61. Cam

Das ändert alles.

Dass Risa nun plötzlich mitten im Geschehen ist, zwingt Cam, seine Ziele neu abzustecken. Und auch die Methoden, mit denen er sie erreichen will. Da er selbst auf der Flucht war, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit Connor zusammenzuarbeiten. Es war eine Frage des Überlebens. Obwohl er tief in seinem Herzen weiß, dass Connor ein Feind ist, kann Cam doch immer nur einen Feind auf einmal haben, und im Moment heißt dieser Feind Proaktives Bürgerforum.

Cam muss zugeben, dass Connor für ihn ebenso faszinierend wie verhasst ist. Anders als Una brachte er ihm Mitgefühl, ja Mitleid entgegen. An dem Tag in der Schwitzhütte rettete Connor ihm wahrscheinlich das Leben. Cam hätte das an seiner Stelle nicht getan. Für ihn war Connor daher ein interessantes Studienobjekt.

Von dem Moment an lautete der Plan, Connor näher kennenzulernen und mit seiner Hilfe das Proaktive Bürgerforum zu zerstören. Wenn Roberta und ihre arroganten Kumpane erst besiegt waren, würde Cam Connor gut genug kennen und könnte auch ihn außer Gefecht setzen. Das Podest, auf das Risa den Flüchtling aus Akron gestellt hatte, musste Cam erst genau untersuchen, ehe er es zum Einsturz bringen konnte, damit Connor Lassiter in Risas Augen nichts Besonderes mehr wäre.

Aber jetzt ist Risa hier, und Cam kommt sich vor wie ein Gorilla, der sich auf die Brust trommeln muss, um ihre Zuneigung zu gewinnen. Läuft es darauf hinaus? Primitive Balzrituale, leicht verfeinert, der Zivilisation angepasst? Mag sein, aber Cam ist in der menschlichen Evolution einen Schritt weiter. Ein Verbundwesen. Er vertraut darauf, dass sein innerer Trupp Connor in jeder Hinsicht in den Schatten stellen kann. Nur, warum muss das gerade jetzt sein?

Sonia bringt die drei nicht zu den flüchtigen Wandlern in den Keller.

»Die würden den hier glatt in der Luft zerfetzen.« Sie deutet mit dem Daumen auf Cam, als wollte sie trampen.

»Über Anwesende in der dritten Person zu reden, ist unhöflich«, erklärt Cam kühl.

»Ach ja?«, sagt Connor. »Wenn du aus hundert Leuten bestehst, ist die dritte Person dann nicht ein Kompliment?«

Cam will es Connor gerade mit einer scharfen Bemerkung heimzahlen, da bemerkt er Risas Blick und überlegt es sich anders. Sie darf ihn ruhig als Inbegriff der Selbstkontrolle erleben.

Sonia betrachtet Connor nachdenklich. »Du willst bestimmt auch nicht in den Keller, wo dich alle anstarren. Wahrscheinlich hast du für den Rest deines Lebens die Nase voll von der Heldenverehrung.«

»Ich nicht«, fällt Grace ein. Sie muss sich wie eine Sterbliche unter Göttern vorkommen.

»Betrachte das als Glück«, erwidert Sonia. »Heutzutage sind die Chancen, dass du vielleicht auch noch andere Zeiten erleben kannst, umso höher, je weniger man dich beachtet.«

»Gut gesagt!«, lobt Cam, doch Sonia sieht ihn nur finster an.

»Dich hat niemand gefragt.«

Sonia führt sie zurück in die Gasse zu einem alten SUV, der schon lange nicht mehr gewaschen worden ist, und scheucht sie ins Auto. Cam würde alles darum geben, neben Risa zu sitzen, doch Grace drängelt sich sofort neben sie auf den Rücksitz. Risa schaut Cam kurz an und lächelt schmallippig, als wollte sie sagen: »Vielleicht beim nächsten Mal.« Er kann sie überhaupt nicht durchschauen. Er weiß nicht, ob sie erleichtert ist, dass Grace neben ihr sitzt, oder enttäuscht. Dann sieht er Connor an, dem es egal zu sein scheint, wo er landet. Scheint. Das ist bei Connor das Schlüsselwort. Er kann extrem gut verbergen, was in dem verwirrenden Raum zwischen seinen Ohren vor sich geht.

Cam, der als Letzter einsteigt, will gerade um das Auto herum zum Beifahrersitz gehen, doch das lässt Sonia nicht zu. »Hinten wirst du nicht so leicht gesehen, da sind die Fenster dunkler. Und außerdem lenkt dein ›Multikulti‹-Gesicht eine alte Frau nur vom Fahren ab.« So bleibt der Beifahrersitz leer, und Cam quetscht sich neben Connor.

»Wo fahren wir denn hin?«, fragt Connor.

Risa antwortet grinsend: »Du wirst schon sehen.«

Cam weiß nicht, ob es genau dasselbe Grinsen ist, das sie ihm vor wenigen Sekunden geschenkt hat, oder ob mehr Wärme darin liegt. Diese Ungewissheit hält er kaum aus, sie bringt seine Nähte zum Jucken. Das ist natürlich nur eine somatische Reaktion, doch das Jucken wird dadurch nicht erträglicher. Das unausgesprochene und unklare Verhältnis zwischen Risa und Connor treibt Cam in den Wahnsinn.

Sonia legt beim Fahren die routinierte Vorsicht der Seniorin an den Tag, schafft es aber, jedes Schlagloch und jede Bodenwelle mitzunehmen. Bei den Flüchen, die sie ausstößt, würde ein Kesselflicker vor Neid erblassen. Fünf Minuten später fährt sie in die Auffahrt eines bescheidenen zweistöckigen Hauses.

»Hast du sie vorgewarnt?«, fragt Risa.

Sonia schaltet mit einem energischen Ruck auf die Parkposition. »Ich warne nicht vor«, sagt Sonia. »Ich handle.«

Cam fragt sich, ob Roberta auch so wird, wenn sie erst lang genug gelebt hat. Der Gedanke jagt ihm einen unerwünschten Schauer über den Rücken.

Als alle ausgestiegen sind, führt Sonia sie rasch zu einem unauffälligen Gartentor, an dem bereits ein Shih Tzu bellt und auch nicht so aussieht, als wollte er in nächster Zeit Ruhe geben. »Wir leben in einer Welt der Hintertüren«, erklärt Sonia, »also bewegt euren Hintern, ehe die Nachbarn neugierig werden.« Sonia öffnet das Tor, ohne den Hund zu beachten, der im verzweifelten Versuch, sein Revier zu verteidigen, einem Eindringling nach dem anderen in die Waden kneift.

»Eines Tages«, sagt Sonia, während sie durch den Garten vorangeht, »werfe ich diesen Köter den Krokodilen zum Fraß vor.« Auf Grace’ besorgten Blick hin versichert ihr Risa, dass Sonia es nicht so meint.

Da der Garten mit einem hohen Holzzaun umgeben ist, kann die Hintertür nicht so leicht eingesehen werden wie die Haustür vorn. Sonia klopft laut und dann ungeduldig gleich noch einmal. Schließlich öffnet eine Frau die Tür. Sie sieht aus wie Mitte vierzig und trägt ein Kleinkind in einem Minnie-Mouse-Kleid auf dem Arm. Gestorcht, vermutet Cam. Menschen mittleren Alters finden heutzutage dauernd Babys vor der Tür.

»Um Himmels willen. Was ist denn jetzt los?«, fragt die Frau.

Beim Anblick des Kleinkindes bleibt Connor die Luft weg. »Didi?«, fragt er.

Das kleine Mädchen scheint ihn nicht zu erkennen, doch die Frau, die es im Arm hat, ist gleichermaßen erfreut und erstaunt, Connor zu sehen. »Ich habe ihren Namen in Dierdre geändert.«

»Also, ich nenne sie immer noch Didi«, sagt Risa. »Hannah kennst du noch, oder?« Risa will Connor offenbar die Peinlichkeit ersparen, sich nicht an den Namen der Frau zu erinnern.

Als Hannah Cam sieht, wird sie bleich. Cam kann nicht widerstehen, zu sagen: »Süßes oder Saures?«, obwohl es bis Halloween noch lange hin ist.

Hannah stellt Dierdre auf den Boden und sagt ihr, sie möge ins Haus laufen und spielen, was die Kleine bereitwillig tut. Der Shih Tzu, der noch immer nicht aufhören kann zu bellen, folgt ihr gerade so weit, dass er die Schwelle zwischen Küche und Esszimmer im Blick behält.

»Du steckst voller Überraschungen, Sonia.« Hannah lässt Cam nicht aus den Augen. Dann bittet sie alle ins Haus, damit sie nicht doch noch die Nachbarn neugierig machen. Cam findet es im Haus ein bisschen zu warm, aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass es draußen bedeckt und kühl ist.

»Tagsüber helfe ich Sonia«, sagt Risa, »aber Hannah war so nett, mich in den letzten Wochen hier schlafen zu lassen.« Nun, da alle sicher im Haus sind, stellt sie Hannah Grace und Cam vor, Cam als »den einzig wahren Camus Comprix«.

»Gehören Sie zur AUF?«, fragt Cam, als er ihr die Hand schüttelt.

Hannah beäugt ihn mit demselben Misstrauen wie alle Menschen, das heißt, alle, die ihm nicht zu Füßen liegen. »Nein. Ich habe nie für die Anti-Umwandlungs-Front gearbeitet. Ich bin nur eine engagierte Bürgerin.« Dann wendet sie sich an Sonia. »Wir sollten reden. Allein.«

Hannah zieht Sonia mit ins Nebenzimmer, wirft aber noch einen Blick zurück und sagt zu Risa: »Behalte bitte Dierdre im Auge. Ihr anderen, macht es euch bequem«, fügt sie noch hinzu. »Aber nicht zu bequem.«

Risa, vorübergehend Gastgeberin, führt die anderen ins Wohnzimmer, dessen Boden mit dem typischen quietschbunten Kleinkinderspielzeug übersät ist. Dierdre ignoriert den Besuch und wirft mit Plastikbausteinen, die ihr der Hund, offenbar nicht mehr an der Revierverteidigung interessiert, zurückbringt.

Im Wohnzimmer hängen viele Uhren. Hannah scheint sie zu sammeln. Jede zeigt eine andere Uhrzeit an, und bis auf eine Uhr läuft keine einzige. Cam kann das Ticken dieser Uhr hören, aber nicht feststellen, wo es herkommt. Wie passend, denkt er, dass im Haus einer Wandler-Sympathisantin die Zeit im Mittelpunkt steht, die Zeitmesser aber alle nicht zusammenpassen.

Risa zieht die Vorhänge zu, während sie sich auf eine Warteschleife einrichten, bis das Gipfeltreffen von Sonia und Hannah eine Entscheidung über den nächsten Schritt bringt. »Also«, sagt Risa mit einer Unbeholfenheit, die sonst gar nicht ihre Art ist, »da sind wir.«

»Hic sunt dracones«, sagt Cam, der selber nicht genau weiß, was er damit meint: »Hier sind Drachen.« Er weiß nur, dass es irgendwie zutrifft. Risa hat offenbar noch nicht verarbeitet, dass er und Connor da sind. Sie fragt ja nicht einmal danach, wie sie sich eigentlich begegnet sind.

Sie verteilen sich auf eine Couchgarnitur und die beiden Sessel und bemühen sich um Gelassenheit in dieser peinlichen Situation. Grace ist die Einzige, die noch nicht sitzt. Sie schlendert durch den Raum, anscheinend immun gegen die Anspannung, betrachtet Fotos und Nippes an der Wand und greift schließlich in ein Bonbonglas hoch auf einem Regalbrett, zu hoch für Dierdre.

Cam wünschte, er könnte auch nur einen Teil in sich finden, der sich so viel Unschuld bewahrt hat. Nicht einmal die Zehntopfer, die in ihm wohnen, sind so naiv, sich in Hannahs bequemem Wohnzimmer sicher zu fühlen. In ihren Erinnerungen verbirgt sich immerhin eine gewisse Überheblichkeit, an die sich Cam nun klammert, mit der er sich bei Risa allerdings nicht sonderlich beliebt macht.

»Hannah ist die Lehrerin, die Connor und mich vor den JuPos gerettet hat, als wir das erste Mal auf der Flucht waren«, erklärt Risa.

»O«, erwidert Cam schwach. »Gut zu wissen.« Risas Worte unterstreichen nur noch einmal die Gemeinsamkeiten zwischen Connor und ihr. Cam will davon nichts hören.

Grace, die sich für ihre Unterhaltung nicht zu interessieren scheint, breitet ihren Süßigkeitenschatz auf dem Couchtisch aus. Das Glas im Regal ist noch halb gefüllt. Der Anblick der bunten Bonbons erregt in Cam eine seltsame Wut. »Entscheidungsangst« nennt er das. »Des einen Freud …«, murmelt er, und als er merkt, dass die anderen ihn gehört haben, erklärt er: »Die Vorliebe für einen Geschmack legen nicht nur die Geschmacksknospen fest. Mein innerer Trupp kann sich bei Bonbons und solchen Sachen nie entscheiden. Ein Teil von mir liebt grünen Apfel, ein anderer Traube. Einer hat eine besondere Vorliebe für Pfirsichgeschmack – den es nicht einmal mehr gibt –, und wieder ein anderer findet Bonbons einfach nur scheußlich.« Mit einem Seufzen fügt er hinzu: »Büfetts sind der Fluch meines Daseins.«

Connor starrt ihn mit seinem ausdruckslosen Zombieblick an, den er bestimmt gut einstudiert hat. »Du redest, als würde das jemanden interessieren.«

Risa schenkt Cam wieder ihr schmales Lächeln. »Wie kann sich jemand für die Tiefen deiner Psyche interessieren, Cam, der sich nicht mal mit der eigenen auskennt?« Es klingt wie ein Seitenhieb, doch dann tätschelt sie sanft Connors Hand und verwandelt so die spitze Bemerkung in spielerischen Spott.

»Warum suchst du mir nicht ein Bonbon aus?«, fragt Cam in dem Versuch, Risa auch ein bisschen zu necken, doch sie weicht ihm aus: »Nachdem Roberta keine Mühen gescheut hat, dir solche schönen Zähne zu besorgen, willst du sie doch bestimmt nicht ruinieren.«

»Ich hab auch Lieblingssorten, aber für die Reihenfolge ist das egal«, erklärt Grace. Sie deutet auf die ordentlich in Reih und Glied angeordneten Bonbons und beendet das Thema mit dem Hinweis: »Ich esse sie in alphabetischer Reihenfolge.«

Cam beschließt, dem Gedächtnisfetzen zu folgen, laut dem er keine Bonbons mag, und verzichtet.

»Wie geht es deinen Freunden vom Proaktiven Bürgerforum?«, fragt Risa vorsichtig.

»Das sind genauso wenig meine Freunde wie deine«, erwidert er. Er will gerade sagen, dass er das Rampenlicht verlassen hat, um ihr zu helfen, doch Connor stiehlt ihm die Schau.

»Camus hat mir vernichtende Beweise gezeigt, die wir gegen sie verwenden können.«

Cam bereut, dass er Connor eingeweiht hat. Hätte er gewusst, dass er hier in Akron Risa gegenüberstehen würde, hätte er alles für sie aufgehoben. Nun ärgert er sich, dass Connor überhaupt davon weiß.

»Und es gibt noch mehr«, sagt Cam, dann, zu Risa gewandt: »Wir können uns später unterhalten.«

Connor rutscht unbehaglich auf dem Sofa hin und her und betrachtet die Bilder an der Wand. »Ich schätze, Hannah ist geschieden oder seit kurzem verwitwet. Auf einigen Fotos ist sie mit einem Mann zu sehen, auch auf einem mit Dierdre, aber Hannah trägt keinen Ehering.«

»Eindeutig verwitwet«, sagt Grace, ohne von ihrer Bonbonsammlung aufzublicken. »Vom Ex hebt man keine Bilder auf.«

Connor zuckt die Schultern. »Jedenfalls scheint sie Dierdre aufzuziehen wie ihre Tochter.«

»Das stimmt«, sagt Risa. »Es war gut, dass wir sie bei Hannah gelassen haben. Nicht, dass wir viele Möglichkeiten gehabt hätten.«

Die Richtung, die das Gespräch nimmt, ist Cam unangenehm. »Wessen Kind ist das eigentlich?«

Connor grinst Cam an und legt Risa die Hand aufs Knie. »Unseres«, sagt er. »Hast du das nicht gewusst?«

Im ersten Moment glaubt ihm Cam, denn er vermutet, dass Risa viele Geheimnisse hat, die es noch zu lüften gilt. Sein Mut sinkt, bis Risa Connors Hand wegschiebt.

»Sie war ein gestorchtes Baby, das Connor von einer Türschwelle mitgenommen hat«, erklärt Risa. »Wir haben uns eine kurze Zeit um sie gekümmert. Dann hat sich Hannah erboten, uns die Kleine abzunehmen, ehe wir in das nächste Geheimversteck gebracht wurden.«

»Und war die Mutterschaft eine interessante Erfahrung für dich?« Cam ist so erleichtert, dass ihn der Gedanke amüsiert.

»Ja«, sagt Risa, »aber ich muss sie nicht unbedingt so schnell wiederholen.« Dann steht sie auf und entfernt sich von Cam und Connor. »Ich schau mal nach, was im Kühlschrank ist. Ihr habt bestimmt Hunger.«

Als sie weg ist, verändert sich Connors Haltung ein wenig. Er wirkt grüblerisch, düster wie der graue Himmel draußen. »Lass die Finger von ihr, ist das klar? Du wirst ihr nicht noch mehr Kummer bereiten.«

»Ah, Shakespeares ›grüngeäugtes Scheusal‹«, sagt Cam. »Sie hat mir ja schon von deiner Eifersucht erzählt, aber du bist halt doch nur ein ziemlich blasser Othello.«

»Ich zerlege dich mit bloßen Händen wieder in deine Einzelteile, wenn du sie nicht in Ruhe lässt.«

Das bringt Cam nun wirklich zum Lachen. »Deine stumpfe Angeberei wird dir eines Tages noch den Hals brechen. So viel Arroganz und nichts dahinter.«

»Arroganz? Du bist doch hier der eitle Pfau. Auch wenn du dich mit fremden Federn schmückst.«

Es ist, als hätten die beiden endlich das Schwert zum Duell gezogen. Grace blickt von ihren Bonbons auf, und sogar Dierdre und der Hund scheinen vom anderen Ende des Raums zuzuhören. Wie soll Cam reagieren? Die hitzigen Mitglieder seines Trupps würden am liebsten zuschlagen, doch er zügelt sie. Dass er aus der Haut fährt, ist genau das, was Connor will, denn damit kann er umgehen. Aber Cam wird ihm den Gefallen nicht tun.

»Dass ich dir in körperlicher, intellektueller und kreativer Hinsicht überlegen bin, hat mit Arroganz oder Eitelkeit nichts zu tun. Es ist einfach so.« Cam zwingt sich zu einem ruhigen Tonfall. »Ich bin der Bessere von uns beiden, weil ich dafür gemacht wurde. Für das, was ich habe, kann ich genauso wenig wie du für das, was du nicht hast.«

Sie starren einander an, bis Connor einen Rückzieher macht. »Wenn du dich um Risa prügeln willst, gern, aber nicht jetzt. Im Moment müssen wir alle Freunde sein.«

»Verbündete müssen keine Freunde sein«, wirft Grace ein. »Nehmt nur den Zweiten Weltkrieg. Ohne die Russen hätten wir den nicht gewonnen, dabei haben wir sie gehasst wie die Pest.«

»Hast schon recht«, sagt Cam, einmal mehr beeindruckt von Grace’ überraschender Weisheit. »Für den Moment ist Risa tabu. Entmilitarisierte Zone.«

»Du bringst da was durcheinander«, sagt Grace. »Die entmilitarisierte Zone, das ist in Korea.«

»Risa ist ein Mensch, keine Zone«, sagt Connor. Dann beendet er die Auseinandersetzung, indem er zu Dierdre geht und mit ihr spielt.

»Vergiss nicht«, sagt Cam zu Grace und denkt an die Dokumentarfilme, die sie im Motel so fasziniert angesehen hat, »dass die USA und Russland sich nach dem Zweiten Weltkrieg fast mit ihren Atomwaffen gegenseitig in die Luft gesprengt hätten.«

»Ich vergesse gar nichts«, sagt Grace und wendet sich wieder ihren Bonbons zu. »Wenn ihr beiden loslegt, suche ich mir lieber einen Luftschutzbunker.«