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»Verehrte Gräfin, vor einer Woche starb meine Frau. Ihre Erkrankung war lang und qualvoll, die Ärzte waren machtlos. Sie versuchte bis zuletzt, Haltung zu bewahren. Ich habe nicht gewußt, daß ein Mensch so lautlos leiden kann. Drei Wochen bevor sie starb, mußte man sie wegen des starken Geruchs in ein Einzelzimmer verlegen. Sie bat mich, sie nicht mehr zu besuchen. Sie wollte nicht, daß ich sie so in meiner Erinnerung behalte. Ich möchte Ihnen weitere Einzelheiten ersparen.
Eine Frage, für die ich nach wie vor keine Erklärung finde, ist Dr. Bertrams Verhalten Violet gegenüber. Er hat sie völlig ignoriert. Er hat sie nie besucht, obwohl sie in seiner Klinik starb. All die Monate ihrer Erkrankung hatte Violet ihr unerschütterliches Vertrauen in ihn gesetzt. Sie war fest davon überzeugt, er würde sie retten, sobald er aus Amerika zurückkäme. Sie glaubte ihn dort, obwohl er schon hier war. Gottlob blieb ihr diese Enttäuschung erspart. Ich versuche, seine Haltung zu verstehen, schließlich verlor er Ihre Tochter Karen auf ähnliche Weise wie ich meine Frau. Bitte fassen Sie diesen Brief nicht als einen Vorwurf auf. Es gibt Tage, an denen manche Erinnerungen durch ihre Intensität uns besonders wichtig erscheinen. Ich wünschte, Violet hätte ein Kind hinterlassen, so bleibt mir nur die Erinnerung. Wie lange wird sie noch reichen?«