4. Filialleiter
Sie sind einfach eine Landplage, die die Welt von innen heraus verrotten lässt. Klatscher! Verdammte Klatscher! Überall. Eine Landplage.
Der Filialleiter des 7-Eleven-Supermarkts am Palm Desert Drive hat in seinen Nachtschichten meistens nicht viel mehr zu tun, als über den Zustand seines fortgeschrittenen Lebens nachzudenken, über die moderne Welt und die Boulevardblätter, die außer über Aliens und tote Berühmtheiten am liebsten über Klatscher-Massaker berichten. Mord und Totschlag auf dem Leseniveau eines Fünftklässler zur vergnüglichen Unterhaltung. Hier wird ein Bürogebäude dem Erdboden gleichgemacht, dort ein Restaurant in die Luft gejagt. Der letzte Klatscher-Angriff galt einem verdammten Fitnessstudio, Herrgott nochmal. Sie marschierten einfach in die Gerätehalle ohne auch nur guten Tag zu sagen – und bumm! Die armen Typen, die dort trainierten, hatten keine Chance. Bleigewichten, die wie Schrapnells durch die Gegend fliegen, entkommt man nicht.
Um 2:15 Uhr schlurft ein Kunde herein und kauft einen Energydrink und eine Packung Kaugummi. Eine zwielichtige Gestalt. Andererseits sehen alle, die um diese Uhrzeit in einem 7-Eleven am Straßenrand auftauchen, ein bisschen fragwürdig aus und haben eine Geschichte, die man lieber nicht hören will.
Der Mann bemerkt, dass der Filialleiter Zeitung liest. »Verrückt, was? Klatscher. Woher die wohl kommen?«
»Ich weiß, wohin sie gehen«, antwortet der Filialleiter. »Man sollte alle Klatscher und Flüchtlinge und Streuner in ein Flugzeug packen und es abstürzen lassen.«
Er hatte erwartet, auf Verständnis zu stoßen, aber der Kunde schaut ihn schockiert an. »Alle, was? Ist nicht erst vor zwei Wochen ein Flugzeug voller flüchtiger Wandler in den Saltonsee gestürzt?«
»Die wären wir schon mal los. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen und hätte es mit eigenen Augen gesehen.« Ein unbehagliches Schweigen breitet sich aus. »Das macht fünf Dollar fünfundsechzig.«
Der Kunde bezahlt, wirft dem Filialleiter jedoch einen frostigen Blick zu, als er sein gesamtes Wechselgeld in die Spendenbüchse der Ausreißerhilfe steckt, die auffällig gewordene Teenager wieder ins Lot bringt, bevor jemand ihnen eine Umwandlungsverfügung an den wertlosen Hals hängen kann. Der Filialleiter verachtet diese Bewegung, aber das Aufstellen der Spendenbüchse ist Konzernpolitik.
Der Kunde verlässt den Laden, und der Filialleiter hat ein neues Thema, über das er vor sich hin schimpfen kann. Verdammtes Mitgefühl. Viel zu viele wollen keinen harten Kurs gegen die Wandler fahren. Natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder einen Arsch voll Gesetzesinitiativen. Sollen wir X Milliarden zurückstellen, um neue Ernte-Camps zu bauen? Ja oder nein? Sollen wir das teilweise Umwandeln und das langsame, sequentielle Zerteilen erlauben? Ja oder nein? Sogar die Verfassungsmäßigkeit des U-17-Gesetzes steht auf dem Prüfstand.
Aber da Befürworter und Gegner der Umwandlung in der Bevölkerung gleichmäßig verteilt sind, kommt alles auf den großen Teil der dreißig Prozent an, die entweder keine Meinung haben oder sich nicht trauen, sie zu äußern. »Die breite Masse der Wischiwaschi«, nennt der Filialleiter all diejenigen, die zu schwach sind, Farbe zu bekennen. Wenn die Gletscherumarmer und die Streunerversteher die vernünftigen Menschen an Zahl übertreffen, könnte die kompromisslose Wandler-Gesetzgebung ausgehebelt werden. Und was dann?
Um 2:29 Uhr kauft eine Frau mit mehr Tränensäcken unter den Augen als Koffern in ihrem überladenen Auto Chips und zückt eine medizinische Tabakerlaubnis für ein Päckchen Camel.
»Schönen Tag noch«, sagt er, als sie den Laden verlässt.
»Dafür ist es zu spät.«
Ihre Volkswagen-Rostlaube fährt mit einer Fehlzündung davon und spuckt dicken blauen Rauch aus, den der Filialleiter drinnen noch riecht. Manche Leute sollten schon aus Umweltschutzgründen umgewandelt werden. Er muss kichern. Umweltschutz – wer ist jetzt hier der Gletscherumarmer?
Die Nacht ist ungewöhnlich ruhig. Nur Grillen und gelegentlich ein vorbeifahrendes Auto. Normalerweise genießt er es, wenn der Laden leer ist, aber heute Nacht liegt Spannung in der Luft. Da das Bauchgefühl in der Nachtschicht die wichtigste Sicherheitsmaßnahme ist, schaut der Filialleiter, ob unter der Theke seine abgesägte Flinte liegt. Eigentlich darf er sie nicht haben, aber ein Mann muss sich ja verteidigen können.
Um 3:02 Uhr fallen die Streuner wie aus dem Nichts in den 7-Eleven ein. Dutzende strömen durch die Tür und verteilen sich wie eine Wolke von Heuschrecken in den Gängen, wo sie die Regale leeren. Der Filialleiter greift nach seiner Flinte, aber bevor er sie zu fassen bekommt, richtet sich ein Gewehr auf sein Gesicht, dann noch eines und noch eines. Drei Jugendliche visieren ruhig ihr Ziel an.
»Die Hände dahin, wo ich sie sehen kann«, sagt ein großgewachsenes Mädchen mit kurzen Haaren und kräftigen Schultern. Sie sieht so aus, als wäre sie hart genug, ihm bedenkenlos das Hirn aus dem Kopf zu pusten. Dennoch sagt er: »Scher dich zum Teufel!«
Sie lächelt. »Sei ein braver kleiner Bastard und tu, was man dir sagt. Dann lebst du morgen vielleicht noch und kannst wieder Chips verkaufen.«
Widerstrebend hebt er die Hände und schaut zu, wie die Kids rein und raus strömen und Müllsäcke mit allem füllen, was sie zwischen die Finger bekommen. Alle Getränke aus dem Kühlregal, die Snacks aus den Regalen und sogar die Toilettenartikel. Dann wird ihm auf einmal klar, wer diese Kids sind: Die Überlebenden aus dem Flugzeug, das in den Saltonsee gestürzt ist!
Ein Jugendlicher schlendert mit unangenehm überheblichem Gehabe herein. Offensichtlich hat er das Sagen. Er ist nicht groß, aber muskulös mit einem Schopf roter Haare, die an den Wurzeln viel dunkler sind. Außerdem hat er irgendwas an der linken Hand. Sie ist mit vielen Lagen Verbandmull bandagiert, als ob er sie in einer Autotür eingeklemmt hätte oder schlimmer. Er kommt zur Theke und begrüßt den Filialleiter mit einem Lächeln.
»Lassen Sie sich nicht stören«, sagt er aufgeräumt. »Wir sind gleich wieder weg. Aber Ihr Laden liegt so praktisch direkt an der Straße, dass wir einfach reinkommen mussten.«
Der Filialleiter würde ihm am liebsten ins Gesicht spucken, wenn er damit nicht sein Leben riskiert hätte.
»Jetzt kommt der Augenblick, in dem ich Sie bitte, die Kasse zu öffnen, und Sie zeigen auf das Schild, auf dem steht: ›Die Kasse enthält nicht mehr als 20 Dollar Wechselgeld‹. Ich will aber, dass Sie sie trotzdem öffnen.«
Der Filialleiter zieht die Schublade auf und zeigt, dass der Satz auf dem Schild korrekt ist. »Siehst du? Das ganze Geld geht in die Geldkassette, und für die habe ich keinen Schlüssel, du Arsch.«
Der Junge ist unbeeindruckt. »Ihre Art erinnert mich an unseren Piloten. Wenn Sie ihn besuchen mögen – er liegt auf dem Grund des Saltonsees.«
Der Anführer greift in die Kasse und nimmt ein Zehncentstück heraus. Dann schnappt er sich ein paar Rubbellose, legt sie auf die Theke und rubbelt mit seiner gesunden Hand die silberfarbenen Kästchen frei. Währenddessen zielen die drei anderen mit ihren Waffen auf das Gesicht des Filialleiters. Hinter ihnen wimmelt es von Kindern und Jugendlichen, die ihre Plünderung unermüdlich fortsetzen und alles in ihren gierigen, dünnen Armen wegtragen.
»Sieh mal an!«, sagt der Anführer. »Ich habe fünf Dollar gewonnen!« Er schnippt das Siegerlos in Richtung des Filialleiters. »Kannst es behalten«, sagt er. »Kauf dir was Schönes.«
Dann verlässt er, gefolgt von seiner Brut, den Laden. Nur das Mädchen mit dem Gewehr bleibt, bis alle anderen weg sind. Dann geht sie rückwärts hinaus und hält die Mündung auf den Filialleiter gerichtet, bis sie durch die Tür ist. Kaum ist sie weg, schnappt er sein Gewehr und stürmt nach draußen. Er schießt auf die zurückweichenden Schatten in der Dunkelheit, aber keiner geht zu Boden. Er war nicht schnell genug. Er schreit hinter ihnen her, flucht und schwört, dass er sie kriegt. Doch dazu wird es nicht kommen, und das ärgert ihn umso mehr.
Er dreht sich um und will zurück in den Laden gehen, bleibt aber dann mit starrem Blick stehen: Es ist praktisch nichts mehr da. Der Laden wurde nicht einfach nur ausgeraubt, sondern komplett geleert. Von allem, was nicht niet- und nagelfest war. Sie haben sich hindurchgefressen wie die Piranhas.
Dort auf dem Boden liegt die Spendenbüchse der Ausreißerhilfe, die hinter die Theke gefallen ist. Zur Hölle damit. Der Filialleiter greift hinein und steckt den gesamten Inhalt in seine Tasche. Die Ausreißer, die damit gerettet werden sollen, verdienen dieses Geld nicht mehr als diese flüchtigen Wandler, und er will verdammt sein, wenn sie irgendwas davon bekommen. Schließt sie weg und zerteilt sie. Sie sollen der Gesellschaft lieber in Teilen dienen, als sie im Ganzen zerstören.
Sollen wir der Jugendbehörde mehr Macht geben? Ja oder nein? Keine Frage, wo der Filialleiter sein Kreuzchen macht.