39. Starkey

In der bedrückenden Enge des verlassenen Bergwerks, in dem sich die Storche verstecken, tritt Starkey gegen dunkle Felswände. Er tritt gegen verrottende Pfosten. Er tritt gegen alles, was ihm in die Quere kommt, weil er unbedingt etwas kaputtmachen will. Nach all der Mühe, nach den Gefahren, die er auf sich genommen hat, wurde ihm doch tatsächlich der Sieg gestohlen und Connor Lassiter zugesprochen!

»Du bringst noch die ganze verdammte Mine zum Einsturz, wenn du so weitermachst«, schreit Bam ihn an. Alle anderen sind so klug, sich tiefer in das Bergwerk zurückzuziehen und Abstand zu halten, doch Bam muss sich dauernd einmischen.

»Soll sie doch einstürzen!«

»Und uns alle begraben – damit würdest du deinen Zielen wohl näher kommen, was? Die vielen Storche, die du angeblich retten willst, lebendig begraben. Echt schlau, Starkey.«

Aus Trotz tritt er noch einmal gegen einen Stützpfeiler. Der Pfosten bebt, und eine Staubdusche rieselt auf die beiden herab. Das reicht, um Starkey Einhalt zu gebieten.

»Du hast es doch gehört!«, brüllt er. »Dauernd geht es nur um den Flüchtling aus Akron.« Starkeys Bild müssten sie in den Nachrichten bringen. Er sollte derjenige sein, mit dem sich die Profiler beschäftigen. Vor der Tür seiner Familie müssten die Journalisten ihre Zelte aufschlagen und herumschnüffeln, was für ein Leben er geführt hat, ehe seine Familie ihn zur Umwandlung freigegeben hat. »Ich mach die ganze Arbeit, und der heimst die Lorbeeren ein.«

»Du nennst das Lorbeeren, aber da draußen heißt das Schuld. Du solltest wirklich froh sein, dass sie nach dem Blutbad jemand anders suchen!«

Starkey dreht sich zu ihr um, würde sie am liebsten packen und schütteln, damit sie wieder zur Vernunft kommt, aber Bam ist größer als er, stärker, und sie würde sich wehren. Wie würde es für die anderen aussehen, wenn sie ihn womöglich niederstreckte? Da haut er ihr doch lieber nur Worte um die Ohren.

»Glaub doch diese Märchen nicht! Dafür bist du doch viel zu schlau. Was wir gemacht haben, war eine Befreiung! Wir haben fast vierhundert Wandler befreit und mehr als hundert Storche dazugewonnen.«

»Dabei sind aber mehr als zwanzig Kids umgekommen. Und wir wissen nicht einmal, wie viele betäubt wurden und dageblieben sind.«

»Das ging eben nicht anders!«

Als er in den niedrigen Gang späht, der von Lampen schwach erhellt wird, sieht er ein paar Kids lauschen. Er würde sie am liebsten anschreien, aber er beherrscht sich. Stattdessen senkt er die Stimme, so dass nur Bam ihn hören kann.

»Wir sind im Krieg«, ruft er ihr in Erinnerung. »Im Krieg gibt es immer Opfer.« Er sieht sie mit stahlhartem Blick an, damit sie nachgibt, doch sie sieht nicht weg. Aber sie widerspricht auch nicht. Er legt ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Sie lässt es geschehen.

»Wir dürfen nicht vergessen, dass unser Plan funktioniert hat, Bam.«

Nun fügt sie sich endlich und wendet den Blick ab. »Das Tal war ziemlich isoliert«, sagt sie. »Die Kids, die durch das Tor abgehauen sind, mussten einen langen Weg zurücklegen. Ich weiß nicht, ob du die neuesten Nachrichten gehört hast. Fast die Hälfte von ihnen wurde wieder eingefangen.«

Lächelnd streicht er mit der Hand von ihrer Schulter zur Wange. »Das heißt, die Hälfte hat es geschafft. Das Glas ist halb voll, Bam. Das müssen wir allen in Erinnerung rufen. Du bist meine Stellvertreterin, du musst dich auf das Positive konzentrieren, nicht auf das Negative. Glaubst du, du schaffst das?«

Bam zögert. Dann lässt sie die Schultern hängen und nickt widerstrebend. Er hat es nicht anders erwartet.

»Gut. Genau das mag ich an dir, Bam. Du stellst mich zur Rede, das sollst du auch. Aber am Ende siegt für dich immer die Vernunft.«

Bevor sie geht, stellt sie ihm aber noch eine Frage: »Wo wird das enden, Starkey?«

Sein Lächeln wird breiter. »Ich sehe kein Ende. Das ist ja das Schöne daran!«