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Ungeduldig lief Marcus von Daeniken im Passagierterminal des Flughafens Bern-Belp auf und ab. Draußen stand ein Sikorsky auf dem Beton. Die Crew legte letzte Hand an, um die Rotorblätter zu enteisen. Der Tower hatte durchgegeben, dass das Wetter über den Alpen aufklarte und dass sie ein Zeitfenster von sechzig Minuten hatten, um über die Berge ins Tessin zu fliegen, bevor die nächste Schlechtwetterfront den Norden des Landes erneut vom Süden abschneiden würde.

Von Daeniken war eigentlich kein Freund des Fliegens, doch an diesem Morgen blieb ihm keine andere Wahl. Am Nordeingang des Gotthardtunnels war ein Achtzehntonner umgekippt, und der Verkehr staute sich auf einer Strecke von fünfundzwanzig Kilometern.

Eine Lautsprecheransage bat die Passagiere, in den Hubschrauber einzusteigen. Widerstrebend verließ er die warmen Räume des Terminals, gefolgt von Meyer und Krajcek. »Wie lange werden wir unterwegs sein?«, fragte er den Piloten, als sie an Bord kletterten.

»Neunzig Minuten … wenn das Wetter mitspielt«, erwiderte der Pilot und reichte von Daeniken eine Kotztüte.

Von Daeniken zog die Gurte fest an, betrachtete den weißen Papierbeutel auf seinen Knien und stieß ein Stoßgebet aus.

Der Hubschrauber landete um sechs Minuten nach neun auf einem Landeplatz außerhalb von Ascona. Während des gesamten Fluges war der Hubschrauber von gewaltigen Windböen hin und her gepustet worden, wie der Ball in einer Lotteriemaschine. Zweimal hatte der Pilot von Daeniken gefragt, ob er lieber umkehren wolle. Jedes Mal hatte von Daeniken nur mit dem Kopf geschüttelt. Schlimmer als die Übelkeit plagte ihn die Vorstellung, dass Blitz in gerade diesem Moment seine Taschen packte und sich über die italienische Grenze absetzte.

Es hatte sich herausgestellt, dass die Telefonnummer in Lammers’ Terminkalender zu einem Gottfried Blitz gehörte, Besitzer der Villa Principessa in Ascona. Die örtliche Polizei war telefonisch über von Daenikens unmittelbare Ankunft informiert worden. Sie war zudem angewiesen worden, den Verdächtigen unter keinen Umständen zu informieren oder gar zu verhaften.

Der Motor ächzte und erstarb. Die Rotorblätter drehten sich immer langsamer, bogen sich unter ihrem Gewicht. Als von Daeniken den ersten Fuß auf festen Boden setzte, musste er schwer an sich halten, um nicht auf die Knie zu sinken und den Beton zu küssen. Und er schwor sich, in einem Wagen zurückzufahren, selbst wenn die Welt untergehen sollte.

Leutnant Mario Conti, Chef der Tessiner Polizei, stand am Ende des Hubschrauberlandeplatzes. »Sie fahren mit mir zum Haus von Blitz«, sagte er. »Ich gehe davon aus, dass Ihr Kollege schon dort ist.«

Von Daeniken lief mit schnellen Schritten neben Conti auf den parkenden Wagen zu. Seine Ohren dröhnten noch immer vom Motorenlärm, und er war sich nicht sicher, ob er den Leutnant richtig verstanden hatte. »Mein Kollege? Aber meine Männer sind doch bei mir: Herr Meyer und Herr Krajcek. Niemand sonst aus meinem Büro ist mit dem Fall betraut.«

»Aber ich habe heute früh einen Anruf von Signor Orsini, dem Bahnhofsleiter, erhalten. Er teilte mir mit, dass ein Polizist ihn aufgesucht hat, um sich nach den Gepäckstücken zu erkundigen. Ich hatte angenommen, dass er mit Ihnen am gleichen Fall arbeitet.«

»Was für Gepäckstücke?«, fragte von Daeniken und blieb abrupt stehen.

»Die Gepäckstücke, die nach Landquart geschickt worden sind«, erklärte Conti. »Der Polizeibeamte hat Signor Orsini gesagt, dass sie dem Hauptverdächtigen im gestrigen Polizistenmord gehören.«

»Ich hab nichts mit den Ermittlungen im Landquarter Polizistenmord zu tun. Und ich hab auch niemanden geschickt, der mit dem Bahnhofsleiter sprechen sollte.«

Conti schüttelte den Kopf, seine Wangen wurden bleich. »Aber dieser Polizeibeamte … er hat doch seinen Dienstausweis vorgezeigt. Sind Sie sicher, dass er nicht zu Ihrem Team gehört?«

Von Daeniken ignorierte die Frage und kam direkt auf den Punkt. »Was genau wollte diese Person?«

»Name und Adresse des Mannes, der die Gepäckstücke aufgegeben hat.«

Von Daeniken setzte sich wieder in Richtung Wagen in Bewegung. Ja, er wurde sogar noch schneller, als ihm etwas klar wurde. »Und der Name des Mannes war -«

»Blitz«, sagte der Polizeichef, der beinahe rennen musste, um mit von Daeniken Schritt zu halten. »Der Name des Mannes, den Sie suchen, versteht sich. Er lebt in Ascona. Ist irgendwas nicht in Ordnung?«

Von Daeniken riss die Beifahrertür auf. »Wie weit ist es bis zu seinem Haus?«

»Zwanzig Minuten.«

»Bringen Sie uns in zehn Minuten hin.«

Reich, Christopher
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