19
Jonathan erreichte Arosa nach neunzig Minuten Autofahrt. Er steuerte den Wagen bis ans Ende der Poststraße und parkte genau gegenüber vom Kulm Hotel, dreihundert Meter vom Bellevue entfernt. Simone saß zusammengesunken auf dem Beifahrersitz und rauchte.
»Es gibt keinen Grund für dich, noch länger hierzubleiben«, sagte er. »Es ist besser, wenn wir uns trennen. Ich kann von nun an alleine weitermachen.«
»Ich will aber bleiben«, sagte sie und warf einen Blick aus dem Fenster.
»Fahr nach Hause. Du hast deine Pflicht und Schuldigkeit getan. Du hast meine Hand gehalten, als ich es besonders brauchte. Ich kann keine Verantwortung mehr für dich übernehmen.«
Die Vorstellung schien sie offenbar zu verärgern. »Niemand hat dich darum gebeten«, sagte sie schnippisch. »Ich hab bislang immer sehr gut auf mich allein aufpassen können, vielen Dank.«
»Was willst du Paul erzählen?«
»Ich werde ihm sagen, dass ich einem Freund geholfen habe.«
»Das hört sich bestimmt gut an, wenn du ihn aus dem Gefängnis anrufst. Das führt doch nur dazu, dass du noch tiefer in die Sache hineingezogen wirst.«
Simone drehte sich im Sitz herum und sah ihn an. Die Wange, die der Polizist geschlagen hatte, hatte sich lila gefärbt. Der Bluterguss bildete einen dramatischen Kontrast zu ihrem restlichen Erscheinungsbild. »Und was hast du vor? Kannst du mir das mal verraten, Jonathan?«
Jonathan hatte sich vorgenommen, die Dinge Schritt für Schritt anzugehen. Technisch gesehen wusste er, dass er sich auf der Flucht befand, doch er fürchtete sich nicht vor der Polizei, weder vor dem aufrichtigen Polizisten noch vor seinem Gegenstück. Es war die Wahrheit, die ihm Angst einjagte. »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte er nach einer Weile.
Simone richtete sich in ihrem Sitz auf. »Wie viele Brüder hast du?«
Die Frage traf ihn völlig unvorbereitet. »Zwei. Und eine Schwester. Warum fragst du?«
»Wenn einem von ihnen so etwas zustoßen würde, würdest du nach Hause fahren?«
»Nein«, sagte er. »Das würde ich nicht.«
»Ich habe keine Geschwister«, fuhr Simone fort. »Ich bin mit einem Mann verheiratet, dessen Arbeit wie eine Geliebte für ihn ist. Gewissermaßen betrachte ich meine Schüler als meine Kinder, und ich hatte Emma. Ich frage mich genau wie du, in was für eine Sache sie verwickelt war. Wenn ich dir auf irgendeine Weise bei der Aufklärung helfen kann, will ich es zumindest versuchen. Ich verstehe deine Besorgnis um mich und weiß sie zu schätzen. Morgen werde ich nach Davos fahren und Paul treffen. Ich bin mir sicher, dass wir bis dahin Licht in diese Angelegenheit gebracht haben. Doch wenn wir der Polizei gegenübertreten müssen, werde ich es mit dir zusammen tun.«
Jonathan erkannte, dass er sie nicht umstimmen konnte. Andererseits konnte ihre Gegenwart durchaus hilfreich sein, wenn er einem Polizeidienstleiter gegenübertreten musste. Sie war Lehrerin an einer angesehenen Genfer Schule und ihr Mann ein einflussreicher Wirtschaftsexperte.
Er beugte sich zu ihr herüber und nahm ihr die Zigarette aus dem Mund. »Okay, du hast gewonnen. Aber wenn du bleiben willst, musst du aufhören, diese Dinger zu rauchen. Wenn das so weitergeht, muss ich mich noch übergeben.«
Simone holte sofort eine neue Zigarette aus ihrer Tasche und steckte sie sich in den Mundwinkel. »Allez. Ich warte hier auf dich.« Sie beugte sich zu ihm herüber und küsste ihn auf die Wange. »Sei vorsichtig.«
Jonathan lief mit eingezogenem Kopf die Straße hinunter. Der Wind wirbelte ihm den Schnee mit solcher Wucht gegen die Wangen, dass er die Hände schützend über die Augen legen musste, um überhaupt drei Meter weit sehen zu können. Er folgte einer Weggabelung, die von der Poststraße abzweigte, und bog schließlich auf einen kleinen Trampelpfad ein, der durch den Arlenwald am Fuße des Berges führte. Hier war der Wind nicht mehr ganz so stark. Er beschleunigte seinen Schritt.
Nachdem er die Lichtkegel der Straßenlaternen hinter sich gelassen hatte, wurde der von großen Kiefern und stocksteifen Birken gesäumte Weg immer dunkler. Zu seiner Rechten befand sich der steil abfallende Berghang. Nach einigen Minuten erreichte er die Rückseite des Hotels und kämpfte sich durch den knietiefen Schnee den Berghang hinunter. Am Waldrand blieb er stehen und blickte zu seinem Fenster hinauf. Vierte Etage. Vordere Ecke. Die oberen Äste einer hundertjährigen Kiefer ragten fast bis an die Balkone des dritten und vierten Stockwerks.
In diesem Moment fühlte er, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Er drehte sich abrupt um, überzeugt davon, dass ihn jemand beobachtete. Mit den Augen suchte er den Berghang hinter sich ab. Hoch oben auf einem Baum schrie eine Eule. Der tiefe, heisere Laut jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er sah sich noch ein paar Sekunden lang um, konnte aber niemanden entdecken.
Mit fünf Schritten erreichte er die stämmige Kiefer. Er wählte sich einen Ast aus, zog sich auf den Baum und kletterte hinauf. In zehn Metern Höhe robbte er auf allen vieren bis zum Ende eines dicken Astes. Der Balkon war kaum eine Armlänge von ihm entfernt. Der Neigungswinkel des Abhangs war so steil, dass er, falls er abrutschte, nur drei Meter tiefer im Schnee landen würde. Er hängte sich an den Ast und holte mit den Beinen Schwung, bis er an die Balkonmauer heranreichte. Nachdem er sein Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, sprang er auf den Balkon.
Hinter den zugezogenen Vorhängen konnte er Licht sehen. Die Balkontür stand einen Spalt offen. Er trat näher und stellte sich auf die Zehenspitzen. In diesem Augenblick wurden die Vorhänge aufgezogen. Die Balkontür öffnete sich nach innen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Jonathan einen Mann, der einen Anzug trug. Er hielt die Balkontür auf und sprach mit einer Frau. Jonathan trat den Rückzug an und hechtete über das Balkongeländer. An den Fingerspitzen hängend - unter Kletterern als Fledermausgriff bezeichnet - hangelte er sich an der Trennwand zwischen den Balkonen entlang. Das Geländer war mit Eis überzogen und unbeschreiblich kalt. Er warf einen Blick nach unten. Die Zufahrtsstraße zum Hotel befand sich etwa achtzehn Meter unter ihm. Falls er diese verfehlte, würde er noch einmal achtzehn Meter tief bis auf die darunterliegende Straße fallen. Seine Finger wurden gefühllos. Er versuchte sich einzureden, dass er genauso gut an einem Felsvorsprung in einer Granitfelswand hängen könnte. Doch niemals würde er eine Granitfelswand im tiefsten Winter erklimmen. Zentimeter für Zentimeter hangelte er sich an der Außenwand des Balkons entlang. Am Ziel angelangt zog er sich ächzend über das Geländer.
Schwer atmend öffnete er die Balkontür. Sie war unverschlossen, so wie er sie am Morgen zurückgelassen hatte. Im Zimmer brannten keine Lichter. Er betrat den Raum und verharrte einen Moment lang regungslos, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es war deutlich zu erkennen, dass das Zimmermädchen da gewesen war. Das Bett war gemacht. Der angenehme Duft von Möbelpolitur erfüllte den Raum. Trotzdem hatte er das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht so war, wie es hätte sein sollen.
Er trat zum Bett. Emmas Nachthemd befand sich unter ihrem Kopfkissen. Ihre Taschenbücher lagen ordentlich gestapelt auf dem Nachttisch. Er nahm den zuoberst liegenden Roman zur Hand. Schatten der Vergangenheit. Der Titel klang unverdächtig, doch er war sich relativ sicher, dass sie mit diesem Buch noch nicht begonnen hatte. Er fand das Buch, das Emma gelesen hatte, ganz unten im Stapel.
Er ging in den Eingangsbereich und öffnete den Schrank. Nacheinander zog er alle Schubladen auf und überprüfte Emmas Sachen. Er sollte nach Hinweisen Ausschau halten, die ihm etwas über Emmas Doppelleben verrieten. Doch nach was für Hinweisen suchte er eigentlich? Wenn er nicht wusste, was sie eigentlich getrieben hatte, wie sollte er wissen, wonach er suchen musste?
Er schloss den Schrank, dann wanderte sein Blick nach oben, wo er ihre Koffer verstaut hatte. Auf Zehenspitzen stehend zog er den größeren Koffer herunter. Es war Emmas Koffer, ein Samsonite-Hartschalenmodell, der Ähnlichkeit mit den Trolleys von Stewardessen hatte. Er stellte ihn auf den Boden und stutzte.
Er legte Emmas Koffer niemals nach oben. Dort lag immer sein eigener Koffer, der kleiner und schmaler war.
Jemand war im Zimmer gewesen.
Eine Minute lang rührte er sich nicht vom Fleck. Er lauschte mit erhobenem Kopf. Mit jedem Herzschlag hatte er das Gefühl, als ob ihm jemand einen Nagel in die Brust schlug. Doch außer seinen vibrierenden Nerven hörte er nichts. Schließlich hob er den Koffer auf, trug ihn zum Bett und öffnete ihn.
Wieder eine Überraschung. Das Innenfutter war an der Einfassung gelöst worden - so sauber, als hätte man in einem Fotoalbum eine der adhäsiven Plastikfolien abgezogen. Das Futter war weder herausgeschnitten noch herausgerissen worden. Als er genauer hinsah, entdeckte er einen speziellen Mechanismus, mit dem das Futter befestigt war - Führungsrippen, wie man sie auch bei wiederverschließbaren Plastikbeuteln fand. Im Mondlicht erkannte er eine rechteckige Einfassung von der Größe eines Kartenspiels. Es war ein Fach, in dem man Papiere oder Dokumente verstecken konnte, etwas, das den prüfenden Blicken eines Zollbeamten verborgen bleiben sollte.
Er schloss den Koffer und legte ihn an seinen Platz zurück. Emmas Reisetasche lag unter dem Schreibtisch. Kein schwarzes Kalbsleder dieses Mal, sondern ein Allwetterrucksack, der vom jahrelangen Gebrauch fleckig geworden war. Er öffnete das Außenfach und war erleichtert, als er ihr Portemonnaie dort fand, wo sie es immer hinsteckte. Ihr Ausweis war da und auch das Geld in Höhe von siebenundachtzig Franken. Ihre Kreditkarten waren nicht angerührt worden. Er öffnete das Kleingeldfach. Ein paar Franken, eine Haarklammer, Tic Tacs. Er schloss die Börse wieder, dann fuhr er mit der Hand über den Taschenboden. Seine Finger ertasteten etwas. Es war das Armband, das Emma von Zeit zu Zeit trug. Es war hellblau und aus Gummi hergestellt, ähnlich den Livestrong-Armbändern, die durch Lance Armstrong, den siebenfachen Gewinner der Tour de France, bekannt geworden waren.
Dreiviertel des Armbands waren von gleichem Umfang, doch an der Stelle, die an der Armunterseite getragen wurde, war es deutlich dicker. Er fuhr mit dem Finger über die Wölbung. Darunter befand sich etwas Hartes und Rechteckiges. Er drehte das Armband ein paarmal in den Händen, bis er bemerkte, dass er es auseinanderziehen konnte. Es öffnete sich und enthüllte einen USB-Stick. Er hatte den Datenträger noch nie zuvor bei ihr gesehen. Emma ließ niemanden an ihren Blackberry, doch sie nahm ihren Laptop selten mit aus dem Büro. Er schloss das Armband und zog es sich über das Handgelenk.
In diesem Moment hörte er Schritte auf dem Flur. Er stellte den Rucksack auf den Boden und durchsuchte den Schreibtisch. Landkarten. Postkarten. Sein Kompass. Stifte. Die Schritte kamen näher und hallten laut im Flur.
»Bitte hier entlang. Es ist das Zimmer am Ende des Flures.«
Jonathan erkannte die Stimme des Hotelmanagers. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt. Er öffnete die mittlere Schublade und fand ein braunes Buch mit einem Ledereinband. Mit einer Hand griff er nach Emmas Rucksack, warf das Buch hinein und lief eilig zur Terrasse.
Die Tür öffnete sich. Licht drang aus dem Hotelflur in das Zimmer.
»Der Polizist war tot?«, fragte der Hotelmanager.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen, floh Jonathan aus dem Zimmer und sprang über den Balkon auf den Berghang.
»Sie waren schon da«, keuchte Jonathan, nachdem er die Tür des Mercedes aufgerissen hatte, und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. »Jemand hat das Zimmer durchsucht …«
Er warf einen Blick zum Beifahrersitz. Simone saß nicht mehr im Wagen. Er suchte auf dem Boden nach ihrer Tasche und sah, dass sie ebenfalls verschwunden war. Sie hat sich aus dem Staub gemacht, dachte er. Sie hat’s sich noch mal überlegt und zugesehen, dass sie so schnell wie möglich von hier wegkommt, solange es noch geht. Jonathan stützte sich auf das Armaturenbrett und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Seine Augen glitten zum Zündschloss. Die Autoschlüssel waren nirgendwo zu sehen. Voll böser Vorahnungen fuhr er herum und sah auf den Rücksitz. Weder Emmas Tasche noch die Schachtel mit dem Pullover waren dort. Simone war abgehauen und hatte alles mitgenommen.
Er sank in seinem Sitz zusammen, müde und verwirrt. Er betrachtete den Rucksack auf seinem Schoß, nahm das dicke Buch heraus und studierte die Namen, Adressen und Telefonnummern darin. Es ist ein Anfang, dachte er.
In diesem Augenblick öffnete sich die Beifahrertür, und Simone stieg ins Auto.
»Wo warst du?«, fragte er.
Simone wich etwas zurück. »Ich bin auf den Hügel geklettert und wieder zurückgelaufen. Wenn du’s unbedingt wissen willst, ich wollte eine Zigarette rauchen.«
»Wo sind Emmas Sachen?«
»Hab sie in den Kofferraum gelegt. Für den Fall, dass jemand von uns ein wenig schlafen möchte.«
Jonathan nickte und versuchte, sich zu beruhigen. »Ich wollte dich nicht anschnauzen. Es ist nur … Sie waren dort … In unserem Hotelzimmer, meine ich. Die haben alles durchsucht. Von oben bis unten. Und sie waren wirklich gründlich. Das können sie gerne schriftlich von mir haben. Sie haben fast keine Spuren hinterlassen. Und dann hätte ich’s nie rausgefunden …«
Simone starrte ihn an, und seine Furcht spiegelte sich in ihren Augen. »Wovon redest du eigentlich? Wer ist dort gewesen? Die Polizei?«
»Nein. Zumindest keine gewöhnliche Polizei.« Er erzählte ihr von dem Koffer und wie jemand das Futter darin gelöst hatte, und von dem seltsamen kleinen Fach, das er dahinter entdeckt hatte.
»Sie haben nur ihren Koffer durchsucht?«, fragte Simone. »Was wollten sie dort finden?«
»Ich weiß es nicht.«
»Denk nach, Jon. Was hätte dort versteckt sein können?«
Jonathan machte eine abwehrende Handbewegung. Er hatte keine Ahnung. »Gib mir die Schlüssel. Sie können jeden Moment hier auftauchen.«
Simone reichte sie ihm. »Immer mit der Ruhe. Niemand kommt. Sieh selbst.«
Jonathan starrte aus dem Rückfenster. Die Straße war menschenleer. Der Schneesturm hatte die einzelnen Stadtviertel vollständig isoliert. Er lehnte sich zurück und schloss seine Augen. »Okay«, murmelte er. »Wir sind okay.«
»Natürlich sind wir okay«, sagte Simone.
»Ich hab Stimmen im Flur gehört. Ich glaube, es war der Hotelmanager mit der Polizei. Sie haben über den Polizisten in Landquart gesprochen. Sie wissen, dass ich das war.«
»Im Augenblick bist du sicher. Das ist alles, was jetzt zählt.« Sie zeigte mit der Hand auf das Buch in seinem Schoß. »Was ist das?«
»Emmas Adressbuch. Wir müssen rausfinden, wen sie in Ascona kannte. Wenn einer ihrer Freunde ihr die Gepäckstücke geschickt hat, finden wir den Namen hier drin.«
»Darf ich?«
Jonathan reichte ihr das ledergebundene Buch. Es war so dick wie die Bibel und doppelt so schwer. Emma hatte immer behauptet, dass in ihm nicht weniger als ihr ganzes Leben zu finden sei. Simone legte es sich auf die Knie und öffnete es so andächtig, als hätte sie einen religiösen Text in Händen. Auf dem Deckblatt stand Emmas Name, darunter ihre verschiedenen, mittlerweile durchgestrichenen Anschriften. Die letzte Adresse lautete Rampe de Cologny, Genf. Davor war es die Rue St. Jean in Beirut gewesen, davor das UN-Flüchtlingscamp in Darfur, Sudan. Die Liste ging noch weiter und las sich wie eine Landkarte seines eigenen vergangenen und zukünftigen Lebens.
»Wie viele Namen stehen überhaupt hier drin?«, fragte Simone.
»Die von allen Personen, die sie jemals getroffen hat. Emma hat nie jemanden vergessen.«
Zusammen blätterten sie durch die Seiten. Von A bis Z. Sie suchten nach einer Adresse in Tessin. Ascona. Locarno. Lugano. Irgendeine Telefonnummer mit einer 091-Vorwahl. Sie fanden Namen aus allen Teilen der Welt. Tasmanien, Patagonien, Lappland, Grönland, Singapur und Sibirien. Doch nirgendwo fanden sie einen Hinweis auf Ascona.
Dreißig Minuten später legte Simone das Adressbuch auf die mittlere Ablage.
Emma besaß nicht eine Kontaktperson im südlichsten Schweizer Kanton. Ascona tauchte nirgends auf.
Jonathan kramte in seinen Taschen und holte die Kundenbelege hervor, die von den Gepäckscheinen übriggeblieben waren. »Wir haben immer noch die hier«, sagte er. »Der Stationsleiter meinte, der Name des Absenders wäre am Aufgabebahnhof notiert worden.«
»Ich glaube nicht, dass die Schweizer so einfach persönliche Informationen herausgeben. Du wirst dich ausweisen müssen.«
»Du hast wahrscheinlich Recht.« Jonathan drückte Simone die Kundenbelege in die Hand und ließ den Wagen an.
»Wohin fahren wir?«
»Was glaubst du?« Er warf einen Blick über die Schulter, während er den Wagen auf die Straße lenkte.
Simone rutschte auf ihrem Sitz herum und strich sich das Haar hinter ein Ohr. »Aber Emma kannte doch niemanden dort. Wir wissen doch gar nicht, wo wir mit der Suche anfangen sollen. Was hoffst du, dort zu erreichen?«
Jonathan lenkte den Wagen bergab und drückte auf das Gaspedal. »Ich weiß, wie wir herausfinden können, wer Emma die Sachen geschickt hat.«