzen, bis die Eisenplatte endlich zur Seite schrammte. Darunter öffnete sich ein schwarzes Loch. Emily leuchtete hinein und erblickte in Fels gehauene, unregelmäßige Stufen. Sie warf Anna einen triumphierenden Blick zu. Sie hatte richtig gelegen. Hier gab es tatsächlich unterirdische Gänge! Dieses kleine mittelalterliche Städtchen war vollgestopft mit alten Geheimnissen, die nur darauf warteten, enthüllt zu werden. Sie liebte es. Stürmisch umarmte sie Anna, die ihre Entdeckung ebenfalls kaum fassen konnte. Wahnsinn, das war eine Sensation.

Vorsichtig stieg Emily die Treppe nach unten und Anna folgte ihr mit klopfendem Herzen.

Als sie am Ende der Treppe angekommen waren, holte Emily eine große Spraydose mit Neonfarbe hervor und sprühte ein großes Kreuz an die Felswand.

»Damit wir uns nicht verlaufen«, flüsterte sie aufgeregt.

»Benutzt man nicht eigentlich ein Seil zur Markierung des Weges?«, fragte Anna ein wenig ängstlich.

»Quatsch, wir leben doch nicht mehr im Mittelalter!«

 

Bundle Puzzlemörder Erntezeit Zwilling Flügel
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