Dreiunddreißig

Unweit von Ararat

2675

 

 

Scorpio hatte gehofft, sich nun etwas ausruhen zu können. Aber die Tage unmittelbar nach Antoinettes Abreise waren nicht weniger anstrengend als die Zeit davor. Er schlief kaum, sah Shuttles und Schlepper an- und ablegen und überwachte die Abfertigung neu eintreffender Flüchtlinge und das Kommen und Gehen von Remontoires technischem Personal.

Er fühlte sich überfordert und fürchtete stets, im nächsten Atemzug aufgeben zu müssen. Dennoch machte er weiter. Antoinettes Zuspruch und seine eigene sture Entschlossenheit, in Gegenwart der Menschen nicht die leiseste Schwäche zu zeigen, hielten ihn aufrecht. Mit der Zeit wurde es schwierig. Er gewann mehr und mehr den Eindruck, sie verfügten über eine Energie, die ihm fehlte; sie wären der Erschöpfung, dem völligen Zusammenbruch niemals so nahe wie er. In jüngeren Jahren war das anders gewesen. Damals hatte er die Kraft einer Lokomotive an den Tag gelegt, nicht aufzuhalten, nicht nur stärker als die Menschen, die zu seinem Gefolge gehörten, sondern auch stärker als viele von den Hyperschweinen. Er war so töricht gewesen, sich einzubilden, dies würde sein Leben lang so bleiben, er könnte diesen Vorsprung immer halten. Wann die Menschen mit ihm gleichgezogen hatten, war ihm nicht aufgefallen; es mochte Monate oder gar Jahre her sein, aber jetzt war er ganz sicher, dass sie ihn überholt hatten. Kurzfristig konnte er immer noch jene ungezügelte Wildheit mobilisieren, die ihnen abging, aber was nützte ihm jetzt die spontane Brutalität des Schlägers? Hier waren zähes Durchhalten, kalkulierter Krafteinsatz auf Sparflamme und Geistesgegenwart gefragt. Die Menschen waren geistig beweglicher und weniger anfällig dafür, Fehler zu begehen. Er fragte sich, ob ihnen das klar war. Im Augenblick vielleicht noch nicht, denn er bemühte sich sehr, seine angeborenen Defizite zu kompensieren. Aber früher oder später würde die Anstrengung ihren Tribut fordern, und dann würde man seine Ausfallerscheinungen bemerken. Viele Menschen – die Verbündeten, von denen Antoinette gesprochen hatte – würden sich alle Mühe geben, seine schwindenden Fähigkeiten zu ignorieren und seine Fehler zu entschuldigen. Aber auch das konnte nicht endlos weitergehen. Irgendwann würden seine Feinde diesen schleichenden Abbau bemerken und seine Schwäche gegen ihn verwenden. Er wusste nicht, ob er die Kraft fände, sich zurückzuziehen, bevor es allzu offensichtlich wurde. Er wollte auch nicht darüber nachdenken, denn die Frage rührte zu schmerzlich an den Kern dessen, was er war und was er niemals sein konnte.

Antoinette hatte ihm nicht wehtun wollen, als sie die Zeit auf Ararat als ›gute Jahre‹ bezeichnete. Sie hatte es ehrlich gemeint, und dreiundzwanzig Jahre waren für jeden ein ansehnlicher Teil des Lebens. Aber Antoinette war ein Mensch. Gewiss, sie hatte keinen Zugang zu all den lebensverlängernden Maßnahmen, die noch zweihundert Jahre zuvor selbstverständlich gewesen waren. Davon profitierte heute niemand mehr. Doch Antoinette war immer noch in der besseren Position. Die Gene, die sie geerbt hatte, waren viele Jahrhunderte zuvor dahingehend manipuliert worden, dass man die häufigsten Todesursachen ausgemerzt hatte. Dadurch war ihre Lebenserwartung etwa doppelt so hoch als ohne diese Veränderungen an ihren Vorfahren. Ein Alter von einhundertfünfzig Jahren war nicht unerreichbar. Mit viel Glück konnten es sogar zweihundert Jahre werden. Vielleicht erlebte sie sogar die Wiederauferstehung jener anderen Art von lebensverlängernder Medizin, die seit der Schmelzseuche so knapp geworden war, und konnte davon profitieren. Das war in Anbetracht der Umstände zwar eher unwahrscheinlich, aber es bestand immerhin eine schwache Chance, ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Scorpio war jetzt fünfzig. Wenn alles gut ging, konnte er sechzig werden. Er hatte noch nie von einem Hyperschwein gehört, das länger als fünfundsiebzig Jahre gelebt hätte, und das älteste Schwein, das er selbst kennen gelernt hatte, war einundsiebzig gewesen. Es war ein Jahr später innerhalb von wenigen Monaten von einer Kombination von Krankheiten dahingerafft worden, die in seinem Körper wie Zeitbomben getickt hatten.

Selbst wenn er durch einen glücklichen Zufall eine medizinische Einrichtung fände, die noch über die alten Verjüngungs- und Lebensverlängerungstherapien verfügte, wären sie für ihn nutzlos, weil sie allzu genau auf die menschliche Biochemie zugeschnitten waren. Er wusste vom Hörensagen, dass Schweine entsprechende Versuche unternommen hatten, die aber samt und sonders erfolglos geblieben waren. Oft genug waren die Patienten an tödlichen iatrogenen Nebenwirkungen der Therapien vorzeitig gestorben.

Das war also keine Alternative. Eigentlich blieb ihm nichts anderes übrig, als in zehn bis fünfzehn Jahren zu sterben. Im günstigsten Fall war es erst in zwanzig Jahren so weit. Aber auch das wäre weniger als die Zeit, die er auf Ararat verbracht hatte.

»Für mich war es die Hälfte meines Lebens«, hatte er gesagt. Aber sie hatte ihn wohl nicht richtig verstanden. Er hatte nicht nur die Hälfte des Lebens bis zu diesem Moment gemeint, sondern die Hälfte der Lebensspanne, auf die er insgesamt hoffen konnte. Die ersten zwanzig Jahre zählten ohnehin kaum. Sein Leben hatte erst in dem Augenblick begonnen, als er den Laser auf seine Schulter richtete und den grünen Skorpion zu Narbengewebe verbrannte. Die Menschen pflegten für Jahrzehnte zu planen. Er dachte in Jahren und verließ sich auch dabei auf nichts.

Die Frage war, ob er den Mut hatte, sich das einzugestehen? Wenn er jetzt abträte und deutlich machte, dass der Grund sein genetisches Erbe war – die Aussicht auf einen frühen Tod, die untrennbar mit dem Schweinedasein verbunden war –, würde ihm das niemand verübeln. Man würde ihn verstehen und mit ihm fühlen. Aber vielleicht war es ein Fehler, die Macht nur deshalb abzugeben, weil er den Schatten des Todes spürte? Noch war dieser Schatten schwach. Wahrscheinlich war er der Einzige, der ihn überhaupt wahrnahm. War es nicht feige, jetzt aufzugeben, wenn man sich noch fünf oder zehn Jahre lang nützlich machen konnte? Ararat und seine Flüchtlinge konnten sicherlich mehr von ihm erwarten. Er mochte gewalttätig, halsstarrig, unerschütterlich loyal sein – aber ein Feigling war er nie gewesen.

Aura kam ihm in den Sinn, und plötzlich war es wie eine Erleuchtung: Man würde ihr folgen. Dieses Kind verkündete Dinge, die es selbst nicht begriff. In gewissem Sinne hatte es bereits tausende von Menschenleben gerettet, indem es Scorpio von einem Angriff zurückhielt, als die Schieber versuchten, die Unendlichkeit aus der Gefahrenzone um Lager eins zu entfernen. Aura hatte gewusst, was richtig war.

Noch war sie klein und lag in ihrem durchsichtigen Brutkasten, aber sie wuchs von Tag zu Tag. Wie mochte sie in zehn Jahren aussehen? Es fiel ihm schwer, so weit vorausdenken zu müssen. Er tat es trotzdem und hatte eine Vision. Ein Mädchen, über seine Jahre hinausgereift, mit einem Gesichtsausdruck irgendwo zwischen heiterer Gewissheit und der Starre des Eiferers, von keinem Zweifel angekränkelt. Für menschliche Begriffe wäre sie schön, und sie würde viele Verehrer haben. Er sah sie in Skades Rüstung – so wie sie gewesen war, als sie Skade in dem zerstörten Schiff fanden, die Chamäleo-Panzerung unwiderruflich an das Weiß des Eises angepasst.

Vielleicht hatte sie Recht, dachte er. Vielleicht wusste sie genau, was zu tun war, um gegen die Unterdrücker etwas auszurichten. Er konnte nur hoffen, dass sie den hohen Preis auch rechtfertigen würde, den man bereits für sie bezahlt hatte. Und wenn sie sich irrte? Oder wenn sie eine Waffe wäre, die man ihnen unterschoben hatte? Wenn sie lediglich die Aufgabe hätte, sie alle mit größter Raffinesse ins Verderben zu führen?

Daran glaubte er nicht wirklich. Sonst hätte er sie und vielleicht auch sich selbst schon längst getötet. Aber der Verdacht war nicht gänzlich ausgeräumt. Selbst wenn sie unschuldig wäre, könnte sie sich irren. Und das wäre in mancher Hinsicht sogar noch gefährlicher.

Vasko Malinin war bereits von ihr überzeugt, und etliche von den Ältesten wohl ebenfalls. Andere verhielten sich vorerst neutral, mochten sich aber in den kommenden Tagen auf die eine oder andere Seite schlagen. Das Mädchen würde sicherlich eine schier unwiderstehliche Anziehungskraft ausstrahlen, und dafür sollte es ein Gegengewicht geben, jemanden, der stumpf und fantasielos war und mit religiösem Fanatismus und Kreuzzugsbegeisterung nichts anfangen konnte. Er durfte noch nicht abtreten. Vielleicht verkürzte er damit seine Lebenserwartung noch weiter, aber er musste da sein – in irgendeiner Funktion. Nicht unbedingt als Auras Widersacher, aber als ihr Widerpart. Und wenn es zur Konfrontation mit ihr oder einem ihrer Anhänger käme (die sich in seiner Vision hinter dem Mädchen in der weißen Rüstung zusammenscharten), wäre seine Entscheidung noch mehr gerechtfertigt.

Scorpio kannte sich: Wenn er erst eine Entscheidung getroffen hatte, dann stand sie auch. Darin war er Clavain sehr ähnlich. Clavain war der bessere Stratege gewesen, doch letzten Endes – als er im Eisberg dem Tod ins Auge sah – war sein Leben doch nur eine Serie von Entscheidungen gewesen, an denen er hartnäckig festgehalten hatte.

Es war nicht die schlechteste Art zu leben, dachte Scorpio.

 

»Bist du damit einverstanden?«, fragte Remontoire.

Er und Scorpio saßen allein in einer Inspektionskapsel, einer belüfteten Kabine, die mit Spinnenbeinen an der glatten Wand des beschleunigenden Raumschiffes hing. Unter ihnen wurden die Weltraumgeschütze ausgeladen – aus einer Andockluke mit einem Rahmen aus wirbelknochenförmigen Elementen. Das Manöver wäre unter allen Umständen schwierig gewesen, doch jetzt entfernte sich die Sehnsucht nach Unendlichkeit auf einem Kurs, den Remontoire und seine Projektionen vorgegeben hatten, immer weiter von Ararat, und man musste mit noch größerer Umsicht zu Werke gehen.

»Ich bin zufrieden«, sagte Scorpio. »Ich hatte mit mehr Widerstand von deiner Seite gerechnet, Rem. Du wolltest alle diese Waffen haben. Und ich habe mich geweigert. Bist du jetzt nicht sauer auf mich?«

»Sauer, Scorp?« Auf dem Gesicht des Synthetikers erschien ein wissendes Lächeln. Remontoire hatte Tee in einer Flasche mitgebracht und goss ihn nun in winzige Glasbecher. »Wieso denn? Das Risiko ist gerecht verteilt. Eure Überlebenschancen haben sich – jedenfalls nach unseren Hochrechnungen – wesentlich verschlechtert. Das finde ich natürlich bedauerlich, aber ich kann verstehen, dass du nicht bereit warst, mir alle Geschütze auszuhändigen. Das hätte ein Übermaß an Vertrauen erfordert.«

»Vertrauen habe ich nicht im Angebot«, sagte Scorpio.

»Es wäre natürlich möglich, dass die Weltraumgeschütze auf lange Sicht gar nicht so viel ausrichten können. Ich wollte das nicht früher sagen, um unsere Partner nicht zu entmutigen, aber Tatsache bleibt, dass unsere Prognosen eventuell zu optimistisch sind. Als Ilia Volyova mit der Sturmvogel vor Delta Pavonis ins Herz der Wolfsmaschinen flog, zeigten ihre Weltraumgeschütze herzlich wenig Wirkung.«

»Soweit wir wissen. Vielleicht konnte sie die Wölfe zumindest etwas aufhalten.«

»Oder sie hat die Geschütze nicht so effektiv eingesetzt, wie es möglich wäre – sie war schließlich todkrank –, vielleicht waren es auch nicht die stärksten Waffen im Arsenal. Wir werden es nie erfahren.«

»Was ist mit den anderen Waffen?«, fragte Scorpio. »Ich meine diejenigen, die zurzeit für uns hergestellt werden?«

»Die hypometrischen Geschütze? Sie haben sich als sehr nützlich erwiesen. Du hast miterlebt, wie die Wolfsmaschinen, die sich um dein Shuttle und die Sehnsucht nach Unendlichkeit konzentriert hatten, vertrieben wurden. Auch die Wolfsmassen, die euch auf Ararat angreifen wollten, habe ich mit einer hypometrischen Waffe vertrieben.«

Scorpio nahm den kleinen Becher – er war kaum größer als ein Fingerhut – in seine plumpen Finger und trank einen Schluck Tee. Dabei fürchtete er jeden Moment, das Glas zu zerbrechen. »Sind das die Waffen, die ihr nach Auras Anweisungen gebaut habt?«

»Ja.«

»Und ihr wisst noch immer nicht genau, wie sie funktionieren?«

»Sagen wir lieber, die Theorie hinkt ein wenig hinter der Praxis her.«

»Schön. Selbst wenn du es wüsstest, ich würde es sowieso nicht verstehen. Aber etwas fällt mir dazu doch noch ein. Wenn das Zeug so wirksam ist, warum verwenden es die Wölfe dann nicht auch gegen uns?«

»Auch das wissen wir nicht«, gab Remontoire zu.

»Findest du das nicht beunruhigend? Könnte es nicht sein, dass die neue Technologie Spätfolgen haben könnte, von denen ihr noch nichts ahnt?«

Remontoire zog eine Augenbraue in die Höhe. »Scorpio macht sich Gedanken um die Zukunft! Wo soll das noch hinführen?«

»Die Frage ist berechtigt.«

»Zugegeben. Ja, unter anderem mache ich mir auch darüber Gedanken. Aber wenn ich zu wählen habe zwischen Ausrottung jetzt und irgendwelchen späteren Problemen… nun, da fällt mir die Entscheidung nicht schwer.« Remontoire hob sein Teeglas. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit verzerrte sein Auge zu riesenhafter Größe. »Außerdem gibt es noch eine andere Möglichkeit. Ich kann nicht ausschließen, dass die Wölfe diese Technologie gar nicht haben.«

Durch ein messingberingtes Bullauge sah Scorpio vor der Inspektionskapsel ein Weltraumgeschütz auftauchen. Die Waffe – grüngolden glänzend, mit künstlerisch gestalteten Randblenden, die an ein altes Radio oder einen Filmprojektor erinnerten – saß auf einem Schlitten mit vielen Steuerdüsen, der seinerseits von vier Schleppern aus den Replikatoren der Synthetiker gezogen wurde.

»Und woher soll die Technologie dann gekommen sein?«

»Von den Toten. Aus dem Kollektivgedächtnis jener zahllosen ausgestorbenen Zivilisationen, die in der Neutronenmatrix des Hadescomputers gespeichert sind. Sie konnte diesen ausgestorbenen Spezies natürlich nicht mehr helfen; vielleicht können auch die anderen Technologien, die wir von Aura bekommen haben, unsere Zukunft nicht beeinflussen. Aber sie könnten mitgeholfen haben, die Entwicklung zu verzögern. Vielleicht brauchen wir ja nur Zeit. Wenn es da draußen noch etwas gibt – etwas, das noch wichtiger und mächtiger ist als die Wölfe –, dann brauchen wir Zeit, um es zu finden.«

»Du denkst an Hela, nicht wahr?«

»Bist du nicht neugierig, Scorpio? Möchtest du nicht hinfliegen und nachsehen, was dort zu finden ist?«

»Wir haben nachgeschlagen, Rem. Hela ist eine Eiskugel, bewohnt von einer Horde religiöser Irrer, die sich mit dem verseuchten Blut eines Indoktrinationsvirusträgers ihren Kick holen.«

»Aber man spricht von Wundern.«

»Ein Planet, der einfach verschwindet. Aber bisher konnte das noch niemand, dem man zutrauen würde, eine Druckanzugdichtung zu reparieren, tatsächlich beobachten.«

»Dann fliegt hin und seht es euch an. Das System heißt Eins-Null-Sieben Piscium. Angeblich haben es die Unterdrücker noch nicht erreicht.«

»Danke für die Information.«

»Die Entscheidung liegt bei dir, Scorpio. Auras Empfehlung kennst du bereits, aber du brauchst ihr ja nicht zu folgen.«

»Das werde ich auch nicht.«

»Eines solltest du trotzdem bedenken: Eins-Null-Sieben Piscium ist ein abgelegenes System. Wir haben allenfalls lückenhafte Berichte von Wolfsübergriffen in den von Menschen besiedelten Raum, aber eines ist sicher: Wenn die Wölfe einrücken, werden die Kernkolonien – die Welten im Umkreis von vielleicht einem Dutzend Lichtjahre von der Erde – als Erste fallen. Die Wölfe gehen immer so vor: Sie machen das Zentrum ausfindig, greifen es an und zerstören es. Dann schießen sie die Satellitenkolonien ab, und erst danach kommen all jene an die Reihe, die in die Tiefen der Galaxis zu fliehen versuchen.«

Scorpio zuckte die Achseln. »Man ist also nirgendwo sicher.«

»Nein. Aber du trägst eine große Verantwortung – siebzehntausend Individuen sind dir anvertraut –, und unter diesen Umständen wäre es weitaus ratsamer, nach außen zu fliegen als zurück zu den Kernwelten. Ich ahne allerdings, dass du das anders siehst.«

»Ich habe zu Hause noch etwas zu erledigen«, erklärte Scorpio.

»Mit zu Hause meinst du nicht Ararat?«

»Ich meine Yellowstone. Ich meine den Rostgürtel. Ich meine Chasm City und den Mulch.«

Remontoire trank sein Glas so säuberlich wie eine Katze bis auf den letzten Tropfen leer. »Ich kann verstehen, dass du dich an diese Welt noch immer emotional gebunden fühlst, aber du solltest die Gefahren einer Rückkehr dorthin nicht unterschätzen Falls die Wölfe bereits Informationen über uns gesammelt haben, werden sie bald herausfinden, dass Yellowstone eines der wichtigen Zentren ist. Es wird auf ihrer Liste ganz oben stehen. Vielleicht sind sie sogar schon dort und bauen einen Sänger wie damals vor Delta Pavonis.«

»In diesem Fall warten eine Menge Leute darauf, dass man sie herausholt.«

»Du kannst niemals so viele retten, dass ein solches Risiko gerechtfertigt wäre«, mahnte Remontoire.

»Ich kann es versuchen.« Scorpio zeigte auf das riesige Schiff vor dem Bullauge. »Die Unendlichkeit hat damals auf Resurgam einhundertsechzigtausend Menschen aufgenommen. Ich mag kein großer Mathematiker sein, aber im Moment haben wir nur siebzehntausend an Bord, das heißt, wir haben noch Kapazitäten frei.«

»Du setzt das Leben all derer aufs Spiel, die du bereits retten konntest.«

»Ich weiß«, gab das Schwein zurück.

»Du vergeudest den Vorsprung, den wir dir in den nächsten Tagen verschaffen, wenn wir die Maschinen ablenken.«

»Ich weiß«, wiederholte Scorpio.

»Und du gefährdest dein eigenes Leben.«

»Auch das ist mir klar, und es ändert nichts an meinem Entschluss, Rem. Je mehr du mich davon abzubringen suchst, desto sicherer werde ich, dass ich es tun muss.«

»Vorausgesetzt, du bekommst die Zustimmung der Ältesten.«

»Wenn sie nicht zustimmen, müssen sie mich absetzen. Sie haben die Wahl.«

»Du musst auch das Schiff überzeugen.«

»Ich werde eine höfliche Bitte äußern«, sagte Scorpio.

Die Schlepper hatten das Weltraumgeschütz in sichere Entfernung vom Schiff gebracht. Scorpio wartete darauf, dass die Haupttriebwerke ansprängen und Plasma in Form von grellen Lichtspeeren ausstießen, aber die Waffe und ihr Schlitten entfernten sich wie von unsichtbarer Hand gezogen.

»Ich teile deine Meinung nicht«, sagte Remontoire, »aber ich respektiere sie. Du erinnerst mich in mancher Hinsicht an Nevil.«

Scorpio musste an Remontoires lächerlich kurze ›Trauerphase‹ denken. »Ich dachte, du wärst über seinen Tod hinweg.«

»Keiner von uns ist darüber hinweg«, sagte Remontoire knapp. Er deutete auf die Teeflasche. Seine Miene hellte sich auf. »Noch etwas Tee, Mr. Pink?«

Scorpio wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah in das freundliche Gesicht und zuckte die Achseln. »Wenn es keine Umstände macht, Mr. Clock.«

Offenbarung
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