Montag, 14. April 2008

Flughafen Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Um 4.30 Uhr bringen meine Tochter Peggy, mein Sohn Tim und seine Freundin Maike mich und Ruddi, meinen 5,2 kg schweren schwarzen Mischlingsrüden, zum Flughafen in Düsseldorf. Alle drei sind nur für mich so früh am Morgen aufgestanden. Peggy und Tim haben sich sogar frei genommen. Maike fängt heute erst um zehn Uhr an zu arbeiten und ist bestimmt schon müde, bevor sie überhaupt begonnen hat. Am Flughafen geht alles sehr schnell, fast zu schnell. Ich möchte gerne noch einen Kaffee mit meinen Kindern und Maike trinken, aber die Zeit bleibt nicht. Wir verabschieden uns kurz, aber innig und ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Ist das Angst oder Ungewissheit vor dem, was in den nächsten fünfeinhalb Wochen auf mich zu kommt?

Ich heiße Birgit, bin 51 Jahre alt und habe noch nie einen Urlaub dieser Art gemacht. Ich werde 5 ½ Wochen unterwegs sein, um insgesamt 784 Kilometer von Saint Jean Pied de Port bis nach Santiago de Compostela zu laufen. Nichts, außer den Flügen, ist organisiert. Ich möchte ungebunden jeden Tag auf dem Jakobsweg genau so weit laufen, wie meine Füße mich tragen und dann in einem Hotel, einer Pension oder einer Herberge zu Abend essen und übernachten. Kein Stress, keine heimatlichen Probleme, keine Verabredungen - keine Ablenkung eben auf „meinem Weg“.

Ich habe meine Familie, Freunde und Arbeitskolleginnen gebeten, nicht anzurufen, solange ich auf dem Camino Francés unterwegs bin. Ich habe auch angekündigt, dass ich mich lediglich einmal bei ihnen melden werde; nur um Entwarnung zu geben, wenn ich in Saint Jean Pied de Port angekommen bin. Meine Eltern bitten darum, dass ich zumindest jeden dritten Tag kurz anrufe, damit sie wissen, dass alles okay ist. Ich kann sie zwar verstehen, aber ich verspreche nichts. Mein Handy ist ja für den Notfall bei mir, hauptsächlich jedoch um damit zu fotografieren und eventuell Videos zu machen.

Ist es richtig, Ruddi mitzunehmen? Ich dürfte ihn auch bei meinen Eltern lassen. Wird er es schaffen, jeden Tag um die 25 Kilometer zu laufen? Ich weiß nicht einmal, ob ich das kann - bei Wind und Wetter? Mögen die Spanier ihn und gewähren uns Unterkunft? Was ist, wenn ich ihn die meiste Zeit tragen muss? Meine Mutter hat gesagt: „Wenn du musst, dann hast du auch die Kraft dafür.“ Na ja, ich meine: allein der Rucksack hat gute neun Kilo, ohne Wasserflasche, Shampoo, Hundefutter und -tasche. Na prost Mahlzeit! Da sind wir schon bei 13 Kilo. Ruddi könnte ich in einem liebevoll selbst gestrickten Baumwollnetz, das vorne am Rucksack mit Karabinerhaken befestigt wird, tragen.

Ich fliege um 6.25 Uhr von Düsseldorf nach Paris. Um 10.15 Uhr geht es weiter nach Biarritz. Die beiden Flüge sind pünktlich und angenehm. Ruddi liegt in seiner „Trixi“-Tasche zwischen meinen Füßen und es ist ihm quasi wurscht, dass wir starten, fliegen und landen. Der Hund ist acht Jahre alt, vorher noch nie geflogen und ist die Gelassenheit selbst.

In Biarritz nehme ich eine Stunde nach der Landung den Bus Richtung Bayonne. Die Fahrt dauert zirka eine Stunde und ist französisch wild. Der Busfahrer ist sehr gut gelaunt und temperamentvoll. Nachdem ich bei den ersten drei Haltestellen aufspringe und etwas panisch frage, ob ich aussteigen muss, macht er mir klar, dass er Bescheid sagt, wenn es soweit ist. Es ist dann ungefähr die zweihundertfünfzigste Haltestelle.

In Bayonne kaufe ich für mich und Ruddi die Tickets für den „Bummelzug“ nach Saint Jean Pied de Port. Ich muss zwei lange Stunden warten. Die Gegend rund um den Bahnhof lädt nicht gerade zum Spaziergang ein, deshalb bleibe ich an Ort und Stelle und bewege mich ungeduldig auf ungefähr 100 Metern Vorplatz hin und her. Ich halte Ausschau nach Pilgerkollegen und entdecke entzückt drei oder vier dieser Art. Schön! Dann bin ich also nicht die einzige auf dem Jakobsweg. Im Zug komme ich aus dem Staunen allerdings gar nicht mehr heraus, als dieser sich mit mindestens 50 Pilgern füllt. „Wo waren die die ganze Zeit?!“ Die Bahnfahrt ist mehr als gemütlich - es ist in der Tat ein Bummelzug.

Eineinviertel Stunden fährt der Zug die 56 Kilometer durch eine reizvolle Landschaft ständig an einem Fluss entlang. Langsam wird der Strom wilder, was auf Steigungen hindeutet. Wir kommen den Pyrenäen immer näher. Schafe und Kühe grasen auf den zahlreichen Weiden. Ab und zu sehe ich ein kleines Dorf, bestehend aus vier oder fünf Häusern. Vor jedem Tunnel pfeift der Zug. Ruddi liegt auf seiner hellblauen Decke total relaxed auf dem Sitz mir gegenüber. Der tut so, als wäre er mehrmals in der Woche mit der Bahn unterwegs. Als der Schaffner die Tickets kontrolliert nimmt er das dösende Tier erst mal gar nicht wahr. Er schaut fragend zwischen dem Fahrschein für einen Hund und mir hin und her. Als ich auf Ruddi zeige, muss er lächeln. Ich habe diese Fahrt sehr genossen.

5 1/2 Wochen
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