8

Am Montag früh ließ sich Bertram in die Klinik fahren. Seine ungewöhnliche Stimmung fiel dem Chauffeur auf, im Rückspiegel sah er, wie der Professor einige Male seine Lippen bewegte, als würde er Selbstgespräche führen. An diesem Morgen war Bertram mit einem nahezu vergessenen Gefühl der Leichtigkeit und Zufriedenheit aufgewacht; nach dem Aufstehen behielt er die Wärme der noch schlafenden Malvina in sich.

Der Gedanke, mit dem er aufgewacht war, erschien ihm auf einmal nicht mehr befremdend. Karen hatte Malvina und ihn auf eine merkwürdige Weise nähergebracht. Er hatte Malvina unrecht getan.

Er war keine Ausnahme. Wie jeder trug er seine Schuld mit sich, und der Versuch, sie auch bei dem anderen zu finden, entlastete ihn nicht. Die Schuld war wie das Leben, mißlich und notwendig. Aus Gefühlen entstanden, förderte sie neue Gefühle – sie war unentbehrlich wie die Sühne.

Das Auto bog in das Universitätsgelände ein und blieb vor der internen Klinik stehen. Der Chauffeur lief um den Wagen herum und machte die Tür auf, während sich Bertram sagte, es stünde ihm nicht zu, über Menschen zu richten. Seine Aufgabe war, den Menschen zu helfen. Dann stieg der Ordinarius aus.

Nach der Visite auf der Frauenstation sagte Bertram zu Fritsch: »Ich habe meinen Entschluß überdacht. Sie können weiter hierbleiben.«

»Ich will aufs Land«, antwortete Fritsch, »nur möchte es meine Frau nicht.«

»Ich würde ungern auf Ihre Mitarbeit verzichten. Fehler macht schließlich jeder. Darauf beruht ein Teil unserer Erfahrung.«

»Ich möchte immer das Richtige tun, hinterher ist es doch das Falsche.«

»Später wird es besser«, entgegnete Bertram ermutigend. »Sie bleiben also!«

Fritschs Veränderung fiel ihm erst später auf. Zum erstenmal hatte er mit ihm ohne die Unterwürfigkeit des Untergebenen gesprochen. Der Junge hatte seine Zaghaftigkeit abgelegt und wirkte entschlossen. ›Er hat das Zeug für einen Internisten‹, entschied Bertram, ›man müßte ihn nur fördern.‹ Er nahm sich vor, sich mehr um Fritsch zu kümmern.

Bertram ging in sein Zimmer zurück, er hatte das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen.

»Der Staatssekretär Klose ist der erste«, sagte die Sekretärin resignierend. »Eine schöne Bescherung, die Sprechstunde heute.«

Als Bertram das Untersuchungszimmer betrat, war er von seinen Gedanken an Malvina völlig in Anspruch genommen.

Sie verabschiedeten sich im Flur der Frauenstation. »Heute werden Sie entlassen«, sagte Fritsch.

»Ja«, erwiderte Lisa. Sie tat so, als ob sie es eilig hätte, als versuchte sie, diesem Abschied mit dem Gedanken zu begegnen: ›Es ist weiter nichts. Ich komme wieder nach Hause.‹

Sie sah, wie eine Schwester auf sie zukam. Es war dieselbe, die einmal Elena Fritsch als eine unverschämte Person bezeichnet hatte.

Zu Fritsch sagte sie: »Telefon für Sie, Herr Doktor.«

 

Der Chefarzt
content001.xhtml
content002.xhtml
content003.xhtml
content004.xhtml
content005.xhtml
content006.xhtml
content007.xhtml
content008.xhtml
content009.xhtml
content010.xhtml
content011.xhtml
content012.xhtml
content013.xhtml
content014.xhtml
content015.xhtml
content016.xhtml
content017.xhtml
content018.xhtml
content019.xhtml
content020.xhtml
content021.xhtml
content022.xhtml
content023.xhtml
content024.xhtml
content025.xhtml
content026.xhtml
content027.xhtml
content028.xhtml
content029.xhtml
content030.xhtml
content031.xhtml
content032.xhtml
content033.xhtml
content034.xhtml
content035.xhtml
content036.xhtml
content037.xhtml
content038.xhtml
content039.xhtml
content040.xhtml
content041.xhtml
content042.xhtml
content043.xhtml
content044.xhtml
content045.xhtml
content046.xhtml
content047.xhtml
content048.xhtml
content049.xhtml
content050.xhtml
content051.xhtml
content052.xhtml
content053.xhtml
content054.xhtml
content055.xhtml
content056.xhtml
content057.xhtml
content058.xhtml
content059.xhtml
content060.xhtml
content061.xhtml
content062.xhtml
content063.xhtml
content064.xhtml
content065.xhtml
content066.xhtml
content067.xhtml
content068.xhtml
content069.xhtml
content070.xhtml
content071.xhtml
content072.xhtml
content073.xhtml
content074.xhtml
content075.xhtml
content076.xhtml
content077.xhtml
content078.xhtml
content079.xhtml
content080.xhtml
content081.xhtml
content082.xhtml
content083.xhtml
content084.xhtml
content085.xhtml
content086.xhtml
content087.xhtml
content088.xhtml
content089.xhtml
content090.xhtml
content091.xhtml
content092.xhtml
content093.xhtml
content094.xhtml
content095.xhtml
content096.xhtml
content097.xhtml
content098.xhtml
content099.xhtml