34. Una

Das Klopfen an der Ladentür ist so leise, dass Una es über das Brutzeln ihres Steaks fast nicht hört. Sie hat das Fleisch gerade erst in die Pfanne gelegt. Nun geht sie die Treppe von der Wohnung in die Gitarrenwerkstatt hinunter, wo sie einst ihre Ausbildung gemacht hat und die sie nun leitet. Auf dem Weg durch die Werkstatt piken ihr die Holzspäne in die nackten Füße. Sie geht weiter durch den Ausstellungsraum, wo selbstgebaute Gitarren an der Decke hängen wie Rinderhälften.

Vor der Tür steht Pivane mit Lev, Connor und Grace. Una wartet auf eine Erklärung, ehe sie die vier ins Haus bittet.

»Es ist etwas passiert«, sagt Pivane. »Wir brauchen deine Hilfe.«

»Natürlich.« Sie öffnet die Tür und lässt sie herein.

Sie führt sie in die Werkstatt, und als alle auf ihren Hockern sitzen, erklärt ihr Pivane, was geschehen ist. »Wir brauchen eine sichere Unterkunft«, erklärt er ihr.

»Es wird nicht für lange sein«, sagt Connor, obwohl er bestimmt keine Ahnung hat, wie lange es dauern wird. Das weiß schließlich niemand.

»Bitte, Una.« Pivane sieht sie eindringlich an. »Tu unserer Familie diesen Gefallen.«

»Ja, sicher.« Una bemüht sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Aber wenn der, der auf euch geschossen hat, weiß, dass sie hier sind …«

»Ich glaube nicht, dass es noch mehr Schüsse geben wird«, sagt Pivane. »Aber für alle Fälle hältst du besser dein Gewehr bereit.«

»Das versteht sich von selbst.«

»Ich bin froh, dass ich es dir gegeben habe«, sagt Pivane. »Wenn es ihrem Schutz dient, dient es einem guten Zweck.«

Pivane steht auf. »Ich komme morgen wieder, mit Vorräten, Nahrung und allem, was sie brauchen können. Wenn Chal bei den Hopi Erfolg hat und die Jugendbehörde auf eine falsche Fährte lockt, können sie schon bald das Reservat verlassen und ihre Reise fortsetzen.«

Una fällt auf, dass Lev bei dem Vorschlag unruhig hin und her rutscht.

»Ich glaube«, Pivane sieht ihr wieder ernst in die Augen, »hier sind sie am sichersten. Siehst du das auch so?«

Una hält seinem Blick stand. »Vielleicht hast du recht.«

Zufrieden steht Pivane auf. Als er die Ladentür öffnet, läutet die Türglocke. Una schließt hinter ihm ab und führt ihre Gäste nach oben.

Ihr Steak ist verbrannt, und Rauch erfüllt die Küche. Fluchend stellt sie die Platte ab, macht die Dampfabzugshaube an, stellt die Pfanne ins Waschbecken und lässt Wasser darüber laufen. Der Appetit ist ihr sowieso vergangen.

»Cajun-Schwarzsteak heißt das bei meinem Bruder«, sagt Grace.

Die kleine Wohnung hat zwei Schlafzimmer. Una bietet Grace ihr Zimmer an, die aber besteht darauf, auf dem Sofa zu schlafen. »Je weniger ich mich hin und her werfen kann, desto besser schlafe ich«, erklärt sie. Sie legt sich hin und beginnt auf der Stelle zu schnarchen. Una deckt sie zu und sucht auch Decken für die Jungs heraus. »Im Gästezimmer steht ein Bett, und ich habe noch eine Matratze.«

»Ich nehme die Matratze«, sagt Connor schnell. »Lev kann das Bett haben.«

»Nichts dagegen«, sagt Lev.

Una fällt auf, dass Connor eins von Wils Hemden anhat. Dass er es so ungeniert trägt, macht sie wütend. Er müsste sich bei jeder Faser einzeln entschuldigen. Er müsste sich bei ihr entschuldigen. Aber das wird ihm Una nicht unter die Nase reiben. Sie sagt nur: »Das Hemd füllst du nicht so ganz aus, was?«

Connor schenkt ihr ein versöhnliches Lächeln, das aber bei weitem nicht versöhnlich genug ist. »Mir blieb nichts anderes übrig, wenn man die Umstände bedenkt.«

»Ja, die Umstände«, wiederholt sie. Sie hat erwartet, dass er versuchen würde, sie zu umgarnen, sich vielleicht an sie heranzumachen, denn für so einen hält sie ihn. Als er es nicht tut, ist sie fast enttäuscht. Sie fragt sich, wann das angefangen hat, seit wann sie nach Gründen sucht, jemanden nicht zu mögen. Aber die Antwort kennt sie ja schon. Es begann an dem Tag, an dem sie Wils Gitarre auf den Scheiterhaufen legte und zusah, wie das Instrument an seiner Stelle verbrannte.

Sie gibt den beiden ihre Bettsachen, holt ihr Gewehr und lehnt es an die Wand neben der Treppe. »Solange ihr hier seid, seid ihr sicher.«

»Danke, Una«, sagt Lev.

»Es ist mir ein Vergnügen, kleiner Bruder.«

Bei diesen Worten huscht ein spöttisches Grinsen über Connors Gesicht. Una ist es egal. Soll er grinsen. Dieser Außenseiter.