Sechs
Ararat
2675
Vasko half Clavain beim Packen. Scorpio trat währenddessen vor das Zelt, zog den Ärmel über dem Armbandkommunikator zurück, stellte eine Verbindung zu Blood her und sprach leise mit dem anderen Hyperschwein.
»Ich habe ihn gefunden. Er ließ sich sehr bitten, aber jetzt ist er bereit, mit uns zu kommen.«
»Überglücklich hörst du dich gerade nicht an.«
»Clavain hat immer noch einige Probleme zu bewältigen.«
Blood schnaubte. »Klingt nicht unbedingt verheißungsvoll. Hat er denn noch alle Tassen im Schrank?«
»Ich weiß nicht. Ein oder zweimal hat er erwähnt, dass er Dinge sieht.«
»Dinge sieht?«
»Gestalten am Himmel. Das hat mir Sorgen gemacht – aber er war schließlich noch nie leicht zu durchschauen. Ich hoffe, er taut ein wenig auf, wenn er in die Zivilisation zurückkommt.«
»Und wenn nicht?«
»Ich weiß es doch auch nicht.« Scorpio rang um Geduld. »Ich gehe einfach mal davon aus, dass wir mit ihm besser dran sind als ohne ihn.«
»Na gut«, sagte Blood skeptisch. »In diesem Fall kannst du dir das Boot ersparen. Wir schicken ein Shuttle.«
Scorpio war erleichtert, aber auch verwirrt. »Warum die Sonderbehandlung?«, fragte er stirnrunzelnd. »Ich dachte, die ganze Geschichte sollte möglichst unauffällig über die Bühne gehen?«
»Stimmt, aber inzwischen gibt es eine neue Entwicklung.«
»Die Kapsel?«
»Treffer«, sagte Blood. »Sie fängt von sich aus an, sich aufzuwärmen. Die Reanimationsautomatik hat sich eingeschaltet. Vor etwa einer Stunde hat sich der Status der Bioindikatoren geändert. Wer oder was immer da drin ist, wird geweckt.«
»Na großartig. Ich bin begeistert. Und ihr könnt nichts dagegen tun?«
»Wir können mit Mühe und Not eine Abwasserpumpe reparieren, Scorp. Alles, was darüber hinausgeht, übersteigt inzwischen unsere Fähigkeiten. Clavain könnte natürlich versuchen, den Prozess zu verlangsamen…«
Mit den Synthetikerimplantaten in seinem Kopf konnte Clavain auf eine Art und Weise mit Maschinen reden wie niemand sonst auf Ararat.
»Wie lange haben wir Zeit?«
»Etwa elf Stunden.«
»Elf Stunden. Und da wartest du bis jetzt, um mir Bescheid zu sagen?«
»Ich wollte erst sehen, ob du Clavain mitbringst.«
Scorpio zog den Rüssel kraus. »Und wenn ich Nein gesagt hätte?«
Blood lachte. »Dann bekämen wir wenigstens unser Boot zurück.«
»Für ein Schwein bist du ziemlich komisch, Blood, aber Geld könntest du damit nicht verdienen.«
Scorpio unterbrach die Verbindung, ging ins Zelt zurück und verkündete, die Pläne hätten sich geändert. Vasko fragte mit kaum verhohlener Erregung nach dem Grund. Scorpio wich einer Antwort aus, aus Angst, die neuen Erkenntnisse könnten Clavain veranlassen, seine Entscheidung zurückzunehmen.
»Du kannst mitnehmen, so viel du willst«, sagte er mit einem Blick auf das Bündelchen mit persönlichen Sachen, das Clavain zusammengetragen hatte. »Wir brauchen nicht mehr zu befürchten, dass das Boot sinkt.«
Clavain hob das Bündel auf und reichte es Vasko. »Ich habe alles, was ich brauche.«
»Schön«, sagte Scorpio. »Wenn wir jemanden herschicken, um das Zelt abzubauen, werde ich dafür sorgen, dass auch alles andere mitgenommen wird.«
»Das Zelt bleibt, wo es ist.« Clavain bekam einen Hustenanfall, während er in einen dicken, bodenlangen schwarzen Mantel schlüpfte, sich mit den langen Fingernägeln das Haar aus dem Gesicht strich und es nach hinten kämmte, wo es in silbrig weißen Wellen über den hohen, steifen Kragen fiel. Als er wieder sprechen konnte, fuhr er fort: »Und meine Sachen bleiben im Zelt. Hast du mir überhaupt zugehört?«
»Ich habe alles gehört«, sagte Scorpio. »Ich wollte es nur nicht hören.«
Clavain klopfte ihm auf den Rücken. »Mach deine Ohren auf, mein Freund. Mehr will ich nicht von dir.« Er griff nach dem Umhang, den er zuvor getragen hatte, tastete ihn ab und legte ihn beiseite. Stattdessen öffnete er die Tischschublade und holte ein schwarzes Lederhalfter heraus.
»Eine Pistole?«, fragte Scorpio.
»Viel zuverlässiger«, gab Clavain zurück. »Ein Messer.«