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An diesem Tag beendete Bertram seine Visite auf der Frauenstation vorzeitig. Er begab sich gleich auf sein Zimmer. Kaum angekommen, stellte seine Sekretärin ein Ferngespräch mit einem ihm befreundeten Landrat namens Weber durch. Es ging um die Wahl des Chefarztes der inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses, das Weber unterstand. Der aussichtsreichste Kandidat war Bertrams Schützling, einer seiner Oberärzte.
»Es sind Schwierigkeiten aufgetaucht.« Webers dünne Stimme ließ ein unpassendes Kichern vernehmen. »Der Kreistag neigt mehr zum Gegenkandidaten, die Liberalen machen sich für ihn stark. Ob wir die Mehrheit …«
»Sag das nicht«, entgegnete Bertram gereizt, »du hast's mir versprochen.«
»Der Kreisausschuß läßt mich im Stich«, gab der Landrat kleinlaut zu. Beide Kandidaten waren achtbare Persönlichkeiten, Oberärzte an führenden Universitätskliniken, und beide katholisch. Sie hatten eine fast gleich lange Liste wissenschaftlicher Publikationen vorzuweisen, nur politisch waren sie anderer Couleur, und darauf kam es an. Bertram überlegte. Er kannte die Menschen in dieser Gegend. Was wäre hier wichtig?
»Nehmen wir an«, unterbrach er den immer noch sprechenden Landrat, »dieser Herr hätte Familienschwierigkeiten, er würde in Scheidung leben. Das läßt eine Menge häßlicher Dinge aufkommen, nicht wahr? Werden deine Leute gewillt sein, so einen zu nehmen?«
»Das weniger«, stimmte Weber zu, »damit läßt sich einiges anfangen. Nur ist der Kerl gut verheiratet. Seine Frau ist auf dem Damm. Sie weicht ihm nicht von der Seite.«
»Darauf kommt es nicht an.« Bertrams Stimme klang kühl. »Wichtig ist nur, was die Leute glauben.« Die Stille am anderen Ende dauerte eine Weile.
»Verstehe.« Webers Stimme klang entgeistert. »Wir werden es jedenfalls versuchen.«
»Nicht zu früh.« Widerwillig fuhr Bertram fort: »Man soll es unmittelbar vor der Abstimmung anbringen …«
Die Wahl wurde zugunsten seines Kandidaten entschieden, mit zwei Stimmen Mehrheit.