Im Anflug auf Hela
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Quaiche war Morwenna und der Dominatrix noch so nahe, dass Gespräche in Echtzeit möglich waren. »Ich werde jetzt etwas tun, was dir nicht gefallen wird«, sagte er, »aber es ist für uns beide das Beste.«
In seinem Lautsprecher knisterte und knackte es, dann kam endlich die Antwort. »Du hast versprochen, bald wieder zu kommen.«
»Das Versprechen gilt noch immer. Ich bleibe keine Minute länger. Aber jetzt geht es nicht um mich, sondern um dich.«
»Inwiefern?«, fragte sie.
»Die Brücke ist nicht allein da unten auf Hela. Ich habe
mehrfach ein metallisches Echo aufgefangen, das nicht verschwinden will. Vielleicht – wahrscheinlich – ist es nichts, aber ich kann nicht ausschließen, dass es sich um eine Falle handelt. Ich habe so etwas schon einmal erlebt, und deshalb bin ich nervös.«
»Warum kehrst du dann nicht um?«, fragte Morwenna.
»Bedauere, aber das geht nicht. Ich muss mir diese Brücke ansehen. Wenn ich von dieser Mission nichts mit zurückbringe, verspeist mich Jasmina zum Frühstück.« Was das für Morwenna bedeutete, konnte sie sich selbst ausrechnen. Schließlich steckte sie im Ehernen Panzer, und Grelier war ihre einzige Hoffnung.
»Aber du kannst nicht einfach in eine Falle hineinlaufen«, sagte Morwenna.
»Ich mache mir eher deinetwegen Sorgen. Mich wird die Tochter beschützen, aber wenn ich etwas auslöse, schießt es womöglich auf alles, was ihm vor die Rohre kommt, die Dominatrix nicht ausgenommen.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Zunächst wollte ich dich aus dem Haldora/Hela-System wegschicken, aber das würde zu viel Zeit und Treibstoff kosten. Ich habe eine bessere Idee: Wir nützen, was wir haben. Haldora ist ein schöner dicker Schild. Der Planet sitzt nur untätig herum. Wenn er dich vor allem abschirmt, was auf Hela sein könnte, hat das verdammte Ding wenigstens einen Daseinszweck.«
Morwenna überlegte mehrere Sekunden lang, was dieser Plan für sie bedeutete. Dann begann sie aufgeregt: »Aber das heißt…«
»Richtig, wir haben keine Sichtverbindung mehr und können nicht mehr miteinander sprechen. Aber nicht für lange, nur für höchstenfalls sechs Stunden.« Den Zeitraum hatte er glücklich untergebracht, bevor sie protestieren konnte. »Ich werde die Dominatrix darauf programmieren, sechs Stunden hinter Haldora zu warten und dann auf ihre jetzige Position relativ zu Hela zurückzukehren. Das ist doch nicht so schlimm? Wenn du ein wenig schläfst, merkst du gar nicht, dass ich weg bin.«
»Tu mir das nicht an, Horris. Lass mich irgendwo, wo ich mit dir sprechen kann.«
»Es sind doch nur sechs Stunden.«
Er hörte, wie sich ihre Stimme veränderte. Sie war immer noch beunruhigt, aber sie sah immerhin ein, dass jeder Widerspruch zwecklos war. »Und wenn in dieser Zeit etwas passiert – wenn du mich brauchst oder ich dich –, können wir nicht einmal miteinander reden.«
»Nur sechs Stunden«, wiederholte er. »Ungefähr dreihundert Minuten. Das ist gar nichts. Im Handumdrehen vorbei.«
»Kannst du nicht ein paar Relaissatelliten aussetzen, damit wir Kontakt halten können?«
»Nicht gut. Ich könnte einige Passivreflektoren um Haldora stationieren, aber gerade sie könnten eine intelligente Rakete zu dir führen. Außerdem würde es zwei Stunden dauern, sie in Stellung zu bringen: Bis dahin könnte ich schon unter der Brücke sein.«
»Ich habe Angst, Horris. Tu es nicht, ich bitte dich.«
»Ich muss«, sagte er. »Ich kann nicht anders.«
»Bitte.«
»Ich fürchte, es gibt kein Zurück mehr«, antwortete Quaiche leise. »Ich habe die entsprechenden Befehle an die Dominatrix geschickt. Sie setzt sich bereits in Bewegung, Liebes. In etwa dreißig Minuten tritt sie in Haldoras Schatten ein.«
Stille. Er dachte schon, er hätte sich verrechnet, und die Verbindung sei bereits abgerissen. Doch dann sagte sie: »Wenn du schon alles entschieden hast, warum fragst du mich dann überhaupt noch?«