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Um zehn Uhr morgens konnte das Sonderkommando die ersten kleinen Erfolge verbuchen.
Von Daeniken hatte herausgefunden, dass Blitz seine Finanzgeschäfte bei der Banca Popolare del Ticino abgewickelt hatte. Innerhalb der nächsten Stunde sollten ihnen alle Belege über seine Transaktionen - Kontostand, Daueraufträge, Einzahlungen, Überweisungen auf und von seinem Konto - vorliegen. Außerdem hatte von Daeniken herausgefunden, dass die Villa Principessa nicht, wie angenommen, gemietet oder geleast, sondern vor vierundzwanzig Monaten für drei Millionen Franken von einer Investmentgesellschaft mit Sitz auf den niederländischen Antillen gekauft worden war. Der anfallende Papierkram war von einem Treuhänder in Liechtenstein erledigt worden. Von Daeniken hatte ein paar Ermittler nach Vaduz geschickt, der Hauptstadt des kleinen Fürstentums, um mit den Verantwortlichen für die Transaktion zu sprechen.
Auch Meyer war auf Gold gestoßen und hatte eine Liste mit zwölf Telefonnummern erstellt, die sowohl von Blitz als auch von Lammers regelmäßig angerufen worden waren. Etliche der Nummern gehörten zu Produktionsfirmen, mit denen die Robotica Geschäftsbeziehungen unterhielt. Diese Firmen würden im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen dazu gezwungen werden, die Namen der Personen herauszurücken, die die Anrufe getätigt oder entgegengenommen hatten. Die anderen Nummern gehörten zu den Netzen ausländischer Mobilfunkunternehmen. Sie würden nicht umhinkommen, mit den Botschaften in Frankreich, Spanien und Holland zusammenzuarbeiten, um die Betreiber per Gesetz zur Herausgabe der entsprechenden Daten zu zwingen.
Krajcek hielt sich in Zürich auf, wo er mit verschiedenen Informanten sprach, und hatte sich bis jetzt noch nicht wieder gemeldet.
Nur Hardenberg war ziemlich frustriert. Bislang war es ihm lediglich gelungen, die Liste der Halter von VW-Kleintransportern im Land auf sage und schreibe 18 654 Personen zu reduzieren. Darüber hinaus wartete er noch auf die Berichte der Autovermietungen und Kantonspolizeidienststellen hinsichtlich gestohlener Kleintransporter, die auf die Beschreibung passten.
»Was haben wir von ISIS?«, fragte von Daeniken und setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches.
»Ich hab eine Anfrage gestartet«, sagte Hardenberg. »Weiße VW-Kleintransporter mit Schweizer Kennzeichen. Mal sehen, was dabei herauskommt.«
»Konzentrier dich zuerst auf die Suche in Deutschland.«
»Schon erledigt. Als ersten Zielort habe ich Leipzig und als zweiten alle Städte im Umkreis von fünfzig Kilometern eingegeben. Ein paar Treffer sollten eigentlich dabei sein.«
Das Katalogisieren von Haftbefehlen und die Sammlung von persönlichen Daten verdächtiger Personen - zumindest in den Augen der Regierung - stellte nur einen Teil der Aufgabe von ISIS dar. Darüber hinaus war ISIS an unzählige Überwachungskameras in ganz Europa angeschlossen. Diese fotografierten täglich im Minutentakt alle Fahrzeuge (und Personen), die an ihnen vorbeifuhren. Die Kennzeichen dieser Fahrzeuge wurden an ein System weitergeleitet, das die Datenbanken der Geheimdienste aus über dreißig Ländern verband. Mit der Zeit war so eine Art »Internet der Schnüffler« entstanden. Das System verglich die übermittelten Daten mit allen als gestohlen gemeldeten oder irgendwie verdächtigen Fahrzeugen aus den jeweiligen Ländern. Auf diese Weise wurden in ganz Europa kontinuierlich Informationen ausgetauscht, so zum Beispiel, dass ein in Spanien gestohlenes Auto in Paris fotografiert worden war. Oder dass ein Laster, der in Zusammenhang mit einem Juwelenraub in Nizza gesucht wurde, in Rom gesichtet worden war. Ermittlungsarbeit ohne Beamte, die jährlich zu tausenden von Verhaftungen führte.
Leider ließen die Ergebnisse oft unerträglich lange auf sich warten. Durch die unglaubliche Menge an Daten, die ausgewertet werden musste - täglich mehrere Millionen Fotos -, gab es niemals wirklich schnelle Erfolge.
»Bleib am Ball«, sagte von Daeniken. »Und gib mir sofort Bescheid, sobald irgendetwas Interessantes auftaucht. Du hast ja meine Telefonnummer.«
Hardenberg nickte und machte sich wieder an die Arbeit.
Zufrieden darüber, dass die Ermittlungen so gut anliefen, nahm von Daeniken den Fahrstuhl ins Erdgeschoss und verließ das Gebäude. Nachdem er in sein Auto gestiegen war, fuhr er geradewegs zur Autobahn, wo er die A1 in Richtung Genf nahm. Er musste sich beeilen, wollte er den Hauptsitz von Ärzte ohne Grenzen noch heute Nachmittag erreichen.